Lohnt sich der Aufwand ?
Ist denn eine saubere Stimmung im Cent Bereich technisch überhaupt machbar und bleibt diese auch stabil ?
Hallo Polifonico,
die Fragen sind eigentlich einfach, aber gar nicht so einfach zu beantworten, denn da spielt vieles mit eine Rolle.
Das eine sind die tatsächlichen Abweichungen und das andere sind die Auswirkungen und da dritte ist was die Stimmzunge den sonst so macht und das vierte ist, was das in der Praxis bedeutet.
Ob das Instrument genau auf der perfekten Tonhöhe abgestimmt ist oder nicht ist eigentlich gar nicht so arg wichtig - wichtig ist, ob die Abweichungen sich hörbar unangenehm bemerkbar machen. So wird vermutlich niemand sich dran stören wen zwei benachbarte Töne eine relative Abweichung von sagen wir einfach mal 10 Cent haben...Z.B. C und Cis , oder C und D. Denn die beiden Töne spielt man normal nicht zusammen und wenn schon, dann reiben sich die Töne schon von Haus aus, so dass die Missstimmung gar nicht auffällt
Anders siehts aus, wenn man Oktaven greift oder Register dazuschaltet. Dann hat man es mit dem gleichen Ton zu tun - also z.B. C - in verschiedenen Oktaven. Da hört man dann kleine Abweichungen schnell als Schwebung raus, wo keine Schwebung sein sollte. Es müsste also nciht jeder Ton genau auf "0" gestimmt werden. Weil aber durch die Registerkombinationen und Oktavgriffe, oder Akkordgriffe allgemein schnell 4, oder mehr gleiche Töne klingen und zueinander stimmen sollten, muss dann sinnvollerweise trotzdem das ganze Akkordeon möglichst sauber gestimmt sein.
Wenn jetzt ein Ton nicht mehr zu seinem Nachbarn gleichen Tons passt, dann macht sich das zuerst in einer gewissen "Reibung" im Klang bemerkbar - der klingt nicht mehr so astrein, sondern klingt irgendwie rauher. Also z.B. 2x 8´Unisono gestimmt klingt meist nicht wie 1 Ton, sondern man hört schon einen Unterschied, weil die Stimmzungen halt vom Betriebsverhalten her nie so perfekt gleich klingen. Wird die Abweigung größer, wird der Ton rauher und irgendwann bemerkt man auch eine leichte Schwebung.
Wie gesagt - es müssten eigentlich nicht benachbarte Töen perfekt zueinander abgeglichen werden - aber weil es halt soviele Kombinationen gibt, wo die Töne in anderen Kombinationen wieder zueinander einen Bezug haben , kommt man in Teufelsküche wenn man nicht konsequent alle sauber stimmt. Also muss der Stimmer schon sorgfältig und genau stimmen, sonst klingt das Gesamtergebnis einfach Sch***.
Soweit so gut ... Jetzt kommt aber noch dei Eigenheit der Stimmzungen dazu, dass die in der Regel eine gewisse Tondrift aufweisen und über den Lautstärkebereich nicht konstant bleiben. Besonders deutlich wird das beiden tiefen Tönen , die können da mitunter schon einige Cent Abweichung über den Dynamikbereich aufweisen! Das hängt von Schliffprofil der Stimmzunge ab. Und dooferweise kann es durch aus sein, dass sogar zwei identische Töne nicht die exakt gleiche Schlffkurve haben und deshalb eine Tondrift zueinander haben...Hier kannst du stimmen wie du wilslt die beiden werden über ihren Range nie exakt gleich sein!
Dieses Dilemma haben alle Stimmer irgendwie in den Griff zu bekommen und müssen schauen, wie sie einen Kompromiss finden, der für das Instrument und für den Spieler passt. Manche Stimmer stimmen deshalb bei konstantem Spieldruck meist bei 300 Pa. Der Wert deshalb, weil bei dem Spieldruck alle Piccolos bei jedem Instrument sicher kommen müssten, egal welche Qualität verbaut ist. Damit können sie dem Kunden gegenüber relativ einfach eine ordentliche solide Arbeit nachweisen , ...denn manche Kunden sind hier ziemlich diskussionsfreudig. Allerdings ist es so dass 300 Pa bei mittleren Tonhöhen schon ziemlich laut klingt und das dann wiederum wenig praxisgerecht ist, weil man meist den Spieldruck so anpasst, das die Lautstärke passt...
Egal was man macht - es bleibt einfach kompromissbehaftet und wird nie über alle Bereiche perfekt passen!
Der Stimmer versucht meist einen Kompromiss zu stimmen der in dem Bereich, den der Spieler bevorzugt spielt am besten passt, so das sich im Gesamten eine möglichst geringe Abweichung ergibt. Ich kenne es von meine Stimmern so, dass die zuerst ziemlich genau auf den Tonwert stimmen, so gut es geht. Dann alle möglichen Kombinationen durchtesten und wenn da noch Reibungen auftreten, die versuchen zu vermitteln, so dass sich insgesamt ein möglichst homogenes Bild ergibt. Es kann also durchaus sein, dass beim Nachmessen, wenn man das Instrument vom Stimmen abholt nach Messgerät durch aus Abweichungen im Bereich 1 bis 2 Cent auftauchen (bei hochwertigen Instrumenten) , die aber im normalen Spiel nicht hörbar sind.
Auf der anderen Seite ist es leider auch so, dass die Stimmzungen "arbeiten". Ich hab meinen beiden Topinstrumente mal vom Stimmer abgeholt da hat er die Stimmung komplett neu eingerichtet und feingestimmt. Es war zum weinen schön als ich das Instrument abholte... leider hält sich das nur ca. 1 bis max. 3 Wochen.. spätestens dann sind erste leichte minimale Abweichugne schon wieder feststellbar.

S ist leider so beim Akkordeon - aber mit diesen "leichten" Abweichungen hab ich dann trotzdemm ca. 2 jahre gespielt. Weils einfach so gering war, dass es im Gesamten bei normaler Benutzung keine Rolle gespielt hat.
Das waren jetzt aber Isntrumente, die wurden "nur" nachgestimmt.
Bei dir wird ja jetzt neu ventiliert und gewachst. Da gehe ich davon aus, dass in nächster Zeit noch etwas mehr "Leben" im Akkordeon sein wird. Ganz einfach deshalb weil die Ventile und der Kleber sich noch richtig "finden " müssen und eingespielt werden müssen bis die sich konstant verhalten und auch die Stimmplatten brauchen noch etwas bis sich alles im Wachsebett richtig gesetzt hat. Drum ist es durchaus normal , das hochwertige Instrumente nach so einer Prozedur nach einer gewissen Spiezeit nochmals im Feinbereich nachgestimmt werden müssen - eventuell auch zwei, dreimal.
Das alles wohlgemerkt hängt auch ein bisschen vom Instrument ab - bei Unisonostimmung ist alles insgesamt etwas heikler und muss genauer gearbeitet werden. Bei Tremolomaschinen kaschiert das Tremolo meist leichte Abweichungen, weil die das "normale" Ohr nicht einzeln raushört.
Kurz und gut: Die Stimmung muss schon genau sein - hat aber als natürlichen Gegner die Tondrift der Zungen und die natürliche Arbeit der Zungen und Ventile als Gegner. Drum muss der Stimmer in der Regel genauer arbeiten, als der Spieler das dann nutzen kann. Und perfekt in allen Lagen kann kein Akkordeon sein. man muss also auch einen gewisse Toleranzbereitschaft mitbringen und nicht auf die messgerätegenauigkeit beharren, wenn die im Spiel nicht bemerkbar ist.
In der Hinsicht ist das Akkordeon, so schön das Instrument an sich ist ein richtiges Sch*** Teil, egal ob es sich um eine Golerino, Beltoria oder Zero-Celsior handelt. Da macht es mehr Sinn mit dem Stimmer ausführlich zu reden, wie man das Instrument typischerweise spielt dass er sich ein besseres Bild davon machen kann was der Spieler braucht....Und es schadet auch nicht, wenn man zum Stimmer vertrauen mitbringt und die Toleranz nicht unnötigt hochschraubt. Deshalb hab ich im Laufe der Zeit mir auch bei den Stimmern, mit denen ich bevorzugt zusammenarbeite, geschaut, dass ich ein gutes Vertrauensverhältnis habe und auch nicht gleich den Stimmer gewechselt wenns mal nicht perfekt war. Dann habe ich mitunter Sachen bekommen, die sonst nicht gegangen wären und auf der anderen Seite auch mal fünfe grade sein lassen, wenns nicht unabdingbar wichtig war.
Nehmen und geben lassen eben ... oder hieß es geben und nehmen ???
