Diskussion: Akkordeonbau und die Handarbeit

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Hallo zusammen,

ich würde gerne eine Diskussion anstoßen, über ein Thema, welches mich schon seit längerem beschäftigt, mir aber in gewisser Weise der Sachverstand (im Musikinstrumentenbau) fehlt.

Beim Betrachten eines Akkordeons fällt mir persönlich auf, dass die Bauweise (mal abgesehen von den Stimmplatten und der Mechanik) doch recht primitiv ist. Auch habe ich des öfteren gelesen, dass damit sehr viel Handarbeit verbunden ist, was wohl unter anderem historisch bedingt ist, aber auch wahrscheinlich an der hohen Variantenvielfalt verbunden mit der nicht modularen Bauweise liegt.

Jetzt möchte ich meinen, dass gerade im Einsteigerbereich wohl höhere Stückzahlen gefordert sind, als in der Oberklasse. Der Arbeitsaufwand selber wird aber in allen Preisklassen irgendwie ähnlich sein.

Mir kommt nun der Gedanke, die Bauweise eines Akkordeons komplett umzustellen. Man könnte eine Art modulares Baukastenprinzip anstreben, was auch noch so weit fertigungsgerecht konstruiert ist, dass man das auf automatisierten Produktionsanlagen fertigen könnte. Die manuellen Montageschritte könnte man derart vereinfachen, dass dort die Kosteneffizienz auch unter höheren Personalkosten gegeben ist (aber bitte nicht an Fließbandfertigung denken, dies ist ebenfalls veraltet!).

Dies hätte den Vorteil, dass man auch direkt am Markt (konkret Mittel- und Westeuropa) kosteneffizient produzieren könnte und auch noch eine erhebliche Qualitätsteigerung erzielt, da Toleranzen kleiner gehalten werden können.

Ich denke da zum Beispiel an das Druckgussgehäuse einer Hohner Atlantic (warum wird sie nicht mehr in dieser modernen Form gebaut?). Eventuell kann man andere Werkstoffe verwenden, um den Klang an andere Geschmäcker anzupassen. So etwas könnte doch noch weiter getrieben werden.
Auch beispielsweise der Balg, wie er immer noch verwendet wird, besteht aus meiner Sicht aus eher "rusitkalen" Werkstoffen wie Pappe. Dort könnte doch mit Hilfe moderner Textilfasern und Polymeren, eventuell sogar Verbundwerkstoffen eine bessere Haltbarkeit auch unter starken Umwelteinflüssen erzielt werden (Thema "Akkordeon für aufs Boot").

Mal abgesehen davon, ob es einen Markt für solche Instrumente gibt, da unter Laien der Begriff "Handgefertigt" für besondere Qualität steht. Ich habe auch keine Erfahrung mit dem privaten Endverbrauchermarkt, da ich bisher nur mit Industriekunden zu tun hatte und dort zählen nunmal rationellere Maßstäbe.
Es sollen auch keinesfalls Instrumente wie die Weltmeister Supita II verdrängt werden, denn dies wäre Verrat am Handwerk. Nur sind am Standort Deutschland die Lebenshaltungskosten derart hoch, dass man mit standortnaher manueller Fertigung nicht den kompletten Markt bedienen kann.
Allerdings sind für ein derartiges Vorhaben erhebliche Forschingsinvestitionen von Nöten. An eine einfache Umkonstruktion eines Akkordeons ist ja nicht zu denken. So etwas käme einer Neuentwicklung gleich.

Langer Rede, kurzer Sinn: Ist es möglich, den Akkordeonbau für Massenprodukte revolutionär umzukrempeln und moderne Möglichkeiten in Bezug auf Konstruktion (moderne numerische Berechnungsverfahren) und Fertigung dafür voll auszuschöpfen? Ganz klar möchte ich hier aber die Grenze zu elektronischen Instrumenten ziehen. Das Funktionsprinzip soll vollmechanisch bleiben. Aber es könnte doch so möglich sein, kostengünstige Instrumente mit gleichbleibend hoher Qualität zu fertigen, die speziell für Einsteiger eine Alternative zu Instrumenten aus fernöstlicher (nicht japanischer, denn die liefern eine wegweisende Qualität) Produktion darstellen.

Bitte tut eure Meinung kund und klärt mich auf, sollte ich falsche Randbedingungen zu Grunde gelegt haben. Und nehmt mir diesen Beitrag nicht krumm ;)

Nachdenkliche Grüße,
Alexander
 
Eigenschaft
 
Hallo Alexander,

mach doch mal eine Werksführung bei Harmona, dann werden Dir viele Fragen automatisch beantwortet.
Der Akkordeonbau versucht freilich, so viel wie möglich maschinell zu erstellen. Harmona hatte da den Vorteil, daß während der DDR da schon sehr viel gemacht und investiert worden war.

Die Baßmechaniken bspw. sind modulare Systeme, um bezahlbare hohe Qualität zu bieten. Ebenso sieht es bei den Plastiktasten, Schaltgruppen etc. aus, die alle modularisiert sind. Jedoch ist es nicht möglich, teure Maschinen anzuschaffen, die 3 Handgriffe übernehmen. Das rechnet sich nicht. Ebenso gab es mal ein Vollplastgehäuse - die WM Cordal. Ein solches Spritzgußwerkzeug kostet ein Vermögen und man muß dann sichergehen können, daß das Instrument auch gekauft wird.
Moderne CNC-Maschinen bieten hier auch sehr viel Leistungssteigerung und werden auch bereits eingesetzt.

Und jetzt kommt das ABER: Was möchte der Kunde? Will er auch, daß vorne jemand alle Teile in eine Maschine reinkippt und hinten kommt das fertige Akkordeon raus? Oder will er das Gefühl haben, daß da viele Hände an einem Instrument gewirkt haben?

Zudem kommt immer mehr die Individualisierung des Akkordeons, was heißt, daß man schauen muß, wo wiederum individualisiert werden kann, wofür es dann aber auch wieder die Mitarbeiter braucht, die diese Extrawünsche umsetzen.

Beim Balg hat sich die Balgpappe bewährt. Freilich werden immer wieder neue Materialien ausprobiert und Ideen umgesetzt. Solange aber kein nennenswerter Vorteil zu verzeichnen ist, muß man sich ernsthaft überlegen, ob man vom Bewährten zu etwas neuem umsteigt. Und wenn ich die Leute in der Fußgängerzone spielen sehe, die bei Wind und Wetter das arme Akkordeon malträtieren und das brav seinen Dienst tut, gehe ich schon davon aus, daß auch der Balg auf einem Boot nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, solange man das Akkordeon nicht ins Meer taucht.

Grüße

Ippenstein
 
Hallo Ippenstein,

ja, wie gesagt, Harmona Werksführung ist für nächstes Jahr spätestens eingeplant. Nur habe ich da Bedenken, da ich bei Daimler schon mal mit Fragen auf die Nase gefallen bin und mir im Prinzip geantwortet hat, wie ich mir anmaßen könnte so etwas zu fragen. Ging damals auch um Anpassung des Designs in Richtung Fertigungsgerechtheit, damit der Ausschuss minimiert wird. Aussage war: will der Kunde nicht. Naja ich werde wohl mit dem Markt für Endverbraucher nie warm ;)

Ich nehme an du beziehst dich bei CNC auf Maschinen für das Zerspanende Fertigungsverfahren. Das ist aber auch nicht wirklich für Serienfertigung geeignet, da die Materialkosten höher sind, als bei anderen Verfahren.

Was ich nur sehe, die Grundkonstruktion eines Akkordeons hat sich seit geraumer Zeit nicht wirklich verändert. Und freilich, wie ich ja oben schon geschrieben habe, kann bei derartigen persönlichen Wünschen die Produktion nicht derart umgestellt werden.

Aber es gibt Kunden, die an einem kostengünstigen Instrument interessiert sind, was zudem auch noch herausragende Verarbeitungsqualität und kaum Serienstreuung aufweist. Und so etwas kann ich nur erreichen, wenn die möglichen Fehlerquellen in manuellen Bearbeitungsschritten reduziert werden. Und ich persönlich habe ein besseres Gefühl dabei, wenn eine Vielzahl der Teile meines Einsteiger-Akkordeons durch Maschinen gefertigt wurden, die widerum von fair bezahlten Mitarbeitern zusammengebaut wurden, als dass mein Einsteiger-Akkordeon auf Kosten von unterbezahlten chinesischen Arbeitern zusammengeklopft wurde, die am Ende eines langen Arbeitstages trotzdem nicht wissen, wie sie ihre Familie ernähren sollen.

Das ganze bezieht sich nur auf Instrumente aus dem unteren Preissegment. Was mich aber trotzdem stutzig macht ist, dass Hohner die Metallbauweise der Atlantic aufgegeben hat und wieder ins dunkle Mittelalter gerutscht ist :)
Es muss ja kein Polymergehäuse (zum Thema Vollplast) sein. Es gibt mittlerweile auch Metallschäume, deren Verwendung im Akkordeon sicher interessant wäre. Hat davon schon jemand etwas gehört?
Ich bin mir über die Klischeekosten im Bilde, sodass ich weiß das sich Klischees erst ab einer gewissen Stückzahl rechnen. Aber kann das der einzige Grund sein? Deswegen ja modulare Bauweise.

Ich habe jedenfalls aus vielen Threads herausgelesen, dass es ein Problem mit Umwelteinflüssen gibt. Abgesehen davon muss man nicht immer erst dann was ändern, wenn ein Problem auftritt, sondern auch schon lange vorher :) Das Bessere ist immer der Feind des Guten ;-)


Das Problem ist immer der Mensch. Von Natur aus sind Veränderungen immer erstmal schlecht (ist bei mir genau so). Allerdings hat genau das oben beschriebene beim Gütern wie dem Automobil auch schon geklappt. Die Dinger werden ja heute auch nicht mehr wie Kutschen gebaut...

Gruß,
Alexander
 
Was mich aber trotzdem stutzig macht ist, dass Hohner die Metallbauweise der Atlantic aufgegeben hat und wieder ins dunkle Mittelalter gerutscht ist :)

Das lässt sich schon erklären. Die Gusswerkzeuge und Blech- Presswerkzeuge von damals waren abgewirtschaftet und sind schon vor zig Jahren verschrottet worden. Man bräuchte also neue.
Nun hat man in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren noch richtige Stückzahlen produziert. Hohner hatte mal über 5000 Mitarbeiter, heute sind es noch ca. 210; auch in der chinesischen Fertigung für die einfacheren Instrumente arbeiten nicht allzuviele Leute. Zu der Zeit hat man viele tausend Akkordeons im Jahr produziert; die heutigen Stückzahlen sind nicht mal mehr ein Zehntel.

Die Atlantic und auch noch ein paar andere "Metallakkordeons" wie Imperator und Lucia waren da die Zugpferde. Wenn man jetzt heute wieder so bauen wollte, müssten alle Werkzeuge neu angeschafft werden; wenn Du mit Maschinenbau zu tun hast, brauche ich Dir nicht zu erzählen, was das kostet. Bis man die Investition wieder erwirtschaftet hat, muss man viele tausend Kisten verkaufen, und das ist bei dem heutigen Markt und den heutigen Kampfpreisen einfach nicht drin.

Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Natürlich wird auch mit neuen Werkstoffen experimentiert, aber bis das mal zur Marktreife kommt, dauert es halt immer ein bißchen. Auch im Akkordeonbau gibt es immer wieder Innovationen. Aber wie Musikerclaus richtig gesagt hat, man muß die Investitionen eben abwägen, v.a. auch gegenüber der Möglichkeit, einen Teil der Produktion in fernen Ländern billiger machen zu lassen als teure Maschinen anzuschaffen. Vielen Kunden interessiert es auch nicht, wo das hergestellt worden ist, solange die Qualität stimmt. Andererseits handelt es sich hier aber um Musikinstrumente und eben diese Serienstreuung hat für viele Kunden gerade etwas mit "Charakter" zu tun. Da wird der Klumpen vor dem Bauch zu etwas, das eine Aura umgibt. Man sieht das Holz, man spürt die Handarbeit, man glaubt, daß das Akkordeon lebt. Wie viele Leute möchten eine Holzkerntastatur, obgleich man immer nur erklären kann, daß Vollplastik viel besser wäre.
Ich weiß um die Vorzüge von Karbon und anderen Werkstoffen. Aber ich liebe meine Cantus,
weil sie durch vieler kluger Köpfe Hände gegangen ist,
weil ich weiß, daß unter dem Zelluloid ein "lebendiger" Holzkern steckt,
ich weiß, daß sie eben aufgrund der hohen Fehlergefahr so gut gearbeitet ist, daß sie entweder keine Fehler hat oder ich es nicht merke,

ich einfach weiß, daß sie einzigartig wie kein zweites ist.

Viele Grüße

Ippenstein
 
Ein Akkordeon ist ein sensibeles Ding und oft findet ein Akkordeonist seinen Klang erst, wenn er ein uralt - Instrument restauriert hat.
Eltern sind bei dem ersten Instrument für den Anfänger zunächst mal mit einer neu gekauften Billigkiste zufrieden. Oft wird die dann auch in irgendeiner Ecke vergessen. Ist dann auch nicht schade darum. Für nachhaltigen Musikgenuss ist das moderne Serieninstrument vom Band eben nichts.
so hat es akkotue erlebt.
 
@ Musikerclaus: Danke für diese klare Antwort. Ich hatte ganz andere Stückzahlen zu Grunde gelegt. Den Punkt Klischeekosten hatte ich ja bereits angeführt. Angesichts derartiger Zahlen ist es mir natürlich klar, dass da die Entwicklung sehr langsam voranschreitet und man bei auch den Fertigungsverfahren Abstriche machen muss. Was Entwicklung kostet, weiß ich auch. Und angesichts der geringen Umsatzzahlen bleibt dann nicht viel übrig...
Apropos (Sorry für OT), kannst du mir vielleicht sagen, in wie weit das 'Made in Germany" auf meiner Hohner Black48 stimmt? Diese Klasse von Instrumenten wird ja mittlerweile in China produziert.

@ Ippenstein: Wie gesagt, ich bezog mich hier wirklich nur auf Instrumente des unteren Preissegments (wo sich der potentielle Kunde weniger Gedanken über die 'Seele' des Instruments macht, sich aber umso mehr über ein gut zu spielendes Instrument freut), wozu deine Cantus ja nicht zählt. Ich habe auch gelesen, dass einer in Klingenthal eine Supita II bestellt hat und auf alle seine Sonderwünsche eingegangen ist. So etwas wäre natürlich bei einem Großserieninstrument nicht möglich, aber die Supita ist ja das Flaggschiff. Deine Cantus ist ja auch deswegen schon einzigartig, da du ja auch selbst nachträgliche Veränderungen vorgenommen hast ;)
Kohle-, Glas- und Aramidfaser-Kunststoffe werden übrigens auch (noch) oft mit hohem manuellen Aufwand verarbeitet.

Mich hat eben nur das Innere meiner beiden Instrumente ein wenig erschreckt und im Gegenzug war ich begeistert, als ich eine Aufnahme einer alten Atlantic gesehen habe. Mein früherer Akkordeonlehrer hatte auch eine, da er oft draußen Musik gemacht hat, obwohl ihm der Klang meiner alten Klingenthaler eigentlich besser gefiel.

Was Stückzahlen angeht sieht man Ähnliches unter anderem in den Bereichen Bootsbau (insbesondere Kleinfahrzeuge bzw. Yachten), Schienenfahrzeugbau und Großmotorenbau. Dort ist die Automatisierungstechnik auch nicht in dem Maße vorgedrungen. Vergleicht man das zum Beispiel mit der Produktion von Staubsaugern, bieten sich große Kontraste.

Na gut, ich hör' nun auf zu sabbeln und geh' 'ne Runde üben :) Mit weiteren Fragen werde ich dann den Leuten in Klingenthal auf die Nerven gehen :D

Gruß und vielen Dank für diese wirklich informativen Beiträge,
Alexander
 
Es ist schon so, dass das Akkordeon im wesentlichen noch gleich ausschaut, wie vor 100 Jahren: Piano oder Knopf im Diskant, Stradella Belegung im Bass; Melodiebass gab es damals zwar auch, aber nicht so standardisiert wie heute und mechanisch nicht so ausgereift wie Converter-Instrumente.

Und wenn man ein Instrument öffnet, so ist es auch im wesentlichen gleich aufgebaut: Tastaturmechanik, Tonerzeugung und auch die Materialien sind in etwa diesselben. Das hat sicher damit zu tun, dass Konsumenten von Musikinstrumenten eher konservativ sind und dass die ursprüngliche Konzeption des Instrumentes massgebend ist und sich bewährt hat.

Das heisst aber nicht, das nicht anderes schon versucht wurde: unterschiedliche Knopfsysteme und Pianotastaturen, unterschiedliche Materialien: von Druckgussgehäusen, über Schaumgummiklappenbelege, verschiedene Tastaturmechaniken, Anordnung der Stimmstöcke etc.

Der Akkordeonmarkt ist in den letzten 50 Jahren stark geschrumpft: vom Masseninstrument in den 30er bis 50er Jahren wurde es zu einem Nischeninstrument. Das heisst für die Akkordeonbauer, dass sie hochkompetitiv sein müssen, da sie tendenziell jedes Jahr weniger verkaufen können. Das führte zu Zusammenschlüssen und Uebernahmen, in der Hoffnung, das Marksegment des geschluckten Unternehmens zu gewinnen. Bei expansiven Märkten werden Konkurrenten v.a. übernommen, um höhere Produktionskapazitäten zu erhalten.

Interessanterweise war Hohner Ende der 50er Jahre, auf dem Höhepunkt der Akkordeonproduktion am innovativsten: die Hohner Imperator war wohl das experimentellste Serieninstrument, das gebaut wurde. Danach kam der Abstieg und das Akkordeon wurde nach und nach wieder "normaler". Die Herstellung von Akkordeons in Italien ist ganz anders organisiert und konnte sich deshalb wohl auch relativ gut behaupten.
 
Ich weiß ja nicht, wie es in Italien ist, aber auf dem Balkan ist das Akkordeon nicht wegzudenken. Da hat zwar auch das Keyboard Einzug gehalten, aber nicht das Akkordeon verdrängt. In anderen Ländern sieht es auch gut aus. Ich denke auch, daß das Akkordeon wieder kommen wird und würde das selbst in Deutschland nicht so schlecht reden. Manche entdecken erst spät die Vorteile des Akkordeons gegenüber einem Synthesizer/Keyboard, aber sie sehen es. Es ist auch egal, ob jemand mit 80 das Akkordeonspiel anfängt.

Das größere Problem ist die Langlebigkeit. Ein Auto soll nach 20 Jahren verschrottet werden. Ein gutes Akkordeon wird nach 20-30 Jahren mal überholt und dann ist es für die nächsten 30 Jahre wieder gut. Glücklicherweise kann man sich aber oft auch ein zweites oder drittes Akkordeon leisten bzw. ändert sich auch der Geschmack, so daß immer wieder gekauft wird. Nebenbei wird auch die Technik etc. verbessert, so daß das Spielgefühl gleich ganz anders ist. Wer eine Supita 1 rein spieltechnisch mit einer Supita 2 vergleicht, wird hier einen großen Unterschied erleben. Ebenso hat sich in der Ansprache und dem Klang einiges getan. Ich unterstelle allen anderen Firmen, daß sich bei Ihnen ebenso Fortschritte eingestellt haben und eine Morino 5 S anders als eine neue Morino oder Morino+ ist.

Wer mal die Patente durchforstet, wird sehen, daß es zig Innovationen gegeben hat, die es aus verschiedenen Gründen nicht zur Serienreife gebracht haben. Ihr werdet es aber auch sehen, daß es immer wieder Innovationen im Kleinen wie im Großen geben wird, wenn z.B. eine neue Serie aufgelegt wird.

ABER: Es bringt der Firma nichts, wenn alle nur drüber reden und keiner kauft. Also gönnt Euch mal ein neues anstatt uralte Krücken mit Ach und Krach am Leben zu erhalten. Die Firmen und Händler werden es Euch danken und dann ist auch Geld für Investitionen da ;)

@Kolbenkalle

Unabhängig der Veränderungen, die ich vorgenommen habe: Du kannst bei mir mal zwei baugleiche ausprobieren und wirst dennoch Unterschiede feststellen.

Und man stelle sich mal vor, wenn alle Golas gleich klingen würden. Dann wären ja die ganzen Diskussionen, wie die nun klingen muß, weg. So hat jeder aber sein Unikat. Genauso sieht es bei Hammondorgeln aus. Da wird auch heftigst debattiert, wie die nun klingen muß und alles mögliche wird angedichtet. Aber so bleibt sie interessant und man spielt gerne mal auf einer anderen Hammond... Eben jede ein Unikat.

Viele Grüße

Ippenstein
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß ja nicht, wie es in Italien ist, aber auf dem Balkan ist das Akkordeon nicht wegzudenken. Da hat zwar auch das Keyboard Einzug gehalten, aber nicht das Akkordeon verdrängt.

Das ist schon richtig, aber wieviele Serben können sich ein Akkordeon in der Größenordnung 10...15 k kaufen? Den Bedarf kann z. B. Siwa & Figli locker allein abdecken.

Gruß Claus
 
Deshalb gibt es ja immer noch die Supita 2 für 5-6 k :D

Freilich wird dort besonders die Supita 1 gespielt und auf die wird auch als robustes Instrument geschwört. Aber auch auf dem Balkan steigt der Wohlstand und wenn ich mir die Preise auf den Gebrauchtmärkten anschaue, haben sie gute Vorstellungen davon, was ein Akkordeon zu kosten hätte... :D

Letztendlich wird aber die Situation viel schlechter geredet als sie tatsächlich ist. Wenn man allein mal das Forum hier als Mikrobeispiel nimmt. Wie viele haben denn in den letzten 3 Jahren neu zum Akkordeon gefunden? Und in welchem Alter? Wenn wir aber das Akkordeon totreden, wird es irgendwann jemand, der ansonsten damit angefangen hätte, das auch glauben und es sein lassen. Also sollten wir lieber das Akkordeon leben lassen und nicht so trübe dreinschauen. Eher sollten wir rausgehen und zeigen, was in unseren Kisten drinsteckt! Denkt dran: http://die-fruehreifen.de/index.php?id=254&order=DESC

Grüße

Ippenstein
 
Das Thema des Fadens ist doch die Herstellung und nicht die Verwendung. Dass das Akkordeon das schönste, beste, vielseitigste und attraktivste Instrument ist, das wissen wir hier alle. Der Rest der Welt wird es unweigerlich auch merken.

Tatsache ist aber, dass die Akkordeon-Hausse vorbei ist. Die Instrumente, die bis zu den 60er in Massen hergestellt wurden, belasten heute immer noch den Markt, da offenbar viele nicht wirklich im Einsatz waren und heute billigst verhökert werden. Selbst Musik zu machen ist heutzutage auch nicht mehr der Megatrend, zumindest nicht mit dem Akkordeon.

Für viele, die mit dem Akkordeon anfangen wollen, ist es deshalb logisch, ein gebrauchtes Instrument billig zu kaufen, auch wenn es stinkt und rostet. Auf so einer Rostlaube zu spielen macht nicht wirklich Laune, ebenso wenig wie auf einer neuen China-Klitsche, die hakt und röchelt.

Alle, die diese Phase überleben, werden sich mit Instrument intensiver beschäftigen und auch mehr Geld liegen lassen. Dann sind wir aber schon bei den Mittelklasse-Instrumenten, die in viel geringerer Stückzahl produziert werden und da zahlt sich die Handarbeit aus.

Soviel ich weiss, ist die Produktion in Italien sehr spezialisiert und diversifiziert: Balgbauer, Gehäuseproduzenten, Tastaturfabrikaten bauen die Komponenten, die in Fabriken assembliert werden und entweder als eigene Markenprodukte verkauft werden oder für andere geliefert werden, ähnlich wie die Notebooks aus China, die zwar alle aus demselben Fabriktor kommen, aber mal Apple oder HP oder Asus heissen.

Diese Produktionsweise ist offenbar sehr krisenresistent, erschwert aber auch Innovationen, die Komponentenübergreifend sind und die Gesamtkonzeption des Instrumentes betreffen.

Das wäre eine Erklärungsmöglichkeit der erstaunlichen Resistenz des Akkordeons gegen Veränderung.
 
Ich habe hier ein Akkordeon aus den 30ern stehen (Klingenthal) , habe es zur Wiederbespielbarkeit auseinanderbauen müssen und finde das die Teile doch ganz industriell gefertigt wurden . Das Leder des Balgs ist eben das beste Material ,
schau Dir mal 10 Jahre alte Gummiteile in PKWs an , voller Risse. Auch Holz ist ein guter Werkstoff für Instrumente , da wird längst überall mit Maschinen gesägt. Alternative : Kohlefaser , na das wird dann wohl ein sehr günstiges Akkordeon.
Wahrscheinlich hat man immer wieder optimiert und geprüft , was sich bei den Akkordeonprofis bewährt hat , um dann auch mal wieder zur alten Bauweise zurückzukehren.
Vielleicht noch mal ein Vergleich mit der Autoindustrie : Der Wankelmotor , damals in den 60er ganz neu und modern ,
Entwicklungskosten ohne Ende wurden nicht zuletzt von ehrgeizigen Ingenieuren versenkt , bis sogar einzelne Hersteller Pleite machten. Heute heisst es "Bitte einmal Öl tanken und Benzin nachfüllen" , mit den Abgaswerten kommt der Wankel in keine Umweltzone mehr , das macht den etwas geringeren Motorverschleiss nicht wett.
 
Ich dachte, der Wankel sollte bewußt niedergehalten werden? Ich weiß zumindest von anderen Branchen, in denen Patente bewußt aufgekauft werden, damit sie während ihrer Geltungsdauer nicht zur Anwendung kommen, da die anwendenden Firmen so mehr Geld verdienen.

Im Akkordeonbau ist dem aber normalerweise nicht so. Die meisten Sachen, die wieder in der Versenkung verschwunden sind, waren entweder nicht praktikabel oder zu teuer oder haben den Geschmack der Kundschaft nicht getroffen.

Andererseits tut sich immer noch viel, v.a. auch kleine technische Veränderungen, die man von außen nicht sieht.

Grüße

Ippenstein
 
Ich habe hier ein Akkordeon aus den 30ern stehen (Klingenthal) , habe es zur Wiederbespielbarkeit auseinanderbauen müssen und finde das die Teile doch ganz industriell gefertigt wurden . Das Leder des Balgs ist eben das beste Material ,
schau Dir mal 10 Jahre alte Gummiteile in PKWs an , voller Risse. Auch Holz ist ein guter Werkstoff für Instrumente , da wird längst überall mit Maschinen gesägt. Alternative : Kohlefaser , na das wird dann wohl ein sehr günstiges Akkordeon.
Wahrscheinlich hat man immer wieder optimiert und geprüft , was sich bei den Akkordeonprofis bewährt hat , um dann auch mal wieder zur alten Bauweise zurückzukehren.
Vielleicht noch mal ein Vergleich mit der Autoindustrie : Der Wankelmotor , damals in den 60er ganz neu und modern ,
Entwicklungskosten ohne Ende wurden nicht zuletzt von ehrgeizigen Ingenieuren versenkt , bis sogar einzelne Hersteller Pleite machten. Heute heisst es "Bitte einmal Öl tanken und Benzin nachfüllen" , mit den Abgaswerten kommt der Wankel in keine Umweltzone mehr , das macht den etwas geringeren Motorverschleiss nicht wett.

Ob man wirklich so viel ausprobiert hat, wage ich zu bezweifeln. Auch gibt es heutzutage ganz andere Möglichkeiten. Denke man nur einmal an schnelle Pick and Place Automaten mit Parallelkinematiken, die es so vor ein paar Jahren noch nicht gegeben hat, da einfach die benötigten (Magnet-)Werkstoffe noch nicht erforscht waren.

Der Wankelmotor war ein ganz anderes Thema. Dort waren komplett andere Randbedingungen zu Grunde gelegt und der, der von NSU in Serie gebaut wurde, war nicht der, den Felix Wankel eigentlich für die Produktion vorgesehen hatte. Ziel war es, einen leichten Motor mit hoher Nenndrehzahl und großer Laufruhe zu schaffen. Gelungen ist dies, scheiterte nur an einem schlechten Werkstattnetz. Heutzutage steht die Effizienz im Vordergrund und dies ist schon mit der Brennraumform des Wankels nicht zu erreichen.
Dass es NSU nicht mehr gibt, lag auch nicht (nur) am Wankelmotor, sondern am fast verschwundenen Motorradmarkt zu der damaligen Zeit und daran, dass der Hauptkonkurrent Audi die Firma gekauft ;) .

Sorry für OT, konnte nicht an mir halten.

Dass die Vielzahl kleiner Firmen in wenigen großen mündet kann man ja auf dem ganzen Markt beobachten.

Um auf die Ursprüngliche Fragestellung zurück zu kommen: Es ist also ganz einfach eine Frage der Stückzahl, dass so etwas nicht möglich ist. Interessant wäre es allerdings schon, so etwas auszuprobieren, oder? Wagen wird es aber höchstwahrscheinlich niemand (außer den Asiaten vielleicht irgendwann, wenn in ganz Asien Handarbeit auch teurer wird).

Gruß,
Alexander
 
Nein, ich denke die wesentlichen Schritte des Akkordeons lassen sich nicht so einfach maschinell abbilden und erfordern immer noch viel Handarbeit. Die Feinabstimmung der Tastaturmechanik, das Stimmen der Stimmzungen, das Ventilieren und Aufwachsen lassen sich nicht an Automaten delegieren.

Man müsste das Instrument von Grund auf neu konzipieren für eine vollautomatische Produktion, z.B. keine separaten Stimmplatten, Spritzgussteile, andere Dichtungstechniken, aber ob das musikalisch befriedigend ist, steht in den Sternen.
 
Es ist also ganz einfach eine Frage der Stückzahl, dass so etwas nicht möglich ist.

Das würd ich mal ganz einfach so unterschreiben!

Wenn ich mal schätze, dass Pigini vielleicht pro jahr 10.000 Akkos baut und verkauftwen es hoch kommt und mir dann anschaue, wieviele Modelle im Katalog angeboten werden und dann umrechne, wieviel Stück pro Jahr mit den gleichen Teilen gefertigt werden, dann loht sich wohl keine Spritzgussform wirklich! ... und so komisch es klingt, die Handarbeit ist dann bei der Stückzahl unvd Variationsbreite dann wirklich die wirtschaftlichste Form der Herstellung. Und weil Holz so bequem auf jede Größe und Form anwendbar ist, wird das wohl auch der Werkstoff bleiben.

Nicht umsonst wird die neue Atlantik bei Hohner auch wieder im Holzgehäuse gebaut - die Zeit der großen Stückzahlen wie in den 50 ern und 60 ern sind leider vorbei - Schade, aber damit muss ich und vor allem die Akkordeonindustrie wohl leben müssen!

Gruß, maxito
 
Nein, ich denke die wesentlichen Schritte des Akkordeons lassen sich nicht so einfach maschinell abbilden und erfordern immer noch viel Handarbeit. Die Feinabstimmung der Tastaturmechanik, das Stimmen der Stimmzungen, das Ventilieren und Aufwachsen lassen sich nicht an Automaten delegieren.

Man müsste das Instrument von Grund auf neu konzipieren für eine vollautomatische Produktion, z.B. keine separaten Stimmplatten, Spritzgussteile, andere Dichtungstechniken, aber ob das musikalisch befriedigend ist, steht in den Sternen.

Das wollte ich ja mit meinem ersten Beitrag ausdrücken. Geben tut es ja sowas für Spielzuegakkordeons aus Kunststoff schon lange. Beim Aufwachsen hätte ich aber nicht mal große Zweifel, denn so etwas ähnliches wird zum Beispiel u.a. in der Elektronikproduktion mit SMD Bauteilen auch schon gemacht. Trotzdem habe ich an eine komplette Neukonstruktion gedacht. Mit synthetischen Dichtmitteln unter den Stimmplatten und einer Befestigung mittels eines Rahmens. So könnte man sich auch der Balgnadeln entledigen. Einen Entsprechenden Dichtsitz schaffen und mit einem Rahmen befestigen.

An der Spielweise soll sich nichts ändern, denn dann hätte man ein komplett anderes Instrument.


@ maxito: mit Holz habe ich schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Da musste eine große Menge Verpackungsmaterial entsorgt werden, da die Toleranzen zu groß waren. Das Muster hat gut gepasst, woraufhin die Bestellung einer größeren Menge ausgeführt wurde. Bei anderen Materialien wäre so etwas nicht passiert.
Stahl ist auch auf jede Größe und Form anwendbar, nur müssten bei derartiger Fertigung so manche Akkordeonspieler erst einmal ins Fitnesssstudio :D

Gruß,
Alexander
 
Für mich ist "Geht nich...." auch eine grosse Herausforderung und ich finde auch, man sollte von Zeit zu Zeit alles mal gründlich hinterfragen. Aber seit ich mich mit dem Akkordeon als Instrument und nicht nur als Spieler beschäftige, sehe ich das Instrument in seiner traditionellen Form immer wieder überraschend bestätigt.

Zunächst sollen Instrumente eine lange Lebensdauer haben: Streich-Instrumente, die über 100 Jahre alt sind, sind keine Seltenheit. Nicht ganz so lange werden Blasinstrumente eingesetzt. Schlaginstrumente sind auch eher kürzer im Einsatz. Das bedeutet aber auch, dass die Instrumente gewartet werden müssen und deshalb auch entsprechend aufgebaut sein müssen.

Wenn sich jemand die Mühe macht und über Jahrzehnte Stunde um Stunde am Instrument spielt, dann möchte die Person, wenn sie ein neues Instrument kauft, nicht völlig umlernen müssen, nur weil es halt der Lauf der Entwicklung ist. Das führt zu relativ wenigen Aenderungen am Instrument, obwohl Besseres denkbar ist, wie z.B. das Piano-Tastaturlayout zeigt.

Die verwendeten Materialien, wie z.B. das Wachs genügen diesem Anspruch. Zwar hat es den Nachteil, dass es temperaturempfindlich ist und altert und, je nach Herstellungsort, nach 20 oder aber erst nach 50 Jahren ersetzt werden muss. Aber es lässt sich rückstandsfrei entfernen. Es gab Versuche, das Wachs durch Kleber zu ersetzen. Nur ist so ein Instrument extrem wartungsfeindlich, ein Ersatz der Ventile ist fast unmöglich. Zudem sind die Eigenschaften des Klebers unkontrollierbar.

Die Montage der Stimmplatten mit einem Roboter, ähnlich wie bei der SMD Produktion, scheitert daran, dass es keine Normen für Stimmplatten oder -stöcke gibt. Man müsste also jede Variante separat programmieren.

Holz ist nicht schlecht für den Instrumentenbau, es hat hervorragende akustische Eigenschaften (beim Akkordeon nicht so zentral) stellt aber Ansprüche an die Lagerung und benötigt ein bisschen Feuchte, wohingegen es Metall furztrocken am liebsten hat. Doch der gute Kompromiss machts. Materialinnovationen haben es im Instrumentenbau schwer: zB.das Plastiksaxophon von Ornette Coleman hat sich nicht durchgesetzt.

Aber eben, hinterfragen soll man alles von Zeit zu Zeit.
 
Solange man an klassischen Klangvorstellungen klebt sind total neue Materialien und Herstellungswege wohl schwer zu verwirklichen.
Aber warum nicht ein neues Instrument erfinden? Ein Handzuginstrument , das z.b. ähnlich klingt wie ein Saxophon?
Darauf wäre ich gespannt! Meint akkotue
 

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