Wenn ich mir hier die Posts durchlese fällt mir besonders auf: Diven sind immer die anderen, nie jemand selbst.
Dann hast Du noch nie mit mir gearbeitet
Erstmal: Keine Diva, obwohl sie ein wenig so aussieht, nämlich ziemlich hübsch. Eine Sängerin, die ihren Gesang immer sehr laut auf dem Monitor wollte. Ist aber kein Gehabe, sondern das Resultat einer angeborenen Gehörschwäche. Interessant, dass sie, wenn sie sich dann hört, einwandfrei intoniert und wirklich großartig singt. Nett ist sie ausserdem, wenn man also mit dem lauten Monitor klarkommt, dann ist sie wirklich angenehm im Umgang.
Dann: Diva. Sängerin, Soundcheck, die Band ist schon größtenteils fertig, ist aber noch spielbereit auf der Bühne (so mache ich das halt). Dann komme ich zur Sängerin und bitte sie, mal in ihr Mikro zu singen, damit ich ihre Lautstärke Einpegeln kann. Sie: "Nein. Erst stellst Du es ein, dann singe ich." Ich erkläre ihr, dass ich es einstelle, während sie singt, dass ich dazu ihre Stimme brauche. Die Dame bleibt hart und erklärt, sie singt erst, wenn es perfekt eingestellt ist. Als ob sie nicht grade eben mitbekommen hätte, dass ich eine ganze Band zum Klingen gebracht habe, indem die Leute Töne mit ihrem Instrument erzeugen, die ich dann innerhalb von ein paar Sekunden hörbar und in vielleicht einer Minute angenehm klingend gemacht habe. Das geht vielleicht noch eine Minute so weiter, ich versuche zu erklären, zu begründen, sie blockt. Dann sehe ich einigermassen fassungslos den neben ihr stehenden Bandleader an. Der knurrt ihr kurz was zu, den Wortlaut habe ich nicht verstanden, aber der Tonfall kam bis zum Pult durch (das war noch zu rein analogen Zeiten), und - tada - sie singt. Und leider gut, ich würde ja liebend gerne noch weiter über sie herziehen, kann ich aber nicht.
Heute, mit vielleicht 20 Jahren mehr an Erfahrung, würde ich das lockerer machen, irgendwas hindrehen und ihr sagen, dass alles bereits perfekt eingestellt ist, und sie soll jetzt einfach mal singen. Naja, leben und lernen heisst es halt, und selbst an den Diven kann man wachsen.
Mit einer anderen Diva, diesmal männlichen Geschlechts (denn wir sind da auch nicht vor gefeit), hatte ich nur indirekt zu tun. Wir bauten am Vortag eines Yogafestivals auf, die Hauptbühne stand bereits, nun war die größere von zwei Nebenbühnen dran. Eben fertig, präsentieren wir dem Auftraggeber stolz unser Werk, und der reisst die Augen weit auf und sagt, dass einer der Künstler (die ihren Vortrag oft nicht als Show ansehen, sondern als Zeremonie, was ganz eigene Umstände mit sich bringt) keine Kabel um die Bühne gelegt sehen will. Das hieß für uns, dass wir ein halbes Dutzend Kabel, die vor der Bühnenkante verliefen, abgezogen haben und dann um den Raum herum verlegt haben - der zum Glück recht klein war, vielleicht 10*15 Meter. trotzdem wurden so jedesmal aus 10m Kabel ganze 45 bis 50, denn wir müssten die Kabel über eine Tür führen - das war ein Notausgang, davor darf man keine Kabel verlegen. Nun hatte ich eine wirklich gute Geschäftsbeziehung zu unserem Auftraggeber - inzwischen eine Freundschaft - und sagte ihm, dass ich das dieses eine Mal für IHN mache, Bühne auseinanderrupfen und neu verkabeln. In Zukunft aber nur noch bei Voranmeldung und unter Einkalkulieren des höheren Aufwands. Die Kabel haben so grade noch gereicht. Der Künstler wurde vom Veranstalter nie wieder eingeladen.
Als ich früher noch absolute Amateurveranstaltungen gemacht habe, kamen immer mal die Tech Rider von irgendwelchen Teenagerbands, die Lautsprecher von Meyer Sound, gigantische Profimischpulte mit mindestens 64 Kanälen und irgendwelche abgefahrenen Mikrofone haben wollten (das war, bevor man HEIL Sound hier einfach im gut sortierten Laden kaufen konnte). Kurz angerufen und besprochen, was für Material ich anbiete. War immer in Ordnung, denn den Tech Rider hatten sie von ihrer Lieblingsband abgeschrieben, ohne zu wissen, was das alles bedeutet. Man, man, man...
Inzwischen habe ich hauptsächlich zwei Strategien für den Umgang mit Diven. Oder eher für deren Vermeidung. Die erste: Sei teuer in Deiner Preisgestaltung! *) Ich kann es wirklich nur weiterempfehlen, denn dann mischt man die Veranstaltungen, in die irgendwelche Diven es nicht hineinschaffen, weil die sich bereits im Vorfeld herauskatapultiert haben. Bei der Veranstaltung selbst dann ruhig bleiben, zügig arbeiten, ohne zu pfuschen, Probleme lösen, sobald sie sich andeuten (und selber keine Probleme machen). Aufmerksam und umgänglich sein, gute Stimmung verbreiten (und damit meine ich nicht, blöde Witze zu erzählen), und dann wird man auch wieder gebucht.
Die zweite Strategie ist, dass ich mich, wenn ich die Bands zum Soundcheck begrüße, so verhalte, als ob die ganze Location mir gehört, und (das sage ich zwar mit keinem Wort, aber ich gehe ganz selbstverständlich davon aus und strahle das wohl auch aus) dass lediglich ich entscheide, wer hier spielt und wer nicht - also leg Dich mit mir an, und dann fahrt ihr ohne zu spielen wieder heim. Ausserdem gibt es auf meinen Bühnen nur Platz für eine Diva. Und das bin ich. Also jederzeit bereit zur maximalen Eskalation, und dann bleibt auch immer alles maximal friedlich. Und die Leute, mit denen ich arbeite, sind auch alle zuckersüß, super easy im Umgang, gute Musiker und wirklich pflegeleicht, egal ob Lederjacken tragende Hardrocker oder meine verklärten Yogis und Yoginis.
*) Ergänzung: Das trifft bei mir auf den Anfang der Geschäftsbeziehung zu. Letztes Jahr im Herbst kam ein von mir regelmäßig betreutes Festival unverschuldet in finanzielle Schieflage, die mussten innerhalb von drei Wochen (!) eine neue Location suchen - wer das schonmal gemacht hat, weiß, dass es quasi unmöglich ist. Die haben das trotzdem geschafft, wollten aber trotzdem aus finanziellen Gründen absagen. Ich habe ihnen einmalig einen flexiblen Preis angeboten, der ihnen einen großen Teil des Risikos abgenommen hat. Das Festival hat überlebt, und dieses Jahr arbeiten wir wieder zusammen, dieses Mal wieder zu einem realistischen Preis. Das gehört halt auch dazu zu meinem Divendasein.