Einen Blues schreiben :)

  • Ersteller BlueDeltaBlues
  • Erstellt am
B
BlueDeltaBlues
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
06.03.12
Registriert
20.11.11
Beiträge
3
Kekse
0
Hallo Zusammen,
Ich bin neu hier und habe mich hier angemeldet, da ich hoffte, jemand könne mir in einem Forum diesen Ausmaßes vielleicht helfen!

Vorweg möchte ich mich kurz vorstellen: Ich spiele E-Gitarre bin 19 Jahre halt und höre vorwiegend Blues :)

Ich habe schon das eine oder andere "Band"-Projekt hinter mir.
Kurz gesagt: wir haben songs gecovert (standard rock songs) und hatten insgesamt vielleicht 2 eigene songs (und die waren echt besch[...])

Nun zu meinem Ziel und meiner eigentlichen Frage :confused:

Ich höre vorwiegend Stevie Ray Vaughan, ZZTop, alte Clapton Songs etc. - die ganz großen halt :great:

Ich würde nun gerne einen richtig schön groovigen bzw. funkig/rockigen blues schreiben (am liebsten TexasBlues) - also nicht im Stil von BBKing/Hooker ;)
Wenn ich etwas in dieser Art hinbekommen würde, wäre ich mehr als glücklich :D

http://www.youtube.com/watch?v=6XuBOn-WfGc

Aber wie sollte ich da nun Schritt für Schritt rangehen?
Der erste Tipp wäre hier wohl: Das Blueschema -> kenn(kann) ich
- und genau mit diesem möchte ich auch einen song schreiben können!

Aber da fangen die Probleme schon an:

1. Soll ich mir einfach eine hübsche Tonika suchen und einen passenden Ryhtmus und dann einfach das Blueschema spielen?
2. Ich kann doch nicht 3-4 minuten lang 12 Takte wiederholen (oder doch?)
3. Wann wird da gesungen und in welchen Abschnitten?
es gibt ja so in dieser Art keine festen Verse und Chorus Abschnitte!
Wäre dann eine solche Orientierung nicht langweilig/falsch gedacht??
-> 12 Takte Verse
-> 12 Takte Chorus
-> 12 Takte Verse
-> 12 Takte Improvisation
-> 12 Takte Chrous
-> Ende
4. Also wie gestaltet sich so ein Blues song? Singen und spielen egal an welcher Stelle - wie man gerade lustig ist?

Ich möchte das ganze wenigstens einmal schaffen, damit ich danach eine orientierung für weitere Songs habe :) das wäre echt das größte!
*Ich hab mir einen haufen an licks und Ryhtmen notiert, daran sollte es nicht liegen, aber an der Gestaltung nunmal!

Ich bin echt (echt!) dankbar für jeden Tipp der mich ein Stückchen weiter bringt!
Danke sehr!

BlueDeltaBlues
 
Eigenschaft
 
Hi,

im Grunde hast du es schon gut erfasst. Such dir eine Tonart aus und spiel das entsprechende Bluesshema. Wenn du im Overdub-Verfahren recordest, kannst du dazu schöne Solis reinbauen oder andere Instrumente (real oder virtuell) einfügen. Dazu ein paar nette Vocals. Du hast sicher schon eine Menge Blues gehört. Geh doch bei dem von dir verlinkten Song mal hin, nehm dir ein Blatt Papier und analysiere den Song. In welcher Tonart ist der Song gespielt, welche Stufen/Akkorde werden hier verwendet, wieviele Take spielt jede Stufe. Im ähnlichen Stil zauberst du deinen eigenen Blues. :) Ich muß natürlich zugeben, dass so ein Blues (vor allem das geile Gefühl) im Studio nicht so richtig aufkommt. Geiler ist es natürlich, das mit mehreren Leuten zu spielen und zu zelebrieren. Immerhin ist das auch ein Lebensgefühl. :) Aber versuch mal dein Glück!

Damit du es ein Stück leichter hast, wünsche ich mir deinen Blues wie folgt: Tonart: A-Dur | Länge: max. 4 Minuten | inkl. Solopart u., wenn du es aufnahmetechnisch hinbekommst, Vocals. :)
Abgabetermin: 30.11.2011. ;-)

Soooo, dann hau mal rein. Bin gespannt.

Gruß, Mic :)
 
:D das ist ne witzige idee! - danke für die tipps - ich bin schon fleißig am machen, allerdings ist gerade Klausurenphase :gruebel: (4 stündig usw)

also entschuldige ich mich schonmal für evtl. verspätungen......! :)
 
Ein paar Tage Verspätung lass ich gelten. ;-) Bin mal gespannt.

Gruß, Mic
 
Bluesjams wie in der Art in dem Video ist dafür ein schlechtes Beispiel, denn dabei spielt die Improvisation und Interpretation eine viel größere Rolle als die "Komposition". Denn die besteht aus jahrzehnte alten Standards.

Du könntest den Song im Prinzip 1:1 covern und einen neuen Text darauf legen: keiner würde es dir übel nehmen.

Etwas anderes wäre ein bluesiger Song, der vom Standard-Bluesschema abweicht. Den müsstest du schreiben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch wenn Du schon viel Blues gehört und nachgespielt hast, fehlen offenbar noch ein paar Informationen zum "Background", wenn es "rein gefühlsmäßig" nicht mit einer flotten Komposition klappen will.

Die Meinung von Antipasti teile ich überhaupt nicht.
Allerdings komponiere allerdings auch ganz gern, wenn auch eher Jazz als Rock. Das Genre Blues ist jedenfalls so groß, stilistisch unterschiedlich und bisweilen auch komplex, dass man sich ganz ohne musiktheoretische Kenntnisse kaum unfallfrei hindurchbewegen kann, wenn man die rudimentären Formen erst einmal hinter sich lassen will.

Wie Du selbst gerade feststellen kannst, lernt man über die Fragen und Entscheidungen, die bei einer Komposition anstehen Einiges, was vorher kein Thema war.

Ich würde daher für mehr Ordnung beim vorhandenen Wissens und die Vertiefung plädieren und das Durcharbeiten der bewährten Hefte von John Ganapes zum Thema empfehlen.
Besonders sinnvoll finde ich John Ganapes, Blues You Can Use (Grundlagen) bzw. vielleicht auch gleich die Fortsetzung "More Blues You Can Use" und wenn Du noch tiefer nicht nur in die Blues-Materie eindringen willst: John Ganapes, Jazzin' The Blues.
 
Die Meinung von Antipasti teile ich überhaupt nicht.

Ich bezog das speziell auf das verlinkte Referenz-Video, nicht auf Blues allgemein. Das Video zeigt einen Blues-Jam, wie es sie zu tausenden gibt. Da kommt es eher auf das Spiel an.

Gegen musiktheoretische Kenntnisse habe ich nichts. Um Blues zu spielen, muss man zB auch Blue-Notes kennen. Logisch. Auch sonst würde ich dir nicht widersprechen und sehe deine Ausführungen eher als Ergänzung zu meinen.

Hast du den Post vielleicht vor dem EDIT gelesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo :)
Danke für eure Antworten

@zonquer
ich besitze bereits das "Blues you can use" - schön, dass mir jemand meine Kaufentscheidung bestätigen konnte :)

Da du von Grundlagenvertiefung sprichst, dies sind meine derzeitigen Grundlagen:

Quintenzirkel (Tonarten + Funktionen - Dominanten-Doppeldominanten-Parallelen etc.)
Alle Lagen der Pentatonik (und ein Paar Bluenotes)
Bluesschema (auch mit Zwischendominanten bzw. andere Turnarounds)
Sept Akkorde/mit None = bluesige Akkorde halt
und eine gute Hand voll Blues Licks :p

geht die Blues-Musiktheorie noch tiefer? Meinst du ich müsste mir noch etwas mehr Zeit nehmen bevor ich einen eigenen Song in Angriff nehmen kann?

--------------------------------------------------------------------------

antipasti schrieb:
Du könntest den Song im Prinzip 1:1 covern und einen neuen Text darauf legen: keiner würde es dir übel nehmen.

Genau um so etwas geht es mir. Mein Ziel bei dieser Sache ist es nicht einen neuen Bluesstandard zu schreiben, sondern über dieses Bluesschema einen neuen Song.
Es sollen natürlich nicht die gleichen Akkorde(besser gesagt voicings) und Licks wie bei SRV sein...

Trotzdem ist es mir noch nicht möglich gewesen das mal eben 1:1 umzusetzten :)
Ich spiele seit 2,5 Jahren Gitarre und habe so etwas einfach noch nie ausprobieren können, da ich mit einer solchen Blues-Praxis noch ziemlich am Anfang stehe, da meine bisherigen "Band"Kollegen nie Lust auf diese Art von Musik hatten :( (die träumten den traum von der pop-rockband - wohl nichts für mich)

Schönen Abend noch!
BlueDeltaBlues
 
...ich besitze bereits das "Blues you can use"
Meinst du ich müsste mir noch etwas mehr Zeit nehmen bevor ich einen eigenen Song in Angriff nehmen kann?

Nein.
Wenn Du das Heft von John Ganapes durchgearbeitet hast, sollten deine Fragen eigentlich gelöst sein oder zumindest ganz anders lauten als die Frage 4 in deinem ersten Beitrag.

Im Grunde lautet das Rezept: nimm deinen Lieblingsblues, lerne ihn absolut sicher auswendig zu spielen und improvisiere darüber. Das gilt für die Akkorde, mögliche Erweiterungen bzw. Substitute sowie für anwendbare Skalen und auch für den Text, falls Du einen benutzt. Alles natürlich innerhalb der Vorgaben, die für deinen Blues stilistisch gelten.
Die harmonischen Grundelemente bleiben am besten an der gleichen Stelle wie im Original (Tonika-Akkord im erstenTakt usw.).

Wenn man einige Stücke im Repertoire hat, sie wie im Schlaf beherrscht und damit spielt, ergeben sich fast zwangsläufig Ideen für neue, eigene Variationen und letztlich Stücke im selben Stil.
Deshalb fand ich es auch gut, irgendwann keine alten Rolling Stones und R'n'B Cover aus den 60ern mehr zu spielen... Obwohl es natürlich viel Spaß macht.
 
Trotzdem ist es mir noch nicht möglich gewesen das mal eben 1:1 umzusetzten

Wo hakt es denn? Beim Raushören, beim Rhythmus? An der Geduld? Du musst im Prinzip als erstmal nur nachspielen.

Es ist vielleicht auch nicht ganz einfach, allzu verkopft an das Thema Blues ranszugehen. Nimm doch einfach mal ein Bluesschema auf, erstmal nur als Loop, und improvisiere dazu, ohne gleich den Anspruch eines geschriebenen Songs zu haben. Spiel kleine Patterns, die du über alle Harmonien wiederholst / variierst und guck, wie sie passen. Aus der Improvisation heraus kannst du feste Ideen enwickeln und dann in den Song übernehmen.
 
du kannst zum schreiben eines blues nicht musiktheorie als grundlage nehmen.
Du musst bedenken dass der blues vor der theorie dazu existiert hat.Die theorie ist lediglich der versuch einer analyse.
Blues hat was mit gefühl und lebenserfahrung zu tun. Du musst mit deinem spiel eine geschichte erzählen.Jeder lick repräsentiert einen gedanken oder ein gefühl.
Natürlich musst du die "sprache" erst lernen, aber der effektivste weg dafür liegt meiner meinung nach nicht in der theorie, sondern in der "praxis".Du musst erst viele sachen "nachsprechen" bevor du eigene sätze formulieren kannst. Die großen blues-gitaristen haben damit angefangen indem sie sich vor ihren schallplattenspieler gesetzt haben und jeden song ihrer vorbilder versucht haben nachzuspielen. das ist ein prozess der viel geduld verlangt und sehr frustrierend sein kann.
Und ich denke wenn man da versucht eine abkürzung zu nehmen, wird man da vermutlich den falschen weg gehn und seine kraft und ausdauer vergeuden.
Kurz gesagt, einen blues kann man nicht planen...wenn du soweit bist, kommt es ganz von allein
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Ich will mich in diesem Musik - Theorie - Bereich nicht einmischen, will nur kurz etwas loswerden, was vor mir schon misch 221 bemerkt hat:
Man "schreibt" einen Blues nicht! Ein Blues entsteht beim Spielen!
Was ist denn das für eine Vorstellung: man lernt die theoretischen Grundlagen mit allem Pipapo, dann setzt man sich hin und "schreibt" einen Blues? Erzählt das 'mal einem "echten Blueser"!
Ich fürchte, der lacht sich kaputt!
(Man kann tausend Bücher über Fussball lesen, jedes Wochenende ins Stadion gehen. Aber wenn man nicht Fussball SPIELT, wird man kein Fussballer!)

Und damit bin ich schon wieder weg!
 
@ Emptypockets: Ja, sehr guter Einwand. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Einfach machen. "Es gibts nichts gutes, außer man tut es.". ;-)))
 
Dass der Einwand zutrifft, sehe ich nicht so ganz. Das liegt hauptsächlich daran, dass damit eine Behauptung als "Königsweg" formuliert wird, die nur einen Teil der veröffentlichten Bluesmusik beschreibt.

Seit den dokumentierten Anfängen hat es immer auch die andere Arbeitsweise ausgebildeter Musiker gegeben.
Schon Leben und Werk von W. C. Handy, zeitgenössisch immerhin als "Vater des Blues" bezeichnet, zeigt alles andere als eine rein "natürliche" Herangehensweise. Da werden eher wie bei vielen schöpferischen Menschen üblich Ideen gesammelt und zusammengebastelt, was natürlich Überlegung und musikalisches Wissen voraussetzt.
Robert Johnson ist beileibe nicht das einzige "Vorbild" für den Blues und seine Musiker.

Auch mit dem Blues im Jazz, besonders ab dem Bebop, dem Blues in Big Band Arrangements und im Rock sowie R'n'B ab Mitte der 60er Jahre hat der "Einwand" wenig zu tun.

Musikalische Ausbildung und theroretisches Wissen allein machen keinen "Komponisten" und keinen "Musiker", das ist schon klar.
Jedoch kann ein kreativer Musiker durch Wissen in Theorie und Praxis Beschränkungen überwinden, was anders eben nicht möglich wäre.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tut mir leid, aber das geht nun wirklich zu weit!
W.C.Handy gilt doch nur deshalb als "Erfinder" des Blues, weil er der erste war, der Songs "Blues" nannte und insgesamt ein sehr geschickter Verkäufer seiner Musik war! Ernst Mosch ist auch nicht der "Erfinder der Egerländer Volksmusik", sondern nur ihr geschicktester und bekanntester Protagonist!
Das was Du schreibst, nämlich, dass es immer wieder gut ausgebildete Musiker gegeben hat, die einen theoretischen Zugang zum Blues gehabt haben, weil sie eben einen "Blues schreiben" wollten, mag ja sein.
Das als Maxime negiert aber die gesamte Entwicklung des Blues insbesondere bis zu dem Punkt, wo er dann erstmals auf Platte gebannt wurde!

Ich denke, wir reden hier von zwei völlig verschiedenen Dingen: vom durch bestimmte musiktheoretische Parameter definierten Blues auf der einen Seite, und vom "echten" Blues auf der anderen Seite, der eine ganz bestimmte soziale, politische und psychologische Grundlage hatte!

Und noch eins: auch Robert Johnson ist vielleicht ein bekannter Blues - Protagonist (und nicht einer der schlechtesten), aber er taugt ganz bestimmt nicht als Musterbeispiel für einen archaischen Blueser, dazu war er schon zu sehr "Star"!

Ganz so einfach sollte es sich dann mit dem "Blues" dann doch nicht machen, indem man einfach seine theoretischen Grundlagen zum Dogma erklärt!

Einer der größten Blues - Musiker, Son House, hat eine sehr einfache Definition vom Blues, die definitiv nichts mit Musiktheorie zu tun hat (ich glaube auch nicht, dass ihn das auch nur einen Funken interessiert hat, aber trotzdem wird niemand ernsthaft bezweifeln, dass wohl niemand vor und nach ihm so sehr "Blues gemacht" wie er!): es geht schlicht um einen Mann und eine Frau, die scih betrügen.

Wenngleich diese Definition natürlich genauso eng(stirnig) ist wie andere, so zeigt sie doch durch den ausschließlichen Bezug auf inhaltliche Dinge, was den Blues in Wahrheit ausmacht! Nämlich nicht die Musiktheorie, sondern die dahinter stehende inhaltliche Bedeutung, die sich nur in denen Formen ausdrückt, die die Musiktheoretische Form des Blues vorgibt!

Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, sich dem Blues musiktheoretisch zu nähern. Aber im Gegensatz zu meinem Vorposter sehe ich die Gewichtung - den "Königsweg" - genau anders herum.
Man kann es so machen, aber das ist bestimmt nicht der verbreitetere Weg!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Juchuhhh ... endlich wieder mal eine Auseinandersetzung Theorie versus Gefühl ... :)

Es ist - wie immer - wohl beides richtig:

Einerseits ist der Blues DIE Musikgattung schlechthin, die mit (mündlich) tradiertem, erdigem und wenig theoriebelastetem Zugang asoziiert wird. Das ist sein Image. Und viele der - insbesondere frühen - Bluesmusiker förderten dieses Image auch noch, weil sie nicht akademisch ausgebildete Musiker waren ...

Auf der anderen Seite ist der Blues eine sehr einfache Musik - eigentlich. Volksmusik. Ihre musikalischen Schwerpunkte lassen sich - prinzipiell - leicht theoretisch zusammenfassen.

Weiters kann man AUS dem Blues heraus noch mehr holen ... wenn man schreibt und komponiert ! Viele Nummern eines Ray Charles (Let the good times roll), sowie kunstvolle Bluesarrangements eines Quincy Jones zum Beispiel ... die entstehen nicht einfach so bei jammen ...

Thomas
 
Wenngleich mich der eine oder andere Ausdruck in Deinem Beitrag etwas irritiert, geht er nach meinem Empfinden schon deutlich mehr in die richtige und konsensfähige Richtung!
Einzig mit Deinen Beispielen bin ich nicht einverstanden. Du hast mit Ray Charles sicherlich recht, aber ausgerechnet "Let the Good Times Roll" ist - zumindest in den Fassungen, die ich kenne, absolut rudimentärer Rock'n'Roll! Und das Quincy Jones ein hervorragender Mann ist, auch da sind wir uns einig, aber Du schreibst von seinen kunstvollen Arrangements, und um die geht es nicht, sondern um Komposition!
Als Beispiel für den Unterschied möchte ich ein Stück - ich glaube - von Leadbelly anführen: "One Meat Ball", ein ganz simpler, traditioneller Blues. Aber es gibt hiervon eine Aufnahme von Ry Cooder mit vollem Bläsersatz und "großem Besteck", kunstvoll arrangiert. Toll! Aber es ist eben "nur" ein Arrangement, keine eigene Komposition.
 
Aaalso...
BlueDeltaBlues fragt in Beitrag #1 nach Hilfestellung, um einen Blues zu planen (blödes Wort, aber ich vermeide das Wort "schreiben", weil es sich ja in den folgenden Beiträgen als zu belastet herausstellt). BlueDeltaBlues möchte keinen Blues improvisieren, sondern einen Song festlegen. Er schreibt: "Ich möchte das ganze wenigstens einmal schaffen, damit ich danach eine orientierung für weitere Songs habe" und später "Mein Ziel bei dieser Sache ist es nicht einen neuen Bluesstandard zu schreiben, sondern über dieses Bluesschema einen neuen Song." .

Darauf jetzt mit Extremhaltungen zu antworten à la "Nutze ausschließlich die Musiktheorie" oder "Vermeide unter allen Umständen jede Musiktheorie" hilft dem Fragesteller natürlich überhaupt nicht weiter. Die erste Haltung "Nutze ausschließlich..." hat hier auch keiner vertreten, die zweite Haltung kam aber sehr wohl vor.

Der Fragesteller hat doch erkennen lassen, daß er einen musiktheoretischen Zugang zum Blues sucht. Nun erschöpft sich Musiktheorie ja nicht im Aufzählen von 12 Takten irgendeiner Akkordfolge. Eine ehrliche Musiktheorie kann alle wesentlichen benennbaren Parameter aufzählen, aber auch ihre eigenen Grenzen - nämlich das, was eine Theorie nicht zu beschreiben vermag. Eine Musiktheorie des Blues kann schon sehr sehr weitgehend stilistische Eigenheiten beschreiben, und Entwicklungen und Tendenzen z.B. in Sachen Tonbildung, Personalstil, Groove, Harmonik in der Improvisation usw. systematisieren. Damit können andere Musiker sie erlernen und damit umgehen.

Eine ehrliche Musiktheorie kann aber auch die meist desolaten sozialen Hintergründe des Blues darstellen, die wir deutschsprachigen Mittelschichtler weder erleben wollen noch können. Siehe auch den Blues-Primer, vor allem Regel 20: "if you own even one computer, you cannot sing the blues". In dem Moment, wo ihr das hier auf euren Bildschirmen lest, ist es also leider schon zu spät :)... Daher ist es als Deutschsprachigmittelschichtcomputerbesitzer durchaus okay, den Zugang zum Blues über Musiktheorie zu suchen, denn so dreckig geht es uns allen nicht, daß wir den echten Blues singen müssten und überhaupt könnten.

Jetzt zum Begriff "einen Blues schreiben": das Verb "schreiben" wird in der Popularmusik meist synonym zu "festlegen" verwendet. Es gibt doch hunderte Songschreiber, die nie eine einzige Note geschrieben haben. Das ist doch kein Geheimnis, und dürfte doch den meisten Musikern so auch klar sein (z.B. den Diskutierenden in einem Songwriting-Forum ;)). Man kann doch auch durch Aufnehmen etwas festlegen. Der Begriff "schreiben" ist angelehnt an "ein Werk schreiben" und ist damit schillernd: bei einigen militanten Freidenkern löst er musikalische Einsperrungsängste aus, bei nicht-kreativen kann er Bewunderung und Ehrfurcht auslösen, bei Musikern ehrliches Interesse, bei der GEMA wird man dadurch zum Kostenfaktor. Ich finde, wir sollten hier im Songwriting-Forum nicht eine einzige Bedeutung des Verbs "schreiben" zulassen, sondern alle möglichen. Was "schreiben" bedeutet, muss jeder Komponist für sich selbst herausfinden und definieren. Und auch das "muss" ist nicht als Dogma gemeint.

Und noch ein paar Einzelanmerkungen...

Einer der größten Blues - Musiker, Son House, hat eine sehr einfache Definition vom Blues, die definitiv nichts mit Musiktheorie zu tun hat (ich glaube auch nicht, dass ihn das auch nur einen Funken interessiert hat, aber trotzdem wird niemand ernsthaft bezweifeln, dass wohl niemand vor und nach ihm so sehr "Blues gemacht" wie er!): es geht schlicht um einen Mann und eine Frau, die scih betrügen.

Na, das ist doch eine Theorie. Ein Betrugsverhältnis bildet eine Spannung ab. Ein Mißverhältnis. Vergleichbar mit einer Blue-Note. Ein Betrugsverhältnis kann Andeutung und Lüge beinhalten - genauso wie gefakte Töne, Growling und Shouting. Ein menschlicher Streit, in einer solchen Situation ja ganz naheliegend, hat viel Call&Response. Da passiert sehr viel bluestypisches. Was Son House hier tut, ist ein Abbilden von Musik auf eine menschliche Beziehung. Ich würde das schon als eine Musiktheorie bezeichnen. Etwas abgefahren, aber - und jetzt kommt der Punkt: es hat durchaus Erkenntniswert. Wer Betrugsverhältnisse kennt oder einschätzen kann und sich mit diesem Vergleich beschäftigt, hat hinterher etwas über Musik gelernt. Es passiert genau das, was eine Musiktheorie leisten kann und soll.

Wenngleich diese Definition natürlich genauso eng(stirnig) ist wie andere, so zeigt sie doch durch den ausschließlichen Bezug auf inhaltliche Dinge, was den Blues in Wahrheit ausmacht! Nämlich nicht die Musiktheorie, sondern die dahinter stehende inhaltliche Bedeutung, die sich nur in denen Formen ausdrückt, die die Musiktheoretische Form des Blues vorgibt! Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, sich dem Blues musiktheoretisch zu nähern. Aber im Gegensatz zu meinem Vorposter sehe ich die Gewichtung - den "Königsweg" - genau anders herum.
Man kann es so machen, aber das ist bestimmt nicht der verbreitetere Weg!

Ja, ich würde sagen: du hast ein recht festes Bild von Musiktheorie. Möglicherweise ist es hilfreicher und zielführender, wenn jede Musik ihre eigene angemessene Musiktheorie bekommt. Ich persönlich bin mir in dieser Hinsicht recht sicher. Musiktheorie sollte eben nicht nur existierende Formen und Takte aufzählen (obwohl sie das auch kann, und BlueDeltaBlues direkt danach fragt), sondern die ganze jeweils betrachtete Musik ins Blickfeld nehmen. Was Musiktheorie leisten kann und soll, ist ja nicht gottgegeben oder vom Himmel gefallen - das können wir selbst festlegen, und das sollten wir IMHO so tun, wie es für die jeweilige Musik und den Erkenntnisgewinn angemessen ist.

Harald
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Ich will mich jetzt nicht im Einzelnen mit Dir streiten - hatten wir das nicht schonmal,oder verwechsel ich Dich? -, ich habe mich in diesen Bereich der Spezialisten ja sowieso nur verirrt. Ich möchte nur abschließend darauf hinweisen, dass mir nicht ergründlich ist, wie aus meinen Worten gelesen werden kann "Vermeide unter allen Umständen jede Musiktheorie".
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben