Ist zwar keine Epiphone, aber trotzdem denke ich, daß hier ein Review samt Bildern gut reinpasst.
Heute ist also nach 5 Tagen die Santander Longhorn/ Le Paul (ja, ohne s) angekommen. Sehr gründlich mit Umkarton um den Karton und Dämmmaterial satt verpackt. Auf den ersten Blick wunderschön - das war ja der Kaufgrund
Kommen wir zur Mängelliste, die etwa so groß ist, wie der Preis klein war.
Auf den zweiten, prüfenden Blick fällt sofort auf, daß die "Glocke" über dem Trussrod schräg sitzt. Das liegt daran, daß das Furnier auf der Kopfplatte offensichtlich nach dem Sattel montiert wurde, etwas zu groß war und am Sattel etwas hochgeklappt ist. Das ließ sich umgehend mit einem einfachen Messer beheben, die Platte kann man trotzdem nun nicht mehr gerade montieren. Ach ja, die Glocke: Mit Senkschrauben befestigt, die Senkung in der Platte hatte man allerdings "übersehen", also in den Keller, einen Senker holen...Problem behoben. Aber wer hat schon einen 90° Kegelsenker im Keller? Insgesamt hat die Lackierung auch so einige Eigenheiten (s.Fotos): kleine Pusteln findet man auf der oberen Zarge an einigen Stellen. Zwischen Bridge und Tailpiece ist lustig ein blauer Flitter einlackiert worden und irgendwie ist das Ding zwar bookmatch topped, aber nicht mittig...Scheiß drauf!
Der Blick ins Elektrikfach zeigt erwartungsgemäß einfachste Potis und Lötstellen, die zwar halten, aber teilweise etwas kalt aussehen. Außerdem zeigt er, wie man Bohrungen für Schrauben ins Nichts macht (Foto). *kopfschüttel* Aber man sieht immerhin sofort, daß tatsächlich eine etwa 15 mm Ahorndecke verbaut ist, da stimmt die Werbung.Der Deckel war allerdings nicht entgratet, also mit der Ziehklinge einmal nacharbeiten....
Die Hardware stammt tatsächlich von Wilkinson, allerdings ist da die koreanische Partnerfirma "Sung Il" für die Tune-o-matic zuständig. Die macht übrigens einen recht robusten Eindruck, verzichtet auf die Klapperfeder, ist allerdings überall gleich gekerbt, so daß meine .50er E-Saite nicht mehr...also mal wieder in den Keller, die Dreikantfeile holen...Ihr wißt schon. Wenn die Saiten einmal runter sind, der Blick zur Halsbefestigung: Ach du Scheiße! Meine Fresse! (siehe Fotos) Short tenon war ja klar, aber 3mm Luft seitlich habe ich noch nie gesehen! Dafür haben sie mit dem Leim nicht gegeizt, der floß wohl munter durch den ganzen Body. Auch hier erkennt man die mehrteilige Ahorndecke, das Saplted maple ist natürlich nur Furnier.. Der Body ist aus 2 Teilen Mahagoni, wobei die Holzteile (oben 1/4, unten 3/4) nicht parallel zum Hals sondern leicht schräg sind. Ach ja, die klampfe hat auch wenig von Van Halen, der Bridge-PU ist nämlich leicht schräg eingebaut. Ausbau und Test zeigt: Man hätte ihn etwas bequemer auch gerade reinbekommen, dann wäre wohl auch der Rahmen nicht angebrochen.
Die Kopfplatte hat einen klanglichen Vorteil, der dazu geführt hat, daß es in den 80ern sogar fertige Metallschablonen zu kaufen gab, die die Platte dicker machen sollten, weil es fetter klänge.Sie ist satte 17 mm dick. Nun, leider sind die Mechaniken nicht passend dazu konzipiert worden, die Welle guckt nur so knapp aus dem Holz raus, daß man wirklich nur eine Wicklung unterhalb der Saite bei der E-Saite hinbekommt. Zudem sind manche Querbohrungen für die Saiten zu tief gesenkt worden, daß scharfe Kanten entstehen, an denen die Saite schon mal reißen kann. Kurz: Wilkinson Mechaniken sind Schrott!
Lösungsmittel-/Klebereste auf dem Bridge-Volumepoti (Foto) sind häßlich, machen aber wenigstens technisch nix. Stören tun allerdings Grate am Toggleswitch (Foto)
Der Hals fühlt sich sehr ähnlich an wie die China-Epis, schönes fettes Profil. Die Bundenden sind gut entgratet, leider sind die hohen Lagen etwas ungleich eingepresst und nicht noch einmal abgerichtet, so daß eben nur eine mäßige Saitenlage erreicht werden, sonst treten Deadspots auf.Der Sattel muß(te) selbstredend nachgearbeitet werden, da ist einfach miserable Arbeit abgeliefert worden, weder Höhe der Kerben noch die Breite war schon bei den Originalsaiten ok.Die Bassaiten klemmten regelrecht in der Kerbe. Die Halsspannung wollte ich noch nicht korrigieren, weil die 11er sich erstmal setzen müssen, ab Werk waren wohl 9er drauf, die man getrost direkt mit dem Saitenschneider ins Nirvana befördern konnte. Alles in allem spielt sich sich aber doch sehr angenehm, wie eine China-Epi eigentlich, mit etwas mieserer Saitenlage. Die inlays sind sogar etwas sauberer als bei mancher Epi.
Klingt übel, was?
Trotzdem werde ich das Ding behalten, denn neben der genialen Optik hat das Teil noch ein Riesenas im Ärmel: Einen grandiosen Kick-Ass-Sound.
Die hat ein Sustain, das man bei dieser Hals"konstruktion" nicht für möglich hält und einen wirklich knackigen, offen, drahtigen und trotzdem runden Sound. Die PUs haben nicht so viel Output wie die Epis, ein wenig gemäßigter, machen aber trotzdem oder gerade deswegen einen klasse Crunchsound und tolle Leads mit dem Tubescreamer. An der Bridge bissig, am Hals warm, aber noch sehr definiert. Manchmal meint man, man hätte Single Coils, weil sie so "twangy" sind. Heftige Bratsound sind gut definiert und neigen nie zum Matschen, die Volumepotis laufen cremig und gleichmäßig, die Tonepotis kratzen und sind mit blödsinnigen Kondensatoren ausgestattet: Erst passiert nix, ab 3 wird's dann plötzlich mumpfig. Was soll's, kein Mensch braucht Tonepotis.
Alles in allem:
189 Ocken sind vertretbar, man sollte allerdings ein klein wenig Geschick und Bereitschaft zum schrauben/nacharbeiten mitbringen und über einiges hinwegsehen. Eine Epi ist auf jeden Fall wertiger, für mich ist das Ding eine nette Ergänzung in meiner Paulasammlung, weil sie einen wirklich eigenen klangcharakter hat. Für blutige Anfänger kann ich nur abraten, weil die Werkseinstellung entweder nicht stattgefunden hat oder der zuständige Chinese zu viel am Lack geschnüffelt hat. Wollte man das vom Gitarrenbauer erledigen lassen, ist der günstige Preis ratzfatz dahin. Bleibt also eine Gitarre für Wahnsinnige wie mich, einfach aus Spaß an der Freud'.