Im Dirigieren weiterbilden

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Zitronenmelisse
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Hallo allerseits!

Ich bin 24 Jahre alt, wohne in Österreich, und habe eine 4-jährige Kapellmeisterausbildung (Ensembleleitung Blasorchester über die Musikschule) mit Auszeichnung abgeschlossen, spiele Klarinette, und leite seit zwei Jahren ein Mittelstufenblasorchester.
Nun, wo ich mit der Ausbildung fertig bin, weiß ich nicht wirklich genau, wie ich weitermachen soll, bzw. möchte ich mit der "Ausbildung" noch nicht aufhören. Natürlich würde ein Studium am naheliegensten sein, jedoch weiß ich nicht genau, wie das Ganze dann funktionieren würde. Ein paar grundsätzliche Fragen wären:
1.Muss ich, wenn ich Dirigieren studieren möchte, vorher irgendein Musikgymnasium, etc. absolviert haben, oder würde es auch gehen, wenn theoretisch jemand zur Aufnahmeprüfung geht, der noch nie in einer Musikschule war, und einfach zuhause von irgendjemanden alles gelernt hat?
2.Wie gut muss man wirklich Klavier spielen können? Ich habe in weißer Voraussicht, vor ca. einem halben Jahr mit dem Klavier spielen begonnen. Nun ist es aber nicht so, dass ich mich als großartigen Klaviervirtuosen bezeichnen würde - logisch, nach einem Jahr. Wenn ich an Sachen, wie Bach, etc. denke, die scheinbar schon bei der Aufnahmeprüfung gespielt werden müssen, wird mir ehrlich gesagt schwarz vor Augen, denn das kann noch lange dauern.
3.Wie würde so ein Studium generell ablaufen? Die Frage klingt vielleicht ein bisschen blöd, aber ich bin auf dem Land aufgewachsen, wohne auch noch dort, und habe deswegen nicht die große Ahnung, wie das generell ablaufen würde. Ist man da den ganzen Tag dort, und es läuft wie in einer Schule ab, oder hat man da seinen Lehrer, der einem bis zum Abschluss vorbereitet? Wie zeitaufwändig wäre das, sprich, kann man nebenbei einen Halbtagesjob ausüben? Wie sieht es mit Förderungen aus? Bekommt man vom Land irgendetwas bezahlt, wenn man eine gewisse Zeit gearbeitet hat (wären bei mir mittlerweile 7 Jahre), oder muss man in der Studienzeit einfach so mit dem Erspartem über die Runden kommen?


Vielleicht nimmt sich jemand die Zeit, und kann mich unwissenden ein bisschen aufklären, darüber wäre ich sehr dankbar. ;)

Oder würde es irgendetwas anderes geben, was ich machen kann? Wohl nicht, oder?
 
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1. Nein.
Das erste was Du schaffen musst, ist dass sie dich einladen zur Aufnahmeprüfung. Hast Du ein paar Referenzen (deine bisherigen Ensembleleitungen) kannst Du für die MHS interessant werden. Dann heißt es die Aufnahmeprüfung bestehen. Dann heißt es unter den bestanden Habern derjenige zu sein, den sie nehmen. Dann heißt es im Studium zu bestehen.

2. Kommt drauf an...
was Du unter "gut" Klavierspielen verstehst. Du musst sehr, sehr gut zweckmäßig Klavierspielen können. Also ein Konzertpianist wird auf technik und Ausdruckskraft seines Spiels gedrillt. Die Dirigenten müssen vor allem sehr schnell Sachen richtig spielen können. Das heißt, dir legt jemand einen 4 Stimmigen Choral hin - vielleicht Bach-Niveau. Ich denke (weiß es aber nicht genau) - dass du den im ersten Durchgang fehlerlos vom Blatt spielen können solltest. Schwieriger wird es zum Beispiel bei einem Streichquartett (3 versch. Schlüssel) ... ich kenne einen Dirigierstudenten, der eine Mozartoper innerhalb eines Monats spielen können musste. Ich weiß nicht ob die dabei Klavierauszüge bekommen oder die ganze Partitur. Ein anderer hat einen ganzen Gesangsabend (1,5 Stunden) gespielt bei 3 Tagen Vorbereitung. Es war kein Kunstliederabend, sondern viel Chanson, Musical und ein bisschen Klassik. Es ist unmöglich das zu richtig "lernen". Die spielen das 2 mal durch. Dann proben sie das 2-3 mal mit Gesang und dann gehts auf die Bühne. Es geht darum, dass du im Studium die Ensembles nicht nur leiten sondern im Notfall auch korrepetieren kannst. Bei der Vielzahl an Projekten geht das nur, wenn du sicher vom Blatt spielst und auch noch verfolgen kannst ob jemand grade seinen Einsatz nicht hatte, oder einfach falsch singt usw.
Also du musst gut und schnell auf dem kalvier umsetzen können was da steht und nebenbei auch noch den Kontakt zu den Musikern halten. Du musst nicht wie die Klavierstudierenden so sehr an Technik und Ausdruck arbeiten und keinen Chopin spielen. Das Klavier ist dennoch ein ganz zentraler Bestandteil des Studiums.

3. Schwer zu beantworten...
Wer nicht arbeiten muss hat mehr Zeit zum Üben. Wer viel kann muss wenig üben, hat Zeit zum Arbeiten gehen. Aber man will doch auch seine Freundin ab und zu mal schwängern oder generell entspannen. Bei Projekten regiert auch an Hochschulen nicht selten Chaos und Stress. Da wird über nacht noch eine extra Probe angesagt, aber der Tubist kann nicht, weil er bei Hansi Hinterseher ne Mucke hat. Die Bassisten sind übermüdet, weil die Hochschule einen Bassabend in der gleichen Zeit hat an denen 3 von 6 ihre Zwischen- oder Abschlussprüfung spielen und eigentlich hat ja sowieso keiner Bock auf das Projekt, das du leiten sollst. Dirigenten stehen oftmals grade für Erfolg oder Misserfolg einer Aufführung, sind auch Aushängeschlid einer MHS, müssen ihren menschlichen Weg finden mit unbequemen Situationen fertig zu werden. Aber wenn da 10-20 Leute im Ensemble sitzen kann man denen bei der Probe schlecht sagen "oh ich musste gestern bis 2 Uhr Nachts bei McDonalds Arbeiten, ich konnte mir den 2. Satz noch nicht angucken". Das ist anders als bei Musikern, wo man besser hin und herschieben kann - da ist mehr Flexibilität drin.
Und dann kommt noch der Kompositionsprofessor mit flatternden Zetteln in der Hand an und stellt Dir das neuste Werk seiner besten Studentin vor, welches sie unbedingt am Tag der offenen Tür ("übermorgen") aufführen wollen und "Sie sind doch der Neue Dirigierstudent - das wäre doch was für sie! Oder? Nicht wahr? Hmm?". Und dann hört sich die Chor-Komposition an wie ein Großbrand im Zirkus - wenn man sie richtig aufführt selbstverständlich.
Ich glaube die Dirigierstudierenden haben über die Maße viel zu tun an einer MHS - lernen dabei extrem viel und sehr schnell. Aber man muss da Zähne zeigen und braucht im finanziellen Rahmen wahrscheinlich irgendeine Form der Unterstützung oder bequemes Polster. Bis man für ausreichend Geld Gigs bekommt dauert es sicher ein paar Semester.
 
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Erstmals danke für die ganzen Antworten. Also ich seh schon, am besten is jetzt einmal, dass ich mich wirklich beim Klavier ordentlich reinhänge. ;)
@Zonquer: Ich werd mir das demnächst näher anschauen.
 
@Claus: Ich werd mir das demnächst näher anschauen.
Fastel beschreibt dir die ersten Schritte auf dem Weg zum Orchesterchef eines "Kulturorchesters" wie den Wiener Philharmonikern.
Ich habe dein Berufsziel deutlich bodenständiger aufgefasst und meinen Vorschlag darauf abgestellt, zumal 24 ein fortgeschrittenes Alter für diesen Ausbildungsschritt ist. Ich kenne aber einen Berufstrompeter, -Lehrer und Blasmusikorchesterleiter, der erst mit über 30 Jahren seinen Zimmermannsberuf an den Nagel gehängt und über Dinkelsbühl umgesattelt hat.
Vielleicht gibt es vergleichbare Einrichtungen ja auch in Österreich.

Gruß Claus
 
Guter rat ist immer teuer! Da du grundkenntnisse hast und sie praktisch ausübst, hast du gelegenheit mit deinem ensemble zu experimentieren. Dirigieren heißt nämlich außer "taktschlagen" feinheiten wie phrasierung, agogik, dynamik und emotionen zu vermitteln. Das kann mit knappen bewegungen, aber immer wachem blick erfolgen. Beobachte dich.
Zunächst musst du dich mit dem werk beschäftigen, das du proben und aufführen willst, ein gutes gedächtnis ist hilfreich und lässt sich trainieren, niemand verlangt von dir, die ganze partitur im kopf zu haben, markiere die leitlinien und heiklen einsätze und löse dich im probenverlauf davon. Finde die für dich und deine musiker "richtigen" tempi heraus.
Das klavier ist das ersatzinstrument, auf dem man orchstestrales darstellen kann, wer zum theater will, muss die szenische erarbeitung begleiten, die "maestri" überlassen das meist ihrem personal, wichtiger ist das partiturlesen und kenntnisse der instrumente.
Die schlagtechnik muss sich jeder erarbeiten, sie sei präzis, federnd, knapp, jedes "rudern" ist ungenau und verleitet zum "schleppen".
Man kann jahrelang studieren, ohne wesentliches zu lernen, das ist die erkenntnis meines irregulären werdegangs, und nichts geht über "übung", "machen", selbstbeobachtiung und -kritik. Talent, begabung, genie lassen sich freilich nicht erlernen, das handwerk schon.
 
Fastel beschreibt dir die ersten Schreitte auf dem Weg zum Orchesterchef eines "Kulturorchesters" wie den Wiener Philharmonikern.
Ich habe dein Berufsziel deutlich bodenständiger aufgefasst und meinen Vorschlag darauf abgestellt, zumal 24 ein fortgeschrittenes Alter für diesen Aubildungsschritt ist. Ich kenne aber einen Berfstrompeter, -Lehrer und Blasmusikorchesterleiter, der erst mit über 30 Jahren seinen Zimmermann an den Nagel hing und über Dinkelsbühl umgesattelt hat.
Vielleicht gibt es vergleichbare Einrichtungen ja auch in Österreich.

Gruß Claus

Naja, das Alter finde ich eigentlich nicht wirklich schlimm. Bei mir ist es ja auch so, dass ich nicht den Druck habe, von der Musik später leben zu müssen. ich hab einen Job gelernt, mir in den letzten Jahren einiges an Geld zusammengespart. Bei mir wäre es einfach so, dass ich es rein aus Interesse machen würde, und alles, was sich ergeben würde natürlich mitnehme. Aber mein Ziel ist es eben nicht krampfhaft im Hinterkopf immer das MÜSSEN zu haben, was für einige Musikstudenten das Schlimmste überhaupt ist.

Und was die Dirigiertechnik abgeht, würde ich mich selbst schon als gut bzw. sattelfest bezeichnen. Auch rhytmisch hab ich noch nichts gesehen, was mir Rätsel aufgeben würde. In diesem Punkt bin ich wohl wirklich "gesegnet" worden. Auch die soziale Kompetenz (ist ja nicht immer einfach, ein Amateurorchester richtig zu behandeln, vor allem in meinem jungen Alter (damals 21)) ist bei mir durch meinen Beruf vorhanden. Also in diesen beiden Punkten würde ich mir schon vieles zutrauen, ohne mich natürlich selbst in den Himmel loben zu wollen, aber das ist halt eine realistische Einschätzung. Gehörbildungstechnisch versuche ich auch täglich ein bisschen was zu machen (hab mir sogar eine CD mit Intervallen und Dreiklängen fürs Autoradio zusammengestellt^^).
Auch in der Musiktheorie hab ich eigentlich nie Probleme gehabt, nur eben auf dem Klavier hab ich erst vor ein paar Monaten begonnen.

@Claus: Ob es so etwas ähnliches in Österreich gibt, weiß ich nicht, ich werd mal ein bisschen suchen, so richtig aufgefallen wär mir allerdings noch nichts.
 
Für mich stellt sich vor allem die Frage, ob du ersthafte Ambitionen hast dich irgendwann vom Dirigieren ernähren zu wollen oder nicht. Falls ja, versuche irgendwie ins Studium rein zu kommen, das ist die beste Kontaktbörse die es gibt, ganz unabhängig von der Zeit die man hat (oder machen muss) um sich intensiv mit Musik zu beschäftigen.

Solltest du aber das ganze als Hobby mit professionellem Anspruch betreiben wollen, warum bildest du dich dann nicht ganz gezielt weiter? Ich selber habe Jazzklavier studiert, und seitdem keinen regelmäßig Unterricht mehr. Ab und zu gönne ich es mir jedoch um bei einem netten Kollegen vorbei zu fahren um mir ein paar Sachen zeigen zu lassen die ich nicht kann. Bei Bekannten für ne gute Flasche Wein, ansonsten bezahle ich die Leute einfach dafür. Ich kann mir aber so ganz gezielt aussuchen was, wann und bei wem ich etwas lernen möchte. Wenn ich morgen auf ein Konzert fahre und der Pianist mir gefällt, spricht für mich nichts dagegen ihn nachher anzusprechen, Nummern auszutauschen und nächste Woche mal auf ein Klavierstündchen vorbei zu fahren.

Gibt es bei dir in der Nähe gute, erfahrene Dirigenten die dir gefallen? Einfach mal ansprechen, ob du bei Proben hospitieren darfst oder ob die auch unterrichten. Dabei kannst du ruhig auch hoch pokern. Wenn die Leute nicht gerade eine feste Stelle an ner Hochschule haben (obwohl das glaube ich auch keinen reich macht) muss jeder Musiker irgendwie seine Miete zusammenbekommen. So kannst du dir auf jeden Fall gezielter jemanden suchen der dir bei dem hilft was du lernen möchtest, ohne gleich in der Mühle einer Institution festzuhängen.
 
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Naja, das Alter finde ich eigentlich nicht wirklich schlimm...
Ok, ich weiß auch gar nicht wie das heute an Musikhochschulen gehandhabt wird.
Zur Zeit meines (geisteswiss.) Studiums mit Anfang 20 hat mich mein damaliger Kontrabass-Lehrer in den 80ern einmal gefragt, ob ich ein Musikstudium anstrebe und meinte, bis zum Alter von 25 Jahren wäre die Teilnahme an der Aufnahmeprüfung möglich.
 
Das mit dem Alter liegt imho meistens im Ermessen der Dozenten. Grade ein Fach wie Dirigieren oder komposition - da gibt es bei Leuten die viel Erfahrung haben schon einen gewissen Vorteil. Klar es geht darum den Nachwuchs auszubilden, aber ich kann mir schon vorstellen, dass 30 da nicht so ganz problematisch ist. Ab Mitta 30 sollte es jedoch schwierig werden.

Fastel beschreibt dir die ersten Schreitte auf dem Weg zum Orchesterchef eines "Kulturorchesters" wie den Wiener Philharmonikern.
Jap, allerdings muss man dazu schon nochmal deutlich sagen, dass eine Musikhochschule die Ambitionen hat zukünftige Berufsmusiker auszubilden. Ich will nun nicht mehr sagen als ich weiß aber "gefühlt" denke ich, dass man in ein solches Studium, an einer guten Uni nur kommt, wenn man das im Aufnahmegespräch das auch glaubwürdig kommuniziert. Sicher können die wenigsten Dirigenten ausschließelich vom Orchesterquälen leben. Aber ich denke die Studenten verfolgen schon die Ambition professionell arbeitende berufsmusiker zu werden und das was sie studiert haben, zum Mittelpunkt ihrer Arbeit zu machen.
Es gibt an MHS auch Chorlaitungstraining, oder schlicht Wahlkurse in Ensembleleitung. Da kann man vielleicht auch ohne Studienplatz reinkommen und sicher viel lernen. Allerdings kenne ich das (vom Hörensagen) so, dass die Musiker da nur zeitweise in die Dirigier-Rolle schlüpfen, da jeder Kursteilnehmer dirigieren soll. Der Rest muss dann eben den Chor oder das Ensemble bilden. Das heißt, da musst Du dann eben mitsingen/-spielen.
 
M
  • Gelöscht von peter55
  • Grund: Eigenwerbung!

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