Improvisation: frei vs. Skalen

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Oft wird das Improvisieren über Skalen "gelehrt", jede Tonart, jeder Akkord haben demnach passende und weniger passende Töne. Ich habe mich da nie groß mit beschäftigt, spiele einfach frei nach Gehör. Fehlt mir da was? Ginge es mit Skalen "besser"? Wie macht Ihr das eigentlich? Und wie übt Ihr das? Radio an und mitspielen? Looper? Backing Tracks aus der Tube oder Playalong vom CD Player?
 
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Hi Stollenfiddler,
also, wenn Du das Ziel hast, beim Improvisieren immer genau zu wissen, was Du tust, ist´s schon mehr als nur von Vorteil, die Skalen zu kennen und unmittelbar abrufen zu können. Ich würde sogar sagen: unabdingbar. Allerdings habe ich mich auf der Geige damit bisher auch noch nicht eingehender befasst, und übe bísher erstmal brav noch klassische Stücke. Manchmal auch zum Radio, CD oder irgendwelchen Stücken meiner "Ex"?-Band. Und manchmal stelle ich bei mir auch einfach den Standby Schalter ein, und lasse Hände und Geige das "untereinander ausmachen".
Aber mein Plan ist auch eher, mich für das Improvisieren mittels Skalenkunde sattelfast zu machen. Es hat was ungemein Beruhigendes, zu wissen wohin die Reise geht.:D
Zu diesem Zwecke habe ich mir diese Seite in die Ablage gelegt, allerdings selbst noch nicht genauer durchdrungen. Kann also nicht sagen, ob die empfehlenswert ist.

http://fiddlerman.com/tutorials/advanced-tutorials/jazz-improvisation-for-violin/

Ansonsten, falls es Richtung Jazz gehen soll, klar Real Book. Hab´ich mit ´ner Freundin auch schon leichte Stückchen draus gespielt.

Grüße
Kylwalda
 
Schreckliche Antwort: kommt drauf an. Es kommt drauf an wie sehr du drauf hörst wie du spielst. Viel wichtiger als die Frage ob man frei oder nach Skalen spielt finde ich die Frage ob man an seinen Improvisationen tüftelt. Es benötigt den feel für eine gute Melodie. Wenn du den nicht hast kannst du Skalenrattern oder nach Gehör spielen. Beides wird schlecht klingen.

Und dieses Gefühl bekommt man eher nur, wenn man daran tüftelt.
 
Hi wiesenforce,
Von "es kommt darauf an" hatte ich eigentlich nichts gesagt. Aber Danke für das Kompliment :). Es gibt halt Musiker, die bei dem "Aus dem Bauch raus-Spielen" bleiben möchten und damit zufrieden sind. Und ich finde, das dürfen sie auch, wird halt nur manchmal auch ´ne ordentliche "Bauchlandung" . Und ein Spielen nur "nach Gehör", also ohne bewusste Kenntnis der Strukturen,- seien es Skalen, oder andere ( eventuell visuelle) Brücken, die man sich baut-, führt doch allzu oft in die Sackgasse von Unsicherheit, und damit : feelkiller
Ich stimme Dir zu, ein abschießendes Tüfteln an den Melodien ist sehr wichtig. Im akuten Bandzusammenhang von vornherein. Aber für den Weg dorthin, das Improvisieren (sei es mit oder ohne Tonträger) erstmal zu erlernen, habe ich ein zwischenzeitliches !!! selbstvergessenes Drauflosspielen, egal bei welchem Instrument, oft als sehr fruchtbar erlebt. Da wohnen die Ideen. Ich setze es sogar bisweilen gezielt in meinen Übeeinheiten ein. Dabei kommen oft genug irgendwelche Melodien, Riffs als Rohmasse, die sich dann mit genauerem Zuhören dann weiterverfolgen lassen.

Grüße
Kylwalda
 
Ich denke, daß der Reiz der Improvisation der ist, daß sie nie perfekt sein wird.
Von daher ist es eigentlich normal, daß man nie mit seinen Impros zufrieden ist.

Skalen trainieren eigentlich nur die Finger auf flüssige Übergänge, ähnlich wie Etuden.
Ich hab einiges gelernt beim Raushören und nachspielen von Impros.
Letztendlich mischt sich das in die eigene Technik.

Grausam finde ich es dann, wenn man feststellt, daß man sich zu oft im Kreis dreht und
immer wieder die selben Phrasen hintereinander klemmt. Super ist es dagegen, wenn man
sich beim Spielen noch selber überraschen kann. Leider klappt das nicht immer.


cheers, fiddle
 
@ Kylwalda: ich find es echt cool, einerseits sagst Du, die Skalen seien unerlässlich, andererseits hast Du Dir das auch noch nicht angetan. Ist nicht ganz ohne Widerspruch. Auf der anderen Seite kann ich dieses "in die Musik fallen lassen" und die Finger einfach laufen lassen sehr gut nachvollziehen, das ist aus meiner Sicht für die Improvisation ein Idealzustand.

Das es dann vorkommt, dass man sich im Kreise dreht kenn ich auch gut - wenn ich das bemerke versuche ich auch aktiv auszubrechen, wechsle in eine andere Lage oder auf andere Saiten um die ausgetretenen Pfade zu verlassen.

Was die Skalen angeht, hab ich auch ein wenig Bedenken, dass sich das Ganze dann von Melodien hin zu "Skalengedudel" entwickelt. Schnell und beeindruckend, dafür aber mechanisch. Oder ist das jetzt eine Ausrede, sich damit nicht befassen zu müssen?

Ein paar Dinger aus dem Realbook sind sicher nie verkehrt, und im Jazz kommt man an den Skalen vermutlich auch kaum vorbei. "Frei" zu improvisieren bedeutet ja, die Akkordfolgen absolut sicher im Hirn zu haben, was bei vielen Jazzstücken schon verdammt hart werden kann.

Andere (auch Gitarren) Soli nachspielen ist eine tolle Übung, sehr angenehm dafür "Still got the Blues" von Gary Moore, über die getragenen Bereiche kann man dem Gittensolo sogar noch ne Terz drauflegen, fühlt sich sehr gut an. Überhaupt ist das Spielen von Zweitstimmen zu bestehenden Meldodien aus meiner Sicht eine spannende Sache.
 
Stollenfiddler, da hast Du Recht, da ist scheinbar ein Widerspruch, -aber nur scheinbar. :)Mein "besseres Ich" sagt, :" Diesmal machst Du´s anders, als damals bei der Gitarre,etc… bleibst nicht auf halber Strecke stehen mit den Strukturen , sondern machst es umfassend richtig mit Substanz."
Ich bin halt zu dem Schluß gekommen, daß Skalen unterm Strich, wenn´s nicht zur Skalenreiterei wird, notwendig sind, um wirklich wirklich "frei" spielen zu können. Gezielter spielen zu können. Ich bestaune immer wieder diese Leute, denen es aus allen Poren dringt, daß sie genau wissen, was sie tun. Ohne mechanisch zu wirken. Ich gebe zu, mein "Genießer-Ich" denkt jetzt schon mit Wehmut daran, daß mir dabei die Fähigkeit, mich "überraschen zu lassen", und die teilweise heißgeliebten "Fehler" ( die ja manchmal zum sofortigen Basteln von etwas Neuem führen), abhanden kommen könnten.

Ja, fiddle, die Gefahr mit diesem " sich im Kreis drehen" sehe ich dabei durchaus, hoffe aber mal, daß die mehr oder weniger "lange Leine" die ich mir die meiste Zeit meines musizierenden Daseins gelassen habe, mir, wenn gewünscht-, auch weiterhin zur Verfügung steht.
Aber noch ist das eh alles Vorhabe. Du siehst, Stollenfiddler, ich habe groß rumgetönt ;), wollte Dir etwas nahelegen was ich selbst noch nicht umsetze, aber ungefähr so hatte ich es ja auch gesagt.
Ob´s ´ne Ausrede ist, … wirst wohl Du selbst am Besten wissen
Grüße
Kylwalda
 
Ich glaube, der Widerspruch, der hier aufgebaut wird zwischen "nach Gehör spielen" und "Skalen studieren/anwenden" führt in die Irre und resuliert aus einem irrigen Verständnis, was Skalen überhaupt sind. Scheinbar stellen sich viele darunter mechanisierte Fingerübungen von Noten, die in Form einer Leiter (Scala) angeordnet sind, vor. Aber Skalen sind auch noch ganz etwas anderes.

Versteht man sie als "die nach Tonhöhe geordneten Töne des in einer musikalischen Situation jeweils (sinnvoll) zur Verfügung stehenden Ton-Recervoirs", dann kriegt die Sache gleich ein ganz anderes Gewicht. Unter Umständen auch mit dieser weiteren Definition: Eine Skala ist ein Spiegelbild eines Akkordes. Zwei Seiten ein- und derselben Medaillie.

Natürlich kann man das richtige Tonreservoir bei Vorliegen entsprechenden Talents und Gehörschulung auch nach dem Gehör identifizieren und definieren. Aber das Wissen um die Skalen, oder überhaupt um die Akkorde, sprich Harmonielehre, hilft einem in Situationen weiter, in denen das Gehör versagt. Und in Situationen, in denen man sich auf sein Gehör nicht 100%-ig verlassen kann, ist es hilfreich und wohltuend, eine Alternative zu haben, an die man sich halten kann. Bzw. kann man mithilfe des WISSENS um Skalen und deren jeweilige Funktionen sein Gehör gezielt schulen, neue Klänge in das eigene Sound-Vokabular aufzunehmen, was einem eventuell OHNE das Wissen (nämlich THEORETISCHES WISSEN) für immer versagt geblieben wäre, weil das Ohr alleine es einfach nicht geschafft hätte ...

LG, Thomas
 
Hmm, ich denke es läuft alles auf das Selbe raus:

Ich kenne Skalen-Bücher von meinem Bruder (Saxofon). Das sind vom Anschauen nur Etuden.
Wenn man ein Skalen-Verweigerer ist und harmonisch fit, bewegt man sich trotzdem in den Skalen.
Ich habe nie Skalen-Bücher durchgewälzt und trotzdem hat erst vor kurzem unser Basser zu mir
gesagt, ich könne Skalen spielen.

Ich sag mal so: wenn man Improvisation richtig, gescheit in den Griff bekommen will, dann ist
jede Übe-Technik richtig und notwendig. Da ich aber auch ein fauler Hund bin, muß ich mich
wohl oder übel mit einer Mittelmäßigkeit zufrieden geben.

Picasso: "Talent macht 10% aus, der Rest ist Arbeit, Arbeit, Arbeit."


cheers, fiddle
 
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