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joek71
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Was mich vor drei Jahren darauf gebracht hat, im Alter von 45 Jahren das Klavierspielen lernen zu wollen, kann ich nicht eindeutig beantworten. Es ist wohl eine Kombination verschiedener, Jahrzehnte auseinander liegender unterschiedlicher Eindrücke: Ein Baustein war gewiss der Musikunterricht, der an meiner Schule viel zu wenig erteilt wurde, nämlich nur in den Jahrgangsstufen 5 und 6. Wenn sich der Lehrer an den Flügel im Muskikraum setzte, ging im Raum die Sonne für mich auf. Besagter Lehrer war wohl ein recht bekannter Komponist zeitgenössischer Musik, was mir allerdings erst viel später bewusst wurde. Der Klang des Instruments war und ist für mich ein Erlebnis. Ich schaue häufig und gerne Spielfilme. Hier wird vor allem bei weniger kommerziellen Produktionen häufig statt eines Orchesters ein Pianist und Komponist engagiert. Wie dabei oft mit sehr einfachen Mitteln, Stimmungen erzeugt werden, hat mich immer gefangen genommen. Favoriten, die ich spontan abrufen kann, sind „Wiegenlied für eine Leiche“, „Alles eine Frage der Zeit“ und „American Beauty“(ja, doch alles eher kommerziell
). Das sind eigentlich sehr diffuse Beweggründe, mit so etwas Komplexem, Zeitintensivem und Teurem wie dem Klavierspielen anzufangen.
Vieles mehr sprach rational dagegen:
1. Ich habe einen Hörschaden. Auf einem Ohr habe ich 50% Hörverlust aufgrund einer Erkrankung in früher Kindheit. Ob ich damit einem musikalischen Hobby nachgehen könnte, war für mich lange fraglich. Eine ausführliche Internetrecherche hat jedoch ergeben, dass das kein wirklicher Hinderungsgrund ist.
2. Mein Alter: Mit 45 ein Instrument lernen, geht das überhaupt? Auch hier habe ich google befragt und da ist das Ergebnis immer noch wohlwollend, aber nicht ganz so eindeutig bestärkend wie bei dem Hörschaden: Versuche mit musikalischer Förderung in hohem Alter haben gezeigt, selbst bei über 80jährigen werden immer noch neue Synapsen geschaffen. Schon wenige Sitzungen reichen dafür aus. Musikunterricht beugt Demenz vor. Aber: Kinder lernen Instrumente anders als Erwachsene. Sie bleiben zwar anfangs aufgrund der weniger rationalen Herangehensweise zurück, aber sie verinnerlichen das in der Kindheit Gelernte viel stärker als im Erwachsenenalter neu Gelerntes.
3. Gab es bei dem oben erwähnten Musiklehrer noch ein traumatisches Erlebnis: In der Grundschule habe ich immer gerne und wohl vor allem laut im Chor mitgesungen. Dass andere Kinder für die Soli ausgewählt wurden, beunruhigte mich zwar, aber nicht sehr. Hören konnte man mich doch gewiss auch so! Als es in der 5. Klasse auf der weiterführenden Schule dann hieß, dass noch Mitglieder für den Schulchor gesucht würden, habe ich mich freudig gemeldet. Wer Interesse habe, solle einfach am Ende der Stunde dableiben. Gesagt, getan. Am Klavier spielte der Lehrer dann „Bruder Jakob“ und forderte uns einzeln zum Mitsingen auf. Ich war als Letzter an der Reihe, und wurde nach meinem Vortrag dann leider von allen dagebliebenen Mitschülerinnen laut ausgelacht. Selbst der Musiklehrer musste sich sein Schmunzeln arg verkneifen. Ab da ging ich mit der Überzeugung durchs Leben, vollkommen unmusikalisch zu sein.
4. Ich konnte keine Noten lesen. Alles was ich im Musikunterricht gelernt hatte, war, im Violinschlüssel das c‘ zu erkennen und die Tonleiter. Der Rest ergab sich durch bloßes Abzählen. Ob man das noch nachholen kann? Erschien mir alles höchst fraglich!
Aber: An einem Tag vor etwas mehr als drei Jahren habe ich aber in der Zeitschrift ct von Skoove gelesen, einer Onlineklavierschule. Hier kann ich ganz alleine für mich lernen, Klavier zu spielen, ohne das Risiko verlacht zu werden. Echt? Tolles Ding! ABER… alles, was Ihr oben gelesen habt, wurde wieder in meinem Kopf abgerufen. Dennoch: der Artikel wurde von mir eigentlich nur zur Kenntnis genommen, blitzte aber über Wochen hinweg immer wieder in meinem Gedächtnis auf. Zwei Monate später meldete ich mich schließlich mit einem Testzugang dort an.
Das Prinzip schien mir bestechend einfach: Es werden die Noten für die Hände jeweils einzeln vorgegeben. Werden die richtigen Noten gespielt, wandert ein Balken weiter zur nächsten Note. Nachdem beide Hände einzeln gespielt worden sind, sind sie dann synchron gefragt. Einzige Voraussetzung außer PC mit Internetzugang: Ein mit der Anwendung kompatibles Keyboard. Nach kurzer Recherche fand ich ein passendes gebrauchtes Casio-Keyboard für 100 EUR auf einem großen Kleinanzeigenportal. Aber Himmel: Es dauerte noch drei Tage, bis das ankommen sollte! Also habe ich die ersten Testlektionen immer und immer wieder mit den Fingern auf dem Tisch trommelnd durchexerziert, bis das Keyboard da war. Als das Keyboard dann endlich angekommen war, hechtete ich durch die ersten Lektionen, stieß aber bald an Grenzen, die mir unüberwindlich erschienen. Das kostenpflichtige Vollabo von Skoove war ganz schnell abgeschlossen, aber wann werde ich endlich diese komischen schwarzen Tasten benutzen dürfen? Gibt es eigentlich wirklich nur 4/4 Takt? Wie oft muss ich eine Hand fehlerfrei spielen, bevor ich zur nächsten Hand wechseln darf, bzw. versuchen darf, synchron zu spielen. Wie oft muss ich es synchron hinbekommen haben, bevor ich in der Lektion voranschreiten darf? Wer achtet eigentlich auf die passende Lautstärke, Betonung und Artikulation während meines Spiels (Die Frage konnte ich mir noch nicht wirklich stellen, aber es war mir klar, dass Klavierspielen mehr sein muss, als die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu drücken!). Wieso sehen die Noten zu den Stücken, die ich spiele, wenn ich sie im Netz suche, ganz anders, also viel schwerer zu spielen aus?
Meine Freundin hat mich letztendlich davon überzeugt und darin bestärkt, dass mir bei der Lösung dieser Fragen nur ein Klavierlehrer oder eine -lehrerin helfen kann. Recht schnell habe ich am Ort jemanden gefunden. Mir wurde der „Heumann: Klavierspielen, mein schönstes Hobby“ ans Herz gelegt und als erstes Übungsstück, nachdem man mein „Können“ gehört hatte, wurde mir „When the Saints Go Marching in“ als Aufgabe nach Hause gegeben. Mit viel Elan legte ich los und merkte schnell, dass es vieles gab, das ich im Netz nie hätte lernen können: Lautstärkeunterschiede zu spielen, den Unterschied zwischen Legato, Portato und Staccato und vor allem dieses vermaledeite Ding namens Takt…
Gerne berichte ich bald mehr von meinen Fortschritten Aber ich möchte niemanden mit meinem überlangen Beitrag ermüden, also ist hier erst einmal Schluss
Was Ihr in einer nächsten Folge lesen könntet: Kann ich das überhaupt noch? Überwinden von Selbstzweifeln. - pianissimo, fortissimo und alles dazwischen, das geht doch nicht mit einem Keyboard - Heumann? ist er nicht böse, böse, böse? - Auf der Suche nach einem geeigneten wirklichen Einstiegsinstrument - Erste Verzweiflung, wenn es mit einem Stück nicht klappen will - Ist der Lehrer Schuld?
Habt Ihr Detailfragen? Vielleicht werden sie in der nächsten „Folge“ beantwortet. Wenn es nicht auf meinem Plan steht, kommt es so vielleicht da hinein, oder ich beantworte sie nebenher. Also nur zu!
Vieles mehr sprach rational dagegen:
1. Ich habe einen Hörschaden. Auf einem Ohr habe ich 50% Hörverlust aufgrund einer Erkrankung in früher Kindheit. Ob ich damit einem musikalischen Hobby nachgehen könnte, war für mich lange fraglich. Eine ausführliche Internetrecherche hat jedoch ergeben, dass das kein wirklicher Hinderungsgrund ist.
2. Mein Alter: Mit 45 ein Instrument lernen, geht das überhaupt? Auch hier habe ich google befragt und da ist das Ergebnis immer noch wohlwollend, aber nicht ganz so eindeutig bestärkend wie bei dem Hörschaden: Versuche mit musikalischer Förderung in hohem Alter haben gezeigt, selbst bei über 80jährigen werden immer noch neue Synapsen geschaffen. Schon wenige Sitzungen reichen dafür aus. Musikunterricht beugt Demenz vor. Aber: Kinder lernen Instrumente anders als Erwachsene. Sie bleiben zwar anfangs aufgrund der weniger rationalen Herangehensweise zurück, aber sie verinnerlichen das in der Kindheit Gelernte viel stärker als im Erwachsenenalter neu Gelerntes.
3. Gab es bei dem oben erwähnten Musiklehrer noch ein traumatisches Erlebnis: In der Grundschule habe ich immer gerne und wohl vor allem laut im Chor mitgesungen. Dass andere Kinder für die Soli ausgewählt wurden, beunruhigte mich zwar, aber nicht sehr. Hören konnte man mich doch gewiss auch so! Als es in der 5. Klasse auf der weiterführenden Schule dann hieß, dass noch Mitglieder für den Schulchor gesucht würden, habe ich mich freudig gemeldet. Wer Interesse habe, solle einfach am Ende der Stunde dableiben. Gesagt, getan. Am Klavier spielte der Lehrer dann „Bruder Jakob“ und forderte uns einzeln zum Mitsingen auf. Ich war als Letzter an der Reihe, und wurde nach meinem Vortrag dann leider von allen dagebliebenen Mitschülerinnen laut ausgelacht. Selbst der Musiklehrer musste sich sein Schmunzeln arg verkneifen. Ab da ging ich mit der Überzeugung durchs Leben, vollkommen unmusikalisch zu sein.
4. Ich konnte keine Noten lesen. Alles was ich im Musikunterricht gelernt hatte, war, im Violinschlüssel das c‘ zu erkennen und die Tonleiter. Der Rest ergab sich durch bloßes Abzählen. Ob man das noch nachholen kann? Erschien mir alles höchst fraglich!
Aber: An einem Tag vor etwas mehr als drei Jahren habe ich aber in der Zeitschrift ct von Skoove gelesen, einer Onlineklavierschule. Hier kann ich ganz alleine für mich lernen, Klavier zu spielen, ohne das Risiko verlacht zu werden. Echt? Tolles Ding! ABER… alles, was Ihr oben gelesen habt, wurde wieder in meinem Kopf abgerufen. Dennoch: der Artikel wurde von mir eigentlich nur zur Kenntnis genommen, blitzte aber über Wochen hinweg immer wieder in meinem Gedächtnis auf. Zwei Monate später meldete ich mich schließlich mit einem Testzugang dort an.
Das Prinzip schien mir bestechend einfach: Es werden die Noten für die Hände jeweils einzeln vorgegeben. Werden die richtigen Noten gespielt, wandert ein Balken weiter zur nächsten Note. Nachdem beide Hände einzeln gespielt worden sind, sind sie dann synchron gefragt. Einzige Voraussetzung außer PC mit Internetzugang: Ein mit der Anwendung kompatibles Keyboard. Nach kurzer Recherche fand ich ein passendes gebrauchtes Casio-Keyboard für 100 EUR auf einem großen Kleinanzeigenportal. Aber Himmel: Es dauerte noch drei Tage, bis das ankommen sollte! Also habe ich die ersten Testlektionen immer und immer wieder mit den Fingern auf dem Tisch trommelnd durchexerziert, bis das Keyboard da war. Als das Keyboard dann endlich angekommen war, hechtete ich durch die ersten Lektionen, stieß aber bald an Grenzen, die mir unüberwindlich erschienen. Das kostenpflichtige Vollabo von Skoove war ganz schnell abgeschlossen, aber wann werde ich endlich diese komischen schwarzen Tasten benutzen dürfen? Gibt es eigentlich wirklich nur 4/4 Takt? Wie oft muss ich eine Hand fehlerfrei spielen, bevor ich zur nächsten Hand wechseln darf, bzw. versuchen darf, synchron zu spielen. Wie oft muss ich es synchron hinbekommen haben, bevor ich in der Lektion voranschreiten darf? Wer achtet eigentlich auf die passende Lautstärke, Betonung und Artikulation während meines Spiels (Die Frage konnte ich mir noch nicht wirklich stellen, aber es war mir klar, dass Klavierspielen mehr sein muss, als die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu drücken!). Wieso sehen die Noten zu den Stücken, die ich spiele, wenn ich sie im Netz suche, ganz anders, also viel schwerer zu spielen aus?
Meine Freundin hat mich letztendlich davon überzeugt und darin bestärkt, dass mir bei der Lösung dieser Fragen nur ein Klavierlehrer oder eine -lehrerin helfen kann. Recht schnell habe ich am Ort jemanden gefunden. Mir wurde der „Heumann: Klavierspielen, mein schönstes Hobby“ ans Herz gelegt und als erstes Übungsstück, nachdem man mein „Können“ gehört hatte, wurde mir „When the Saints Go Marching in“ als Aufgabe nach Hause gegeben. Mit viel Elan legte ich los und merkte schnell, dass es vieles gab, das ich im Netz nie hätte lernen können: Lautstärkeunterschiede zu spielen, den Unterschied zwischen Legato, Portato und Staccato und vor allem dieses vermaledeite Ding namens Takt…
Gerne berichte ich bald mehr von meinen Fortschritten Aber ich möchte niemanden mit meinem überlangen Beitrag ermüden, also ist hier erst einmal Schluss
Was Ihr in einer nächsten Folge lesen könntet: Kann ich das überhaupt noch? Überwinden von Selbstzweifeln. - pianissimo, fortissimo und alles dazwischen, das geht doch nicht mit einem Keyboard - Heumann? ist er nicht böse, böse, böse? - Auf der Suche nach einem geeigneten wirklichen Einstiegsinstrument - Erste Verzweiflung, wenn es mit einem Stück nicht klappen will - Ist der Lehrer Schuld?
Habt Ihr Detailfragen? Vielleicht werden sie in der nächsten „Folge“ beantwortet. Wenn es nicht auf meinem Plan steht, kommt es so vielleicht da hinein, oder ich beantworte sie nebenher. Also nur zu!
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