Mutmacher für späte Anfänger!

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joek71
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Was mich vor drei Jahren darauf gebracht hat, im Alter von 45 Jahren das Klavierspielen lernen zu wollen, kann ich nicht eindeutig beantworten. Es ist wohl eine Kombination verschiedener, Jahrzehnte auseinander liegender unterschiedlicher Eindrücke: Ein Baustein war gewiss der Musikunterricht, der an meiner Schule viel zu wenig erteilt wurde, nämlich nur in den Jahrgangsstufen 5 und 6. Wenn sich der Lehrer an den Flügel im Muskikraum setzte, ging im Raum die Sonne für mich auf. Besagter Lehrer war wohl ein recht bekannter Komponist zeitgenössischer Musik, was mir allerdings erst viel später bewusst wurde. Der Klang des Instruments war und ist für mich ein Erlebnis. Ich schaue häufig und gerne Spielfilme. Hier wird vor allem bei weniger kommerziellen Produktionen häufig statt eines Orchesters ein Pianist und Komponist engagiert. Wie dabei oft mit sehr einfachen Mitteln, Stimmungen erzeugt werden, hat mich immer gefangen genommen. Favoriten, die ich spontan abrufen kann, sind „Wiegenlied für eine Leiche“, „Alles eine Frage der Zeit“ und „American Beauty“(ja, doch alles eher kommerziell ;)). Das sind eigentlich sehr diffuse Beweggründe, mit so etwas Komplexem, Zeitintensivem und Teurem wie dem Klavierspielen anzufangen.

Vieles mehr sprach rational dagegen:

1. Ich habe einen Hörschaden. Auf einem Ohr habe ich 50% Hörverlust aufgrund einer Erkrankung in früher Kindheit. Ob ich damit einem musikalischen Hobby nachgehen könnte, war für mich lange fraglich. Eine ausführliche Internetrecherche hat jedoch ergeben, dass das kein wirklicher Hinderungsgrund ist.

2. Mein Alter: Mit 45 ein Instrument lernen, geht das überhaupt? Auch hier habe ich google befragt und da ist das Ergebnis immer noch wohlwollend, aber nicht ganz so eindeutig bestärkend wie bei dem Hörschaden: Versuche mit musikalischer Förderung in hohem Alter haben gezeigt, selbst bei über 80jährigen werden immer noch neue Synapsen geschaffen. Schon wenige Sitzungen reichen dafür aus. Musikunterricht beugt Demenz vor. Aber: Kinder lernen Instrumente anders als Erwachsene. Sie bleiben zwar anfangs aufgrund der weniger rationalen Herangehensweise zurück, aber sie verinnerlichen das in der Kindheit Gelernte viel stärker als im Erwachsenenalter neu Gelerntes.

3. Gab es bei dem oben erwähnten Musiklehrer noch ein traumatisches Erlebnis: In der Grundschule habe ich immer gerne und wohl vor allem laut im Chor mitgesungen. Dass andere Kinder für die Soli ausgewählt wurden, beunruhigte mich zwar, aber nicht sehr. Hören konnte man mich doch gewiss auch so! Als es in der 5. Klasse auf der weiterführenden Schule dann hieß, dass noch Mitglieder für den Schulchor gesucht würden, habe ich mich freudig gemeldet. Wer Interesse habe, solle einfach am Ende der Stunde dableiben. Gesagt, getan. Am Klavier spielte der Lehrer dann „Bruder Jakob“ und forderte uns einzeln zum Mitsingen auf. Ich war als Letzter an der Reihe, und wurde nach meinem Vortrag dann leider von allen dagebliebenen Mitschülerinnen laut ausgelacht. Selbst der Musiklehrer musste sich sein Schmunzeln arg verkneifen. Ab da ging ich mit der Überzeugung durchs Leben, vollkommen unmusikalisch zu sein.

4. Ich konnte keine Noten lesen. Alles was ich im Musikunterricht gelernt hatte, war, im Violinschlüssel das c‘ zu erkennen und die Tonleiter. Der Rest ergab sich durch bloßes Abzählen. Ob man das noch nachholen kann? Erschien mir alles höchst fraglich!

Aber: An einem Tag vor etwas mehr als drei Jahren habe ich aber in der Zeitschrift ct von Skoove gelesen, einer Onlineklavierschule. Hier kann ich ganz alleine für mich lernen, Klavier zu spielen, ohne das Risiko verlacht zu werden. Echt? Tolles Ding! ABER… alles, was Ihr oben gelesen habt, wurde wieder in meinem Kopf abgerufen. Dennoch: der Artikel wurde von mir eigentlich nur zur Kenntnis genommen, blitzte aber über Wochen hinweg immer wieder in meinem Gedächtnis auf. Zwei Monate später meldete ich mich schließlich mit einem Testzugang dort an.
Das Prinzip schien mir bestechend einfach: Es werden die Noten für die Hände jeweils einzeln vorgegeben. Werden die richtigen Noten gespielt, wandert ein Balken weiter zur nächsten Note. Nachdem beide Hände einzeln gespielt worden sind, sind sie dann synchron gefragt. Einzige Voraussetzung außer PC mit Internetzugang: Ein mit der Anwendung kompatibles Keyboard. Nach kurzer Recherche fand ich ein passendes gebrauchtes Casio-Keyboard für 100 EUR auf einem großen Kleinanzeigenportal. Aber Himmel: Es dauerte noch drei Tage, bis das ankommen sollte! Also habe ich die ersten Testlektionen immer und immer wieder mit den Fingern auf dem Tisch trommelnd durchexerziert, bis das Keyboard da war. Als das Keyboard dann endlich angekommen war, hechtete ich durch die ersten Lektionen, stieß aber bald an Grenzen, die mir unüberwindlich erschienen. Das kostenpflichtige Vollabo von Skoove war ganz schnell abgeschlossen, aber wann werde ich endlich diese komischen schwarzen Tasten benutzen dürfen? Gibt es eigentlich wirklich nur 4/4 Takt? Wie oft muss ich eine Hand fehlerfrei spielen, bevor ich zur nächsten Hand wechseln darf, bzw. versuchen darf, synchron zu spielen. Wie oft muss ich es synchron hinbekommen haben, bevor ich in der Lektion voranschreiten darf? Wer achtet eigentlich auf die passende Lautstärke, Betonung und Artikulation während meines Spiels (Die Frage konnte ich mir noch nicht wirklich stellen, aber es war mir klar, dass Klavierspielen mehr sein muss, als die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu drücken!). Wieso sehen die Noten zu den Stücken, die ich spiele, wenn ich sie im Netz suche, ganz anders, also viel schwerer zu spielen aus?

Meine Freundin hat mich letztendlich davon überzeugt und darin bestärkt, dass mir bei der Lösung dieser Fragen nur ein Klavierlehrer oder eine -lehrerin helfen kann. Recht schnell habe ich am Ort jemanden gefunden. Mir wurde der „Heumann: Klavierspielen, mein schönstes Hobby“ ans Herz gelegt und als erstes Übungsstück, nachdem man mein „Können“ gehört hatte, wurde mir „When the Saints Go Marching in“ als Aufgabe nach Hause gegeben. Mit viel Elan legte ich los und merkte schnell, dass es vieles gab, das ich im Netz nie hätte lernen können: Lautstärkeunterschiede zu spielen, den Unterschied zwischen Legato, Portato und Staccato und vor allem dieses vermaledeite Ding namens Takt…

Gerne berichte ich bald mehr von meinen Fortschritten Aber ich möchte niemanden mit meinem überlangen Beitrag ermüden, also ist hier erst einmal Schluss

Was Ihr in einer nächsten Folge lesen könntet: Kann ich das überhaupt noch? Überwinden von Selbstzweifeln. - pianissimo, fortissimo und alles dazwischen, das geht doch nicht mit einem Keyboard - Heumann? ist er nicht böse, böse, böse? - Auf der Suche nach einem geeigneten wirklichen Einstiegsinstrument - Erste Verzweiflung, wenn es mit einem Stück nicht klappen will - Ist der Lehrer Schuld?

Habt Ihr Detailfragen? Vielleicht werden sie in der nächsten „Folge“ beantwortet. Wenn es nicht auf meinem Plan steht, kommt es so vielleicht da hinein, oder ich beantworte sie nebenher. Also nur zu!
 
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Hallo und willkommen im Musiker Board!

schön, dass Du musikalisch am Ball geblieben bist - immer noch auf dem gebrauchten 100 EUR-Casio unterwegs?

Gruß Claus
 
Nö, mittlerweile sind es ein Digitalpiano wenn ich ein Stück ganz neu einstudiere oder nach 20:00 Uhr üben möchte und ein U3 für den vollen Klang. Aber den Weg dahin will ich mir noch für spätere Beiträge aufsparen. Also pssst;).
 
@joek71: Viel Erfolg und vor allem viel Spaß beim Lernen und Spielen!

Es ist nie zu spät, und wenn in einem etwas schlummert oder sogar brennt, dann sollte man tunlichst auch auf dieses Gefühl hören (und eben nicht auf den Verstand - der hat ja eh keine Ahnung!)
 
Ein sehr schöner Beitrag, @joek71. :) Ich habe mein Leben lang versucht, Klavierspielen zu lernen, aber ich kann es immer noch nicht. ;) Dann in schon sehr fortgeschrittenem Alter kam das Saxophon, und das Klavier war wieder vernachlässigt. Zwar kann ich ein paar Liedchen auf dem Klavier klimpern, aber das richtige "Spielen" - sprich: die Noten sehen und das Stück ist da - ist immer noch recht schwierig. Und nur bei sehr einfachen Stücken möglich. Trotzdem klimpere ich immer mal wieder auf dem Digitalpiano rum (ich hätte so gern einen Flügel, aber das wäre ja wirklich absoluter Unsinn, wo ich noch nicht mal richtig spielen kann) und habe Spaß daran. Momentan habe ich auch eher einen Onlinelehrer, aber zwischendurch hatte ich - allerdings aus den verschiedensten Gründen immer nur sehr kurz - "richtige" Lehrer, und die haben mir auch einiges erklärt, was ich online sicher nicht hätte lernen können. Nur hatte ich nie die Zeit, mich richtig hinter das Üben zu klemmen. Wenn ich jetzt mit dem Saxophon mit den Grundlagen weiterkomme, hoffe ich, dass ich dann auch auf dem Klavier einfach so Akkorde spielen kann, ohne Noten. Denn ich hänge sehr an den Noten und kann auch auf dem Klavier ohne Noten praktisch nichts spielen.

Aber es ist wirklich schön zu lesen, wie enthusiastisch Du bist und wie viel Spaß Du hast, trotz diverser Einschränkungen und Bedenken. Ich kann nur sagen: Musik ist aus meinem Leben nicht wegzudenken, und auch wenn ich keine große Musikerin bin und auch keine mehr werde, auf keinem Instrument, ist das, was die Musik mir gibt, durch nichts anderes zu ersetzen. Deshalb weiterhin viel Spaß und danke für diese nette Ermunterung für alle, die erst später mit der Musik anfangen und vielleicht Bedenken haben, ob das denn überhaupt geht. :)
 
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So, hier kommt Teil 2 meines Mutmachers.

Mit „When the Saints…“ habe ich mich damals wohl so zwei bis drei Wochen beschäftigt. Es war nicht ganz zu Beginn des Lehrbuches von Heumann: „Klavierspielen, mein schönstes Hobby!“, sondern vielleicht das 5. der 6. Übungsstück. Dieser Umstand ließ mich zumindest in dem Glauben, dass ich bei meiner Onlineklavierschule schon etwas erreicht hätte. Schon bald wurde ich aber auch darüber belehrt, dass anderes schon grundlegend in die falsche Richtung gelaufen war.

Nach den wenigen Wochen kam es nämlich zum nächsten Übungsstück, der Musette. Hier glaubte ich mich schon weit vorne, weil ich dasselbe Stück schon auf skoove gespielt hatte. Für mich beinhaltete es als unerhörte Herausforderung sogar Achtelnoten, die ich - meinem damaligen Empfinden nach - wahnsinnig schnell spielen sollte. Könnt Ihr Euch einen kleinen, nicht gerade bewegungsbegabten Jungen vorstellen, dem man an einem seiner ersten Tage auf dem Sportplatz sagt, er solle die 50 m, also bis da hinten, wo der Zeitnehmer stehe, so schnell laufen wie er nur könne? Und er gibt alles! Am Ende wundert sich der Übungsleiter, dass beim kleinen Jungen noch alle Knochen am gleichen Platz sind. Ähnlich erging es wohl meiner Klavierlehrerin, deren Idee das mit dem Tempo im Übrigen nicht war. Sie machte sich allerdings weniger Sorgen um meine Knochen, als um ihr Instrument. Denn den Unterschied zwischen fest und schnell kannten meine Finger noch nicht und ich hatte dermaßen auf die Klaviatur gehämmert, dass sich die letzten Fingerglieder beim Anschlag unter dem entstehenden Druck deutlich von mir wegbogen. Meine Lehrerin hat wirklich eine Engelsgeduld, aber hier wurde sie das erste und bislang einzige Mal ungehalten und bat mich eindringlich um mehr Kontrolle. Eine Bitte, der ich etwas beschämt aber folgsam nachkam.

Ungefähr um die Zeit interessierte ich mich schon für ein höherwertiges Instrument. Mein Casio-Keyboard klang im Vergleich zum Digitalpiano meiner Lehrerin schrecklich. Das Tastengefühl war ein grundlegend anderes als bei einem Klavier oder Digitalpiano. Man kann das vergleichen mit einer Einwegplastikgabel, welche dem Niveau der Keyboardtastatur entspricht und einer Gabel aus einem hochwertigen Besteck. Es ist ein vollkommen anderes Gewicht, anderes Gefühl und auch eine andere Wertigkeit damit verbunden. In puncto Haptik wollte ich also definitiv etwas anderes. Dem Klangproblem konnte ich etwas abhelfen. Ich schloss das Casiokeyboard für eine Weile zum Üben an meinen Mac an und wählte eines der Grand Piano Samples von Garageband für die Klangwiedergabe aus. Das hörte sich schon deutlich besser an als der piepsige native Sound des Keyboards selbst. Dann ist man natürlich von der Qualität der Lautsprecher, die angeschlossen sind, abhängig. Aber selbst meine zugekauften Aktivlautsprecher am Mac klangen deutlich besser als die internen Lautsprecher des Keyboards. Kann ich ein günstiges Keyboard trotzdem empfehlen? Bedingt! Für mich war es ein idealer, weil sehr günstiger Einstieg. Denn ich wusste nicht, wie lange ich bei meinem neuen Hobby bleiben würde, war immer misstrauisch gegenüber dem eigenen Enthusiasmus und bekam so eine Möglichkeit für relativ kleines Geld in das Klavierspielen einzusteigen. Nach den wenigen Monaten, die ich das Keyboard genutzt habe, konnte ich es, da es sich wenigstens um ein Markengerät handelte und vielleicht auch, weil es auf einer Liste der mit Skoove kompatiblen Geräte stand, für den Preis, zu dem ich es erstanden hatte auch wieder verkaufen. Meine erste Lektion in Sachen Instrumentenkauf bestand also daraus, wenigstens einen halbwegs namhaften Hersteller auszuwählen. Jedoch war ich trotzdem immer wieder in Versuchung ein paar Euro zu sparen. Aber dazu später mehr.

Bald wollte ich aber auch richtige Klaviertasten fühlen und nicht nur 61, sondern 88 Töne erzeugen können. Ein Kollege, der Bass und Gitarre spielt, hatte mich auf dieses Forum aufmerksam gemacht und ich nutzte ausschließlich passiv die vielen Threads zum Thema Einstiegsinstrument. Für mich war klar, dass es ein Digitalpiano werden sollte. Ein Klavier kam immer noch nicht in Frage, weil ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich lange genug bei der Stange bleiben würde. Hier kristallisierten sich Yamaha P-45 und Roland FP 30 als Favoriten der Diskussionsteilnehmer heraus. Mir stand der Sinn jedoch nach etwas, was mehr wie ein Klavier wirkte, also einen festen Korpus hatte. Außerdem wollte ich die Pedale fix am Instrument haben, sodass sie nicht herumrutschen konnten. Beides erfüllte meiner Meinung nach das kleinste Digitalpiano von Yamaha das YDP143. Ich habe mich nicht dazu durchringen können, dem Tipp zu folgen, den die erfahrenen User hier am häufigsten geben: Spielt das Instrument Probe, lasst Euch Zeit, vergleicht viele Instrumente. Für jemanden, der ganz am Anfang steht, sind das keine tauglichen Hinweise. Mittlerweile bin ich, allerdings nur nach gehörten und gesehenen Testvideos, der Meinung, dass das FP-30 im Klang überlegen ist. Außerdem kann man einen festen Korpus auch zum FP-30 dazu kaufen, womit dann auch die Pedale einen festen Platz finden. Die Tastatur des 143 ist ein Riesenschritt nach der Tastatur des Casiokeyboards. Wenn man aber höherwertige Tastaturen kennt, bspw. die des eine Nummer größeren Modells 163, weiß man auch, dass die Tastatur des 143 schon mal klappert, wenn man kontrolliert ( :) !) kraftvoll anschlägt und dass dessen Tastatur schwammig ist, die Tasten also - wie ich finde - seitlich zu viel Spiel haben.

Weshalb kann man das als absoluter Anfänger nicht herausfinden? Wie alles hier ist das, was folgt, rein subjektiv. Aber ich war damals froh, ein zwei Übungsstücke für mich alleine auf die Reihe zu bringen. In einem Musikaliengeschäft, wenn der Verkäufer, der in der Regel das Instrument beherrscht, zuhört und andere Kunden anwesend sind, so mutig zu sein, mit dem vielleicht 60 sekündigen Übungsstück, das man so gerade beherrscht solange in die Tasten zu gehen, bis man wirklich einen Eindruck hat…das traute ich mir nicht zu. Als Spätanfänger strotzt man üblicherweise nicht vor Selbstbewusstsein und bietet nicht gerne dar, was man so alles nicht kann. Einen kontrolliert kraftvollen Anschlag hatte ich damals überhaupt nicht in Reichweite, konnte also auch nicht abschätzen, welches Verhalten der Tastatur als normal zu werten gewesen wäre. Statt also als Anfänger alles Mögliche an Instrumenten zur Probe zu spielen, empfehle ich, dass Ihr jemanden mitnehmt, der das Instrument gut beherrscht und dem Ihr vertraut. Ihn lasst Ihr unterschiedliche Instrumente, die für Euch in Frage kommen zur Probe spielen und verlasst euch auf seine Empfehlung. So jemanden kannte ich damals noch nicht (Meine Lehrerin gab mir nur den Rat ein Instrument mit Holz(-kern)tasten zu kaufen, aber da wurde es für mein Empfinden schon unerschwinglich) und habe deswegen das YDP-143 online und neu erstanden. Letztlich hätte man sicher schlechtere Entscheidungen fällen, aber auch für den gleichen oder einen nur unwesentlich höheren Betrag besseres bekommen können.

Im nächsten Teil werde ich bestimmt beantworten, ob der Heumann böse, böse böse ist, schildern, was Klavierunterricht so grauslig und so schön macht und von ersten Erfolgserlebnissen berichten. Das heute war ja eher so: „Hrmpf…Macht der das wirklich gern?"
 
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Hier kommt Teil 3 meines "Mutmachers".

Wenn ich mir so durchlese, was ich hier geschrieben habe, wirkt manches altklug. So, als habe jemand, der jetzt richtig Klavier spielen könne, über seine bescheidenen Anfänge geschrieben.

Nö, ist nicht so. Ich finde mein Niveau nach wie vor sehr bescheiden, weiß aber, dass ich in der Zwischenzeit trotzdem eine Menge gelernt habe.

Zunächst einmal habe ich gedacht, dass Klavier Spielen eine Fähigkeit wie Radfahren sei. Man lerne es, könne es grundsätzlich und dann habe man noch die Gelegenheit es weiter zu verfeinern. Die Anekdote über Rachmaninov, dass er im Zug nach Moskau eine Partitur vorgelegt bekommen habe, aus dem Zug stieg, in den Konzertsaal ging und das zuvor Gelesene dann fehlerfrei spielen konnte, habe ich, als ich sie das erste Mal hörte, deswegen auch nicht annähernd einordnen können.
Er hat also vorab ein Buch gelesen. Und als er dann aus dem Buch vorlesen sollte, hat er das fehlerfrei getan. So what? Was soll daran besonders sein?

Alles, was ich können muss, um so gut zu sein, wie Rachmaninov, ist also gut Noten lesen zu können? Das lässt natürlich alles, an Musikalität, Taktgefühl, manuellem Geschick, Geläufigkeit und was mir jetzt sonst so alles nicht einfällt, außen vor.

Klavier Spielen oder ganz allgemein Musizieren so musste ich bald lernen, ist nicht wie Radfahren. Es ist wie Schach. Es gibt grundlegende Regeln. Wie die, welche Tasten, welche Töne erzeugen und welche Tonarten es gibt und welche Akkorde und Rhythmusmuster existieren. So wie es beim Schach schon recht komplex ist, die Regeln für die Züge der unterschiedlichen Figuren zu erlernen. Aber die auch nur annähernde Beherrschung der Regeln macht einen weder zum guten Schachspieler noch zum guten Musiker. Wissen muss auf unterschiedlichen Ebenen (bei Musik: Rhythmus, Harmonie, Melodie, Betonung, Eigenarten des Instruments; beim Schach: Regeln, Gegnerverhalten, Taktik, Strategie, Eröffnungstheorie) komplex miteinander vernetzt und dann am Instrument auch noch manuell umgesetzt werden.

Dass mein erster Eindruck nicht stimmt, habe ich also sehr schnell erfahren. Aber ich will jetzt erst einmal nicht auf meine vielen Defizite eingehen. Die Überschrift lautete ja „Mutmacher…“

Was kann ich denn jetzt und aus welcher Perspektive des (Nicht-)Könnens beschreibe ich hier meine Fortschritte?

Ich kann nach etwas mehr als drei Jahren Übung einfache Popmusikstücke und weniger komplexe Klassikstücke im Umfang von 3-5 Minuten so spielen, dass man es sich anhören mag. Bei Vorspielen wird der beste Schüler ans Ende gesetzt. Einerseits, damit das Publikum bis zum Ende bleibt und andererseits damit weniger erfahrene/gute Schüler nicht schon zu Beginn deprimiert sind, weil sie ja so gut wie der/die Bessere nicht spielen können. Bei meinen drei Vorspielen war ich jeweils der letzte Schüler der etwas präsentieren durfte. Das erste Mal ging es gehörig in die Hose. Die beiden nächsten Male, die mich aufgrund des blöden Erlebnisses beim ersten Vorspiel ein gehöriges Maß an Überwindung kosteten, war es sehr schön, vor Publikum zu spielen und ein Vorspiel abliefern zu können, das die Zuhörer sogar unterhalten hat. Was ich beim ersten Mal vortragen wollte war: „Les Anges dans nos Campagne“, was ich zwar für mein Empfinden sehr gut konnte, aber vor Publikum nicht hinbekommen habe, auf dem zweiten Vorspiel habe ich die Einleitung zu Schuberts Impromptu op. 142,Nr. 3 und „Cecilia“ von Simon und Garfunkel aus der Sammlung mit einfachen Arrangements des Duos von Heumann vorgetragen. Auf meinem letzten Vorspiel habe ich aus dem gleichen Band „Bridge Over Troubled Water“ zum Besten gegeben.

Das war bei den beiden letzten Malen ein sehr schönes Gefühl, machte mich stolz auf das Erreichte. Aber noch wichtiger ist für mich etwa anderes. Wenn ich beginne, ein Stück zu üben, ist es am Anfang nur eine lose Aneinanderreihung von Tönen, nur einer Stimme in einer Hand. Ganz allmählich werden die Töne miteinander verbunden. Wenn es gut geht, nimmt mithilfe des Rhythmus und der richtigen Töne, die Melodie bald Gestalt an und es beginnt zu klingen. Wenn das anfängt, dann noch die andere Hand eine Stimme hinzufügt, setzen bei mir Glücksgefühle ein. Das habe ICH geschafft, mir beigebracht. Es klingt so schön! Die Melodie selbst kann dabei durchaus trivial sein. Meine Ansprüche an den Einfallsreichtum des Komponisten sind dabei scheinbar nicht sonderlich hoch.

Was mich bei all den sichtbaren Fortschritten jedoch bislang am meisten frustriert:

Ich habe den gleichen Wunsch, wie Asterixa: Ich möchte ein Stück sehen und es in den Grundzügen spielen können. Aber dieses auf den ersten Blick spielen, scheint eine eigene Disziplin zu sein. Bis ich eines der Stücke für ein Vorspiel so gut kann, dass ich es vor Publikum spiele vergehen gerne mal drei Monate. Aber wenn es nur die Grundzüge wären… Ein Kollege von mir, der seit 40 Jahren Klavier spielt, sieht ein Stück, an dem ich seit Monaten arbeite und spielt es flüssiger, schöner, wandelt das Arrangement sogar so ab, dass es besser klingt. Und ja, ich habe mir die Antwort ja selber gegeben. „Seit 40 Jahren…“

Selbst wenn ich die drei Monate an einem Stück gearbeitet habe: Ohne, dass ich es weiterhin regelmäßig übe, verliert sich das Stück wieder. Ich kann es zwar in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder abrufbar machen, also vielleicht nach ein paar Tagen Üben wieder spielen, aber es sitzt nicht auswendig.

Und ich habe es jetzt schon mehrfach versprochen zu beantworten, ob der Heumann „böse“ ist, also:
Mittlerweile habe ich mich mit mehreren Klavierschülern und fortgeschrittenen Instrumentalisten auseinander setzen können. Was mir aufgefallen ist: Jeder meint, dass das Werk, mit dem er gelernt hat, am besten geeignet sei. Die einen schwören auf die russische Klavierschule, die anderen auf Fritz Emonts Klavierschule, andere wiederum haben mit der Maus Klavier Spielen gelernt . Es scheint also ein sehr individuell geprägter Eindruck zu sein und in der Rückschau werden Alternativen als ungeeignet empfunden.

Prinzipiell finde ich bei meiner eingeschränkten Perspektive den Heumann gut geeignet. Ich wünschte mir sogar, dass ich nicht erst mit „When the Saints…“, sondern wirklich am Anfang des Werks begonnen hätte. Dann wäre es mir wahrscheinlich erspart geblieben, auf die härtere Tour also erst bei rhythmisch schwierigeren Stücken zu lernen, dass Mitzählen unerlässlich ist und auch halbe Zählzeiten wichtig sind.

Die Musikauswahl ist für jemanden, der so unkritisch ist wie ich in Bezug auf den Einfallsreichtum der Melodien, vollkommen in Ordnung. Was mir etwas negativ aufgestoßen ist, sind die zu starken Vereinfachungen manch klassischer Stücke wie „Freude schöner Götterfunken“ oder eines Themas aus Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1. Aber trotzdem befriedigte es mich, solche Bruchstücke bekannter Klassiker spielen zu können. Auch Akkorde sind meiner Meinung nach etwa stiefmütterlich behandelt worden. Das betreffende Kapitel mit Boogie Woogie und dem Cancan ist ganz schnell in der Mitte des Buchs abgehandelt und dann finden harmonische Akkorde bis zum Ende keine Berücksichtigung mehr. Zum Ende hin finde ich die Auswahl der Stücke sehr gelungen. Alles was vorher erarbeitet wurde, wird hier zusammengeführt und der Aufbau des Übungswerks wird dadurch sehr schlüssig

Vollkommen indiskutabel ist allerdings die sehr lieblos eingespielte CD, die teilweise in Alleinunterhalterqualität mit einem Discounter-Keyboard eingespielt scheint. Für eine rhythmische Orientierung taugt sie jedoch.

Was mir wichtiger erscheint als ein tolles Lehrwerk ist ein guter Lehrer, der darauf eingeht, was der Schüler spielen will. Das Glück habe ich und meine Lehrerin unterstützt mich immer, wenn ich mit irgendwelchen Noten aufkreuze, die ich spielen können will.
 
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Tolle Lehrerin. Darum beneide ich Dich. :) Obwohl ich mich momentan mehr mit dem Saxophon beschäftige (auf dem ich absolute Späteinsteigerin bin und vor allem, was Jazz und Improvisation betrifft, so gut wie nichts kann. Auf dem Klavier habe ich nicht unbedingt vor zu improvisieren. Da würde es mir schon reichen, wenn ich ein paar Stücke gut spielen könnte), habe ich mit dem Klavier immer noch nicht aufgegeben. Aber man kann eben nicht alles gleichzeitig machen. Deshalb lese ich gern hier bei Dir mit, denn einiges davon kommt mir sehr bekannt vor.

Ich muss mich allerdings Dir gegenüber schämen, denn ich habe schon seit vielen Jahren ein Digitalpiano, und trotzdem kann ich immer noch nicht viel. Aber wenn ich so lese, was Du hier schreibst, dann fühle ich mich doch motiviert, mich einmal wieder ans Klavier zu setzen. Vor allem auch, da das mit den Akkorden jetzt für mich mit dem Saxophon so schwierig ist, und ich denke, wenn ich mich da mehr mit dem Klavier beschäftige, könnte das auch helfen. Akkorde habe ich am Klavier auch nie so richtig gelernt. Ich habe höchstens Stücke gespielt. Davon allerdings auch nicht viele und nur sehr einfache. (Meine Anfängerschule war übrigens Emonts. Aber zum Schluss denke ich, darauf kommt es nicht an.) Ich hatte einfach immer viel zu wenig Zeit.

Deshalb noch mal Danke für die Ermutigung, die Du hier durch Deinen Bericht bietest. Da ich immer wieder in Gefahr bin aufzugeben, weil ich das Gefühl habe, ich kann einfach zu wenig, das wird nichts mehr in meinem Alter, das lohnt sich doch gar nicht, ist es schön zu lesen, dass Du Dich durch nichts entmutigen lässt. Ich hoffe, ich kann mir ein bisschen was von Deinem Mut borgen (wenn Du erlaubst).
 
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Weißt Du, ich sage mir einfach, ich gehe in die jeweilige Schulklasse. Jetzt lerne ich seit etwas über drei Jahren Klavier zu spielen. Bin also (wahrscheinlich knapp) in die 4. Klasse versetzt worden... Besonders in meinem Alter ist es viel mit Selbstzweifeln verbunden, etwas Neues zu lernen. Wer die nicht hat, der konnte sowieso immer schon alles ganz toll und demjenigen begegne ich mit tiefstem Misstrauen.

In 7 Jahren mache ich meine mittlere Reife. Mal schauen, wie es dann ist.

In den letzten Tagen setzte ich mich mit Etüden von Czerny auseinander. Er selbst übertitelt das mit Übungen für kleine Anfänger. Für mich sind das üble Zungen-... äh, Fingerbrecher, die ich aber mittlerweile anfange zu bewältigen. Vor 18 Monaten habe ich das schon einmal versucht, habe aber verzweifelt aufgegeben.

Fazit: Jedes Üben macht Sinn, solange es zu einem fortgeschritteneren Ziel führt.
 

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