Stimmplatteneffekte-Stimmplattendefekte

Hallo Maxito,
Das war mehr eine Frage, als Wissen: Es wird ja immer von einem Einpegeln der Stimmung berichtet. Wobei sich hier und da nach einer Bearbeitung an den Stimmzungen noch etwas setzt, bis die Stimmkonstanz hoffentlich da ist. Neben dem Setzen der Nietverbindung und freiwerdenden Eigenspannungen, die eine Formänderung bewirken (und vielleicht auch Einfluss auf die Steifigkeit haben), können dabei vielleicht auch Gefügeveränderungen auftreten:
Beim Härten von diesen Stählen (insbesondere, wenn die Austenitisierungstemperatur hoch ist und die Karbide mit aufgelöst werden) kann ein Teil des Austenits bis Raumtemperatur stabil bleiben (bei einem C100 auch mal 50%), da die Temperatur für die Beendigung der Martensitumwandlung unterhalb von Raumtemperatur liegt.
Dieser Restaustenit kann dann beim Anlassen umwandeln oder durch mechanische Beanspruchung (wie schleifen ,biegen, schwingen??) oder durch Tiefkühlen (flüssiger Stickstoff).
Tendentiell ist der E-Modul des Austenites niedriger als die des Ferrits/Martensits, damit müsste die Frequenz der Stimmzunge steigen.
Ob dieser Effekt in der Realität an Stimmzungen tatsächlich eine Rolle spielt (zumindest, wenn etwas falsch abgelaufen ist), weiß ich nicht. Es hängt natürlich auch von dem tatsächlichen Wärmebehandlungszyklus ab, den ich nicht kenne. Hier habe ich eine Angabe für die Zugfestigkeit gefunden:
http://www.harmonikas.cz/de/a-mano-i-klasse-professional#obsah
Das entspräche ca. 55HRC und einer Anlasstemperatur um die 300°C bei einem C100.


Liebe Grüße
Sebastian
 
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Dieser Restaustenit kann dann beim Anlassen umwandeln oder durch mechanische Beanspruchung...
...Tendentiell ist der E-Modul des Austenites niedriger als die des Ferrits/Martensits, damit müsste die Frequenz der Stimmzunge steigen.

Das deckt sich mit meinen Beobachtungen. Bei Verstimmungen durch das Material selbst habe ich bislang immer steigende Frequenz festgestellt. So ein Instrument hab ich derzeit, bei dem die Stimmzungen (noch) keine Ruhe geben.. hoffe, das gibt sich in nächster Zeit endlich mal!

Bei mechanischen Fehlern im Niet, Anriss, Rost etc geht die Stimmung immer in den Keller.

und einer Anlasstemperatur um die 300°C.

auch das passt - die Anlassfarbe der Stimmzungen mit dem Blau/Violettton kommt in etwa in diese Temperaturregion.

Gruß, maxito
 
So wie ich es sehe, wird der Werkstoff C100s auch ungehärtet verkauft.

Das würde bedeuten, dass die Wärmebehandlung vom Zungenhersteller ausgeführt wird. Wenn nun jeder Zungen-Hersteller in kleinen Losgrößen seine eigene Suppe kocht, könnte es von Fall zu Fall zu Ausreißern kommen, die zu maxitos Problemen beitragen. Ich meine gerade die A-Mano Zungen machen es deutlich. Der Fuß ist komplett blau. So kleine Teile wird kein Stahlhersteller wärmebehandeln.

Ich habe gestern einen Blick in unsere Morino Artiste geworfen, die Lösabstände sind völlig korrekt und das nach über 30 Jahren Betrieb. Das Instrument wurde bisher nicht nachgestimmt, will heißen, da hat noch niemand geangelt, gekratzt und dergl.

Auch bei meiner ähnlich alten (ungestimmten) Dallape ist diesbezüglich alles in Ordnung. Ich habe auch meine vor ein paar Jahren beim Musikhaus Hoppe in Warstein gestimmten Paolo nachgesehen. Dieses Instrument wurde erheblich nachgestimmt (sehr tiefer Kratzhieb am Zungenfuß), weil die Urstimmung irgendwo bei 444 Hz lag. Auch hier sind die Lösabstände völlig in Ordnung. Auch die Stimmhaltigkeit ist noch da. Also nix mit Eigenleben ...

Die einzigen Zungenprobleme, die wir kennen waren häufige Zungenbrüche bei einer Nachkriegs Morino Artiste von Hohner. Das mag daran gelegen haben, dass nach dem Krieg Zungenmaterial Mangelware war und man das nahm was da war.

Gruß
Herbert
 
Ich habe gestern einen Blick in unsere Morino Artiste geworfen, die Lösabstände sind völlig korrekt und das nach über 30 Jahren Betrieb

Dann kannst du dich freuen!

Wie ich schon gesagt habe - das alles muss nicht, kann aber. Bei meiner MorinoVIM (Baujahr 57) mit Artistestimmplatten waren es bei den Grundbässsen ca. 5 bis 8 mm, was die Zungen abstanden. Das Bild aus Post #21 zeigt bereits den nachgestellten Zustand. Bei einer uralten Tango IIM habe ich ein paar Basszungen beim Grundbass, die so abgestanden sind, der Rest ging...Die anderen Instrumente , die ich habe, sind in Ordnung.

Das würde bedeuten, dass die Wärmebehandlung vom Zungenhersteller ausgeführt wird.

Das ist ein Punkt, den ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen konnte. Dass der Stahlhersteller dies durchführt, kann ich mir auch nicht vorstellen. Genausowenig kann ich mir vorstellen,dass dies der Zungenhersteller in Eigenregie durchführt (die meisten werden dazu technologisch gar nicht in derLage sein). Eher glaube ich , dass da nochmal ein Zwischenschritt stattfindet. Ich denke da nur an die Uhrenindustrie mit ihren Küchenweckern etc. die hatten ja auch alle schmale ggehärtete Stahlfederbänder drin. Und es war beileibe nicht jeder Uhrenhersteller so groß wie seinerzeit Junghans, der sein eigenes Schmalbandwalzwerk betrieb. Da muss es also Hersteller geben und gegeben haben, die diese schmalen Bänder in dien gewünschten Zustand gebracht haben.:gruebel:

Gruß, maxito
 
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Von Nieten und vom Nieten...

Jetzt haben wir eine ganze Weile die Stimmzungen angeguckt... aber ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie die Stimmzunge auf der Stimmplatte befestigt wird.

Ein einfaches, bewährtes und erprobtes Verfahren ist dazu das Nieten. Wird schon immer so gemacht und wird auch vermutlich in naher Zukunft auch weiterhin so gemacht werden von den Stimmplatten Herstellern. Dazu wird die gestanzte Stimmzunge auf die Platte gelegt, ausgerichtet, Nietstift reingesteckt und anschließend festgenietet. - Fertig - Einfach und meist recht dauerhaft.

Und weil man die Stimmzungen oft noch von Hand einlegt und ausrichtet, wird praktischerweise nahezu immer der Niet von hinten durch die Platte gesteckt, damit man von oben arbeiten kann und die Zunge auf den Nietbolzen schon mal draufstecken kann , ohne dass man die Stimmplatte umdrehen muss. Und wenn alles eingerichtet ist, dann drückt die Nietmaschiene den Niet zusammen und staucht den Bolzenüberstand zu einem mehr oder weniger breiten Nietkopf, der die Stimmzunge auf die Platte presst.


Das sieht im allgemeinen dann so aus:


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Fein, fein denkt man.

Und wenn man von der Sitrnseite draufschaut, sieht s so aus:

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und da sieht man, dass der Nietkopf mehr oder weniger kugelförmig aussieht und keineswegs an der Kontaktfläche zur Stimmzunge den breitesten Durchmesser aufweist!

Und das kann sich negativ auswirken. Denn es kann hierbei passieren, dass der Nietkopf die Stimmzunge am Innenrand etwas ins Nietloch drückt. Das widerum bewirkt, dass die Ränder der Stimmzunge sich hochwölben und somit nicht mehr sicher und flächig aufliegen. Dadurch kann die Stimmzunge um den Nietpunkt etwas kippeln und im Laufe der Zeit kann sich die Zunge auch etwas "freischwingen" und die Befestigung ist nicht mehr ganz so stabil wie anfangs -Was einerseits Schwingungsenergie frisst und andererseits sich auf die Stimmkonstanz auswirkt. Letzeres ist natürlich doof. Vor allem deswegen, weil es erst mit der Zeit auftritt.

Tritt sowas auf, ist die Stimmplatte Schrott und wird ausgetauscht. Reparatur ist in aller Regel nicht sinnvoll, weil man auch beim Nachnieten die Verformung der Stimmplatte nicht korrigieren kann.

Und weil die Stimmplattenhersteller um diesen Umstand wissen, werden bei den besten Qualitäten die Nietköpfe von Hand geklopft. - Das sind dann die sogenannten "Tipo a Mano" (oder Handarbeitskalsse II) und die noch besseren "A Mano" Stimmplatten (das sind die sog. Handarbeitsklasse I Stimmplatten). Hierbei wird nicht von einer Maschine der Nietkopf zentral von oben breitgedrückt, sondern von Hand mit einem feinen Hammer der Nietbolzen reihum schräg angeklopft, wodurch sich der Niet flächiger und breiter auf die Stimmzunge draufdrückt. Und vor allem soll sich der Rand des Nietkopfes besser auf die Stimmzunge drücken, damit die Zunge auf breiter Basis und schön großflächig auf die Platte gedrückt wird.


Hier als typisches Beispiel für eine solche Stimmplatte, eine handgenietete "A mano" Stimmplatte aus einer Gola:

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Man sieht auf dem Bild sehr schön die verschiedene Flächen, die dem Nietkopf das typische pyramiedenförmige Aussehen geben. Die werden mit dem Hammer geschlagen und damit wird der Nietkopf wesentlich breiter, als der Nietkopf der maschinenegenieteten "Noname"-Platte wie im Bild weiter oben.

Sehr schön denkt man sich - so will ich es haben - Das ist halt gute alte Handarbeit! :)

Aber der Teufel steckt im Detail! Und das erkennt man, sobald man auch hier die Stimmplatte (die ja zu der besten käuflich erwerbbaren Qualität gehört!) von der Seite anschaut:

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Auch diese Nietkopfform zieht sich zur Stimmzunge hin etwas zusammen und wird wieder enger. Und ebenso erkennt man, dass der Nietkopf nicht reihum gleichmäßig geschlagen wurde, sondern einseitig etwas breiter und flacher geklopft wurde! Wie auch ! Ist ja schließlich Handarbeit und damit ist jeder Nietkopf abhängig davon, wie der Meister grade getroffen hat. Und dadurch besteht grundsätzlich die gleiche Gefahr wie bereits oben beschrieben, dass sich bei diesen doch wesentlich teureren Stimmplatten genauso die Stimmzunge verbiegen können und dass die Stimzunge sich verformen kann und kippelt...

...und dann entpuppt sich die hochgelobte teure Handarbeitsplatte als genauso instabil und als Schrott, wie die maschinengenietete "Noname" Stimmplatte


...Ja ist denn nun die Handarbeitsstimmplatte keinen Deut besser, als die einfache?

Nu das nun wieder auch nicht! Die ist in der Summe schon besser!

Denn die werden ja immerhin von Hand gefertigt und jede einzelne auch per Augenschein vom Meister kontrolliert, was bei der maschinenegenieteten nicht der Fall ist. Somit fallen Unregelmäßigkeiten und Fehler viel eher auf und die Qualität ist insgesamt schon deutlich besser. Abgesehen davon, dass die "A Mano" und "Tipo A Mano" Stimmplatten auch einen viel engeren Zungenspalt in der Platte aufweisen und sorgfältiger vorgestimmt werden - auch das macht eine Verbesserung der Quaität aus. Von daher bekommt man schon sehr wohl eine deutlich bessere Qualität.


Ja aber... geht das nicht besser und zuverlässiger?

Doch! Das geht!

und wie das aussieht sieht man sehr gut an den beiden Bildern eienr Artiste-Stimmplatte:

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Und was ist nun hier das besondere?

Der "Witz" an der Sache ist, dass die Artiste Stimmplatten nicht wie üblich auf der Zungenseite vernietet werden, sondern auf der Plattenrückseite. Zudem ist der Nietkopf sehr breit und auf der Seite, die der Zunge zugewandt ist in Richtung Nietbolzen am Kopf hohlgeformt. Damit liegt immer der Nietkopf mit dem breiten Rand auf der Zunge und drückt diese sehr breitflächig auf die Platte. Somit bleibt der Zunge gar nichts anderes übrig, als flach auf der Platte zu liegen. Und obendren wurde der Zungenfuß noch zusätzlich mit Epoxidharz eingestrichen, um eventuelle Restspalte sicher auszumerzen.

Kippelnde Zungen und schlechte Ansprache durch Wölbung des Zungenfußes sind bei der Bauform unbekannt.

Und obendrein muss der Niet von der Gegenseite nicht so breit gedrückt werden, sondern muss nur den Nietbolzen sicher in der Platte verstemmen. Auch das mindert das Risiko von Verformungen zusätzlich.

Und die Erfahrungen und Rückmeldungen von Spielern die eine Atlantik oder eine Morino mit Artistestimmplatten haben bestätigen dies:
Diese Stimmplatten sind über die Jahre extrem stimmstabil, funktionieren für die Tatsache, dass es sich hier um maschinengenietete Massenware handelt äußerst gut! Es gibt etliche Instrumentemit mit Artistestimmplatten, die auch nach Jahrzehnten kaum Verstimmungen aufweisen! Eher ist wahrscheinlich, dass die Ventile abfallen oder das Wachs bröselig wird.

Ja super ... Und warum wird das heutzutage nicht bei allen gemacht?

Tja, das ist eine Gute Frage!

Die Patente hierfür sind seit Jahrzehnte ausgelaufen - Die Technik ist also frei verfügbar.. Man könnte also, wenn man wollte!

Aber man darf die Trägheit der Industrie und der etablierten Handwerker nicht unterschätzen. Eingefahrene bewährte Wege werden nur äußerst ungern verlassen. Solange es auch so funktoniert, wird wie bisher weitergemacht. Und außedem ist dieser handgeklopfte (oder eher handverklopfte) Nietkopf ein weithinbekanntes Qualitätszeichen für gute Qualität und das lässt sich hervorragend verkaufen!
"Handmade" gilt einfach immer noch als gutes Argument, für gutes Geld, das dafür verlangt werden kann!

Und es kommt ein Umstand hinzu, der die Handproduktion erschwerden dürfte:

Wenn man die Bauform der Artistestimmpaltten auf die Handarbeitsplatten übertragen will, dann muss man von vorne die Zunge einrichten und von der Rückseite her nieten. Dafür muss man aus Gründen der einfacheren Handhabung die Platte umdrehen und somit gibt dies die Gefahr, dass die zuvor eingerichtete Zunge wieder verrutscht. ..Dann muss man die Platte wieder wenden, neu einrichten, umdrehen, ...:redface:
Das macht die Sache auch nicht einfacher und auch nicht preiswerter.


So und was ergibt sich daraus als Fazit:


Es gibt verschiedene Methoden und es gibt darunter Punkte, die besser sind, als bei anderen Methoden und es gibt schlechtere. Leider sind nicht alle guten Methoden auf den besten Stimmplatten vereinigt, sondern verteilt:

Einfache Massenware mit maschinennietung einerseits - Beste Befestigung der Stimmzunge auf Massenware (Hohner Artiste) mit mitterer Qualität der gesamten Stimmplatte andererseits. Und noch die Handabeitsplatten mit nicht optimaler Vernietung, dafür aber bester Zungenspalt für gute Ansprache und sorgfältigerer Zungenvorbearbeitung.

Nu könnt man ja hergehen und sagen, dann machen wir wenigstens die Artisteplatten in die normalen Akkordeons rein, die ist doch schon ganz gut, auch wenn die als reine Maschinefertigung konzipiert wurde.... Nuja, leider wird die Artistestimmplatte nicht mehr hergestellt! ... So ist die Welt! ... Es überlebt nicht zwangsläufig das bessere!:(

Und als trost zu guter letzt:
Das was man in den Akkos so drin hat funktoniert ja in den allermeisten Fällen sehr zufriedenstellend und macht meist auch keine Probleme! Man kann also auch mit einer zweitbesten Lösung ganz gut leben (auch wenns zugegebenrmaßen besser ginge.. aber das macht halt derzeit keiner!)


So long!

Und trotz und vor allem viel Spaß beim spielen wünscht euch

maxito
 
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Die Kurven einer Stimmzunge - Warum sehen die so aus, wie se aussehen?

Schaut man eine Stimmzugen mal genauer an, dann fällt auf, das das nicht einfach ein simpler Streifen Federblech ist, sondern dass die Zunge nicht nur meist einen konischen Breitenverlauf hat und nach vorne meist etwas schmäler wird, sondern dass sich auch die Zungendicke über die Länge verändert.

Schaut man sich die Stimmzunge mal von der Seite her an, fällt auf, dass die im Bereich des Zungenfußes, wo se festgenietet ist, am dicksten ist und nach vorne zur Spitze immer dünner wird.

Am deutlichsten sieht man das an einer Piccolostimmzunge:


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Und wozu?

Wenn die Zunge zu schwingen anfängt, dann liegt der Luftdruck (und zusätzlich noch der Saugeffekt im Spalt zwischen der Zunge und der Platte) an der ganzen Fläche an und die Zunge beginnt sich zu biegen. Die Zungenspitze biegt sich dabei auch ein ganz klein wenig. Und weil an der Spitze nur eine sehr kleine Kraft wirkt, wird nicht viel Materialdicke benötigt, um diese kleine Kraft aufzunehmen.

Je weiter wir nun von der Spitze weg gehen, desto mehr wirksame Fläche ist vorhanden und umso mehr muss die Zunge in dem Bereich aufnehmen. Zusätzlich kommen ja die Kräfte beim Schwingen dazu. Denn die Zunge muss an der jeweiligen Stelle auch die ganzen Kräfte der weiter vorne schwingenden Zunge mit aushalten können. Und wenn die Zunge mehr aushalten muss, muss da auch eine größere Materialdicke sein, um die Kräfte aufzunehmen.

Deshalb muss eine Stimmzunge von der Spitze bis zum Zungenfuß immer dicker werden. Dabei soll in jedem Teil der Zunge die gleiche relative Belastung im Material herrschen. Dabei nimmt die Zungendicke nicht linear zu, sondern verläuft in einer bestimmten Kurve. Dass das eine Kurve ist, sieht man mit dem Auge bei den meisten Stimmzungen nicht - aber die muss da sein, denn sonst biegt sich die Stimmzunge beim Schwingen nicht über den gesamten Bereich gleichmäßig. Und dann gilt für die Stimmzunge im gesamten Verlauf nicht eine einzige Frequenz, sondern es gibt einen Frequenzbereich.

Hä? Wie jetzt?

Dazu stellen wir uns am besten vor, dass die Stimmzunge in verschiedene Bereiche eingeteilt ist.
Vorne die Spitze, die bereits bei geringer Lautstärke eine nennenswerte Bewegung macht und damit den größten Anteil an der Luftschwingung beiträgt. (weiter hinten tut sich ja praktisch nicht wirklich messbar was)

Nimmt der Spieldruck ( und die Lautstärke ) zu, dann macht auch schon der mittlere Zungenbereich nennenswerte Ausschläge und trägt seinen Teil zur Luftanregung bei.
Spielen wir ganz laut, dann schwingt auch der hintere Teil der Zunge kräftig mit und bringt seinen Anteil an der Luftanregung zur Tonerzeugung.
Und jetzt wird sofort klar, dass alle Bereiche der Zunge so aufeinander abgestimmt sein müssen, dass alle Bereiche im richtigen Verhältnis zueinander sein müssen , damit alle Bereiche die gleiche Schwingung machen wollen.

Deshalb ist auch nicht bei allen Stimmzungen die eingeschliffene Kurve gleich, sondern sieht je nach Tonhöhe und Stimmplattengröße etwas anders aus, damit alle Teilbereiche gleichmäßig belastet werden und somit gleich schwingen.

Und hier zum Unterschied noch ein paar Bilder an denen man die unterschiedliche Schliffkurve der Zungen bei verschiedenen Größen , bzw. Tonhöhen sehen kann:

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... Und wenn alles richtig aufeinander abgestimmt ist, dann hat man stets den gleichen Ton, egal ob man leise oder laut spielt.:great:

… soweit die Theorie…:)

.. in der Praxis jedoch…:(

(Fortsetzung folgt!;))

Gruß, maxito
 
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…Eine Stimmzunge muss zum Fuß hin immer dicker werden um die auftretenden Spannungen im richtigen Maße aufnehmen zu können, damit über den ganzen Lautstärkebereich eine konstante Tonhöhe entstehen kann….

Haben wir im Beitrag weiter oben festgestellt.

Zur Erinnerung - idealerweise sieht das dann so aus:

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Soweit, so gut …

… nur bekommt man damit ein Problem, je tiefer der Ton wird. Je tiefer der Ton, desto länger muss die Stimmzunge werden. Irgendwo ist aber der Platz begrenzt und außerdem soll alles ja Lautstärkemäßig einigermaßen zueinander passen…

Also macht man einen Trick!

Damit die Zunge tiefer schwingt, wird die zusätzlich beschwert, denn je mehr Gewicht, desto langsamer wird die Schwingung, desto tiefer wird der Ton… und das alles, ohne dass die Zunge noch länger werden muss.

Das sieht dann z.B. so aus:

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Und bei einer großen Basszunge sogar noch extremer:


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Die Zunge wird vom Fuß zur Zungenmitte hin dünner geschliffen und weiter nach vorne hin wieder dicker geschliffen, so dass sich dort mehr schwingende Masse ansammelt und der Ton tiefer wird.

.. ja, aber…

Genau: ja, aber!

Die Profilkurve sieht überhaupt nicht mehr so aus, wie sie idealerweise sein sollte!

Und das hat Folgen:

Die Stimmzunge hat nicht mehr an jedem Punkt die nötige Widerstandskraft um den Schwingungskräften entsprechend gegenhalten zu können. Mit der Folge, dass mit zunehmender Lautstärke die Zunge nicht die notwendige Steifigkeit hat und als Folge davon geht der Ton in den Keller!
Insbesondere bei den tieferen Tönen im 16´-Chor und ganz besonders beim Grundbass kann man das sehr gut hören, wie der Ton tiefer wird, wenn man leise beginnt du dann immer stärker zieht. Beim 16´-Chor kann man den Ton von ppp bis fff locker um 5 bis 12 Cent und mehr nach unten abweichen lassen.
Beim Grundbass können das sogar locker 30 Cent und mehr sein!

Das ist kein Pappenstiel mehr, sondern schon ganz ordentlich hörbar!


Und was kann man dagegen machen?

Praktisch gar nichts!!!:redface:

Irgendwann kommt nämlich der Punkt, da kann das Stahlband nicht mehr dicker gewählt werden, weil man dann das Blech sonst nicht mehr stanzen kann. Somit kann man die Stimmzunge nicht dicker machen, als sie heutzutage in sind. Es sei denn man ändert das Herstellverfahren… aber danach siehts derzeit nicht aus, wenn man den Markt so anschaut.


Und sind denn wenigstens die ganz guten Qualitäten, also die " A mano " und die "Tipo a mano" in diesem Punkt deutlich besser?


Auch hier leider Fehlanzeige! Da der Effekt durch die geometrischen Randbedingungen festgelegt wird und die bei den besseren Stimmplatten genauso gelten gilt der Effekt ausnahmslos für alle Sorten Stimmplatten.


Fazit von der ganzen Sache:

Ein Akkordeon kann man nicht über alle Chöre und Töne im gesamten Lautstärkebereich richtig stimmen. Das geht ganz einfach nicht!
Die Stimmer wissen das und stimmen entsprechend über einen Lautstärkebereich, der für die meisten Anwendungen so ungefähr in einem mittleren Bereich liegt, so dass die Abweichung im Spielbetrieb nicht so sehr auffällt.

Bis hierhin sind das nun alles "gewollte" Abweichungen von der Idealform gewesen, weil es konstruktiv keinen vernünftigen Ausweg gibt.

Aber es kommt auch vor, dass die hohen Töne nicht konstant sind und eine gewisse Tondrift aufweisen - Das sind dann ungewollte Herstellungsfehler .


…Dazu kommen wir noch!

Lasst euch das Spielen deswegen trotzdem nicht vermiesen - in der Praxis kann man gut damit leben!:):great:

Gruß, maxito
 
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…Stimmungsmacher…

Irgendwann ist s mal soweit: es muss nachgestimmt werden!

Wobei das das allererste mal schon erfolgt, bevor die Stimmzunge überhaupt verwendet wurde – nämlich bei der Herstellung wird die Zunge schon grob auf die angedachte Frequenz vorgestimmt.

Das Verfahren ist einfach:


  • Ist der Ton zu tief, wird im vorderen Bereich etwas von der Spitze abgefeilt um die schwingende Masse zu verringern , womit als Resultat die Frequenz steigt.
  • Ist der Ton zu hoch, wird im hinteren Bereich ein ganz klein wenig abgetragen, um die Zunge in dem Bereich etwas elastischer zumachen, wodurch die Frequenz als Folge sinkt.

Je nach Qualität der Stimmzunge gibt es hier allerdings deutliche Unterschiede!

Einfachere Qualitäten werden als Massenware maschinell vorgestimmt, indem (von einem Automaten) in den entsprechenden Bereichen einfach solange mit einer Schleifscheibe abgeschliffen, bis es ungefähr stimmt:

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Die Schleifbereiche sind deutlich erkennbar und haben meist keine flächigen Übergänge. Dies kann allerdings Probleme mit der Tonkonstanz bereiten. Bei den einfacheren Instrumenten sind die Anforderungen daran allerdings nicht allzu hoch und werden so meist akzeptiert.


Höherwertige Stimmplatten werden meist in Handarbeit vorgefertigt und vorgeschliffen:

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Das erfolgt dann mit einer Sandpapierfeile. Die Übergänge werden hierbei verschliffen. Dadurch entstehen keine schroffen Übergänge und die Stimmplatte kommt relativ homogen und gleichmäßig aus der Fertigung . Für eine gute Tonkonstanz schon mal eine unabdingbare Vorraussetzung.

Irgendwann muss die Stimmplatte dann fertiggestimmt werden, oder irgendwann mal nachgestimmt werden. Und weil die Stimmplatten dann in aller Regel fertig eingebaut sind und man nicht mehr so gut dran kommt, wird dies meist mit einer Stimmfeile oder einem Stimmstichel gemacht.

Hier ein Wort zum „feilen“:

Es geht hier ja nur noch um ganz kleine Korrekturen. Also schruppt man nicht mit der Feile grob und mit Hurra drüber, sondern macht im Wesentlichen nur einen „Strich“ also nur ein paar Ritzer. Und das in Längsrichtung, damit man keine bruchgefährdeten Querkerben erzeugt. Und keinen allzu großen Eingriff in die Tonkonstanz der Stimmzunge zu erzeugen:

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Es kann im Leben einer Stimmplatte auch öfter nötig werden:

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Und hier erkennt man auch gleich das bauartbedingte Problem bei Akkordeonstimmplatten – es kann nur Material abgetragen werden!.... und irgendwann ist auch bei schonender Behandlung Schluss, weil dann nix mehr da ist an Restmaterial.
Drum sollte grundsätzlich so schonend wie möglich nachgestimmt werden.

Mit welchem Arbeitsgerät man dies macht ist eigentlich egal ... eigentlich …- mit elektrischen Schleifgeräten besteht jedoch die große Gefahr, dass man aus Versehen „mal kurz“ zu feste draufgehalten hat und dann gleich eine richtige Kuhle reinschleift:

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Die Stimmzunge kann dann schon stimmen , aber eine Tonkonstanz über den Lautstärkebereich kann man mit so einem Schleifscharnier nicht mehr erreichen . Die Stimmplatte wird zwangsläufig eine große Tondrift aufweisen. Viel mehr als normal – Die Stimmplatte ist im Grunde genommen gestorben!

Es gibt aber auch Fälle, die lassen sich trotz alledem nicht mehr richtig stimmen.

Z.B. wenn sich auf den Stimmzungen der Rost bereits richtig eingenistet hat:

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Besonders gern breitet der sich dabei unter den Ventilen aus und wenn dann schon richtige Rostkuhlen entstanden sind, dann kann man beim besten Willen nicht mehr richtig stimmen, weil man den Rost nicht mehr richtig entfernen kann.
Das sind dann typische „Lagerschäden“ der berüchtigten Dachbodenfunde, oder auch Keller ... … Garage… ... Gartenhaus... …Kompost…...Froschteich…. Da ist s dann schon nahezu egal – das Instrument ist dann in aller Regel an Stimmzungenkorrosion gestorben, auch wenn´s äußerlich vielleicht noch brauchbar ausssieht


Also, Fazit:



  • Bessere Stimmplattenqualitäten werden in aller Regel schonender hergestellt und bieten somit auch die bessere Ausgangsbasis bezüglich Tonkonstanz.
  • Beim Nachstimmen sollte immer so wenig wie möglich an der Zunge gemacht werden, weil nur durch „wegnehmen“ gestimmt werden kann.
  • Und man kann deshalb auch nicht beliebig oft nach stimmen – irgendwann ist das Material verbraucht – je nachdem, wie vorsichtig der(die ) Stimmer zu Werke gegangen sind.
  • Und! - Man kann das Instrument durch falsche Lagerung kaputtlagern!

Und drum:
Nicht gleich immer wegen jeder Tonabweichung zum Stimmer rennen , sondern erstmal überlegen: ist das nun wirklich nötig? Und das Instrument sorgfältig behandeln und in der guten Stube lagern!

Viel Spaß an und mit euren Instrumenten, wünscht euch ,
maxito
 
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Ventilgeklapper

Eine Stimmzunge funktioniert ja nur in eine Richtung. Kommt der Spielwind von der anderen Seite, macht die gar nix… außer Luft an der Stimmzunge vorbeizischen lassen…. Und das stört natürlich, denn es verbraucht Luft, ohne dass es nutzt und man muss nur unnötig oft den Balg auf- und zuschieben.
Deshalb werden auf die Rückseite der jeweiligen Stimmzunge kleine Streifen aus Kunststoff oder Leder draufgeklebt, den jeweiligen Zungesnapalt abdecken, der nicht aktiv ist.. die werden im hinteren Bereich auf der Stimmplatte festgeklebt und im vorderen Bereich können sie frei öffnen, wenn die Luft von der richtigen Seite durchbläst.

Sieht dann ungefähr so aus:

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Bei den ganz kleinen Stimmplatten geht so wenig Nebenluft durch, dass es da keine Ventile braucht .
Schaut man die Ventile genauer an, so sind die nicht alle gleich, sondern mal mit mehr mal mit weniger vielen Lagen unterschiedlich langer Streifen ausgestattet. Das wird abhängig von der Größe gemacht, damit das Ventil genügend Steifigkeit besitzt, um in Ruhe schnell und sauber aufzuliegen und bei Spielwind gleichmäßig aufzumachen. Dass dies in Stufen erfolgt, macht nichts, denn hier geht's nicht ganz so genau zu, wie bei den Stimmzungen.


Es gibt die Ventile wie gesagt ganz aus Kunststoff und mit Lederdecklage. Oft sind sogar beide Varianten in einem Akkordeon verbaut:

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Ab einer gewissen Länge ( speziell auch bei den großen Zungen im Bass) wird lieber Leder verwendet, da dies durch die weichere Oberfläche besonders leise schließt. Ansonsten haben sich heute mehrheitlich die Kunststoffventile durchgesetzt, da die durch ihr geringeres Gewicht besonders schnell öffnen. Bei den tiefen Tönen ist das nicht ganz so wichtig - die brauchen eh n Tick länger, bis die schwingen. Da ists wichtiger, dass es leise auf und zugeht. Drum kommt da dann eher Leder zum Einsatz.


Bei den großen Basszungen wird lieber (Kunst-)Leder genommen - schließt leiser! :

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Nehmen kann man beides: Leder oder Kunststoff - funktioniert beides gut. Wichtig ist hier nur, dass das Ventil in Ruhelage den Stimmplattenspalt komplett ein ganz klein wenig überdeckt.

Bleibt da ein ganz kleiner Spalt offen , dann stellt sich nämlich da zuerst ein gewisser Saugeffekt ein, der das Ventil zuerst noch etwas stärker an die Stimmplatte saugt, bevor es dann öffnet. Der Ton beginnt also mit einem kurzen…. Fffffflopp….Und das stört!


So eine ungünstige Konstellation ist hier zu sehen:

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Das war aber vermutlich nicht schon immer so, sondern ist erst im Laufe der Zeit so geworden. Denn Leder ist ein Naturprodukt - das atmet und lebt auch weiter mit der Luftfeuchtigkeit ein bisschen mit. Und so kommt es daß Lederventile im Laufe der Zeit ihre Form verlieren und z.B. schrumpfen. Deshalb werden heutzutage anstelle von echtem Leder lieber Kunstlederventile verwendet, weil die ihre Form besser über die Zeit erhalten.

"Ja aber von wegen!", sagen Liebhaber von weichem Akkordeonklang:. "Die Lederventile machen einen besonders weichen Klang." - - Besonders bei Liebhabern alter Golas ist diese Argumentation gerne zu hören!
-> Ich fürchte, die muss ich hier leider enttäuschen - Das Material spielt hier keine Rolle!:redface:

Ja, aber ich hörs doch mit meinen eigenen Ohren…!:eek:

Schon - aber das kommt wo anders her!:confused:

Und dazu muss man nochmals eine Stimmplatte mit Leder und eine mit Kunststoffventilen genauer anschauen:

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Und da fällt zunächst mal auf, dass das Kunststoffventil bis über den Nietkopf hinausragt. Das Lederventil hat kein "Nietloch " eingestanzt und ist deshalb kürzer. Damit nun das Lederventil genauso gut hält, wie das Kunststoffventil muss man das Lederventil ein Stück weiter in den Zungenspaltbereich hinein aufkleben, als dies beim Kunststoffventil nötig wäre.


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Und damit verändert sich an der Luftführung der Zunge was - und das hört man!
Wenn mal aus Versehen ein Ventil durch Wachsreste etc. ziemlich weit auf der Platte festklebt, dann klingt der Ton dumpf und muffig. Das muss korrigiert werden, denn so was mag niemand hören. Das Ventil wird also entfernt, die Platte gesäubert und ein neues Ventil "normal " aufgeklebt - und der Ton klingt wieder richtig gut und klar.

Ganz grob verallgemeinert gesagt, klingt der Ton gedeckter bis ziemlich muffig, je weiter vor das Ventil aufgeklebt ist und je weniger sich das öffnen kann . Und im Gegenzug klingt der Ton umso kristallklarer, je weiter das Ventil öffnen kann. Und da nun die Lederventile etwas weiter vorgeklebt werden, als die Kunststoffventile, wird diese Klangbeeinflussung allgemein als "weicherer Klang" empfunden. Und diese Eigenschaft wird fälschlicherweise dem Leder zugeschrieben (weil der Mensch ja nur glaubt, was er sieht!;)).

Und macht man den Gegenversuch und klebt man ein Kunststofffventil genauso auf, wie ein Lederventil -

- siehe da: es stellt sich das gleiche Klangbild ein!:eek:

Man kann also, wenn man so will den Klang ein wenig verändern, je nachdem wie man die Ventile aufklebt! Das wie ist also entscheidend, obs eher weicher oder kristallklar klingt - das Material hat damit nichts zu tun!- Alles andere muss man leider ins Reich der Mythen und Märchen verweisen. ( Ich mach mir immer wieder einen Spaß draus und lass die "Experten" raten, auf welchen Tönen meiner Gola Lederventile und auf welchen Kunststoffventile drauf sind: Hat noch keiner richtig geraten!:D)



So ein Ventil klappt also ständig auf und zu. Und das macht es eigentlich recht lange und ziemlich zuverlässig. Aber alles alter etwas und lässt im Laufe der Zeit nach - so auch die Ventile. Und das führt dazu, dass die irgendwann nicht mehr richtig anliegen und mehr oder weniger weit von der Stimmplatte wegstehen.
Ist das nur ganz wenig, stört das nicht weiter. Wird's ein bisschen mehr, dann kann man das hören, wenn das Ventil immer erst mit einem kurzen "klack" schließt. Stört aber meist auch noch nicht wirklich.
Irgendwann stehen die Dinger aber so weit ab, dass sie nicht mehr richtig schließen wollen und mal mehr oder weniger geschlossen sind - oder noch schlimmer - sich nicht entscheiden können, was sie tun wollen. Und dann gibt das so einen komischen schnorchelnden oder auch schnarrenden Ton. Und das stört dann schon richtig.

Wenn die Ventile also mal so abstehen:

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…Dann hilft alles nichts mehr, dann müssen die ausgetauscht werden. Die haben dann ihren Zenit deutlich überschritten und es bleibt nur noch eine Generalrevision übrig. Man könnte nun versucht sein, die wieder richtig hinzubiegen und gegenzurollen - lohnt aber nicht, denn die Wirkung ist nur von sehr kurzer Dauer. Dauerhaft Ruhe kriegt man nur, wenn man die komplett erneuert!

Fazit:


  • Ventile brauchts, damit der Luftverbrauch beim Spielen auf ein erträgliches Maß reduziert werden kann.
  • Ob Leder oder Kunststoffventile - das ist nur eine persönliche Geschmacksfrage.
  • Der sagenumwobene weichere Klang der Lederventile kommt nicht vom Material, sondern von der Art, wie die aufgeklebt werden und kann mit Kunststoffventilen genauso erzeugt werden!
  • Irgendwann ermüden Ventile und müssen ausgetauscht werden - das ist meist so nach ca. 20 bis 30 Jahren der Fall.

Es bleibt also viel Zeit vorher ausgiebig mit dem Instrument damit Musik zu machen!:)

Gruß, maxito
 
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Hallo maxito,

mit Deinen Beiträgen in diesem Faden bist Du dabei, Dir selbst ein Denkmal zu schaffen. Ich ziehe den Hut vor Deinem Engagement in der Akkordeontechnik.

Viele Grüße

morino47
 
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Hallo maxito,

wann gibt's denn das ganze gedruckt als Buch?

beste Grüße
Morigol
 
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bist Du dabei, Dir selbst ein Denkmal zu schaffen

naja, das glaub ich nu weniger - ich habs ja nicht erfunden, sondern ich trags nur zusammen und schreibs auf!;)

Das Ganze stammt ja aus unzählichen Unterhaltungen mit vielen Spielern, Instrumentenmachenr, Akkordeonbauern, findigen Leuten - hier insbesondere unser User Balg - Denen allen gebührt die Ehre!:great:

..und einer guten Portion gesunder Menschenverstand!

wann gibt's denn das ganze gedruckt als Buch?

.. so also nu ein"F" .. ah, ja! hier liegt das!.. und dann ein "A" ... fast daneben! Das ist gut , dann gehts ja richtig schnell! ... verflixt wo ist denn nu das "N " hingekommen" ..??.... oh da unten! Uiuiui! Das war aber knifflig!...


Ihr seht - ich bin feste dabei... weil ich s aber nicht soooo arg mit dem Schreiben hab, könnt s vielleicht noch n bissl dauern!:redface:

-> In der Zwischenzeit empfehle ich die Themen hier im Forum nachzulesen - da sind se jeweils erstveröffentlicht!:D:great:

Gruß, maxito
 
Hi Maxito,
schließe mich morino47 und morigol an: Immer wieder toll, Deine Geschichten aus den Innereien der Quetschkommode zu studieren. Ganz Groß ! Toll erklärt und super Bilder :great: [nicht, daß ich jetzt die Stimmplatten aus meiner Kiste reiße um die Kurven zu checken, aber wirklich super gemacht]
Und, ja, absolut druckreif !
Gruß, Christof
 
Kanzelle... kann die Zelle überhaupt was?

Bislang haben wir uns ja mehr oder weniger nur mit der Stimmplatte beschäftigt...

...Ist das Akkordeon nicht laut genug, oder zu laut oder klingt nicht so wie man es sich vorstellt, dann kommt die Rede meist sofort auf die Stimmplatte und die ganze Aufmerksamkeit wird auf die Stimmplatte selbst gelenkt. ... aber wie die eingebaut ist, wo die draufmontiert ist, das wird komplett vernachlässigt.

Erst wenn man mal näher nachdenkt, kommt die Frage auf, welchen Einfluss hat denn die Kanzelle? - spielt das überhaupt eine Rolle, wie die aufgebaut ist, wie groß und wie lang die ist?


Um den Einfluss der Kanzellenlänge zu überprüfen verwende ich eine Messkanzelle, bei der die Kanzellenlänge über einen Schieber verstellbar ist und deren Ausgang der Tonlochgeometrie einer Morino nachgebildet ist:

attachment.php


Die Tonhöhe wird über Mikro aufgenommen und von der Stimmsoftware Strobosoft ausgewertet. Zur Lautstärkemessung wird ein digitales Messgerät verwendet (kostet nicht mehr die Welt und ist bequem abzulesen).

Die Kanzellenlänge lässt sich an einem Lineal, das oben aus der Messkanzelle herausragt, ablesen. Die Stimmplatte kann mit einem zweiten außenliegenden Schieber eingeklemmt werden. Druck in die Kanzelle kann über ein regelbares Gebläse gegeben werden auf Zug und Druck, wenn gewünscht. (frei nach Loriot: Es saugt und bläst der Heinzelmann...:D)



Mit eingeklemmter Stimmplatte sieht das dann so aus:

attachment.php


Auf die Art kann man praktisch alle Diskantstimmplatten einspannen und die generelle Funktion, Tonhöhe und Lautstärke messen... und durch verschieben des inneren Begrenzungsschiebers lässt sich die Kanzellenlänge nun während der Messung vergrößern.... Und da kommen dann zunächst sehr überraschende Ergebnisse heraus!



Nimmt man Stimmplatten im Bereich bis ca. zum Ton c2, dann stellt man fest dass sich mit dem Vergrößeren des Kanzellenraums erstmal nicht viel tut, außer dass die Lautstärke irgendwann mal langsam abfällt.

In ein Diagramm eingetragen sieht das dann so aus:

attachment.php


Um die Darstellung übersichtlich zu halten habe ich nur mal zwei verschiedene Töne (c1 und a1 = 443 Hz) ausgewählt. Als Vergleich hierzu habe ich die entsprechenden tatsächlich verwendeten Kanzellenlängen einer Morino VI M gemessen und zum besseren Vergleich ohne Bezug auf Lautstärke oben am Diagrammrand angezeigt. Weil sich nicht viel tut, genügen hier wenige Messpunkte vollauf um das Verhalten der Stimmplatte zu zeigen.

=> Resultat der Geschichte:

In dem Bereich reagieren die Stimmplatten nicht sehr empfindlich auf verändern der Kanzellenlänge.



Geht man in der Tonhöhe nach oben und misst weiter, dann ändert sich das Bild!

Langsam aber stetig ändert sich das messbare Verhalten so, dass mit zunehmender Kanzellenlänge die Lautstärke bis auf ein Minimum abfällt (teilweise der Ton komplett verstummt!!!) um anschließend wieder anzusteigen und zwar auf einen Lautstärkewert, der deutlich über dem ursprünglichen liegt!

bei den Tönen b2 und d3 sieht das dann beispielsweise so aus:

attachment.php


Was das wirklich bedeutet, wird einem erst klar, wenn man sich bewusst macht, dass ein Unterschied von 10 Dezibel (db(A) ) als doppelt so laut empfunden wird!

=> Vergleicht man das mit der tatsächlich verwendeten Kanzellenlänge, dann stellt man fest, dass die beim Akkordeon verwendete Kanzellenlänge keinesfalls optimal ist bezüglich der Schallausbeute.
Und wenn man die Kurve anschaut, dann kommt der Verdacht auf, dass bei kürzerer Kanzellenlänge ebenfalls eine Steigerung der Schallausbeute möglich wäre... ohne größeren Aufwand kann ich jedoch mit meinem Versuchsaufbau dies nicht nachprüfen. Den Nachweis muss ich erstmal schuldig bleiben - aber die Vermutung liegt nahe, dass die im Akkordeon verwendete Kanzellenlänge in diesem Tonhöhenbereich nicht optimal ist: Kürzer oder deutlch länger wäre besser. So wie s ist, ists nicht optimal!



Wie schon erwähnt, habe ich, um einen Bezug zu haben die tatsächliche Kanzellen einer Morino VIM als Vergleich herangezogen, um einen Anhaltspunkt zu erhalten, was die Werte aus der Messkanzelle denn bedeuten.

Hier als Vergleich die Stimmstöcke (aus der Morino VIM), die aussehen, wie man s eigentlich kennt:

attachment.php


Die Kanzellenlänge fängt mit ungefähr der Stimmplattenlänge des tiefsten Tons an und wird mit zunehmender Tonhöhe gleichmäßig kürzer, so wie eben auch die Stimmplatten kleiner werden und man alles geschickt montieren kann. Wie aber anhand der Messergebisse zu sehen ist, ist das zwar montagetechnisch gut, aber schalltechnisch nicht optimal.


Aha denkt man sich , wenn man bis hierher durchgehalten hat! .. und was soll mir das nun alles sagen?

=>
  1. Die Stimmzunge ist nicht alles - Die Form und Länge der Kanzelle des Stimmstocks (wobei hier in dem Beitrag nur auf die Länge eingegangen wurde) spielt sehr wohl auch eine große Rolle bei der Klangentfaltung und insbesondere bezüglich der Lautstärke!
  2. Die Stimmstöcke, wie sie bislang durch die Bank aufgebaut sind, haben bezüglich der maximalen Schallausnutztung der Stimmplatte teilweise die falsche Größe!
  3. Es gibt Bereiche in der Tonhöhe, wo Stimmplatten aufgrund der unpassenden Kanzellenlänge leistungsschwächer sind, als andere - Am deutlichsten bemerkt man das im obersten Bereich der Piccolozungen, die ja erst bei höherem Druck zu funktionieren beginnen und dann meist schwach im Ton bleiben. Aber auch im Bereich, so um c3 bis g3 herum, wo man oft den Eindruck hat, dass bei mittlerer Oktave + hohe Oktave der Piccolochor sehr dominant und hervortönend erscheint. In Wahrheit aber ist hier nur die normale Oktave zu schwach!
  4. Das ist halt so, weil das Akkordeon von Handwerkern geplant und gebaut werden und nicht von Schalltechnikern.
  5. Mit dem was wir trotz der nicht optimalen Bauform erhalten, ist es in den meisten Fällen aber immerhin so, dass seit Generationen die Spieler damit mehr oder weniger zufrieden sind.


... und was kann man nicht aus den Messergebnissen hier herauslesen?


  1. Keine absolute Werte! Denn ich habe nicht die Stimmplatten aus dem Akkordeon ausgebaut und gemessen, sondern anderere Stimmplatten in dem Messaufbau gespannt, die ich lose hatte. Ein funktionierendes Akko hierzu zerlegen wollte ich nicht. Mir gehts hier nicht um absolute Zahlen sondern nur ums aufzeigen grundsätzlicher Effekte und Beobachtungen.
  2. Da ich die Stimmplatten so genommen habe, wie sie in der Kiste lagen und ich keine normierten Druckbedingungen geschaffen habe, sagen die Lautstärkewerte nichts über die tatsächliche Lautstärke aus. Es geht hier nur drum zu zeigen, wie sich das grundsätzlch verhält!
  3. Das Verhalten von Piccolostimmplatten kann ich mit meinem Messaufbau nicht sicher darstellen. Weil meine Messkanzelle eine Kanzellentiefe von 18 mm aufweist. Die Piccolostimmplatten sind aber teilweise kürzer. Wenn nun der Kanzellenraum verstellt wird, ist nicht klar, ob der beobachtbare Effekt von der Kanzelle in Längsrichtung oder von der Tiefe kommt (die ja auch eine Art Kanzellenlänge, nur in eine andere Richtung darstellt). In wirklichen Stimmstöcken sind die Kanzellen aber auch zunehmend flacher, mit zunehmender Tonhöhe - Für den Zweck muss ich mal meine Prüfkanzelle auf flachere Tiefe umbauen.


Kleine Anmerkung noch zum Schluss:

... das alles ist an sich nicht neu - das hat mir vor den paar Jahren unser User Balg schon demonstriert (von ihm habe ich auch das Prinzip fer Messkanzelle übernommen). Da das Ganze ein weites Thema ist, hab ich versucht , die grundsätzlichen Effekte verständlich anhand von ein paar Beispielen darzustellen.
Da gäbe es noch viel mehr dazu zu sagen... wenn ich mal wieder n bisschen Zeit übrig habe, gehts hier weiter!;)



So und nun wünsche ich euch viel Spaß beim Grübeln Nachdenken und Spielen!

Gruß, maxito
 
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Hallo Maxito,
möchte mich bei dieser Gelegenheit für deine anschaulichen Beiträge bedanken.
Habe selbst ein bisschen mit Stimmplatten meiner Steirsichen Harmonika herumexperimentiert und kann deine (und Balgs) Ausführungen nur bestätigen.
Liebe Grüße (bitte auch an Balg).
Stoager
 
Guten Morgen,

vielen dank für diesen und die übrigen Beiträge. Da ziehe ich ehtlich mit Hochachtung den Hut vor der Neugier, dem Forschergeist, dem Materialeinsatz, der Tüftelei, der Leidenschaft und der Bereitschaft all das zu teilen.:great::great:

Da gäbe es noch viel mehr dazu zu sagen... wenn ich mal wieder n bisschen Zeit übrig habe, gehts hier weiter!;)
Gruß, maxito

Das will ich doch hoffen, denn bzgl. der Kanzellengeometrie habe ich doch den Eindruck, dass man aus den hier abgebildeten Messergebnissen nicht ohne weiteres nur die dargestellten Schlüsse ziehen kann.

Einerseits gibt der Versuchsaufbau ja auch eine Messung zur Auswirkung der Kanzellenlänge auf die Tonhöhe her. Das habe ich hier aber nicht gelesen.

Andererseits kann ich der Interpretation der Messungen so ganz ohne Weiteres nicht folgen:
Es wurde festgestellt, dass für einen Tonbereich jenseits b2 eine deutlich höhere Ausbeute an Lautstärke durch (deutliche!) Vergrößerung der Kanzellen möglich ist. Vorher bewegten wir uns im Versuchsaufbau, zwischen 80 und 85 dB, bei Vergrößerung über 90dB. Das ist richtig viel Unterschied.
Für tiefere Töne konnte in diesem Versuchsaufbau kein Zuwachs an Lautstärke erreicht werden.
Was will ich mit einem "kanzellenoptimierten" Akkordeon, das in höheren Lagen mehr oder weniger plötzlich (gemessen) sehr viel lauter wird?
Und noch ein Aspekt, den der Versuch so wahrscheinlich nicht klären kann ist das subjektive Lautheitsempfinden, das ja auch frequenzabhängig ist. Vielleicht würde unter diesem Aspekt die Kanzellenoptimierung wieder genau das richtige sein...
Will sagen: alleine aus der "Herausholbarkeit von mehr Lautstärke" zu schließen, dass der klassische Instrumentenaufbau nicht optimal ist, ist meiner Meinung nach nicht optimal ;) . Nota bene: die Schlussfolgerung kann nichtsdestotrotz vollkommen richtig sein und dass man da alles in Frage stellen darf und muss, um etwas herauszufinden unterstütze ich vollkommen!

Ich wünsche mir sehr weitere erhellende Erkenntnisse und hoffe, mein Beitrag wird mir nicht übelgenommen, denn so ist er wirklich nicht gemeint! Vielmehr möchte ich zur Einordnung der gefundenen Erkenntnisse beitragen, da ich das Gefühl habe, dass da noch Nachholbedarf besteht.:) Ich sehe selbst, dass maxito seine Schlüsse einordnet und relativiert und die genannten Aspekte sehr ernst nimmt; man muss dafür aber sehr genau lesen und deswegen schadet es (hoffentlich) nichts, wenn ich das hier wiederhole.

Ließe sich eigentlich der Einfluss der Kanzellenlänge auf das Ansprechverhalten messen? Ich denke da jetzt speziell daran, dass ja z.B. so ein Winkelbass, Umlenkstimmstock etc. ja hier durchaus einen Einfluss zu haben scheint, wobei ich den Verdacht hege, dass der Winkel nur wichtig ist, um die Kanzellenlänge noch ins Akkogehäuse zu bekommen...:gruebel:

Weiterhin erfolgreiches Forschen wünscht
Schabernakk
 
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und hoffe, mein Beitrag wird mir nicht übelgenommen,


Aber nein! -Im Gegenteil!

- es freut mich außerordentlich, dass ich mit meinen "Spielereien" auch andere zum kritischen Nachdenken angeregt habe!:great: Mir geht es im Prinzip genauso, wie Schabernack - ich habe die Dinge beobachtet und bin am sortieren, was das nun (für mich) bedeutet und was in welchem Maße was wieweit berücksichtigt werden muss.

Zunächst mal ganz grundsätzlich die für mich allerwichtigste Aussage hieraus ist die: Die Kanzelle hat sehr wohl und deutlich einen Einfluss auf die Funktion der Stimmplatte!

Am Einfachsten sieht man das an der Lautstärke in Abhängigkeit von der Kanzellenlänge. Das geht soweit, dass im ungünstigsten Fall die Stimmplatte überhaupt nicht funktioniert, weil die Kanzellenlänge einfach falsch ist. Im günstigsten Fall unterstützt die Kanzelle die Stimmplatte und verhilft ihr zu mehr Leistung.
In manchen Bereichen stört und behindert die vorhandene Kanzellengröße definitiv die Ansprache. Am deutlichsten tritt das bei den obersten Piccolotönen um e4 bis a4 auf. Da kommt es zu einem deutlichen Abfall in Schallleistung und Ansprechverhalten. Z.B. habe ich vor ein paar Tagen die hohen Piccolostimmzugnen einer Atlantik eingerichtet, weil die teilweise sehr schlecht bis gar nicht angesprungen sind. Hier war auffällig, dass ich die zwar im Prüfsstock auf eine Ansprache von ca. 85 bis 110 Pa hinbekommen habe - die selben Stimmplatten im Stimmstock aber nur noch Ansprachewerte von 130 bis 170 Pa ablieferten - mehr ging nicht. Dazu höätte die Kanzelle deutlich kürzer werden müssen, oder aber viel länger...War aber nicht mein Insturment, drum hab ich da nicht dran rumgefingert und nur soweit optimiert, wie es ohne bauliche Änderungen ging.

Und nun muss man in dem Bereich schon sehr sorgfältig arbeiten, sonst geht schnell gar nichts mehr. Drum findet man bisweilen bei Akkordeons auch "Notlösungen" wie ein zusätzlich gebohrtes "Nebenluftloch im Stimmstock zur Kanzelle, oder eine Seite der Piccozunge nicht eigewachst. Alles mit dem Ziel, die Eigenschwingung der Kanzelle so zu stören, dass die sich nicht noch weiter abschwächend auf die Stimmzunge auswirkt. Da hat derjenige, der dies gemacht hat sich einfach nicht mehr zu helfen gewusst, weil er das Ding anders einfach nicht zum Laufen gebracht hat :nix:.- Wie gesgt: geht auch auf normalem Weg... nur muss man halt sorgfältig und genau arbeiten.

Desweiteren gibt es beim klassischen Aufbau, wie die Stimmstöcke halt so gebaut sind , in der Lautstärke ein Loch. Fatalerweise tritt das im 8´Chor auf. Die Stimmzungen verlieren in dem Bereich einfach an Schallleistung. Spielt man in dem Bereich zusammen mit anderen Chören, dann tönen die anderen bisweilen ungangenehm deutlich hervor. Einfach deshalb, weil man instinktiv und unbewusst mit mehr Balgdruck versucht den Abfall auszugleichen, mit dem Resultat, dass die anderen umso deutlicher hervortönen. Grade zusammen mit dem Piccolochor ist das bisweilen richtig lästig, weil der hohe Piccoloton einem dann unangenehm ins Ohr piepsen kann... Und eigentlich will man ja den Grundchor besser hören.

Und auch ganz klar - es ist nicht das Ziel die Kanzelle so zu gestalten, dass man die immer die maximale Leistung aus der Stimmplatte rausholt. Wollten wir eine Vuvuzela bauen, dann wäre das der richtige Weg. Aber hier geht es um eine ausgewogene Abstimmung mit den anderen Tönen, idealerweise über den gesamten Bereich. Kann also sein, das es für bestimmte Töne sinnvoll ist, die zu unterstützen und für andere eventuell besser ist, die abzuschwächen, damit das Ganze möglichst harmonisch ein ausgewogenes Ganzes gibt.

Dass bei den tiefen Tönen kein Einfluss der Kanzellenlänge auftritt, stimmt so nicht ganz - da tut sich schon was, aber meine Messkanzelle ist einfach irgendwann bei ca. 16 cm zu Ende und drum konnte ich das Minimum nicht ermitteln!:redface: Es ist nur so, dass in dem unteren Bereich die Töne nicht so empfindlich auf eine Änderung der Kanzellenklänge reagieren. Und im Bassbereich kann man auch wieder einen P
positiven Effekt feststellen: Hier ist die Kanzelengröße bei den tiefen Basstönen soweit von einem günstigen Wert entfernt (sprich: deutlich zu kurz) , dass man mit verlängern der Kanzellen einen deutlichen Zuwachs an Schalleistung erhält. Das ist dann der Effekt des klasssichen Winkelbasses, Umlenkstimmstocks oder der verlängerten Kanzelle bei MIII Instrumenten. Hier gilt ganz klar: Verlängerte Kanzelle ist der einfachste Weg zu einer besseren Leistung der Stimmplatte - funktioniert zuverlässig und einfach! Das heißt nun aber nicht, dass man auf anderem Weg nicht auch kräftige Bässe erzeugen kann, nur muss man sich halt mehr Mühe geben!

Dass sich die Tonhöhe mit ändern der Kanzellenlänge verändert, konnt ich bislang nicht beobachten - hab aber bislang auch noch nicht genau darauf geachtet. Was sich aber ändert, wenn man die Kanzellenlänge deutlich ändert, ist der Phonant des Tons. Also ob der Ton eher wie ein "a" , ein "o" oder " ein "i" klingt.

Also wie gesagt, es lohnt sich, dass man sich auch Gedanken über die Funktion seines Instruments macht, auch wenn man nicht selber dran rumbasteln mag. Dann kennt man mal mindestens die groben Zusammenhänge und lässt sich nicht mehr so einfach "ein X für ein U vormachen" und erkennt schneller, ob der sogenannte Fachmann ein wirklicher Fachmann oder ein Plazebo ist!:gruebel:

Gruß, maxito
 
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Ein kleinerer Zusatz meinerseits: Meine Versuche mit der Stimmplatte und deren Verhalten in vor-und nachgeschalteten Räumen sind beendet. Auf alle offenen Fragen habe ich die Antworten gefunden. Die Probleme, die Max auch in meinem Sinne richtig aufgezeigt hat , sind durch nicht all zu große Änderungen in gewissen Grenzen zu verbessern. Da ich aber mittlerweile weiß, was eine Stimmplatte kann,wenn man sie lässt, ist das meine derzeitige Aufgabe hierfür eine bessere Lösung zu entwickeln. Ist im Versuchsbau.

Ps. Danke Stoager für deinen netten Gruß . Italien Castelfidardo wartet schon auf mich. Vielleicht gibt es einen Zwischenstop in deinem schönen Tal.

Gruss
Balg (Manfred)
 
Hallo,

dass das, was sich bei Akkordeons als normaler BauStandard über die Jahrzehnte herausgebildet hat, in vielen Bereichen ein Kompromiss ist, sehen wir hier anhand der Kanzellen.

Gerade in Bezug auf die Kanzellengröße sind wir bautechnisch von einem wie auch immer gearteten Optimum entfernt.
Es wird wohl so sein, dass die Länge der wirksamen Kanzelle dem geradzahligen Bruchteil bzw. vielfachen der schwingenden Luftsäule antsprechen sollte. Dies ist aus bautechnischen gründen bei Akkordeon nicht realisierbar.

Wir haben hier:
https://www.musiker-board.de/chromatische-akkordeons-akk/299570-fuer-akkordeons.html
ja schon mal diese Exoten behandelt, bei denen das diskantteil unverhältnismäßig groß ist, was wohl auf vergrößerte Kanzellen zurückzuführen ist.

Ich finde, dass trotz aller Kompromisse, die bei einem handhabbaren instrument gemacht werden müssen, klasse Instrumente produziert werden, auf denen es sich herrlich musizieren lässt.
Wichtig ist dabei, dass das Instrument in sich stimmig ist - das wurde weiter oben ja schon besprochen - Was nutzt es, genial brilliante Picolos zu haben, die dass aber nicht zum Gesamtklang passen.

Wenn man die russichen Spezialkisten anschaut, die dann mit diesem MiniBalg auskommen, frage ich mich, ob die dann auch wesentlich leichter spielbar sind, ist dies nicht der Fall bin ich mit der großen Luftpumpe zwischen diskant und Bass zufrieden, denn damit lässt sich gut agieren.

Vielleicht machen die KlangUnterschiede in verschiedenen Lagen eines Instruments ja auch den besonderen Reiz aus.
Ich erinnere an die Hohner Morino M-Serie, bei denen die 'schwarzen' Töne ganz ander klingen als die 'weissen', was darauf zurückzuführen sind dass die einen ganz tief im Cassoto sitzten, die anderen jedoch ganz obenauf, fals außerhalb des Cassotos. Der Klang dieses Instrument wird bis zum heutigen Tag hochgelobt.

Ich denke, dass das hier diskutierte Wissen bei den Herstellern wohl auch bekannt war und/oder ist, ich erinnere mich da immer wieder gerne an die Reparaturkurse bei Wolf Linde bei Hohner, der uns da seinerzeit einiges mitgegeben hat.

großen Dank hier an maxito, der das alles hier beschreibt und öffentlich zugänglich macht.
beste Grüße
MoriGol
 
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Haarspaltereien...

Die Sache mit dem Zungenspalt.

Es wird ja immer wieder viel diskutiert über die verschiedenen Qualitätsstufen und worin die sich unterscheiden. Eines dieser Merkmale ist, wie exakt die Stimmzunge im Plattenspalt eingepasst ist und justiert wurde. Also wieviel Platz die Zunge noch seitlich aufweist zum Rand des Zungenspalts in der Stimmplatte.

Ganz grundsätzlich gilt:

  • Ist der Spalt enger dann strömt weniger Luft daran vorbei . Die Stimmplatte hat weniger Luftverbrauch bei sonst gleichen Werten und arbeitet somit effizienter. Davon hat auch der Spieler was, denn er braucht weniger Luft und hat somit weniger Balgwechsel.
  • Aber ein enger Spalt ist schwieriger zu justieren, damit die Zunge nirngends streift und der Spalt gleichmäßig ist. Davon hat man als Spieler nichts - man merkt es aber trotzdem. Denn der Mehraufwand zum Justieren kostet Arbeitszeit ud damit letzenendes Geld.
  • Und den Spalt kann man nicht beliebig klein machen.
  • Zum einen weil der Plattengrundkörper aus Aluminium ist und die Zunge aus Stahl . Das bewirkt, dass sich bei Temperaturänderungen die beiden Teile unterschiedlich stark ausdehnen .. und insbesondere bei niedrigerer Temperatur auch zusammenziehen! Macht man den Spalt zu klein, kann es passieren, dass die Zunge schon zu streifen anfängt, wenn die Temperatuer nur wenig unter Raumtemperatur fällt.
  • Zum anderen, weil irgendwo die mechanischen und manuellen Fähigkeiten an Grenzen stoßen. Irgendwo wird die Sache zu fein, um noch vernünftig handhabbar zu sein.

Derzeit sind die Spalte der besten Stimmplattenqualität ca. 0,02 bis 0,03 mm (pro Seite). Die einfacheren Qualitäten haben dann schon auch mal Spaltmaße von 0,06 bis 0,07 mm. Das hört sich nach sehr wenig an - ist es auch, aber die Unterschiede machen sich hier schon drastisch bemerkbar, denn der Luftdurchsatz steigt nicht linear, sondern potentiell mit dem Spalt.

Im Vergleich dazu, um sich ein Bild zu machen, über welche Größenördnung wir sprechen: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 0,03 bis 0,06 mm.


Wie das im Vergleich zueinander aussieht kann man auf dem Bild sehen:

Richtig betrachten kann man nur jeweils die obenliegende (rechte) Zunge. Bei den unteren täuschen die Spalte (aufnahmebedingt.) Die Stimmplatten sind übrigens alle auf den gleichen Ton gestimmt!

Zungenspalte.jpg



Von rechts nach links:

ganz rechts : Stimmplatte einfache Qualität
2. von rechts: Stimmplatte mittlere Qualität
2. von Links: Handarbeitsklasse 1 Stimmplatte (beste Qualität)
ganz links: Hnadarbeitsklasse 1 Stimmplatte (beste Qualität)

  • Die Spaltmaße sind selbst bei genauerem hinschauen teilweise nur schwer unterscheidbar. Gut erkennbar ist aber der Unterschied zwischen der HA1 Stimmplatte ganz links und der einfachen Qualität ganz rechts. Zudem kann man erkennen, dass die einfache Stimmplatte nicht ganz mittig eingerichtet wurde - was den Luftverbrauch zusätzlich in die Höhe treibt und die Ansprache der Zunge verschlechtert.
  • Und man kann erkennen, dass die beiden HA1 Stimmplatten auch Toleranzen haben. Bei der 2. Platte von links kann man ein Fühlerband von 0,02 mm Stärke noch gut durch ziehen. Bei der Platte ganz links geht das schon nicht mehr - das 0,02 mm starke Fühlerband klemmt hier bereits. Bei der Stimmplatte ganz rechts kann man ein Fühlerband mit 0,05 mm sehr locker durchziehen.
  • Außerdem kann man erkennen, dass die besseren Stimmplatten eine größere und breitere Zunge aufweisen.
Der engere Spalt und die größere und breitere Zunge bewirken in der Summe ein feinfühligeres Ansprechen und nach oben hin auch größere Dynamikreserven. Sprich. die besseren Zungen können tendentiell besser ansprechen und man kann lauter spielen. Oder bei gleicher Lautstärke wird die Zunge nicht so beansprucht, weil se weniger stark ausschlagen muss um die gleiche Luftmenge durch zusetzen - was für eine lange Lebensdauer gut ist!

Damit nun die einfacheren Zungen im leisen Bereich auch einigermaßen brauchbar werden, macht man einen Trick: man macht die Zungen stärker konisch. Damit braucht die Zunge zwar auch nicht weniger Druck zum anschwingen - aber es wird durch die schmälere Zunge nicht soviel Luft in Bewegung gesetzt, was der Zuhörer dann als leiser wahrnimmt. Und weil s halt immer noch n Tick zu laut klingen kann wenn die Zunge anschwingt - deshalb macht man die Zunge auch noch kürzer. Alles in allem jedoch wird die Leistungsfähigkeit der einfacheren Stimmplatte dadurch in der Summe schon spürbar schlechter.

man sieht - es gibt nicht einfach einen Punkt an dem man dreht, sondern es sind viele Einflüsse, die in der Summe eine gute (sehr gute) oder eine einfache Stimmplatte ergeben.

....Aber! ....

Weiter oben haben wir doch klar und deutlich gelesen, dass der Lösabstand - also die Zungenaufbiegung für das Ansprechverhalten der Stimmplatte verantwortlich ist!

das ist auch richtig!

Jedoch ist die Zungenaufbiegung sowas wie die Zündung beim Motor - mit der richtigen Zungenaufbiegug kann man beeinflussen, wie leicht sich der Motor zünden lässt. Also wie leicht man die Zunge zum anlaufen bringt. - Aber wie leichtläufig die insgesamt ist und welche Kraft die entfalten kann und welchen Dynamikbereich man mit der abdecken kann, das hängt von deren Geometrie ab. Und hier auch wesentlich vom Zungenspalt.

Soweit erstmal von Haarpaltereien.

Und weiterhin viel Spaß beim Musik machen!

maxito
 
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