
Lucilius
Registrierter Benutzer
Cover: http://ec1.images-amazon.com/images/P/B000G8OYZS.01._SS500_SCLZZZZZZZ_.jpg
Deutsche Grammophon (Universal)
Tracklist:
1. Walsingham
2. Can She Excuse My Wrongs?
3. "Ryght honorable: as I have bin most bounde unto your honor..."
4. Flow My Tears
5. Have You Seen The Bright Lily Grow
6. "...then in time passing on Mr. Johnson died..."
7. The Most High and Mighty Christianus The Fourth, King of Denmark, His Galliard
8. The Lowest Trees Have Tops
9. "...and accordinge as I desired ther cam a letter..."
10. Fine Knacks For Ladies
11. "...from thence I went to the Landgrave of Hessen..."
12. Fantasy
13. Come, Heavy Sleep
14. Forlorn Hope Fancy
15. "...and from thence I had great desire to see Italy..."
16. Come Again
17. Wilt Tou Unkind Thus Reave Me
18. "...after my departure I caled to mynde our conference..."
19. Weep You No More, Sad Fountains
20. My Lord Willoughby's Welcome Home
21. Clear Or Cloudy
22. "...men say that the Kinge of Spain is making gret preparation..."
23. In Darkness Let Me Dwell
Gesamtspielzeit 48'41
___________________________________________________________________
Diese Rezension besteht aus drei Teilen:
I. Infos über das Album
II. Kritik
III. Konzertbericht
____________________________________________________________________
I.
Was zum Henker bringt einen mit sämtlichen Gliedmaßen tief im Pop-Rock-Geschäft verwurzelten Menschen wie Sting dazu, ein Album mit klassischer Musik zu veröffentlichen? Und dann auch noch ein Album mit Liedern eines vermeintlich tief melancholisch-depressiven, Renaissance- (!) Songwriters wie John Dowland, der noch dazu außerhalb von England eher unbekannt ist?
Diese Frage kann ich dem geneigten Leser dieses Artikels nicht beantworten; trotzdem bietet sie sich ja als Einstieg in eine Rezension des Albums "Songs From The Labyrinth" an, nicht wahr?
Trotzdem - einige Erklärungsansätze möchte ich doch liefern.
Die Verbindung Sting - John Dowland ist gar nicht so neu, wie man vielleicht glauben mag. Schon 1982 trat nach einem Konzert der Schauspieler John Bird an Sting heran und fragte ihn, ob er den barocken Songwriter John Dowland kennte - Sting gab zu, außer dem Namen nichts über Dowland zu wissen. Nachdem er sich ein wenig über Dowland und seine Lieder informiert hatte, ließ Sting die Sache jedoch auf sich beruhen - und stelle sich genau die obige Frage: Was hat das bloß alles mit mir zu tun?
Etwas mehr als zehn Jahre später allerdings wurde Sting wieder auf Dowland gestoßen, diesmal von seiner Bekannten Katia Labèque, die ihm vorschlug, doch ein paar Dowland-Songs zu singen.
Und dies tat Sting - zusammen mit Labèque lernte er zunächst "Come, heavy sleep", "Fine knacks for ladies" und "Can she excuse my wrongs". Einer gewissen Faszination konnte sich Sting damals schon nicht erwehren, doch trotzdem widmete er sich weiter seiner Karriere als Popmusiker.
Es war Stings Gitarrist Dominic Miller, der Dowland wieder ins Bewusstsein zurückbrachte: Er schenkte Sting eine Laute - mit einem Labyrinth-Muster über dem Schallloch.
Sting begann, das Lautespielen zu lernen - noch ohne Gedanken an Dowland.
Miller machte Sting ebenfalls mit dem Lautenisten Edin Karamazov bekannt - backstage vor einem Konzert in Frankfurt. Karamazov spielte den beiden, die kurz danach ein Rockkonzert spielen wollten, etwas auf dem Renaissance- Saiteninstrument vor. Im Gespräch fiel der Name Dowland... Karamazov überzeugte Sting mit dem Versprechen, er werde etwas daraus lernen, einige Dowland-Songs zu singen.
Karamazov besuchte Sting in England. Und das Resultat der sich daraus ergebenden Zusammenarbeit ist dieses Album.
Dominic Miller ist die tragische Figur in dieser Geschichte; vielleicht auch die Shapespeare-typische Figur des Narren. Schließlich ist er es gewesen, der Sting nun tatsächlich zu Karamazov und damit zu Dowland geführt hat - nun ist er erst einmal für einige Zeit arbeitslos gewesen, immerhin hat das Dowland-Projekt doch eine ziemlich lange Zeit gedauert.
Auf seiner Homepage stellt Dominic Miller die bittere Frage, wie sich Stings Karriere wohl verändert hätte, hätte er ihm einst anstatt einer Laute eine Mundtrommel geschenkt…
John Dowland wurde 1563 bei Dublin geboren und starb 1626 bei London. Somit war er Zeitgenosse von Shakespeare und Königin Elisabeth I. Sein ganzes Streben galt dem Erlangen seines Traumberufes: Dowland wollte königlicher Hoflautenist werden. Dieses Ziel war zum greifen nahe, als 1594 der Hoflautenist John Johnson starb - Dowland bewarb sich um dessen Nachfolge, wurde jedoch nicht erhört. Frustriert begab er sich auf eine Auslandsreise, die ihn unter anderem nach Hessen und Italien führte.
Nachdem er mehrere Jahre am Hof des dänischen Königs gearbeitet hatte, kehrte er nach England zurück und wurde 1612 schließlich doch noch königlicher Hoflautenist.
Als Dowlands berühmtestes Lied gilt "In darkness let me dwell".
Sting bedient sich einiger Zitate aus Briefen John Dowlands, die als Leitfaden dienen. Dies sind jeweils nur einige wenige Sätze, die die Person John Dowland hinter den teilweise melancholischen, teilweise auch derben Liedern durchschimmern lassen. Untermalt werden die Zitate von dezenten Hintergrundgeräuschen oder leisem Lautenspiel.
Neben den Briefen und den Stücken für Stimme und Laute finden sich auf dem Album mit "Walsingham", "The Battle Galliard", "Fantasy", "Forlorn Hope Fancy", und "My Lord Willoughby's Welcome Home" auch fünf instrumentale Stücke, bei denen Sting teilweise auch selbst zur Laute greift.
II.
Lassen Sie mich mit der Tür ins Haus fallen: Ich finde, "Songs From The Labyrinth" ist ein gelungenes Album. Natürlich gibt's hier und da ein paar Dinge, die vielleicht nicht unbedingt verbesserungswürdig, aber in ihrer jetzigen Gestaltung fragwürdig sind - dazu später. Insgesamt gesehen kann ich dieses Album ruhigen Gewissens empfehlen - unter gewissen Bedingungen.
Beim Kauf dieses Albums sollte man sich vor Augen halten, was man nun erwirbt - nämlich eine Platte mit Liedern eines Renaissance- Lautenisten und nur in zweiter Linie ein Sting-Album. Sting hat sich bei der Bearbeitung und dem Arrangieren der Lieder recht streng an die Dowland-Vorgaben gehalten.
Er besuchte zur Vorbereitung auf die Aufnahmen die Schola Cantorum in Basel und verschaffte sich so einen neuen Zugang zum Singen. Zumindest hat er es versucht.
Ich bin beileibe kein Klassik-Experte, genauer gesagt ist dies mein zweites Klassik-Album (und das erste, das ich mehr als einmal gehört habe). Ich nehme an, dass ich damit genau in die Zielgruppe falle…
Was ich aber sagen kann: Sting singt gut. Für diejenigen, die ihn nur von alten Police-Scheiben kennen ("Roooooxanne… " *krächz*): Vergesst alles, was ihr über Sting wisst! Der Mann hat irgendwann in den 90ern tatsächlich auch eine Gesangsausbildung gemacht, was man inzwischen auch wirklich hört. Besonders auf dieser Scheibe.
Natürlich ist er von den Fähigkeiten eines Countertenors oder sonst irgendeines klassisch ausgebildeten Wesens, das normalerweise die Dowland-Songs singt, meilenweit entfernt. Trotzdem: Dowland selbst war kein ausgebildeter Sänger und seine Lieder bekanntermaßen keine Ausgeburten musikalischer Genialität. Wie mag es wohl geklungen haben, damals, als Dowland selbst seine Lieder gesungen hat, sich selbst auf der Laute begleitend? Wohl eher so wie Sting heute (der glücklicherweise meistens davon absieht, sich selbst auf der Laute zu begleiten) als wie die wohlgesetzten, wohlbetonten, wohlarrangierten Wohlklänge aus dem Munde eines durch eine jahrelange Ausbildung gegangenen Tenors.
Natürlich dominiert auf dieser Platte besonders eines: Stings Stimme. Wenn man die auf den Tod nicht ausstehen kann, dann sollte man von diesem Album flugs die Finger lassen. Aber: In meiner näheren Umgebung gibt es mehrere Personen, die mit dem Solo-Sting nichts anfangen können, dieses Album aber wirklich toll finden. Klassik-Fans, natürlich.
Sting hat eine eigene Art zu singen, die er aber für diese Platte weitestgehend abgelegt hat. Er versucht sich ehrlich an einer etwas klassischeren Art des Singens, zieht Töne teilweise erbarmungslos lang. Leider ist und bleibt Vibrato für Sting ein Fremdwort - ein einziges, kleines habe ich gefunden. Im letzten Song.
So gibt es doch einige Stellen, an denen ich mir eine dezentere Umsetzung des Gesangs gewünscht hätte.
Ganz besonders in den Stücken, die Dowland für vier Stimmen (und eine Laute) geschrieben hat, zum Beispiel "Can she excuse my wrongs". Auf der CD werden alle vier Stimmen von Sting selbst gesungen, was anfangs äußerst befremdlich klingt. Beim zweiten Stück hat man sich allerdings daran gewöhnt, und beim zweiten Hören der CD habe ich es dann sogar akzeptiert. Trotzdem: Der achtköpfige Chor, mit dem Sting auf der Tour zu diesem Album gearbeitet hat (Konzertbericht siehe unten), hätte diese Parts auf dem Album meiner Meinung nach übernehmen müssen. Zumal der wirklich gut ist. Der Chor.
Dennoch ist "Can she excuse my wrongs" mein Lieblingslied auf dieser CD und ich habe mich selbst schon beim Nachsingen ertappt...
"Songs From The Labyrinth" ist ein Album, das man in Gänze hören muss - ich finde, es ist schwierig, sich einzelne Lieder rauszupicken wie bei einem Pop-Rock-Jazz-etc.-Album, wo ich nach einer Weile meist nur noch meine Lieblingslieder höre. "Songs From The Labyrinth" ist mehr eine Art Hörspiel, eine Art Zeitreise in das frühe 17. Jahrhundert. Der Hörspiel-Charakter wird auch durch die Zitate aus Dowland-Briefen betont, die Sting vorliest.
Komischerweise wird es sogar mir als Nicht-Klassiker, der ich eigentlich eine spezielle Abneigung gegen alte Musik empfinde, niemals langweilig. Und das liegt beileibe nicht nur daran, dass es eben Sting ist, der da singt. Ich finde, dieses Album transportiert eine Menge an Emotionen, und weil das so subjektiv und bei jedem anders ist, lassen Sie mich noch hinterherschieben: Wenn schon nicht Emotionen, dann wenigstens Stimmung.
Ein perfektes Album zum Abends mal gemütlich mit `nem Weinchen hinsetzen und lauschen. Niemals aufdringlich, aber auch nie beiläufig oder gar langweilig.
Und nach dieser Dreiviertelstunde Klassik kann man dann auch gut wieder Techno hören. Und merkt auf einmal, wie stimmungsarm dieses Gewummere ist…
III.
Die Idee, mit einem Lautenalbum auf Tour zu gehen, ist für einen Popstar noch einen Tick bescheuerter als die Idee, ein solches Album überhaupt aufzunehmen. Aber wer A sagt, muss auch B sagen, und so fand sich Sting von Oktober 2006 bis März 2007 auf Promotiontour und dann auf Konzerttour für ein Renaissance- Lautenalbum wieder.
Natürlich wurde nur in Europa und da besonders in Deutschland gespielt - es wäre zu zeitaufreibend gewesen, einem amerikanischen Publikum zu erklären, worum es sich bei einer Laute überhaupt handelt, denn obwohl es wie eine Waffe zur Verteidigung des Vaterlandes aussieht, ist es doch ein filigranes Instrument, das eine Menge Fingerspitzengefühl erfordert…
Am 28. Februar 2007 fanden sich Sting und Edin Karamazov in Begleitung des achtköpfigen Chores Stile Antico in der Hamburger Laeiszhalle ein, die natürlich ausverkauft war.
Man begann pünktlich um 20.30 Uhr und hatte sich sogar eine Vorgruppe geladen: Edin Karamazov füllte für etwa 20 Minuten den Saal ganz allein mit virtuosen Lautenklängen. Er sorgte dabei durch sein etwas eigenartiges Verhalten für verhaltene Lacher im Publikum: Ganz Künstler, warf er seine Mähne von links nach rechts, schaukelte mit dem Oberkörper hin und her und kroch gelegentlich nahezu komplett in seine übergroße Laute hinein. Ein echter Virtuose.
Er spielte für das geneigte deutsche Publikum eine Lautenversion eines Bach-Stückes, das sogar ich erkannt habe, das demzufolge also nicht sonderlich unbekannt sein kann.
Nach 20 Minuten erschien Sting auf der Bühne und erntete erwartungsgemäß Applaus, ohne überhaupt etwas geleistet zu haben, was er mir ironischem Lächeln quittierte. Sting informierte das Publikum ein wenig über seine bescheidenen Deutschkenntnisse (großer Applaus) und über das Leben von John Dowland.
Was nun folgte, war tatsächlich den unverschämt hohen Ticketpreis wert: Sting und Karamazov spielten das gesamte Dowland-Album, das auch ein Lied des Lautenspielers Robert Johnson (sic!) enthält; die Reihenfolge der Lieder wurde leicht verändert, da der Chor nicht für alle Lieder benötigt wurde - er erschien erst nach etwa einer Viertelstunde und verschwand nach einer Handvoll Liedern wieder durch die übergroße Tür in den Backstage-Bereich.
Bei einigen instrumentalen Stücken griff Sting auch selbst zur Laute. Zitat Sting nach einem Lautenduett mit Karamazov: "Sie haben hoffentlich gemerkt, dass ich den schwierigen Teil gespielt habe".
Die Atmosphäre in der Laeiszhalle war wirklich sehr schön: Eine fast schon sakrale Innenausstattung und die angenehm zurückhaltende Lichtregie waren die bestmögliche Begleitung für die Lautenklänge, die von Stings Stimme eindrucksvoll untermalt wurden. Karamazov rückte im Konzert meiner Meinung nach jedoch ein wenig zu sehr in den Hintergrund, und auch der Chor war ein wenig leise, nahezu unverstärkt. Das hätte nicht sein müssen, da standen sooooo schöne Großmembran-Kondensatormikrofone auf der Bühne herum
.
Trotzdem: Ein wirklich unvergesslicher Abend.
Nach dem etwa 75-minütigen Set (incl. Vorgruppe) kam der erwartete frenetische Applaus und holte Sting und Karamazov zur erwarteten Zugabe auf die Bühne zurück: "Fields Of Gold". Das Publikum war nun der Ekstase nahe. Die nächste Zugabe leitete Sting mit den Worten ein: "Another Song by Robert Johnson". Es folgte eine Version von "Hellhound On My Trail" für Stimme und zwei Lauten. Nachdem das Publikum den Gag verstanden hatte (dauerte ein wenig), wurde auch herzhaft gelacht - zumindest so herzhaft, wie es sich ein deutsches Publikum in einem klassischen Konzertsaal zutraut.
Es war noch eine Zugabe vonnöten; dies war das wohlbekannte "Message In A Bottle" in einer etwas eigentümlichen Lautenversion - das Publikum war mittlerweile zum Mitsingen übergegangen. Der Chor kam für die finalen "sending out an SOS"-Gesänge noch mal auf die Bühne zurück und befand sich erkennbar nicht in seinem Element.
Nun verlangte das Publikum noch eine Zugabe - "Roxanne"-Rufe wurden laut, woraufhin Karamazov erkennen ließ, er könne dieses Lied tatsächlich spielen, jedoch von Sting ausgebremst wurde, der - inzwischen stehend - noch einmal "Come again" intonierte und daraufhin die Bühne endlich verlassen durfte.
Deutsche Grammophon (Universal)
Tracklist:
1. Walsingham
2. Can She Excuse My Wrongs?
3. "Ryght honorable: as I have bin most bounde unto your honor..."
4. Flow My Tears
5. Have You Seen The Bright Lily Grow
6. "...then in time passing on Mr. Johnson died..."
7. The Most High and Mighty Christianus The Fourth, King of Denmark, His Galliard
8. The Lowest Trees Have Tops
9. "...and accordinge as I desired ther cam a letter..."
10. Fine Knacks For Ladies
11. "...from thence I went to the Landgrave of Hessen..."
12. Fantasy
13. Come, Heavy Sleep
14. Forlorn Hope Fancy
15. "...and from thence I had great desire to see Italy..."
16. Come Again
17. Wilt Tou Unkind Thus Reave Me
18. "...after my departure I caled to mynde our conference..."
19. Weep You No More, Sad Fountains
20. My Lord Willoughby's Welcome Home
21. Clear Or Cloudy
22. "...men say that the Kinge of Spain is making gret preparation..."
23. In Darkness Let Me Dwell
Gesamtspielzeit 48'41
___________________________________________________________________
Diese Rezension besteht aus drei Teilen:
I. Infos über das Album
II. Kritik
III. Konzertbericht
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I.
Was zum Henker bringt einen mit sämtlichen Gliedmaßen tief im Pop-Rock-Geschäft verwurzelten Menschen wie Sting dazu, ein Album mit klassischer Musik zu veröffentlichen? Und dann auch noch ein Album mit Liedern eines vermeintlich tief melancholisch-depressiven, Renaissance- (!) Songwriters wie John Dowland, der noch dazu außerhalb von England eher unbekannt ist?
Diese Frage kann ich dem geneigten Leser dieses Artikels nicht beantworten; trotzdem bietet sie sich ja als Einstieg in eine Rezension des Albums "Songs From The Labyrinth" an, nicht wahr?
Trotzdem - einige Erklärungsansätze möchte ich doch liefern.
Die Verbindung Sting - John Dowland ist gar nicht so neu, wie man vielleicht glauben mag. Schon 1982 trat nach einem Konzert der Schauspieler John Bird an Sting heran und fragte ihn, ob er den barocken Songwriter John Dowland kennte - Sting gab zu, außer dem Namen nichts über Dowland zu wissen. Nachdem er sich ein wenig über Dowland und seine Lieder informiert hatte, ließ Sting die Sache jedoch auf sich beruhen - und stelle sich genau die obige Frage: Was hat das bloß alles mit mir zu tun?
Etwas mehr als zehn Jahre später allerdings wurde Sting wieder auf Dowland gestoßen, diesmal von seiner Bekannten Katia Labèque, die ihm vorschlug, doch ein paar Dowland-Songs zu singen.
Und dies tat Sting - zusammen mit Labèque lernte er zunächst "Come, heavy sleep", "Fine knacks for ladies" und "Can she excuse my wrongs". Einer gewissen Faszination konnte sich Sting damals schon nicht erwehren, doch trotzdem widmete er sich weiter seiner Karriere als Popmusiker.
Es war Stings Gitarrist Dominic Miller, der Dowland wieder ins Bewusstsein zurückbrachte: Er schenkte Sting eine Laute - mit einem Labyrinth-Muster über dem Schallloch.
Sting begann, das Lautespielen zu lernen - noch ohne Gedanken an Dowland.
Miller machte Sting ebenfalls mit dem Lautenisten Edin Karamazov bekannt - backstage vor einem Konzert in Frankfurt. Karamazov spielte den beiden, die kurz danach ein Rockkonzert spielen wollten, etwas auf dem Renaissance- Saiteninstrument vor. Im Gespräch fiel der Name Dowland... Karamazov überzeugte Sting mit dem Versprechen, er werde etwas daraus lernen, einige Dowland-Songs zu singen.
Karamazov besuchte Sting in England. Und das Resultat der sich daraus ergebenden Zusammenarbeit ist dieses Album.
Dominic Miller ist die tragische Figur in dieser Geschichte; vielleicht auch die Shapespeare-typische Figur des Narren. Schließlich ist er es gewesen, der Sting nun tatsächlich zu Karamazov und damit zu Dowland geführt hat - nun ist er erst einmal für einige Zeit arbeitslos gewesen, immerhin hat das Dowland-Projekt doch eine ziemlich lange Zeit gedauert.
Auf seiner Homepage stellt Dominic Miller die bittere Frage, wie sich Stings Karriere wohl verändert hätte, hätte er ihm einst anstatt einer Laute eine Mundtrommel geschenkt…
John Dowland wurde 1563 bei Dublin geboren und starb 1626 bei London. Somit war er Zeitgenosse von Shakespeare und Königin Elisabeth I. Sein ganzes Streben galt dem Erlangen seines Traumberufes: Dowland wollte königlicher Hoflautenist werden. Dieses Ziel war zum greifen nahe, als 1594 der Hoflautenist John Johnson starb - Dowland bewarb sich um dessen Nachfolge, wurde jedoch nicht erhört. Frustriert begab er sich auf eine Auslandsreise, die ihn unter anderem nach Hessen und Italien führte.
Nachdem er mehrere Jahre am Hof des dänischen Königs gearbeitet hatte, kehrte er nach England zurück und wurde 1612 schließlich doch noch königlicher Hoflautenist.
Als Dowlands berühmtestes Lied gilt "In darkness let me dwell".
Sting bedient sich einiger Zitate aus Briefen John Dowlands, die als Leitfaden dienen. Dies sind jeweils nur einige wenige Sätze, die die Person John Dowland hinter den teilweise melancholischen, teilweise auch derben Liedern durchschimmern lassen. Untermalt werden die Zitate von dezenten Hintergrundgeräuschen oder leisem Lautenspiel.
Neben den Briefen und den Stücken für Stimme und Laute finden sich auf dem Album mit "Walsingham", "The Battle Galliard", "Fantasy", "Forlorn Hope Fancy", und "My Lord Willoughby's Welcome Home" auch fünf instrumentale Stücke, bei denen Sting teilweise auch selbst zur Laute greift.
II.
Lassen Sie mich mit der Tür ins Haus fallen: Ich finde, "Songs From The Labyrinth" ist ein gelungenes Album. Natürlich gibt's hier und da ein paar Dinge, die vielleicht nicht unbedingt verbesserungswürdig, aber in ihrer jetzigen Gestaltung fragwürdig sind - dazu später. Insgesamt gesehen kann ich dieses Album ruhigen Gewissens empfehlen - unter gewissen Bedingungen.
Beim Kauf dieses Albums sollte man sich vor Augen halten, was man nun erwirbt - nämlich eine Platte mit Liedern eines Renaissance- Lautenisten und nur in zweiter Linie ein Sting-Album. Sting hat sich bei der Bearbeitung und dem Arrangieren der Lieder recht streng an die Dowland-Vorgaben gehalten.
Er besuchte zur Vorbereitung auf die Aufnahmen die Schola Cantorum in Basel und verschaffte sich so einen neuen Zugang zum Singen. Zumindest hat er es versucht.
Ich bin beileibe kein Klassik-Experte, genauer gesagt ist dies mein zweites Klassik-Album (und das erste, das ich mehr als einmal gehört habe). Ich nehme an, dass ich damit genau in die Zielgruppe falle…
Was ich aber sagen kann: Sting singt gut. Für diejenigen, die ihn nur von alten Police-Scheiben kennen ("Roooooxanne… " *krächz*): Vergesst alles, was ihr über Sting wisst! Der Mann hat irgendwann in den 90ern tatsächlich auch eine Gesangsausbildung gemacht, was man inzwischen auch wirklich hört. Besonders auf dieser Scheibe.
Natürlich ist er von den Fähigkeiten eines Countertenors oder sonst irgendeines klassisch ausgebildeten Wesens, das normalerweise die Dowland-Songs singt, meilenweit entfernt. Trotzdem: Dowland selbst war kein ausgebildeter Sänger und seine Lieder bekanntermaßen keine Ausgeburten musikalischer Genialität. Wie mag es wohl geklungen haben, damals, als Dowland selbst seine Lieder gesungen hat, sich selbst auf der Laute begleitend? Wohl eher so wie Sting heute (der glücklicherweise meistens davon absieht, sich selbst auf der Laute zu begleiten) als wie die wohlgesetzten, wohlbetonten, wohlarrangierten Wohlklänge aus dem Munde eines durch eine jahrelange Ausbildung gegangenen Tenors.
Natürlich dominiert auf dieser Platte besonders eines: Stings Stimme. Wenn man die auf den Tod nicht ausstehen kann, dann sollte man von diesem Album flugs die Finger lassen. Aber: In meiner näheren Umgebung gibt es mehrere Personen, die mit dem Solo-Sting nichts anfangen können, dieses Album aber wirklich toll finden. Klassik-Fans, natürlich.
Sting hat eine eigene Art zu singen, die er aber für diese Platte weitestgehend abgelegt hat. Er versucht sich ehrlich an einer etwas klassischeren Art des Singens, zieht Töne teilweise erbarmungslos lang. Leider ist und bleibt Vibrato für Sting ein Fremdwort - ein einziges, kleines habe ich gefunden. Im letzten Song.
So gibt es doch einige Stellen, an denen ich mir eine dezentere Umsetzung des Gesangs gewünscht hätte.
Ganz besonders in den Stücken, die Dowland für vier Stimmen (und eine Laute) geschrieben hat, zum Beispiel "Can she excuse my wrongs". Auf der CD werden alle vier Stimmen von Sting selbst gesungen, was anfangs äußerst befremdlich klingt. Beim zweiten Stück hat man sich allerdings daran gewöhnt, und beim zweiten Hören der CD habe ich es dann sogar akzeptiert. Trotzdem: Der achtköpfige Chor, mit dem Sting auf der Tour zu diesem Album gearbeitet hat (Konzertbericht siehe unten), hätte diese Parts auf dem Album meiner Meinung nach übernehmen müssen. Zumal der wirklich gut ist. Der Chor.
Dennoch ist "Can she excuse my wrongs" mein Lieblingslied auf dieser CD und ich habe mich selbst schon beim Nachsingen ertappt...
"Songs From The Labyrinth" ist ein Album, das man in Gänze hören muss - ich finde, es ist schwierig, sich einzelne Lieder rauszupicken wie bei einem Pop-Rock-Jazz-etc.-Album, wo ich nach einer Weile meist nur noch meine Lieblingslieder höre. "Songs From The Labyrinth" ist mehr eine Art Hörspiel, eine Art Zeitreise in das frühe 17. Jahrhundert. Der Hörspiel-Charakter wird auch durch die Zitate aus Dowland-Briefen betont, die Sting vorliest.
Komischerweise wird es sogar mir als Nicht-Klassiker, der ich eigentlich eine spezielle Abneigung gegen alte Musik empfinde, niemals langweilig. Und das liegt beileibe nicht nur daran, dass es eben Sting ist, der da singt. Ich finde, dieses Album transportiert eine Menge an Emotionen, und weil das so subjektiv und bei jedem anders ist, lassen Sie mich noch hinterherschieben: Wenn schon nicht Emotionen, dann wenigstens Stimmung.
Ein perfektes Album zum Abends mal gemütlich mit `nem Weinchen hinsetzen und lauschen. Niemals aufdringlich, aber auch nie beiläufig oder gar langweilig.
Und nach dieser Dreiviertelstunde Klassik kann man dann auch gut wieder Techno hören. Und merkt auf einmal, wie stimmungsarm dieses Gewummere ist…
III.
Die Idee, mit einem Lautenalbum auf Tour zu gehen, ist für einen Popstar noch einen Tick bescheuerter als die Idee, ein solches Album überhaupt aufzunehmen. Aber wer A sagt, muss auch B sagen, und so fand sich Sting von Oktober 2006 bis März 2007 auf Promotiontour und dann auf Konzerttour für ein Renaissance- Lautenalbum wieder.
Natürlich wurde nur in Europa und da besonders in Deutschland gespielt - es wäre zu zeitaufreibend gewesen, einem amerikanischen Publikum zu erklären, worum es sich bei einer Laute überhaupt handelt, denn obwohl es wie eine Waffe zur Verteidigung des Vaterlandes aussieht, ist es doch ein filigranes Instrument, das eine Menge Fingerspitzengefühl erfordert…
Am 28. Februar 2007 fanden sich Sting und Edin Karamazov in Begleitung des achtköpfigen Chores Stile Antico in der Hamburger Laeiszhalle ein, die natürlich ausverkauft war.
Man begann pünktlich um 20.30 Uhr und hatte sich sogar eine Vorgruppe geladen: Edin Karamazov füllte für etwa 20 Minuten den Saal ganz allein mit virtuosen Lautenklängen. Er sorgte dabei durch sein etwas eigenartiges Verhalten für verhaltene Lacher im Publikum: Ganz Künstler, warf er seine Mähne von links nach rechts, schaukelte mit dem Oberkörper hin und her und kroch gelegentlich nahezu komplett in seine übergroße Laute hinein. Ein echter Virtuose.
Er spielte für das geneigte deutsche Publikum eine Lautenversion eines Bach-Stückes, das sogar ich erkannt habe, das demzufolge also nicht sonderlich unbekannt sein kann.
Nach 20 Minuten erschien Sting auf der Bühne und erntete erwartungsgemäß Applaus, ohne überhaupt etwas geleistet zu haben, was er mir ironischem Lächeln quittierte. Sting informierte das Publikum ein wenig über seine bescheidenen Deutschkenntnisse (großer Applaus) und über das Leben von John Dowland.
Was nun folgte, war tatsächlich den unverschämt hohen Ticketpreis wert: Sting und Karamazov spielten das gesamte Dowland-Album, das auch ein Lied des Lautenspielers Robert Johnson (sic!) enthält; die Reihenfolge der Lieder wurde leicht verändert, da der Chor nicht für alle Lieder benötigt wurde - er erschien erst nach etwa einer Viertelstunde und verschwand nach einer Handvoll Liedern wieder durch die übergroße Tür in den Backstage-Bereich.
Bei einigen instrumentalen Stücken griff Sting auch selbst zur Laute. Zitat Sting nach einem Lautenduett mit Karamazov: "Sie haben hoffentlich gemerkt, dass ich den schwierigen Teil gespielt habe".
Die Atmosphäre in der Laeiszhalle war wirklich sehr schön: Eine fast schon sakrale Innenausstattung und die angenehm zurückhaltende Lichtregie waren die bestmögliche Begleitung für die Lautenklänge, die von Stings Stimme eindrucksvoll untermalt wurden. Karamazov rückte im Konzert meiner Meinung nach jedoch ein wenig zu sehr in den Hintergrund, und auch der Chor war ein wenig leise, nahezu unverstärkt. Das hätte nicht sein müssen, da standen sooooo schöne Großmembran-Kondensatormikrofone auf der Bühne herum

Trotzdem: Ein wirklich unvergesslicher Abend.
Nach dem etwa 75-minütigen Set (incl. Vorgruppe) kam der erwartete frenetische Applaus und holte Sting und Karamazov zur erwarteten Zugabe auf die Bühne zurück: "Fields Of Gold". Das Publikum war nun der Ekstase nahe. Die nächste Zugabe leitete Sting mit den Worten ein: "Another Song by Robert Johnson". Es folgte eine Version von "Hellhound On My Trail" für Stimme und zwei Lauten. Nachdem das Publikum den Gag verstanden hatte (dauerte ein wenig), wurde auch herzhaft gelacht - zumindest so herzhaft, wie es sich ein deutsches Publikum in einem klassischen Konzertsaal zutraut.
Es war noch eine Zugabe vonnöten; dies war das wohlbekannte "Message In A Bottle" in einer etwas eigentümlichen Lautenversion - das Publikum war mittlerweile zum Mitsingen übergegangen. Der Chor kam für die finalen "sending out an SOS"-Gesänge noch mal auf die Bühne zurück und befand sich erkennbar nicht in seinem Element.
Nun verlangte das Publikum noch eine Zugabe - "Roxanne"-Rufe wurden laut, woraufhin Karamazov erkennen ließ, er könne dieses Lied tatsächlich spielen, jedoch von Sting ausgebremst wurde, der - inzwischen stehend - noch einmal "Come again" intonierte und daraufhin die Bühne endlich verlassen durfte.
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