Melodisch Moll - modern und klassisch

ginod
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Ich muss zugeben trotz des Herrn Hauenschilds, habe ich das mit dem melodisch moll noch nicht so verstanden.

Zuerst sagt er, dass die melodische Moll Tonleiter nur aufwärts so gebaut ist und abwärts wieder wie eine äeolische Tonleiter ??

Danach meint er aber, dass wir in der modernen Harmonielehre, melodisch moll aufwärts wie abwärts gleich behandeln. o_O . Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand das nochmal genau erklären könnte. Kann ich jetzt die melodische Moll Tonleiter einfach aufwärts und abwärts gleich behandeln. Aber was würde das in der PRaxis für einen Sinn ergeben, bei Abwärts läufen sie anders zu behandeln, fände die gleiche Behandlung Aufwärts wie Abwärts eigentlich nur sinnvoll?
 
Eigenschaft
 
Das liegt daran, daß aus historischen Gründen die melodische Tonleiter als eine mit Leittönen ausgestattete natürliche Molltonleiter verstanden wurde. Die zwei gegenüber der natürlichen Moll-Tonleiter abweichenden Töne sind als Leittöne anzusehen, die für die Harmonisierung mit der Dominante notwendig sind. In manchen älteren Musikstücken kann man eine solche Änderung der Tonleiter sehen, doch in der Praxis hat schon Bach mit dieser Regel gebrochen...

Heute wird Melodisch Moll in allen Harmonielehreschulen als eigenständige Tonleiter angesehen und auch so gespielt.
 
Nach der Akkord-/Skalen-Theorie werden von Melodisch-Moll auch viele Jazz-Typische Modi und deren Akkorde abgeleitet:

1. Stufe => Melodisch Moll
2. Stufe => Phrygisch 6 (mit großer Sexte)
3. Stufe => Lydisch #5
4. Stufe => Mixolxdisch #11 (oder#4)
5 .Stufe => Mixolydisch b13
6. Stufe => Lokrisch 9 (mit großer None)
7. Stufe => alterierte Dominant-Skala (oder Superlokrisch oder Lokrischb4 - also mit verminderter Quarte)

Die Modi der 4. und 7. Stufe kommen wohl am häufigsten vor - insbesondere auch im "verjazzten" Blues.
 
Danach meint er aber, dass wir in der modernen Harmonielehre, melodisch moll aufwärts wie abwärts gleich behandeln. o_O . Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand das nochmal genau erklären könnte.

Ganz einfach: Jazz (Rock und Pop...) haben ihre Basis aus Akkorden, die aus Tonleitern gebildet sind. Eine Tonleiter, die auf- und abwärts unterschiedliche Töne benutzt, ergibt jedoch unterschiedlich Akkorde. Damit kann man zwar feste Melodien komponieren - nicht aber improvisieren (was im Jazz, Fusion etc. dazugehört). Denn woher soll die Akkord gebende Band wissen, wann der improvisiernde Musiker im nächsten Moment hoch oder runter spielt? Das gäbe ein heilloses Chaos.

Deshalb: Hoch und runter identisch - und die Bezeichnung "JAzz-Moll" für die von der Klassik abweichende Struktur.
 
Denn woher soll die Akkord gebende Band wissen, wann der improvisiernde Musiker im nächsten Moment hoch oder runter spielt? Das gäbe ein heilloses Chaos.

Wahrscheinlich sollte die Band dieses Wissen aus der selben Quelle beziehen aus der der Solist sein Wissen darüber bezieht wann die Band welche Akkorde spielt.
 
Danach meint er aber, dass wir in der modernen Harmonielehre, melodisch moll aufwärts wie abwärts gleich behandeln.

Wenn dieser Herr das wirklich sagt, dass man das melodische Moll aufwärts und abwärts gleich behandeln soll, dann soll er doch bitte auch gleich einen neuen Namen für diese Tonleiter und deren harmonisierung mitliefern, z.B. die haudenschildsche Kadenz nimmt haudenschildsches Moll. Ich kann mir aber nicht Vorstellen das sowas ein Lehrbuchautor auch wirklich gesagt hat - eigentlich schade für ihn, weil es dann halt kein haudenschildsches Moll geben wird.

Das melodische Moll kann man in hunderten von Kompositionen beobachten, spielen oder analysieren, das harmonisiert sowohl als auch melodisch, also Gesang ohne Begleitung. Ausserdem steht in jeden "Unterweisung im Tonsatz" Buch jede erdenkliche Begründung und Konsequenz, und schön geordnet mit Beispielen, wieso Musiker und Komponisten die melodische Variante des Moll anwenden, ich muss das hier wohl nicht alles abtippen, oder
 
Haunschild hat eine Jazz-Harmonielehre (Akkord-Skalen-Theorie) geschrieben. Hier werden die Tonleitern als Akkordskalen eingesetzt. MM wird deshalb nur für die Tonleiter mit den Intervallen von melodisch Moll aufwärts gebraucht.

Über Melodiebildung, Improvisation o.Ä. schreibt Haunschild nichts in dem Buch, falls du darauf anspielst...

Gruß
 
Also schlägt Haunschild vor, dass das melodisch Moll aufsteigend die Tonleiter ist für einen steigenden und fallenden Melodieverlauf?
 
Hans 3 hat es schon richtig beschrieben.
Es würde keinen Sinn machen, wenn in einer Jazz-Combo die begleitenden Musiker beispielsweise einen XmMaj7 spielen und der Solist Melodisch Moll Abwärts, also quasi Aeolisch spielt.
 
Also schlägt Haunschild vor, dass das melodisch Moll aufsteigend die Tonleiter ist für einen steigenden und fallenden Melodieverlauf?

Das ist ja keine persönliche Erfindung von Herrn Hauenschild. ;)
 
Hans 3 hat es schon richtig beschrieben.
Es würde keinen Sinn machen, wenn in einer Jazz-Combo die begleitenden Musiker beispielsweise einen XmMaj7 spielen und der Solist Melodisch Moll Abwärts, also quasi Aeolisch spielt.

Limitiere dich nicht mit Theorien. Wenn es Solisten gibt die ganze Chromatiken über jeden Akkordtypus spielen, dann sehe kein Problem darin Äolisch über I-maj7 oder Im6 zu spielen - auch MMA über VIm7 oder bII7#11 einen sinnvollen Kontext zu geben sollte kein Problem darstellen.
 
@Hagenwil

Ich glaube, ich weiß was Du meinst. Ich verstehe die Skala in erster Linie als Tonvorrat für das harmonische Grundgerüst.
Beim Einsatz von Chromatik bei melodischer Improvisation verstehe ich Skalenfremde Töne erstmal als Vorhalts- oder Durchgangs- (oder was auch immer) Noten.
Ganz Outside spielen ist dann noch eine andere Baustelle. Da kann ich (noch) nicht wirklich mitreden.;)
 
Ganz Outside spielen ist dann noch eine andere Baustelle.

Ja und nein. Outside kann nur als Outside wahrgenommen werden, wenn ein Inside vorhanden (im Ohr etabliert) ist. Von daher ist es dieselbe Baustelle.
 
Eventuell ein bisschen off topic...

Die Jazz Harmonielehren welche in Buchform auf dem Markt sind, sowohl die grundlegenden Curricula der Jazz Musikhochschulen beschreiben einen Jazz der so eigentlich nicht mehr gespielt wird, zumindest nicht von den wichtigen Artisten der letzten dreissig Jahre, ich denke da zum Beispiel an Dewey Redman, Michael Brecker, aber auch an Sonny Rollins und Joe Henderson in den sechziger Jahren. Das wäre mal abzukären inwieweit die bekannten Harmonielehrbücher gehen, geschichtlich gesehen. Auf mich machen die einschlägigen Bücher den Eindruck das sie in etwa bis 1964 gehen mit dem Stoff den sie präsentieren.

Ich habe zuerst an einem Konservatorium in Europa studiert, und 1981 am MIT (Musician Institute of Technology) in Kalifornien abgeschlossen. Dort ist der Lehrplan immer auf dem neuesten Stand, und geht bis in die Gegenwart. Artisten wie die genannten, sowohl als auch Musiker aus Rock, Pop und Studiomusiker sind regelmässig Gastdozenten. Es kann dann schon mal sein das du mit Eddie van Halen oder einem bekannten Countrymusiker in einem Workshop sitzt als Student.

Solo transkriptionen:
http://www.michaelbreckerliverecordings.com/transcriptions.html



--
 
Die Jazz Harmonielehren welche in Buchform auf dem Markt sind, sowohl die grundlegenden Curricula der Jazz Musikhochschulen beschreiben einen Jazz der so eigentlich nicht mehr gespielt wird, zumindest nicht von den wichtigen Artisten der letzten dreissig Jahre, ich denke da zum Beispiel an Dewey Redman, Michael Brecker, aber auch an Sonny Rollins und Joe Henderson in den sechziger Jahren. ... Auf mich machen die einschlägigen Bücher den Eindruck das sie in etwa bis 1964 gehen mit dem Stoff den sie präsentieren.

Das trifft aber nicht zu auf Mark Levine, Jazz theory Book und Jazz Piano book (beide auch auf Deutsch erhältlich); seine Bücher sind in den englischsprachigen Ländern sehr verbreitet und behandeln auch modernere Sachen (übrigens auch ausführlich die melodische Mollskala!), auch viel Latin Jazz. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass in diesem Forum die Theorie sehr stark (zu stark?) auf Sikora und Haunschild fokussiert ist.
 
Ohne Zweifel ist Frank Sikoras Neue Jazz-Harmonielehre eine grosse geistige Leistung. Ich hab das Buch vor vier Wochen gelesen. Für den deutschen Sprachraum ist es das neue Standardwerk was den Jazz betrifft.

Ich sehe es als Folgewerk, und eventuell als Ablösung der zwei Bände von Axel Jungbluth, Jazzharmonielehre - Funktionsharmonik und Modalität, und Band zwei Harmonisation - Anleitung zum Harmonisieren.

Ich empfinde es als selbstverständlich, das Franks Buch Auswirkungen hat auf das Veständniss des Lernenden, und sich in deren Äusserungen niederschlägt.


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Ich habe zuerst an einem Konservatorium in Europa studiert, und 1981 am MIT (Musician Institute of Technology) in Kalifornien abgeschlossen. Dort ist der Lehrplan immer auf dem neuesten Stand, und geht bis in die Gegenwart. Artisten wie die genannten, sowohl als auch Musiker aus Rock, Pop und Studiomusiker sind regelmässig Gastdozenten. Es kann dann schon mal sein das du mit Eddie van Halen oder einem bekannten Countrymusiker in einem Workshop sitzt als Student.

Solo transkriptionen:
http://www.michaelbreckerliverecordings.com/transcriptions.html



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Danke für den Link, Hagenwil. Ogerman ist einer meiner Lieblingskomponisten.

Ich studierte damals mit Jungbluth. Natürlich machten wir auch die Basics. Aber sein Unterricht, wie auch seine Bücher, war der damaligen Zeit angepasst und befasste sich mit der dementsprechenden Materie.
 
Weiss du wann Axel gestorben ist?
 
Weiss du wann Axel gestorben ist?

Der ist schon tot? OLLA!

Zu Haunschild noch etwas: Die meisten haben hier nur Band I gelesen.
Zur Sache kommt er erst in Band II, und dann richtig. Er ist meiner Meinung nach noch besser als Sikora - allerdings nicht als Lehrer, und er ist schon gar nicht ein Musikphilosoph. Haunschilds Theorie ist auch nicht so ohne Weiteres für einen Anfänger vermittelbar, weil das Wissen erst aus der Praxis klar wird. Die braucht man vorher, sonst hilft einem das Buch nicht. Für denjenigen, der das Wissen schon hat, ist seine Systematik wirklich supterinteressant.

Hagenwil, wenn du Sikora gut findest, dann wirst du Haunschilds Band II lieben...

Zudem wirst du erstaunt sein, wer das Lektorat dafür gemacht hat...
 
Hagenwil, wenn du Sikora gut findest, dann wirst du Haunschilds Band II lieben...

Zudem wirst du erstaunt sein, wer das Lektorat dafür gemacht hat...


Jean-Philippe Rameau, oder Anton Bruckner?

Wohl kaum Igor Strawinski, oder Gustav Mahler, die zwei wären harmonisch gesehen dann schon zu weitvorgeschrittene Komponisten für die Behandlung aller Arten Dominanten. Also wenn das Vorwort von Anton Webern, oder Alban Berg stammt, oder sogar von Karl-Heinz, dann leih ich mir das Buch mal aus, und wenn das Vorwort von Pierre Henry oder Kelterborn ist, kauf ich es mir vielleicht sogar. Nach dem Inhaltsverzeichniss zu urteilen kann da nichts stehen was nicht schon in einem Harmonielehrbuch aus dem Jahre 1722 stand.

Jean-PhilippeRameau.jpg


Ich würde mir vielleicht noch ein Harmoniebuch kaufen, wenn da mal was beschrieben würde was nicht schon von Johann David Heinichen, dem Erfinder der Quintenzirkels und genialer Musiker welcher die Musik von Venedig nach Leipzig brachte, theoretisiert wurde, oder wenn darin mal was beschrieben würde was nach 1850 komponiert wurde.

Also, sag schon, wer hat das Vorwort, oder das Lektorat gemacht!


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