Ich sehe das anders. Die letzten Jahre sind deutlich mehr Hersteller auf den Analog-Revival-Zug aufgesprungen, den Moog und DSI durch ihre Produkte, aber auch ihr Vermächtnis erst ermöglicht haben.
Arturia hat mit dem Minibrute (2012) und dem Microbrute (2013) zwei äußerst erschwingliche Analogsynths geliefert.
Novation hat 2013 mit der Bass Station 2 erstmals nach 20 Jahren wieder einen (bezahlbaren und äußerst gut klingenden) Analogsynth gebaut.
Roland sehe ich seit dem Management Buyout von 2014 ebenfalls auf einem guten Weg.
2015 kamen mit JD-Xi und JD-XA die ersten Roland-Synths mit analoger Klangerzeugung seit dem JX-10 (1986) auf den Markt. Beim JD-XA immerhin vierstimmig, da ist ein rein-analoger Poly-Roland ohne Digitalsektion und Drums nicht so abwegig. Und auch wenn die JD-X-Reihe an anderer Stelle ihre Schwächen hat, weiß die Klangerzeugung durchaus zu überzeugen.
Auch in diesem Jahr gab es mit der Neuauflage des System-500 und dem von Roland in den Vertrieb gebrachten Reon Driftbox R zwei reine Analogsynths zu bestaunen. Es würde mich nicht wundern, wenn da noch mehr kommt.
Korg war mit den Volcas lange Zeit im Niedrigpreis-Segment unterwegs. Ich würde es "Spielzeug" nennen und das nicht mit abwertender Absicht. Die kleinen Kisten machen Spaß, bieten etwas für ihren kleinen Preis und sind relativ handlich und unkompliziert, allerdings sind sie auch etwas fummelig zu bedienen, nur bedingt speicherbar und damit leicht unprofessionell. Die Volcas sind damit etwas außer Konkurrenz, wenn es um Synths geht.
Aber mit dem dieses Jahr erschienenen Minilogue hat Korg den Markt wieder neu aufgemischt. Das war einer der ersten analogen Polysynths seit langem, der nicht von DSI kam. Zudem ist er mit 550-600€ für vier Stimmen ziemlich günstig. "Nur" vier Stimmen, klickende Hüllkurven und eine etwas schmalere Tastatur trüben den Eindruck etwas, aber alles in allem ist das dennoch ein sehr ordentlicher Polysynth, der in vielen Shops erst seit ein paar Wochen verfügbar ist. Vor einiger Zeit wurde dem Gerät noch eine rosige Zukunft vorhergesagt, auch wenn das von dem DM12 inzwischen etwas überschattet wird. Eine verbesserte, achtfach polyphone Version mit größerer Tastatur ("Maxilogue") zu einem Preis um die 1000€ wäre bei einem Erfolg nicht unwahrscheinlich gewesen.
Der Markt für ≤4fach polyphone Analog-Synths bis 1000€ so wie 6-8-fach polyphone Analogsynths bis 1800€ ist im Augenblick recht leer. Das war der Grund, warum in den letzten Monaten Minilogue und Parva auf den Markt kamen und auch ordentlich Aufmerksamkeit auf sich zogen. Letzterer sogar als Crowdfunding-Projekt, was bei einem Preis von immerhin um die 1000$ für die 8-fach polyphone Variante ein deutliches Signal gesendet hat, dass da eine Nachfrage und Zahlungsbereitschaft besteht, die die Industrie ungenutzt lässt.
Aber wenn eine Firma demnächst versucht, mit einem AnaPoly-Synth Fuß zu faßen, wird sie in Konkurrenz zum DM12 stehen, der eine Menge Leistung, einen bisher recht überzeugenden Klang und vor allem einen nur durch Behringers Skaleneffekte ermöglichten Kampfpreis besitzt. Bei einem Preis von 1500€ hätte man darunter noch etwas Platz gehabt, sich zu positionieren. Die angekündigten 999€ dürften jedoch schwer zu unterbieten sein, ohne an Klang oder Verarbeitung zu sparen. Selbst ein ansonsten anständiger, aber reduzierter Polysynth für 750€ dürfte es schwer haben, wenn bei der Kaufentscheidung abgewägt wird, ob man nicht doch ein bisschen was drauflegt und dafür den DM12 nimmt.
Das könnte für viele Firmen durchaus ein Aspekt sein, der sie eher davon abbringt, einen polyphonen Analog-Synth zu entwickeln, produzieren und dann mit dem DM12 in den Ring zu schicken. Und das fände ich dann schon recht schade, gerade weil der Trend der letzten Jahre eindeutig zum Analog-Synth ging und Polyphonie der nächste Schritt zur Diversifizierung wäre.
Man sollte auch nicht vergessen, dass der 2000 erschienene Alesis Andromeda A6 aus heutiger Sicht eigentlich alles bietet, was man sich von einem analogen Poly-Synth wünscht. Und dennoch wurde er ein ziemlich spektakulärer Flop, ein Jahr später war Alesis bankrott. Das war sicherlich auch einer der Gründe, warum viele Firmen in den letzten 15 Jahren darauf verzichteten, einen analogen Poly-Synth auf den Markt zu werfen. Davon musste sich die Synth-Branche erst einmal erholen. Dass die Erholung dann mit dem Erfolg des Prophet '08 eintrat, erscheint nur passend, wenn man bedenkt, dass es Dave Smith schon einmal gelang, polyphone Analogsynths zu etablieren.
Der DM12 erscheint natürlich nach wie vor wie ein überaus gelungener Synthesizer, über den sich Synthesizerfans freuen können. Wäre der DM12 vor 5-10 Jahren gekommen, gäbe es diese Diskussion auch nicht. Es gab ja kaum Alternativen und die meisten Hersteller waren mehr mit VA-Synths beschäftigt.
Aber so fürchte ich, dass er gerade zu einem Zeitpunkt kommt, an dem viele Hersteller nach längerem Warten und Beobachten ernsthaft mit dem Gedanken spielen, wieder auf polyphone Analogsynths zu setzen. Durch den sich androhenden Konkurrenzkampf könnten sie dabei eher entmutigt werden. Und das hätte neben den Errungenschaften des DM12 schon einen fahlen Beigeschmack.
Es kann natürlich auch anders kommen.
Vielleicht floppt der DM12, Behringer zieht sich wieder zurück und der Markt bleibt wieder den bisherigen Firmen überlassen. Aber daran glaube ich eher weniger.
Vielleicht können DM12 und andere Polysynths auch nebenher existieren. Bei Behringers anderen Produkten hat das ja trotz identischer Features und großem Preisunterschied durchaus funktioniert. Andererseits waren da Verarbeitung, Zuverlässigkeit und Qualitätskontrolle recht berüchtigt, nach solchen Problemen sieht es beim DM12 bisher eher nicht aus.
Bei Arturia und Novation halte ich es nebenbei für unangebracht, zu monieren, dass sie es in 3 oder 4 Jahren nicht geschafft haben, einen analogen Polysynth rauszubringen. Das sind vergleichsweise kleine Firmen, die nebenbei noch gänzlich andere Produkte entwickeln und in letzter Zeit zum ersten Mal (Arturia) bzw. zum ersten Mal seit 20 Jahren (Novation) einen analogen Synth rausgebracht haben. Direkt ein paar Jahre später ein Poly-Synth zumindest vom Kaliber des DSI Tetra rauszubringen halte ich nicht für unrealistisch, zumal sie sich das Knowhow zur Verwaltung der Polyphonie erst aneignen müssen.
Fun Fact:
- Behringer
hat es seit 39 Jahren nicht geschafft, wieder einen Synthesizer zu bauen. Aber jetzt auf einmal klappt's.