Das kann ich nachvollziehen. Dann würde ich doch aber diesen "rein melodischen" Tönen keinen Akkord zuordnen?
Denn wenn ich die 3 einem Akkord zuordne, dann klingt es für mich doch nach einem Wechsel vom dominantischen C7 auf einen subdominantischen Klang Bb56 / C und dann zurück zu C7.
Ein "Klangtest" wäre auf der 3 mal ein Bb im Bass zu spielen - das wäre der Akkord, den ich empfinde (im Satz geht es so natürlich wegen Parallelbewegung nicht).
Das kann ich theoretisch natürlich nicht so begründen wie Du ... Spricht da was dagegen ... oder andere Frage: Gibt es hier richtig oder falsch? Bzw. folgt irgendetwas aus den jeweiligen Ansichten?
Deine Frage bezieht sich auf Takt 15, also den Takt mit dem ´ominösen´ Akkord auf Zählzeit 2?
Die von mir als "rein melodische Durchgangstöne" bezeichneten Töne A und F finden sich dort auf Zählzeit "1-und", also dem zweiten Achtel auf der "1" (das "und" schreibe ich immer gerne mit "+"). In den Takten 3 und 7 finden sich diese Durchgangstöne auf "2+".
Man könnte ihn auch als Tonika in der Quartsextakkord-Stellung ansehen, also als Tonika F-Dur mit Quinte im Bass. Es gibt ihn aber auch als eine Form der Dominante, nämlich den "Vorhaltsquartsextakkord". Der kommt aber hier nicht infrage, denn der erscheint stets auf einer betonten Zählzeit, nie auf "+", und er schreitet immer in die Dominante weiter ("D64-53"). Ansonsten sind Quartsexakkorde in ihrer harmonischen Wirkung oft ziemlich schwach, auf einer komplett unbetonten Zeit wie hier, also auf "+", können sie im Grunde klanglich gar keine eigene Funktion generieren. Daher meine Betrachtung dieser Töne als "rein melodische Durchgangstöne".
Den anderen Teil deiner Frage verstehe ich nicht. Auf der 3 sehe ich weit und breit keinen Bb56/C. Oder meintest du die Zählzeit 2? Aber da ist die obere Struktur (über dem Basston C) für sich betrachtet ein Gm-Sextakkord, für mich liegt auch da kein Bb56 nahe.
Wenn du den Akkord subdominantisch hörst, kannst du ihn gerne analytisch so definieren, dann würde ich aber auch die Subdominantparallele mit C im Bass wählen mit dem Symbol "Sp/D", also die Subdominantparallele über dem Dominant-Grundton. [Ich schreibe ihn hier als Slash-Akkord, aber das ist eigentlich unüblich, üblich wäre, das D einfach unter Sp zu setzen - kann ich aber hier an der Tastatur so nicht eingeben.]
Die ganze Analysererei soll sowieso kein Selbstzweck sein, sondern wenn möglich, den Klangeindruck, den du hast in ein (möglichst logisches) System einordnen. Die Funktionstheorie kann dazu ein Werkzeug sein. Ein gutes, wenn ihr System passt, aber sie stößt durchaus schon bei Brahms gelegentlich an ihre Grenzen.
Daher finde ich es bei Stellen wie diesen einfach angemessener, von einer Art "harmonischem Feld" zu sprechen, als wenn man so will, "analytische Klimmzüge" für jeden Akkord zu machen. Zumal sich der fragliche Akkord sehr gut und wiederspruchslos in das "harmonische Feld Dominante" einordnen lässt als D79, auch wenn das E fehlt.
Nur wie das funktionstheoretisch dann lehrbuchmäßig beschrieben wird, weiß ich nicht.
Akkordsymbole zu mischen ist mitunter sogar zwingend nötig. Denke nur an die typischen "Orgelpunkt"-Schlüsse vieler Orgelwerke, wo über einem liegenden Basston im Pedal nach Herzenslust und mitunter ausschweifend kadenziert wird. Da ´beißen´ sich viele der Akkorde regelrecht mit dem Basston, und die obere Struktur lässt sich dann beim besten Willen nicht in eine Funktion fassen zusammen mit dem Basston. Z.B. ein G-Dur über dem Basston C reibt sich ziemlich heftig mit diesem.
Wenn der Pedalton z.B. der Tonikagrundton ist, schreibt man in einer oberen Zeile der Analysesymbole die Funktionen der kadenzierenden Akkordfolge, und an der Stelle, wo der Tonikagrundton einsetzt unter das erste Harmoniesymbol der Akkordfolge ein T und zieht dann von dort unter den Harmoniesymbolen eine waagrechte Linie solange der Pedalton erklingt.
(Wenn ich etwas mehr Zeit habe, suche ich mal nach einem Druck einer solchen Analyse und stelle ihn als Bild hier ein.)
Beim hier fraglichen Akkord beißt sich die obere Struktur aber in keiner Weise mit dem C im Bass. Im Gegenteil mischen sich die Töne zu dem von mir gehörten so herrlich leicht schwebenden Klang des D79. Eine kombinierte Schreibweise wie das oben beschriebene "Sp/D" erscheint
mir daher nicht nur überflüssig, sondern wie ich schon schrieb, in die Irre führend.
Aber, um auf eine weitere Frage von
@opa_albin einzugehen. "Richtig" oder "Falsch" ist mitunter nicht zu entscheiden, es ist eben mitnichten alles immer eindeutig. Was richtig oder falsch ist, liegt letztlich in den Ohren des Zuhörenden.