Ein schöner Chorsatz und eine durchaus spannende Frage.
Ergänzend zu den schon vorgetragenen Lösungen möchte ich noch einen anderen Blickwinkel vorstellen.
Der Chorsatz hat die Liedform AABA, der Takt 3 taucht daher in Takt 7 nochmal identisch auf (da der Text silbengleich ist, tatsächlich vollständig identisch), die fragliche korrespondierende Stelle in Takt 15 ist anders, aber ist sie auch im Hinblick auf die harmonische Analyse völlig anders zu bewerten?
Die Takte 3 und 7 sind sehr eindeutig der Dominante zuzuordnen mit D auf den Zählzeiten 1 und 2 (die Töne A und auf 2+ sind als melodische Durchgangstöne harmonisch nicht stark genug um eine eigene Funktion zu etablieren), und D7 auf Zählzeit 3, sowie D6 auf 3+ (D6 = Dominante mit Sexte aber ohne Quinte, eher selten, aber mit schöner zielstrebigen Wirkung hin zur T F-Dur auf der 1 im nächsten Takt).
Den fraglichen Akkord auf der 2 in Takt 15 als Sp mit C als Pedalton zu deuten führt in diesem Takt eine neue Funktion ein, was impliziert, dass es in diesem Takt eine vielfältigere harmonische Bewegung geben soll als in den Takten 3 und 7.
Mir will sich aber auch dieser Takt in seiner Klangprägung vollständig dominantisch ins Ohr ´drängen´. Dass die Dominante C-Dur auch hier prominent auf der schweren 1 auftritt assoziiert bei mir spontan den Klang der Takte 3 und 7, und dass das C als Pedalton über den ganzen Takt liegen bleibt tut sein übriges um diesen Eindruck zu verstärken. So betrachtet (bzw. gehört) wirkt der fragliche Akkord auf der 2 auf mich als Dominantseptnonenakkord (D79). Sicher fehlt hier die Terz E, ein Mangel, der üblicherweise einen Akkord sehr instabil und seine Zuordnung schwierig macht, ist die Terz doch der akkordbestimmende Ton schlechthin.
Aber dieser D79 ohne 3 ist für mich ausreichend etabliert, sowohl durch den vollständigen C-Dur Akkord auf der 1 des Taktes als auch durch die spontane Assoziation der Takte 3 und beim Eintritt dieses C-Dur-Akkords. Das E klingt sozusagen virtuell mit bzw. nach in diesem Kontext.
Es folgt, hier auf die ganze Zählzeit 3 ausgedehnt, wieder der D6 mit seiner schönen klanglich auflösenden, schlüssigen Fortschreitung zur T F-Dur im Schlusstakt.
So betrachtet wäre auch der Takt 15 in Gänze der Dominante zuzuordnen, wie schon die korrespondierenden Takte 3 und 7 (auch hier sind das F und A auf 1+ als rein melodische Durchgangstöne anzusehen). So höre und empfinde ich es auch.
Aber er ist eben keine stereotype Wiederholung des schon zweimal identisch gesungenen Taktes, sondern eine klangliche Auffächerung, eine Erweiterung, Variante, klanglich etwas weniger konkret, etwas mehr ´schwebend´. So sollte man es bei Brahms auch erwarten!
In Fällen wie diesen finde ich, dass eine Fokussierung auf einen Akkord analytisch in die Irre führen kann. Natürlich ist es das Prinzip der Funktionstheorie schlechthin, niemals einen einzelnen Akkord zu betrachten, sondern ihn immer analytisch vor allem auf sein direktes Umfeld zu beziehen. Hier würde ich das Umfeld aber unbedingt auf den ganzen Takt ausdehnen, wodurch dieser Akkord seine Gestalt als D79 schlüssig erhält (wie ich hoffentlich nachvollziehbar erläutern konnte).
Hier geht es sozusagen mehr um ein harmonisches Feld als um einzelne Akkorde.