Mal ganz von vorn angefangen:
Warum fragt jemand nach dem Sound eines anderen? In 99 Prozent der Fälle, wohl deshalb, weil er noch keinen Ton hat, der ihm gefällt. Ist ja auch logisch: die eigenen Ohren sind besser entwickelt als die Spielfähigkeit
E-Gitarristen sind da leider ganz arme Schweine. So einfach bestimmte Sachen auf der Gitarre fingermäßig zu erlernen sind, so verteufelt vielfältig ist die Klanggestaltung.
Der Reihe nach grob gesagt:
Stufe 1: Ein Klavier oder ein Keyboard klingt auch beim Anfänger immer so, wie das Instrument eben klingt. (OK, ist vereinfacht, aber prinzipiell so richtig)
Stufe 2: Aus einer Geige, einem Cello oder einer Trompete einen erträglichen Ton zu bekommen ist eine Sache von Spieltechnik und sich langsam entwickelndem Klanggefühl.
Stufe 3: Beim E-Gitarristen kommen elend viele Verstärkerarten, Lautsprechereigenschaften und nahezu endlose mögliche Kombinationen von Effekten, Einstellungen und Lautstärken dazu, um einen bestimmten Klang herzustellen. Das macht es ihm unendlich schwer und total verwirrend.
Jetzt ist es aber bei der überwiegenden Zahl der Fragen ("Wie bekomme ich den Sound von...") so, dass diese von Spielern gestellt werden, die Stufe 2 noch nicht entwickelt haben. Denn auch bei der E-Gitarre kommt der Ton nicht ohne Spieltechnik und Tongestaltung.
Je nach Vorbild wir dann nach dem "Slash" - oder X, Y Z Ton gefragt und dem entsprechenden Effektgerät oder Amp. In Wirklichkeit steht aber dahinter die (unausgesprochene) Frage : Wie erzeuge ich mit meinen Fingern einen geilen Ganztonbend auf Bund 15 mit geilem Vibrato. Antwort: Ganz einfach, indem man es spielen kann. Dazu braucht man nicht das Equipment des Vorbilds, sondern die Möglichkeit, es zu spielen.
Ob man das dann über den Verzerrer X oder Y passiert, ist total drittrangig. Man statte jemanden, der nach dem Carlos-Santana-Sound sucht, aber nicht ansatzweise dessen Timing und Approach kapiert, mit dessen Equipment aus. Er wird nicht wie CS klingen. Man gebe C.S. eine 100-EUR-Anlage und er wird darauf wie CS klingen (soundmäßig nicht perfekt, aber der musikalische Ansatz und die Saitenbehandlung wird 100% nach ihm klingen).
Kurzum: Soundvorbilder sind letztlich immer nur Spielvorbilder. Sie tun etwas, was man (noch) nicht kann. Deren Spielgeräte sind austauschbare Hilfsmittel. Einen Elfer haut man dem Torwart rein, wenn man weiß wie es geht. Da spielt der Hersteller des Balles und die Farbe des Trikots keine Rolle.