Der virtuell-analoge Einsteigersynth

  • Ersteller Martman
  • Erstellt am
Diesen Thread wiederzufinden, mit elf Jahren Abstand zu lesen und parallel dazu das Angebot heutzutage zu begutachten ist dermassen witzig und gleichzeitig verstörend... the times we live in.

Na, wie wärs, @Martman, mal n Update? Der ANALOGE Einsteigersynth? VA's gibts ja praktisch keine mehr in billig... (maximal noch Hybrids)...
Na ja, so oder so wird man tiefer in die Tasche greifen müssen.

Bei den Einsteiger-VAs konnte man sich ja ziemlich sicher sein, einen einigermaßenen Universalsynth an Land zu ziehen. Vielleicht mußte man bei Flächen oder fettem Unisono-Krams Abstriche machen, weil die Kiste nur vier Stimmen hatte (MicroKorg), aber ansonsten blasen die alten Einsteiger-VAs jeden bezahlbaren Echtanalogen aus 1 Wasser vong Features her.

Ich mein, ein Korg Monologue klingt geil, wenn man den Sound mag. Aber das tut eine Behringer TD-3 auch. Und sehr viel vielseitiger ist der Korg nicht. Der taugt in erster Linie als Ergänzung zu einem bestehenden Setup, quasi die Kirsche auf der Sahnehaube, wo man meinetwegen auch mal ein paar mehr Kirschen drauftun kann (deswegen auch die verschiedenen Farben, damit der Gearjunkie auch nicht vergißt, auf welchem Synth welches Patch ist).

Aber für den Anfang ist er zu eingeschränkt. Der erste Synth ist ja eine Zeitlang der einzige Synth, d. h. die Kiste muß erstmal alles können, was man braucht. Und Sparbrötchen kommen dann eben ums Zweimalkaufen nicht drumrum.

Damals™ haben die Leute ja MicroKorgs für 400 Piepen gekauft und verzweifelt nach dem Klaviersound gesucht, weil sie noch nie was von VA gehört hatten. Deswegen war eBay Kleinanzeigen ja rappelvoll mit kaum gebrauchten Körgchen. Heute laufen sie Gefahr, sich einen Monologue zu kaufen, um dann festzustellen, daß der weder fette Moog-Leads noch Oberheim-Gebrate noch Blade Runner noch abgedrehte Brostep-Wobbles kann. Davon, daß er nur monophon ist, was wohl auch wieder einige mit monaural verwechseln werden, mal ganz zu schweigen.

Das heißt, der Einsteiger, der sich seinen ersten Hardwaresynth kaufen will, darf sich schon mal von vornherein mit dem Gedanken anfreunden, mehr Geld hinzulegen als damals™ (oder eben die alte Kaufberatung zu lesen und gebraucht zu kaufen, Zipperlein sind dann im Preis mit drin).

Die Zeiten, wo man für 400 € einen Schonziemlichvielkönner (MicroKorg) oder gar für 250 € einen Fastalleskönner (Miniak) nach Hause trug, sind vorbei. Das heißt, es muß noch mehr aufs Preis-Leistungs-Verhältnis geachtet werden. Und vom Gedanken der EWS, wie sie der Miniak war, kann man sich auch verabschieden, weil die Analogen und im Grunde auch die Hybriden noch mehr Charakterköpfe sind und eben im Vergleich zu virtuell-analogen Volldigitalen auch eingeschränkter.

Eine Hürde ist ja schon, daß der erste Synth nicht gerade ein Monosynth sein sollte. Polysynths in klassischen Einsteigersegmenten gibt's aber nicht viele, und dann muß man mit Kompromissen leben.

Die Frage ist ja auch, wohin will man musikalisch? In die Zukunft, oder hat man immer noch mindestens ein Auge in die Vergangenheit gerichtet? Ein Einsteiger in die elektronische Musik ist normalerweise niemand, der meint, die Musik quasi komplett neu erfinden, also was ganz Eigenes ohne Fremdeinflüsse machen zu müssen. So jemand hat seine Vorbilder und will denen erstmal nacheifern. Dafür braucht er aber auch Gear, mit dem das geht. Und dann steht er da mit seinem Minilogue XD und kann das nicht (außer er will irgendwas Richtung EBM oder Düsseldorfer Schule machen bzw. oft genug selbst dann nicht).

Pauschale Kaufberatungen sind meines Erachtens heutzutage kaum mehr möglich. Den Synth Marke "Kauf den, und du wirst wunschlos glücklich sein und die nächsten anderthalb Jahre kein weiteres Gear mehr brauchen, egal, was du vorhast" gibt's höchstens noch gebraucht, aber nicht mehr neu zu vernünftigen Preisen.

Ganz weg ist VA ja nicht; die Auswahl ist kleiner, und die meisten Synths sind schon ewig auf dem Markt. Die Mininova gibt's noch, und die hat ja einigermaßene Morodertauglichkeit bewiesen, hat aber eben keinen Multimode, nur Minitasten und nicht unbedingt eine Bedienung, die zum Schrauben einlädt. Jay-Dixie hat seine eigenen Baustellen und auch Minitasten und ein wenig optimales Interface (wobei ein optimales Interface ja zum Preistreiben neigt). Der Cobalt8 ist nicht unumstritten (vielleicht sind einfach die Ansprüche gestiegen, man weiß es nicht), sonst würde der heute den Markt aufrollen. Der Modwave wär noch einen Blick wert, aber ich glaub bald, der erschlägt den Einsteiger regelrecht. Und die Körgchen sind die Körgchen sind die Körgchen.

Und vollanalog hat man es mit noch größeren Spezialisten zu tun. Am flexibelsten sind wohl die DeepMinds, aber die werden ja auch traditionell gern nach kurzer Zeit wieder abgestoßen... Der Minilogue XD kann noch weniger als ein MicroKorg, z. B. hat er kein Vierpolfilter. Da muß man schon genau den Synth mit genau dem Sound wollen. Der Poly D ist vier Minimoogs für den Fall, daß man vier Minimoogs will, aber für was anderes ist der nicht gut. Der MonoPoly ist ein Mono/Poly und auch wieder für Leute, die einen Mono/Poly wollen.

Selbst wenn man eine kleinere vierstellige Summe auszugeben bereit ist, landet man beim Prologue, der auch nur Prologue kann (das aber zumindest schon mal doppelt – aber auch wieder kein Vierpolfilter). Dann käme der JD-XA (der hier auch keinen guten Ruf hat).

Dann der REV2-8, der ist wirklich gut und flexibel und zugänglich. Eigentlich ein idealer Anfängersynth, den eigentlich nur die doof finden, die schon originale 70er-/Anfang-80er-Dickschiffe (oder den Prophet-6) unter den Händen gehabt haben. Wer da noch nicht so biased ist, kann mit dem Ding sehr lange sehr glücklich werden und, wenn's sein muß, sogar einigermaßen live performen. Aber da muß man schon bereit sein, einssechs für ein neues Exemplar als erstem Synth hinzulegen oder nach einem Gebrauchten zu suchen (mal ganz von nur acht Stimmen, also knapp 200 € pro Stimme, ohne dynamische Zuweisung im Multimode zu schweigen).

Wie gesagt: Man kann sich nicht mehr so leicht für unter einem Tausender vom großen T einen Synth ungesehen einfliegen lassen und sein Elysium finden.


Martman (der den Zeiten nachtrauert, in denen man mit Miniak und MPC1000 für recht kleines Geld noch richtig Alarm machen konnte)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben