Les Paulas Blondes

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Ben zen Berg
Ben zen Berg
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Vor ca. anderthalb Jahren wurde bei AliExpress der Köder ausgeworfen. Ein unbehandelter Body & Neck einer Single Cut Gitarre aus Mahagoni mit Ahorngriffbrett, schwarzen Block Inlays und Ahornkappe. Mir ist sofort das Wasser im Mund zusammen gelaufen. Da ich aber viele andere Projekte in der Pipeline hatte, habe ich dem Köder widerstehen können.
Aber irgendwie hat mir die unfertige blonde Paula dann doch ihren Fluch auferlegt, und ich habe seitdem immer nach ihren schon gefinishten Schwestern Ausschau gehalten.
Die wirklichen Albinos treten in freier Wildbahn aber nur sehr selten auf und haben ihren Ursprung meist im Japan der 70er Jahre. Die, die ich gefunden habe - Gibson mal außer Acht gelassen - hatten alle einen geschraubten Hals und waren von Ibanez, Asco oder Hondo. Wobei Asco und Hondo meines Wissens als Einsteiger-Gitarren vom selben Hersteller für den Export produziert wurden. Das gilt natürlich auch für Ibanez-Gitarren aus den 70ern. Mittlerweile haben die Preise für diese Vintage-Schätzchen auch die 500 € Hürde genommen. Alle haben mir aber zu viel Seventies-Ästhetik und mehr, was mir nicht gefällt. Schwarzes Binding am Body und Weißes am Hals. Eine Jack Plate wie vom Klempner nebenan, und und und. Um erlöst zu werden, muss ich wohl selber ran. Und so habe ich nach Parts für den Eigenbau gesucht.

Ich habe bei 'The Guitar Fabrik' einen kompletten Bausatz und - da ich nicht so auf Riegelahorn stehe - bei Amazon einen Body und einen Neck von Yinfente gefunden:

https://www.amazon.de/dp/B08224PMRL?ref=ppx_yo2ov_dt_b_fed_asin_title
https://www.amazon.de/dp/B07B8NGNXL?ref=ppx_yo2ov_dt_b_fed_asin_title

Auf den Produktfotos sieht der Body vom Bausatz besser aus und es wurden auch schon alle nötigen Löcher gebohrt. Dafür hat man bei den Einzelteilen mehr Optionen. Bausatz und Body wurden schon nach drei Tagen geliefert, der Hals soll gegen Ende Juni/Anfang Juli geliefert werden.

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Auf den ersten Blick sieht die Basis des Bausatzes ganz nett aus, auf den zweiten Blich aber gar nicht mehr! Über die Hardware will ich mich jetzt nicht groß auslassen - das ist ein Bausatz für gut 200 €. Das zahlt man normaler Weise schon alleine für solide Hardware. Und so wurde dann auch bei der Holzverarbeitung viel gespart.

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Der Body besteht aus fünf Teilen, bei denen teilweise die Leim-Fuge nicht vollständig gesäubert wurde. Ein weiter Durchgang an der Abrichthobelmaschine hätte den Korpus von den unschönen dunklen Fugen befreit. Die Fugen an der unteren Seite sind zudem auch an sehr ungünstigen Stellen: Bündig mit der Unterkante der Halstasche und im Endbereich der Taille. An dieser Stelle ist dann auch noch ein Stück der Fuge ausgerissen. Vermutlich wurde die Korpus-Kontur mit zu hoher Geschwindigkeit oder abgenutztem Fräser erledigt, jedenfalls wurde die Unterkante mit allen erdenklichen Radien und Fasen versehen, so als hätte jemand unter Zeitdruck die ganzen ausgefransten Stellen abgeschliffen.

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Die Kappe ist nicht aus Ahorn, sondern aus dem selben Holz wie der untere Teil des Körpers. Ob es Mahagoni ist? Es ist schon recht hell - da ich aber kein Tonholz-Jünger bin, stört es mich nicht. Einen größeren Kontrast zwischen Ahorn-Furnier und Korpus-Holz würde ich als störender empfinden. Das Furnier ist entweder so dünn, das eine dunkle Maserung des darunter liegenden Holzes durchschimmert, oder da wurde ein wenig Dreck weg gewischt.

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Das eigenwillige Maß des Halzfusses muss ich nicht verstehen. Umso unverständlicher ist dann aber, das bei dieser Bauhöhe auf das Angleichen der Winkel verzichtet wurde.

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Wenn der Hals dann passend zum Winkel in die Halstasche gedrückt wird, entsteht eine 3 mm breite Fuge an der Oberkante - und ja, das reduziert den Intonationstolerenzbereich.

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Der Hals hat auch unschöne Ansichten zu bieten - eine Bremsspur in der Maserung. Aufgrund der Schäftung wird dann auf der anderen Seite des Halses weiter gebremst. Na ja, ist halt Natur, nä. Bei dem Preis kannst'e nicht erwarten, das auch auf Schönheit geachtet wird.

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Am Trussrod-Zugang ist wohl irgendeine Flüssigkeit ins Holz eingedrungen. Grundsätzlich sind Hals und Bündchen gut abgerichtet. Bündchen und Inlays sind aber noch in einem üblen Zustand, da heißt es schleifen und polieren. Oh, wo ich gerade beim Schleifen bin: Die Ecke unterhalb der Haltasche ist wohl abgeplatzt, nachdem der 'Fasen'-Drescher sein Werk vollendet hatte.

Und dann hat Amazon die große Überraschung geliefert:

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Auf dem Produktfoto sieht man ein willkürlich angeordnetes Deckenfurnier, auf den gelieferten Body wurde es book matched aufgeleimt.

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Und auch der untere Teil des Korpus besteht nur aus zwei mittig aneinander gesetzten Teilen. Die Kante ist sauber mit einer einheitlichen kleinen Fase versehen.

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Man erkennt schon, dass die Oberfläche per Furnier aufgehübscht wurde, die Kappe drunter ist aber auch aus Ahorn. Die Halstasche hat Standardmaße, da passt auch ein Hals von einer Telecaster rein. Da die Bohrungen für die Bridge fehlen, kann man die auch passend für eine Fender-Mensur bohren. Einziges Manko ist ein kleiner Spalt zwischen Holz und Binding oberhalb der Halstasche. Das kann aber mit ein wenig Hartwachs gefüllt werden.
Alle Bohrungen haben noch Luft nach oben - oder vielmehr Holz nach außen und müssen noch entsprechend aufgebohrt werden.
Ich bin auf den Hals gespannt. Ist er dann so wie auf den Produktfotos abgebildet, ist es gut.

lesPaulasBlondes_11.jpg


Bis dahin habe ich einfach mal einen Strat-Replacement-Neck eingelegt. Den habe ich mal vor über zehn Jahren als Schnäppchen bei 'ner Order in Fernost mitbestellt. Bei dem sind aber die Block-Inlays so verhunzt, das ich diesen Hals nicht wirklich verwenden möchte.
 
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Was mir dabei auffällt:
Der Korpus ist für einen Schraubhals vorgesehen, der Hals den du separat bestellt hast, ist aber zum Einleimen.
Das würde so erstmal nicht zusammenpassen.
 
Nö, sieht schon nach 'nem Schraub-Hals aus

Screenshot_20250608-142011.png
 
Ich habe hier im Forum schon nachgefragt, welches Öl/Wachs wohl am besten geeignet ist (klick). Zum Testen habe ich mir geschliffenes Sägefurnier bestellt.

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Beim normalwüchsigen Ahorn passt es gut und ist auch als Muster für den Riegelahorn zu gebrauchen, beim Mahagoni passt es aber überhaupt nicht.

1749394189588.png


Den Winkel an der Stirnseite des Halses habe ich schon korrigiert.
 
Nö, sieht schon nach 'nem Schraub-Hals aus
Sorry, hast Recht. Hab mich verguckt

Mahagoni ist nicht ein bestimmter Baum, sondern eine ganze Gruppe, die von hellem Braun ähnlich Esche, über rötlich bis hin zu Kastanienbraun sehr unterschiedlich gefärbt sein kann
 
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Ja, schon. Ich hab' beim Schreiben mal wieder einen negativen Vibe durchklingen lassen, der nicht angebracht war. Der Bausatz kostet ja nur 211 €uro. Und vom Farbton passt es ja auch - nur habe ich jetzt leider kein passendes Muster.

Aber nochmal zurück zu den negativen Vibes:
Auch wenn heute die Holzarbeiten bei der Herstellung von Gitarren meist per CNC erledigt werden, ist das ja kein Garant dafür, das die Arbeiten auch gut durchgeführt werden,
Ist die verwendete CNC überhaubt für diese Aufgabe ausgelegt?
Passt der G-Code, mit dem die CNC gefüttert wird?
Oder das 3D-Modell ????

Letztens ist mir eine CNC4040 für etwas mehr als 250 €uro auf den Monitor gesprungen... Sowas kann sich doch fast jeder leisten.
Und so kann auch jemand, der überhaupt keine Ahnung von den Prozessen hat, plötzlich als Subunternehmer E-Gitarren-Bodies produzieren.
 
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Was diese Bausätze angeht, habe ich auch schon meine Erfahrung gemacht.
Die Verarbeitungsqualität war ähnlich wie bei deinem Bausatz.
Da war auch nur ein dünnes Riegelahornfurnier als Decke drauf und Fehlstellen im Korpusholz waren ausgeharzt, sodass nachher die Beize nicht richtig angenommen wurde. Aber es war damals als Einstieg zum Selbstbau gedacht um ein erstes Gefühl dafür zu bekommen. Der nächste Step war dann ein komplett selbstgebauter Korpus mit gekauftem Hals, wobei die Ausfräsungen im Korpus mithilfe von Schablonen gemacht wurden, die ich mir von dem Bausatzkorpus angefertigt hatte.

Aber ich gehe konform mit dir was die Farbgebung angeht. Auch ich mag es gerne möglichst naturnah
 
Naja, naturnah... Ich hab da so ein posttraumatisches Syndrom seit meiner Jugendzimmerausstattung in Fichte oder Kiefer... nie wieder 😁
Aber Ontopic: Schönes Projekt ist der Hals nun schon eingeleimt oder nur "gesteckt" zum Probieren?
 
Das ist ein Bolt on Neck, der wird nicht geleimt.
 
Mein erster Gedanke bei dem Body hier war:

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daraus eine Jeff Beck Oxblood Les Paul mit Wrap zu zimmern. So in etwa:

1749422790092.png

Warum hab ich die damals nur verkauft?

Bei dem anderen hast Du ja keine andere Wahl, als eine Bridge und ein STP zu installieren. Damit käme Abwechselung in den Laden. Und wenn das geht, würde ich den Neck "der Oxblood" verleimen wollen.

Vielliecht hab ich auch Deine Absichten bzw. Vorstellungen hier überlesen. Aber Vorschläge kann man ja immer äußern. Eventuell sagt Du ja "Das ises". :)
 
Nein, das wird hier nicht blutig! Wie der Titel schon sagt, entstehen hier die blonden Paulas.
Bausatz Paula ist eher pauschal unterwegs, Amazon Paula mehr individuell und spontan. Da kann die Entscheidung 'wie es weiter geht' erst fallen, wenn der zweite Hals da ist.
Pauschal ist aber auch gern mal daneben. Wenn die Löcher für die Hals Befestigung vorgebohrt werden, warum dann neben der Spur?

1749452510760.png


Da ist mir dann selber bohren doch tausendmal lieber.

1749452782861.png


Das Griffbrett habe ich gestern Abend mit 000er Stahlwolle bearbeitet. Das hat schon gereicht, um die Riefen aus den Inlays zu schleifen. Den Bündchen hat es auch gut getan, die waren in erster Linie nur verunreinigt.
 
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Das sieht gut aus.
Bei meinem Bausatz damals waren die Bünde top, aber im Griffbrett war in Längsrichtung ein Absatz von 0.2 mm, zum Glück erhaben. Da ich keine Querriefen riskieren wollte, habe ich mir eine Ziehklinge in Griffbrettradius angefertigt.

Ich würde den Hals und die Neckplate mit einer Zwinge passend fixieren und dann mit der Ständermaschine durch die Neckplate durchbohren. Anschließend die Bohrungen im Hals noch etwas erweitern und Einschraubmuttern ( z.B. https://www.ebay.de/itm/133334826843 ) montieren. Damit sitzt der Hals fester und ist jederzeit demontierbar ohne dass die Löcher ausfransen.
 
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Das sieht gut aus.

PXL_20250611_072808471.MP~2.jpg


Leider nicht. Die Inlay haben ausgeschwemmte Kanten. Vermutlich auch hier wieder bedingt durch nicht fachgerechter Fräsarbeit. Die Fasern an den Kanten sind ausgerissen. Und So haben die Inlays vor allem an den konkav geschwungenen Schrägen einen schmuddeligen, meist zackigen Hof. Damit muss ich wohl leben, mir fällt jedenfalls nichts ein, womit ich das beheben kann.
Ob ich den Hals mit Rampa-Muffen befestigen kann, muss ich testen. Das war eigentlich auch mein Plan, könnte aber aufgrund eines zu geringen Abstands zur Außenkante auch scheitern.
 
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Und So haben die Inlays vor allem an den konkav geschwungenen Schrägen einen schmuddeligen, meist zackigen Hof.

Ich sehe, was Du meinst. Könnte es sich dabei auch um Kleberreste handeln? Wenn ja, könnte man die nicht vorsichtig wegschleifen?
 
Ja, das ist der Kleber. Die Kanten sind ausgefranst und der Kleber ist natürlich in die Löcher der ausgerissenen Fasern gelaufen. Ich könnte das nur auskratzen. Dann würde eine Fuge entstehen, die ich wieder füllen müsste. Ob in Epoxi gebundener Ahorn-Abrieb dann aber weniger auffällig ist? Hört sich irgendwie nach Verschlimmbesserung an.
 
Hört sich irgendwie nach Verschlimmbesserung an.

Da stimme ich mit Dir überein.

Das einzige was mir spontan zur Verbesserung eingefallen ist, ist aus den unförmigen crown-inlays block-inlays zu machen.

Ob Du Dir das aber antun magst...???

*
 
Das ist natürlich nicht so schön, aber aus mehr als 1m Entfernung nicht zu sehen.
Ich schwanke zwischen so lassen und Block-Inlays, wobei letzteres ja auch später noch möglich ist
 
Bei dem Bausatz nehme ich dann doch lieber ein paar Meter Abstand, als dass ich zum Crown-to-Block-Inlay-Converter werde.

1749709471965.png


Der Nicht-Bausatz-Body ist ja schon mein Favorit. Da hoffe ich, dass der zweite Hals dann so wie auf den Produktbildern ausschaut - und natürlich auch gerade und bundrein ist. Leider ist das Argument, dass
die Holzarbeiten bei der Herstellung von Gitarren meist per CNC erledigt werden
ja nicht gleichbedeutend mit 'dann werden auch alle Maße stimmen'.
 
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Ich habe einen Entwurf für die Kopfplatte gemacht:

HeadstockDraft.jpg

Beim Freistellen der Kopfplatte auf dem Foto vom Original ist mir mal wieder aufgefallen, das meine Vorstellung nicht mit der Realität übereinstimmt. Dieser Hals wurde ganz bestimmt nicht auf einer CNC gefräst. Die Silhouette der Kopfplatte ist nur eine ungefähre Annäherung an das Ideal. Und die Bohrungen für die Mechaniken wurden wohl auch ohne Schablone gemacht. Oder die Schablone war so ausgelutscht, das +/- 0,75 mm als Toleranzbereich akzeptiert wurde.
 
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Manchmal frage ich mich ob die Bausätze aus Teilen zusammengestellt werden, die in der laufenden Fertigung ausgesondert wurden.
 

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