Analyse einsamer Melodie

Ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die ganze Stimmungsinterpretiererei bei Tonarten und Melodien vor allem gesellschaftliche Konvention und Gewöhnung ist ("Moll klingt traurig"). Ich selbst bin seit Metroid und Zelda auf dem NES mit diesen Melodien aufgewachsen und sie klingen für mich sehr wohl nach Geheimnis - aufgrund der Prägung und Erfahrung mit den Spielen. Wenn man diese nicht hat lässt man sich offensichtlich gerne zu Wertungen wie "belanglos" hinreißen. Da kann ich nur den Kopf schütteln, aber es ist ja leider meist so. Was man selbst mag ist beeindruckend und toll, was man nicht mag minderwertig und nicht der Beschäftigung damit wert... ;)
 
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Die Musik ist echt atonal?
Alternative Sichtweisen: das ist keine Musik, das sind einfach Töne:
“Musik ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Klängen bestehen, … Als Ausgangsmaterial dienen Töne, Klänge und Geräusche, sowie deren akustische Eigenschaften…” (wikipedia)
 
was man nicht mag minderwertig und nicht der Beschäftigung damit wert
Das hat so denke ich keiner gesagt

Ich selbst bin seit Metroid und Zelda auf dem NES mit diesen Melodien aufgewachsen und sie klingen für mich sehr wohl nach Geheimnis
Das ist eben der Kontext eines Stückes. Für dich verbinden sich damit Emotionen, die mit der Musik an sich gar nichts zu tun haben.

Die Moldau oder eine Mozartarie oder "Tell me why I dont Like mondays" hört man auch anders, wenn man weiß, worum es geht.
 
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Das hat so denke ich keiner gesagt
Die genaue Formulierung war "belanglos", das stimmt.
Das ist eben der Kontext eines Stückes. Für dich verbinden sich damit Emotionen, die mit der Musik an sich gar nichts zu tun haben.
Das ist ja genau das, was ich in meinem vorherigen Beitrag meinte, man muss erst mal genug Stücke in Moll gehört haben und dazu erzählt bekommen haben, dass das traurig ist, bevor man irgendwann Moll als traurig bezeichnen würde. Meine Kinder haben auf Nachfrage, als sie vier oder fünf waren das jedenfalls nicht so empfunden. Und ich zweifel mal an, dass jemand, der nicht Berlioz' Zuschreibungen gelesen hat, Fis-Dur als "glänzend" klingend bezeichnen würde (außer durch Zufall bei hinreichend vielen Probanden). Mittlerweile sind ganze Generationen von Videospielern damit geprägt worden, dass diese Melodien auf Geheimnisse hinweisen. Ich sage jetzt mal: das ist entweder gleichwertig zu den Zuschreibungen in der Musik, oder genauso sinnfrei.

Womit wir wieder beim Thema wären und die spannende Frage ist. Hätte eine beliebige Tonfolge an den Stellen mit Geheimnissen assoziiert werden können? Ich denke nein. Hier haben schon vor Jahren welche auf Reddit diskutiert, dass der Effekt daran liegt, dass die Bewegung abwärts auf einer verminderten Tonleiter und aufwärts auf Ganztönen den Effekt erzeugt. https://www.reddit.com/r/musictheor...ic_theory_behind_the_puzzle_solved_jingle_in/
 
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Hätte eine beliebige Tonfolge an den Stellen mit Geheimnissen assoziiert werden können? Ich denke nein
Da spielt sicher noch Instrument, Tempo, Interpretation (Lautstärke, Tonformung) mit rein - dann vielleicht schon.
Spielraum gibt es natürlich immer. Ich seh das genauso, dass eine Prägung (Erfahrung) natürlich die Empfindungen bestimmt.

Jemand aus einem anderen Kulturkreis kann das ganz anders empfinden, was für uns selbstverständlich ist.
 
die zweite Stimme liefert eine Konstanz, quasi wie ein Ostinato oder ein Riff. Das macht die erste Stimme nicht, diese liefert Melodik

Hallo Harald,
vielen Dank dir für deine ausführliche Analyse! Der Punkt mit dem Ostinato ist sehr interessant. Dieser erinnert mich nun tatsächlich ein wenig an Debussy oder Bartok.

In meinen Ohren sind die aufsteigenden Quarten ein Spannungszuwachs, die fallende Terz am Ende dagegen ein Spannungsabfall
Immerhin ist die Melodik offensichtlich dramaturgisch geplant.

Das ist für mich sehr interessant: Das heißt, dass auch für atonale Melodien dramaturgisch ähnliche Regeln gelten, wie für Tonale.
Als wir im Studium den Renaissance-Kontrapunkt durchgenommen haben, hat unser Dozent auch immer wieder davon gesprochen, dass Schönbergs atonale Musik ähnlichen melodisch-dramaturgischen Regeln unterliegen wie die Musik der Renaissance.

In der Tat werden ja auch in Musikstück 1 die ersten Sprünge b-f-a-des jeweils durch melodische Gegenbewegung ausgeglichen.

Aber noch einmal zu den Tönen, damit ich mir das besser vorstellen kann: Wie entscheidet denn nun der Komponist welche Töne bei atonalen Melodien er konkret verwendet?

Hätte eine beliebige Tonfolge an den Stellen mit Geheimnissen assoziiert werden können? Ich denke nein. Hier haben schon vor Jahren welche auf Reddit diskutiert, dass der Effekt daran liegt, dass die Bewegung abwärts auf einer verminderten Tonleiter und aufwärts auf Ganztönen den Effekt erzeugt. https://www.reddit.com/r/musictheor...ic_theory_behind_the_puzzle_solved_jingle_in/

Hallo Murenius, danke dir! Ich wusste nicht, dass es zu dem Zelda-Jingle bereits ein Thema auf Reddit gab.

Was ich hier ganz interessant finde: Tatsächlich haben wir hier eine phrygische Klausel auf Gis (fis/fisis -> gis). Demnach wäre der erste Akkord vermutlich ein übermäßiger Terzquartakkord.
 
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Es gibt doch angeblich in Beethovens Neunter eine Stelle mit einer 11-Ton-Reihe, wo also nur ein Ton zur Dodekaphonie fehlt. Hat jemand die konkreten Takte parat?
Meinst Du diese Stelle in Satz 1, Takt 116. ff?

1762783289326.png

Viele Grüße,
McCoy
 
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... und da hat nicht noch jemand ein cis in der Nähe gefunden? Vielleicht in einem transponierenden Instrument? ;)

Bill Evans fällt mir da noch ein ...
1762783809378.png
 
In 119 kommt ein cis in 4 Stimmen ... ;)

1762786763224.png
 
Das ist für mich sehr interessant: Das heißt, dass auch für atonale Melodien dramaturgisch ähnliche Regeln gelten, wie für Tonale.
Als wir im Studium den Renaissance-Kontrapunkt durchgenommen haben, hat unser Dozent auch immer wieder davon gesprochen, dass Schönbergs atonale Musik ähnlichen melodisch-dramaturgischen Regeln unterliegen wie die Musik der Renaissance.
Ich habe im Studium solche Analysen nicht mitbekommen oder nicht gemacht oder vergessen 🤷🏻‍♂️

Ich selbst beobachte aber bei aller akustischer Kunst, und besonders Musik, gewisse Grundkonstanten. Deren Ursprung vermute ich eher im anthropologischen Bereich: wenn wir Menschen mitbekommen, dass jemand anderes (oder „etwas“ anderes) Kraft aufwendet, sich emporhebt, aufsteht, sich verdichtet, reagieren wir. Die Reaktionen sind je nach (z.B. Situation, Beteiligten und sozialem Kontext) unterschiedlich, aber Empathie scheint kulturübergreifend ein wichtiger Faktor zu sein. Ansteigende Spannung reißt andere Menschen mit.

Und da wir ziemlich abstrakt denken können, lassen wir Menschen uns auch von geschickt ansteigenden Tonhöhen mitreißen - wenn sie denn organisch sind und so gebaut sind, dass ein nachvollziehbarer Wechsel von Anstieg und Abstieg aufeinander folgt. Das gilt für Martinshörner, Werbejingles, Kirchenchoräle, deutschen Schlager, aber auch viele nicht-westliche Musik.

Wir sprechen auf Melodien an, weil wir (hoffentlich, aber in der Regel schon) empathiefähig für dramaturgisch geschickt verteilte Tonhöhen und Rhythmen sind, Von daher ist es für mich kein Wunder, wenn sich das sowohl bei Renaissancemusik wie bei Schönberg äußert.

Aber noch einmal zu den Tönen, damit ich mir das besser vorstellen kann: Wie entscheidet denn nun der Komponist welche Töne bei atonalen Melodien er konkret verwendet?
Er vermeidet die Töne, die eine Tonalitätsbestimmung möglich machen!
 
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In 119 kommt ein cis in 4 Stimmen ... ;)
Ich weiss ja gar nicht, ob das die Stelle ist, die @Moin95 meint, aber ich habe beim Durchscannen in der Sinfonie keine andere Stelle gefunden, die passen könnte. :nix:

Viele Grüße,
McCoy
 
Ich würde auch nicht denken, dass Beethoven an sowas wie 12ton gedacht hat. Wenn Du ein Motiv im Ganztonabstand (Beethoven) oder Terzabstand wiederholst (Twelve Tone Tune) und dann ggf. noch ein paar Umspielungen, kann man leicht auf 10 oder 11 Töne kommen. Und wenn der Ludwig es gewollt hätte, hätte der den zwölften Ton auch noch untergebracht, das würde ich ihm zutrauen.

Ist eher unterhaltsam.

Von daher ist es für mich kein Wunder, wenn sich das sowohl bei Renaissancemusik wie bei Schönberg äußert.
Im Grunde das Prinzip von Spannung - Entspannung / Tension - Release. Das ist nicht nur bei Musik so, sondern bei allen Sinnesreizen. Immer das Gleiche wird langweilig oder nervt.
Auch in einer Picasso-Ausstellung will man nicht 100 Bilder mit dem gleichen Motiv und der gleichen Technik und dem gleichen Format. Oder jeden Tag nur Pflaumenkuchen würde auch irgendwann zuviel.
Von daher nachvollziehbar, dass die Grundprinzipien gleich sind.

Das schließt natürlich nicht aus, dass einzelne Stücke nur eine Grundstimmung haben und die über längere Zeit durchhalten. Aber danach möchte man eben auch mal was anderes hören.
Ich habe ja früher auch öfters neue Musik im Konzert gehört. Auch da gibt es coole Stücke, die geschickt mit Klängen spielen, eigentlich ist es immer dann gut, wenn man einen guten Wechsel von Nachvollziehbarem und Überraschenden hat.

"As slow as possible" ist dann wieder eine Komposition, die genau das in Frage stellt ;) aber das hört sich auch keiner komplett an. ;)
 
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Im Grunde das Prinzip von Spannung - Entspannung / Tension - Release. Das ist nicht nur bei Musik so, sondern bei allen Sinnesreizen.
Wahrnehmung ist immer die Wahrnehmung von Unterschieden.
:hail:Gregory Bateson, Ökologie des Geistes

Gruß Claus
 

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