Hallo
@Notenfahne
Bei mir ist es umgekehrt. Mir fällt auswendig spielen viel leichter als das Spielen vom Blatt.
Vorausgesetzt es ist geübt
Wie lange es behalten wird, hängt meiner Erfahrung nach von mehreren Faktoren ab
- wie alt war ich, als ich es auswendig konnte
- wie intensiv habe ich mich mit dem Stück befasst
- habe ich es immer wieder mal gespielt (z b alle paar Wochen nachdem ich es kann)
- wie ernst nehme ich das Stück (ich kann z. B. recht komplexe schwierige Stücke recht zuverlässig auswendig, muss aber bei „Happy Birthday to You“ zuerst überlegen und ein zwei mal probieren )
Um unnötige ineffektive Übezeit zu vermeiden, finde ich es sehr nützlich, sich sein Übeverhalten genauer anzuschauen und somit ein besseres Ergebnis = mehr Spaß zu haben.
Ich übe normalerweise so, dass ich genau so viele Takte zunächst vom Blatt spiele, bis mein Gehör es begriffen hat. Ab dann arbeite ich solange dran, und zwar direkt auswendig, bis es auf jeder Hand einzeln und schließlich beidhändig sitzt. Das sind je nach Stück 2 bis 8 Takte etwa.
Erst dann geht’s weiter, bis wenigsten ein ganzer Satz auswendig klappt.
Ab dann rühre ich die Noten gar nicht mehr an und tüftele so lange an dem Satz herum, bis ich bereit bin, wieder die Noten auszupacken und den Rest des Stücks wie beschrieben zu erarbeiten.
Oft lasse ich besondere Stellen, wie ein Intro oder einen besonderen Schluss lange weg, bzw. Übe das sowie besonders schwierige Passagen separat und füge es später hinzu. Durch diese Art und Weise habe ich zu 99% ohne Noten vor der Nase geübt und alles was ich brauche damit es dann auch läuft, ist das zuverlässige Erinnern an die einzelnen geübten Teile, Passagen, Übergänge.
Was ich derzeit zum Absichern versuche, sind mehrere Triggerstellen, an denen ich einsteigen kann.
Sich über Harmonieverläufe, Zusammenhänge zwischen Melodie, Bass und Akkorden im Klaren zu sein, hilft weitere Trigger zu haben, die bei Versagen anderer Merkmethoden einspringen können. Wenn man z. B. improvisiert, sollte man sich in jedem Takt im Klaren sein, welche Harmonien gerade zugrunde liegen. Daher hilft auch Improvisieren, sich Strukturen von Stücken zu merken und das kann der reinen Motorik auch mal auf die Sprünge helfen zu finden, wie es weiter geht.
Wenn also ein grundsätzliches Auswenig-Problem vorliegt (und bei mir gibt’s auch Stücke, gegen die ich eine Abneigung habe, sie auswendig spielen zu wollen ... lach) dann würde ich tatsächlich immer kurze Passagen immer wieder ohne Noten wiederholen und das Gehörte mit der Bewegung in Bezug setzen.
Was auch hilft bei mir sind Bewegungsmerkmale in Bezug zur Tastatur. (Z b „jetzt kommt der Hüpfer auf das Fis mit dem 4. Finger“ - je kniffliger das Hinzubekommen war umso weniger kann ich’s vergessen
)
Ein ganz anderes Thema ist ja das Heraushören bzw Nachspielen von Stücken. Da war ja nie ein Notenblatt vorhanden. Ich finde das auch eine gute Möglichkeit, auch das Gedächtnis zu trainieren, da man auf vielfältige Weise abspeichern kann, wie das Gehörte auf dem Instrument umgesetzt wird. Z B „oh, hier muss ich zwei Tasten überspringen“ oh, hier kommt ganz überraschend ein Moll-Akkord und ich brauch eine Taste, die sonst nicht im Stück vorkommt“
Etc etc
Letztlich geht’s wohl darum, so viele Bezugspunkte in einem Stück zu finden, wie möglich, um das dann ohne Notenblatt sicher abrufen zu können.
Das kann sein
Motorik (Autopilot laut Matthias)
Harmoniestruktur
Besondere Töne, Pausen, Läufe
Klangliche Besonderheiten / Gehör/ Inneres Mitsingen
Gefühle die auftreten an diversen Stellen im Stück
Visualisierung der Notenschrift
Etc
Grüßle