Homerecording – Erfahrungsbericht eines Anfängers

  • Ersteller marcel71
  • Erstellt am
marcel71
marcel71
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
22.11.23
Registriert
30.07.10
Beiträge
313
Kekse
1.724
Ort
Darmstadt
Hallo zusammen,

normalerweise tummele ich mich eher im Bass-Bereich, schaue aber auch gelegentlich über den Tellerrand hinaus. Schon seit längerer Zeit interessiere ich mich dafür, wie Musikproduktion funktioniert und habe die aktuelle Situation mit ein wenig Zeit dafür genutzt mal in das Thema Homerecording reinzuschnuppern.

Zu diesen ersten Schritten habe ich einen kleinen Bericht verfasst; einfach, um mal meine Erfahrungen kundzutun. Ich hoffe, das ist ok :)

Mir ist bewusst, dass ich sehr weit weg bin von professionellen Produktionen und auch nie in diesen Bereich vordringen werde. Mir reicht es völlig aus, wenn ich zum einen ein wenig besser verstehe, welche Aspekte bei der Produktion eine Rolle spielen und ich für meinen Hobby-Bereich die eine oder andere Amateur-Aufnahme machen kann, die nicht allzu schlecht klingt.

Vielleicht hilft es trotzdem dem einen oder anderen Anfänger und gibt ein wenig Anschub, sich nicht durch Rückschläge von dem Thema abhalten zu lassen.

Da dieser Artikel nun doch etwas länger geworden ist, bringe ich vorne weg ein paar „essentials“, die ich persönlich, ganz subjektiv, für wichtig halte:

Punkte, die ich anderen Anfängern ans Herz legen möchte:
  • Wenn nix funktioniert: Prüfe zuerst, ob alle Kabel richtig gestöpselt sind und die richtigen Treiber installiert und eingestellt sind. Das Stichwort ASIO4ALL (universeller Treiber) war für mich Gold wert. (http://www.asio4all.org/).
  • [EDIT] ASIO4ALL ist, wie Basselch weiter unten schreibt, der Notnagel, wenn sonst nix funktioniert. Beim von mir später verwendeten UR44 gab es dann einen passenden ASIO Treiber.
  • Es lohnt sich, sich möglichst früh schon Gedanken über Verkabelung und Anordnung der Geräte (PC, Interface, Bildschirm) zu machen. Je weniger Aufwand die Vorbereitung der nächsten Session braucht, umso mehr Spass hat man dabei.
  • Nicht am Anfang zu viel erwarten. Es wird immer wieder Phasen geben, in denen die Lernkurve eher flach verläuft. Da muss man durch, dafür kommt auch immer wieder mal ein Erfolgserlebnis.
  • Kabel (alle Sorten) und Steckdosen kann man nie genug haben ;-)

Meine wesentlichen Informationsquellen:
  • natürlich dieses Forum (immer wieder auch mal bloßes Mitlesen, wenn von anderen usern Fragen gestellt oder beantwortet werden)
  • Bücher: „Mixing Workshop 2.0“ von Uli Eisner und „Getting Pro“ von Andreas Mistele
  • Youtube, insbesondere die Tutorial-Reihe: https://www.youtube.com/watch?v=yk3JiKUdOXU

Equipment:

  • Interface: Steinberg UR44
  • DAW: Reaper
  • Mikro: MXL 2006 (Großmembran)
  • Instrumente: D-Piano Roland FP4, Squire Jazzbass über Zoom B3
  • Rechner: Thinkpad X230 (Win10) plus ext. 24-Zoll-Monitor

Und hier die Langversion:

I. Wie es begann

Eigentlich bin ich nur Hobby-Bassist. Spiele seit vielen Jahren E-Bass, von Hardrock bis Bigband war einiges dabei in den letzten 35 Jahren. Klavierunterricht hatte ich auch mal, aber das liegt noch weiter in der Vergangenheit. Ein paar technische Grundlagen aus dem Musikbereich habe ich zum Teil aus Interesse nebenbei oder auch in meinem technischen Studium mitbekommen; mit Begriffen aus der Akustik (Obertöne, Reflektionen, Phasenverschiebung, Auslöschung, dB, etc.) oder der Elektronik kann ich durchaus etwas anfangen, auch wenn ich kein Experte bin. Wie elektrische Signale funktionieren, weiß ich und kenne auch den Unterschied zwischen symmetrischen und unsymmetrischen Signalen.

Viel von dem was ich weiß (oder zu wissen glaube) habe ich aus dem einen oder anderen Buch; dazu lese ich gerne Bedienungsanleitungen von technischen Geräten (gibt es ja zu diversem Recording/PA-Zubehör mittlerweile im Internet) und das Musiker-Board ist auch immer wieder eine gute Informationsquelle. Dazu habe ich vor ein paar Jahren mal den Mixing-Workshop vom User mix4munich mitgemacht (auch wenn es dabei eher um Live-Mixing geht).

Außerdem gab es in den letzten Jahren einige interessante TV-Dokumentationen zu Musik-Produktion und Rock/Pop-Geschichte (z.B. „In den Schmieden des Pop“, lief vor ein paar Jahren bei ARTE).

So wuchs das Interesse daran, auch mal selbst sich mir Recording zu versuchen.

II. Erste Versuche

Vor einigen Jahren hatte ich mir dann ein Boss BR800 gekauft, das eine oder andere kleienre Zubehör ebenfalls. Richtig warm geworden bin ich mir dem Gerät nicht, insbesondere das Bedienkonzept war für mich zu unübersichtlich und zu aufwendig (sich z.B. mit den „Tasten“ ohne Druckpunkt und dem Drehregler durch die Untermenüs zu hangeln war kein Spass).

Der erste Versuch mit DAW lief dann über Audacity (weil kostenlos) plus Interface-Funktion meines Zoom B3 und Interface-Funktion meines kleine Mischpults (A&H ZED). Wirklich erfolgreich war ich damit leider auch nicht, könnte auch daran liegen, dass ich mir nicht wirkmlich die hinreichende Zeit genommen habe. Aber ich habe kaum das Bass-Signal im Laptop aufspüren können. Was folgte, war wieder eine Abbruch des Versuchs, mangels Motivation und mangels Zeit.

III. Jetzt ernsthaft

Irgendwann wuchs in mir wieder das Interesse am Thema und ich dachte mir: Jetzt mal ernsthaft! Ich hatte mir dann ausdrücklich das Ziel gesetzt: Ich möchte halbwegs verstehen, wie Recording/Produktion funktioniert und wenigstens mal amateurhaft das eine oder andere Projekt hinbekommen. Nicht professionell, aber wenigstens besser als „iPhone in den Raum legen und Aufnahme drücken“.


Also ging es los:



1. DAW: Reaper


Ich habe dann ein wenig recherchiert und diverse Freeware und Bezahlsoftware in die Auswahl einbezogen. Am Ende habe ich mich für Reaper entschieden: Kosten sind auch nach der kostenlosen Testphase überschaubar, der Funktionsumfang erschien mir für meine Zwecke mehr als ausreichend und Tutorials und Präsenz in Anwender-Foren gibt es auch. Ein Stück weit war es aber auch eine Bauch-Entscheidung.

Runterladen und installieren war kein Problem, der Laptop war schnell mit dem Zoom bzw. dem ZED-Mischpult verkabelt. Erste Tests waren ernüchternd. Auch hier kamen die Signale nicht da an, wo sie sollten und ich hatte den Eindruck, dass die Signalwege überall hingingen, nur nicht dort, wo ich wollte. Nun wollte ich aber nicht wieder frustriert abbrechen und habe diverse Tutorials (Text & Youtube) und Board-Beiträge gewälzt. Es schien mir ein Treiber-Problem zu sein. Ausdrücklich nachgefragt hier im Board, kam die Empfehlung, die Gold wert war:

ASIO4ALL installieren. (http://www.asio4all.org/)

Nachdem ich diesen Treiber installiert hatte, konnte ich die Input-Kanäle zuordnen und aufnehmen. Alles wird gut!

[EDIT] ASIO4ALL ist quasi der Notnagel, wenn nix anderes funktioniert. Bei meinem später verwendeten Interface UR44 gab es dann einen anderen ASIO-Treiber.


2. Interface: UR44


Job-bedingt hatte ich bei meinem Homerecording-Projekt eine kleine Pause eingelegt, zudem war der Reaper-Testzeitraum abgelaufen. Nun kam aber die Corona-Situation dazu und es stand ein langes (Oster-)Wochenende und ein Urlaub an, in dem eine Reise natürlich nicht in Frage kam. Für Reaper gibt es ja auch noch die verlängerte Test-Lizenz bis Ende Juni. Also habe ich das Projekt wieder „hochgeholt“. Dazu habe ich in einem G.A.S.-Anfall in ein kleines Interface investiert (Steinberg UR44), meine private Finanzministerin hat die Umschichtung des eingesparten Reise-Budgets glücklicherweise genehmigt.

Nachdem das Päckchen ausgepackt war und ich erste Verkabelungsversuche gemacht hatte, ist in mir schnell die Erkenntnis gewachsen: Hier ist Ordnung und Struktur notwendig! Insbesondere, weil zur Zeit mein Computertisch im Musikkeller auch mein Homeoffice-Arbeitsplatz ist. Also habe ich ein wenig Hirnschmalz und Holz in einen zusätzlichen Aufbau für den Tisch und ein Verkabelungskonzept investiert, welches sich bei den ersten Versuchen auch bewährt hat. Ein kleiner Kopfhörerverstärker, den ich noch in einer Schublade rumfliegen hatte, kombiniert mit einem langen Kabel, hat sich auch als nützlich herausgestellt, um den Kopfhörer auch mal am Digital-Piano oder Schlagzeug zu platzieren (da sind bei mir ein paar Meter zu überbrücken).

3. Erster echter Versuch

Der erste Versuch war inspiriert durch die „Projektwoche“ meines Sohnes. Da die Schulen natürlich nicht geöffnet haben, wurde die geplante Projektwoche in individuelle Projekte umgewandelt, bei denen die Schüler ihre Ergebnisse per Mail abgeben sollten.

Mein Sohn hat sich das Thema Blues ausgesucht und wollte neben einem Themenplakat auch noch einen kurzen Bluessong aufnehmen (er nannte es den „Corona-Blues“). Da haben wir gleich meine neuen Spielzeuge eingebunden.

Die Spuren haben wir nacheinander aufgenommen, 4x Durchgänge über das klassische 12-Takte-Schema. Monitoring immer per Kopfhörer.

a) Rhythmus: das bei Reaper integrierte Metronom war irgendwie zu leise, also habe ich ein einfaches MIDI-Schlagzeug programmiert. Am Ende aber gelöscht, sollte nur das Tempo vorgeben. Netter Nebeneffekt: Ich habe etwas darüber gelernt, wie man mit VSTi umgeht. Nebenbei auch mal mein Digital-Piano per MIDI-Kabel an das Interface angeschlossen und getestet.

b) Gitarre (spielt mein Filius): Die Western-Gitarre (einfache Yamaha) haben wir parallel sowohl mit dem eingebauten Pickup als auch mit einem einfachen Großmembran-Mikro (MXL, hatte ich mir vor ein paar Jahren mal gekauft) abgenommen. Es war für mich interessant zu hören, wie man durch Verschiebung zwischen den beiden Spuren schon den Klang beeinflussen kann.

c) Bass: Den Bass habe ich anschließend mit einem Squire Jazzbass eingespielt, aus dem DI-Out des Zoom B3 direkt ins Interface.

d) Vocals: Da hat mein Sohn ein wenig über Chorus 2 und 4 improvisiert. Einfach zu den bereits vorhandenen Tracks über ein Großmembran-Mikro.

e) Instrumental-Solo: Da sollte eigentlich in Chorus 3 ein Solo mit E-Gitarre rein. Haben wir spontan doch mit dem Digitalpiano gemacht, nix Aufwendiges. Per Kabel direkt in 2 Line-Eingänge des UR44.

f) Effekte:

Die Routing-Möglichkeiten für die Effekt-Integration habe ich aus dem oben verlinkten YT-Tutorial geholt. Hat mir sehr geholfen und mir auch die Systematik von VST-Effekten näher gebracht.
Der Vocal-Spur habe ich ein wenig Hall hinzugefügt, ebenso der Gitarre und dem Piano.
Beim Bass habe ich einen EQ hinzugefügt und festgestellt, dass für Anfänger die Presets der VST-Effekte ganz hilfreich sein können.

Aber alleine bei dem Thema stehe ich wohl noch ganz am Anfang des Lernprozesses.

g) Abmischen:

Abmischen konnte ich nur mit einem einfachen halboffenen Kopfhörer. Lautstärke der einzelnen Spuren habe ich nach Hörgefühl eingestellt, Gitarre ein wenig nach links, Vocals ein wenig nach rechts, Bass in die Mitte.

Rein recording-technisch besser als beim ersten Versuch erwartet.

Aber mit erschreckender Erkenntnis: Die Aufnahme verzeiht nichts! Jede kleine Abweichung beim Timing, jede Note, die nicht exakt auf den Punkt gespielt ist, jede Abweichung in der Intonation wird einem vorgeführt wie ein riesiges Hinweisschild mit neonpinken Leuchtbuchstaben!

Das ist auch ein wesentlicher Grund dafür, dass ich die Aufnahme nicht öffentlich machen darf… aber wir arbeiten dran :)

Und alles in allem hat es bis hierher viel Spass gemacht und ich habe einiges gelernt. Und es motiviert dazu, weiterzumachen.


Ich freue mich, wenn einige auch bis hierher beim Lesen durchgehalten haben und hoffe, dass es ein wenig interessiert hat.

Gruß,
Marcel
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 12 Benutzer
Hallo, Marcel,

...ein sehr schöner "erste-Erfahrungen-Bericht", der sicher auch einigen Einsteigern, die ihn lesen werden, Auftrieb geben wird.

Die eine oder andere Anmerkung möchte ich noch dazusetzen und Deine Erfahrungen kommentieren:

ASIO4ALL installieren

Das ist eigentlich ein klassischer "Notnagel", wenn sonst nichts mehr hilft. Im allgemeinen sind die Treiber der Hersteller vorzuziehen - es sei denn, es gibt halt keine (auch das kommt vor...).
Die vom Hersteller programmierten Treiber sind eigentlich besser auf das jeweilige Gerät abgestimmt. Aber es gibt tatsächlich Fälle, in denen der ASIO4all der letzte Strohhalm ist, der funktioniert.

...dass für Anfänger die Presets der VST-Effekte ganz hilfreich sein können.

Presets sind immer ein guter Startpunkt zum Lernen... selten wird eines genau den Bedarf treffen, aber dann kann man von dort aus mal mit den Parametern spielen und lernen, was passieren kann...
Nebst Tutorials im internet hilft auch Fachliteratur... denn nicht alles, was man im Internet findet, ist auch wirklich zu gebrauchen. Die Perlen herauszusuchen, kann manchmal ganz schön schwierig werden...

Aber mit erschreckender Erkenntnis: Die Aufnahme verzeiht nichts!

Davon sollte man sich nie entmutigen lassen :D Die Rohspuren zu hören, kann manchmal ganz schön ernüchternd sein... ;) - aber man kann viel dabei lernen.

und ich habe einiges gelernt. Und es motiviert dazu, weiterzumachen.

Seeehr gutes Fazit :great:

Viele Grüße
Klaus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Das ist eigentlich ein klassischer "Notnagel", wenn sonst nichts mehr hilft. Im allgemeinen sind die Treiber der Hersteller vorzuziehen - es sei denn, es gibt halt keine (auch das kommt vor...).
Die vom Hersteller programmierten Treiber sind eigentlich besser auf das jeweilige Gerät abgestimmt. Aber es gibt tatsächlich Fälle, in denen der ASIO4all der letzte Strohhalm ist, der funktioniert.

Jetzt wo du's so schreibst...

... habe ich nochmal nachgeschaut und mich erinnert: ASIO4ALL hat damals vor dem UR44 geholfen. Am UR44 funktionierte es auch, aber das hat nur zwei Kanäle erkannt. Mittlerweile habe ich einen Treiber eingestellt mit der Bezeichnung "Yamaha Steinberg USB ASIO". Damit funktionieren alle 6 Inputs.

Ich konnte den Ursprungsbeitrag noch bearbeiten, also habe ich das mal ergänzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, Marcel,

Mittlerweile habe ich einen Treiber eingestellt mit der Bezeichnung "Yamaha Steinberg USB ASIO". Damit funktionieren alle 6 Inputs.

...genau das ist auch der richtige Treiber :great: Es mag für Einsteiger verwirrend sein, daß da "Yamaha" steht, obwohl man ja ein Steinberg-Interface besitzt, das hat aber so seine Richtigkeit ;)

Viele Grüße
Klaus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Nun folgt Teil 2 meines Erfahrungsberichts als Recording-Anfänger.

Zunächst hatte ich ja nur ein wenig mit Interface & Reaper herumgespielt, nun habe ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt.


Zum Hintergrund:


Wir sind als Familie in einem Verein aktiv, der internationale Kinder- und Jugendbegegnungen organisiert und durchführt, meist ein- bis vierwöchige Camps, in denen sich Kinder/Jugendliche ab 11 Jahren aus bis zu 12 verschiedenen Ländern weltweit treffen und verschiedenste Aktivitäten organisieren und mitmachen. Wegen Corona mussten weltweit alle Veranstaltungen in diesem Jahr abgesagt werden; auch nationale Treffen gibt es zur Zeit nicht. Um trotzdem nicht in der Versenkung zu verschwinden und weiterhin Kontakt zu halten, gibt es viele virtuelle Aktivitäten, auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.

So ist bei uns die Idee entstanden, ein virtuelles Musikprojekt zu starten und mit Aktiven aus möglichst vielen lokalen Chaptern ein Musikvideo aufzunehmen und zusammenzustellen (inspiriert durch andere virtuelle Musikprojekte, die seit Corona die Youtube-Welt überschwemmen).

Die Idee kam in den nationalen Videokonferenzen des Verein gut an, ich hatte eine gewisse Vorstellung, wie es funktionieren könnte und schon hatte ich das Ding an der Backe!


Planung

  • Organisatorisches: Ich habe glücklicherweise einen Partner bekommen, der die komplette Videobearbeitung übernimmt, ebenso hat er die rechtlichen Fragen geklärt und das Projekt in der gesamten Organisation bekannt gemacht (Rundmails, Instagram, Facebook ...). Um die IT-Infrastruktur hat sich ein Fachmann aus unserem Vorstand gekümmert (eigene Mail-Adresse für das Projekt, Upload-Möglichkeit für große Datenmengen, …). Hat alles gut funktioniert.
  • Songauswahl: Let It Be von den Beatles! Großartiger Song, wird auch gerne und oft in den Camps des Vereins gesungen, der Refrain lässt sich wunderbar im Chor mitgrölen, für die Strophen hatte ich gehofft, dass wenigstens ein paar Teilnehmer hinreichend sicher in Intonation und Rhythmus sind… bei der Abstimmung hatten sich manche Kontakte zu Vereinsmitgliedern ergeben, die beruflich in der Musik unterwegs sind (Musiklehrer), da hatte ich mir Unterstützung für die Instrumente versprochen.
  • Vorgehen: Erstellung eines Basis-MIDI-Tracks, der wird allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt, man singt/spielt dazu und filmt sich mit dem Smartphone. Dann müsste Spur für Spur der Song entstehen und alle orientieren sich am exakt gleichen Tempo, Ablauf, Tonart… ich erhalte den Upload, verarbeite die Audio-Spuren und der andere Kollege baut das Video zusammen.
Die Realität
  • Der MIDI-Track war kein Problem. Einfacher Schlagzeug-Beat als Metronom-Ersatz, damit auch der Letzte hört, wo die Eins ist. Dazu MIDI-Klavierspur. Den Bass habe ich gleich selbst eingespielt und anschließend den Track dem Kollegen zugeschickt zwecks Verbreitung.
  • Nach und nach kamen die ersten Tracks rein; beim ersten Durchhören wurde mir klar: Das ist ein dickes Brett, welches da gebohrt werden will! Sehr schwankende Tonqualität, viele haben den Gesang in einzelne Videos aufgeteilt, so dass ich das noch an die richtige Stelle schieben muss, und das Gesangstalent ist auf der Welt nicht gleich verteilt… aber da musste ich nun durch.
  • Die erhoffte Beteiligung der „Profis“ hat sich leider doch nicht ergeben. Aber ein paar engagierte Amateurmusiker haben mitgemacht und Piano/Orgel-Spuren, ein Gitarrensolo und ein weitere Instrumentalspuren zugeliefert. Der eine oder andere hilfreiche Tip zum Mix war auch dabei.
  • Nach und nach habe ich dann die Spuren in Reaper eingefügt und den Song aufgebaut. War deutlich mehr Aufwand als erwartet. Schließlich musste ich die Strophen und den Refrain voneinander trennen, den Strophe sollte Solo sein und Refrain Chor. Auch die Auswahl der Sängerinnen&Sänger für die Strophen war nicht einfach; sollte auch halbwegs miteinander harmonieren. Das war zum großen Teil try&error-Prinzip. Dazu der Klang: Das war ja quasi durchgehend Smartphone-Qualität, aufgenommen in Räumen, die von Studio-Qualität Lichtjahre entfernt sind: Ganz normale Wohnzimmer, Schlafzimmer, Studenten-WG, usw. Dazu quasi null Erfahrung bei mir, wie man mit sowas umgeht. Also erstmal überall ein Kompressor-Preset drauf, Low-Cut, Hall und dann mit dem EQ gespielt, bis es nicht mehr allzu gruselig klang. Hilfreich, wenn man sich für sowas einen effizienten Standardworkflow überlegt, ebenso fürs Auseinanderschneiden von Strophen-Abschnitten und Refrain. Manche Sänger haben den Song nicht komplett gesungen, da habe ich einfach Teile vom Refrain mit Copy&Paste gedoppelt, ebenso, wenn sich jemand beim Refrain versungen hat (der Text ist ja nicht jedesmal gleich).
  • Finalisierung: Da mussten am Ende Entscheidungen getroffen werden, wer bleibt bei der Strophe drin, wer fliegt raus? Wer hat überhaupt ein Video gesendet, wer nur eine Tonspur? Wie blendet man am Schluss aus, wenn manche ihren Ton einfach viel zu lang ziehen? Harter Cut klingt komisch, langsam ausblenden auch nicht besser. Stero-Panning habe ich auch erst am Schluss gemacht; ein wenig hin- und herprobiert; am Ende habe ich bei den Strophen die Gesangsspuren nur ganz wenig nach links und rechts verteilt; beim Refrain alle rundrum verteilt.
  • Schwierig war am Ende auch die Frage, wie ich mit Fehlern umgehe oder Nebengeräuschen. Manches konnte kaschiert werden, das eine oder andere Kichern habe ich einfach drin gelassen, ebenso wie viele Ungenauigkeiten bei Rhythmus oder Intonation. Ein zusätzliches Take zur Fehlerkorrektur war unter diesen Rahmenbedingungen nicht möglich und für alle Beteiligten zählt am Ende der Spass und die Freude, dabei gewesen zu sein, mehr als musikalische Perfektion.

Lessons learned:

  • Klare Kommunikation mit allen Beteiligten ist wichtig! Bei virtuellen Projekten vermutlich noch schwieriger als im direkten Austausch. Und ganz besonders wichtig, wenn viele Beteiligte ohne jegliche Erfahrung dabei sind.
  • Standardworkflows bei der Bearbeitung erhöhen die Effizienz! Farbkonzept in der DAW erhöht die Übersicht! Ein großer, wirklich großer Bildschirm auch!
  • Ich habe gelernt, dass ich noch viel lernen muss! Die reine Technik im Sinne von welches Kabel wo rein oder Bedienung der Software ist nicht der Punkt, das bekommt man schnell raus. Wichtige nächste Schritte für mich sind: EQ und Effekte kennenlernen; wie gehe ich mit den einzelnen Frequenzbereichen um, welche Parameter wirken sich wie auf den Klang aus, usw. Diese Lernphase wird sich vermutlich lange hinziehen…
  • Tip an alle Anfänger: Einfach mal machen! Mir war in diesem Projekt schnell klar, dass hier keine High-End-Produktion herauskommen kann. Aber viele Leute hatten viel Spass dabei, das Ergebnis ist nicht so schlecht, wie befürchtet, die verschiedenen Herausforderungen setzen Kreativität in der Lösungsfindung frei und man lernt eine ganze Menge – und wenn es nur das ist, dass man nachher weiß, wo man noch Nachholbedarf hat.

Zur Zeit wird noch das Video zusammengeschnitten; sobald das fertig und veröffentlicht ist, werde ich den Link mal hier reinstellen.

Gruß,
Marcel
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 8 Benutzer
Respekt und Hut ab sich dieser Aufgabe zu stellen. Vor allem als absoluter Anfänger. Du scheinst nervlich stark belastbar und vermutlich auch ein kleines bisschen wahnsinnig zu sein. ;) Ich selbst als gewerbliche Aktiver mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung hätte wohl aus Mangel an Haaren, die ich mir noch raufen kann, wiederholt Stücke aus der Tischplatte gebissen... Ist ja, wie Du bereits kurz erwähnst, teilweise schwierig mit einer einzelnen Person oder einer kleinen Gruppe wie einer Band zu kommunizieren, da ist deine Sache natürlich nochmal eine ganz andere Nummer. Du hast zwar wie ich denke ganz bewusst keine konkreten Namen genannt und auch darauf verzichtet das Ergebnis, welches wahrscheinlich als YT-Video veröffentlicht wurde, zu verlinken - was ich persönlich als positiv empfinde, ich denke Du verstehst wie ich das meine - aber interessant wäre es natürlich schon mal in das fertige Endprodukt reinzuhören. Vielleicht möchtest Du es ja mal neutral/"anonym" (als reiner Song ohne Video?) bei einem File-Hoster hochladen.

Ansonsten kann ich nur sagen, dass dein Lernprozess und deine Erkenntnisse, nicht zuletzt durch deine Einstellung, beispielhaft sind bzw. sein sollten - leider ist sowas ja heutzutage eher selten. Ich denke, wenn die Langzeitmotivation stimmt und Du dran bleibst, dann hast Du gute Chancen weit zu kommen.
 
Hallo, Marcel,

...großartiger Erfahrungsbericht, Hut ab, da hast Du eine echt steile Nummer durchgezogen! Kann mich da meinem Vorredner @Signalschwarz nur anschließen.
Insbesondere Dein Fazit unter "lessons learned" ist beispielhaft, und hiervon noch mal ganz besonders die Anregung "einfach mal machen". Und der erwähnte Spaß ist einfach unbezahlbar.

Viele Grüße
Klaus

P.S.: Und auch mich würde nun das fertige Endprodukt interessieren, außerdem würde Dein Erfahrungsbericht noch besser abgerundet.
 
Du scheinst nervlich stark belastbar und vermutlich auch ein kleines bisschen wahnsinnig zu sein.

Jau, könnte sein ;-) belastbar unter Stress, scho ein wenig, bringt der Job mit sich. Und ein kleines bisschen Wahnsinn gönne ich mir gelegentlich auch...

Das fertige Endprodukt werde ich mit Sicherheit hier verlinken; ein wenig dauert es noch, da ich mir glücklicherweise ein paar Tage Urlaub am Meer gönnen darf :) aber ich frage mal den Kollegen, wann er das Video fertig hat. Ansonsten müsste ich mal schauen, wo ich den Audiotrack mal hochladen kann.
 
Huhu, Glückwunsch erst mal zum fertigen Werk! Habe das jetzt nur mit den Notebookspeakern abgehört, aber die Qualität scheint mir mehr als ordentlich. Bin gespannt auf das Video. Wenn man sowas als Anfänger hinbekommt, habe ich für mich auch wieder Hoffnung!

Viel Erfolg für Deine weitere Arbeit.

Grüße
 
Hallo, Marcel,

...sehr schön gemacht :great: - und: Ein Anfänger bist Du jetzt nicht mehr :D (...obwohl das Lernen natürlich nie aufhört...)
Du hast da eine richtig schöne Bearbeitung hinbekommen, was unter den von Dir genannten Begleitumständen alles andere als selbstverständlich ist. Genau wie mein Vorredner ;) rate ich, die Stelle bei 1:20 im Baßbereich noch mal nachzubearbeiten, irgendwas passiert da in der Orgel, was richtig wummert.
Eventuell, wenn Du noch was probieren möchtest, wäre in den Refrains der Einsatz eines De-essers denkbar, um die im Chor manchmal recht starken Zischlaute ein wenig besser in den Griff zu kriegen ;)
Schönes Ergebnis eines schönen Projektes - WEITERMACHEN!!!

Viele Grüße
Klaus
 
Danke für das Lob :)

An der Stelle bei ca. 1:20 kommt die Orgel tatsächlich mit einem Glissando von "ganz unten" rein. Höre ich mir nach dem Urlaub nochmal genauer an, ebenso die Sache mit dem De-esser; vielleicht bekomme ich da noch was hin.

In jedem Fall macht es Lust auf mehr :)
 
So, das Video ist fertig, ich habe am Ende doch nicht mehr viel geändert.

Da das Video aus vielen Einzelvideos zusammengesetzt ist, die teilweise parallel laufen, war die Synchronisation zwischen Bild und Ton nicht einfach. Aber das musste ich zum Glück nicht machen.



(hoffentlich klappt das jetzt mit der Einbettung des YT-Links)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 10 Benutzer
Prime..... (;

:great:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Hallo, Marcel,

...das ist klasse geworden :great:

Viele Grüße
Klaus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Hallo @marcel71

auch von mir vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht und letztlich das Video, ich finde, das du auf das Ergebnis und deine Arbeit stolz sein kannst.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Echt coole Aktion :great:

das eine oder andere Kichern habe ich einfach drin gelassen,
Das ist auch gut so.
für alle Beteiligten zählt am Ende der Spass und die Freude, dabei gewesen zu sein, mehr als musikalische Perfektion.
Eben, und die Freude kommt rüber, das gefällt mir viel besser als eine technisch und musikalisch durchgefeilte Produktion.
In jedem Fall macht es Lust auf mehr
Definitiv.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben