Intervalle erkennen für Einsteiger

Claus
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Zufällige Entdeckung bei Youtube, äußerst nützlich und ein echter Ohrwurm. :)

Interval Song von Django Bates.
Django Bates kenne ich als den Musiker, bei dem ich vor vielen Jahren im Kölner Stadtgarten das bisher einzige Mal ein solistisches Tenorhorn im Jazzkonzert zu hören bekam.

 
Eigenschaft
 
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Und wenn ich es mir 100x angehört habe, kann ich dann die Intervalle? ;)
Im Ernst, wie ist das mit der Nützlichkeit zu verstehen? Hör ich das so lange, bis ich es auswenig kann und dann brauche ich nur die entsprechende Stelle vor mich hin summen, wenn ich mal ein bestimmtes Intervall brauche? Das waäre schon praktisch ...
Gruß,
Christian
 
Ja, ich glaub so ungefähr kann man das verstehn ;)
Ist ja ungefähr wie wenn man sich bestimmte Lieder merkt, die mit bestimmten Intervallen beginnen (gibts auf Wikipedia ne ganze Liste von), oder wie man sichs an bestimmten Lauten festmacht (Kuckucksterz), nur halt hier in einem Song verpackt, und das ja auch wirklich ansprechend.

Dazu musst dus ja nicht mal strikt auswendig lernen, sollte mit der Zeit von ganz alleine kommen.
 
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Die Intervalle werden am leichtesten über Mitsingen und die Lyrics gelernt:
This is a minor second (C - Db)
and this is a perfect fourth (C - F)
This is a major second (Bb - C)
and this is a perfect fifth (Bb - F)

This is a major sixth and (Eb - C)
this is a minor sixth (D - Bb)

Minor third, minor third, major third, major third, unison (C -Eb; Eb - G; Eb)

This is a major seventh (Eb - D)
and this is a minor seventh (D - C)
and this an augmented fourth (Eb - A = Tritone)
and this is an octave (Eb - Eb)

Find ich gut.

Aber vielleicht ist man auch eher der Typ für "relative Solmisation":
Erklärungen und Hintergrundinfo: http://www.youtube.com/watch?v=OeF_L_PTgt8
Übungssong: http://www.youtube.com/watch?v=_oW5geFktbw
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, ich glaub so ungefähr kann man das verstehn ;)
Ist ja ungefähr wie wenn man sich bestimmte Lieder merkt, die mit bestimmten Intervallen beginnen (gibts auf Wikipedia ne ganze Liste von), oder wie man sichs an bestimmten Lauten festmacht (Kuckucksterz), nur halt hier in einem Song verpackt, und das ja auch wirklich ansprechend.

Dazu musst dus ja nicht mal strikt auswendig lernen, sollte mit der Zeit von ganz alleine kommen.

Hier findet man diese hilfreiche Liste
http://de.wikipedia.org/wiki/Intervall_(Musik)
Aber leider steht dort auch:evil:
Diese Methode ist jedoch nur bedingt zuverlässig, da dieselben Intervalle sich in anderen musikalischen Zusammenhängen - abhängig u.a. von Tonleiterposition, Tongeschlecht, Klangfarbe, Ausdruck - verschieden anhören können. So klingt zum Beispiel die kleine Terz von E zu G in C-Dur (etwa in "Olé, olé, olé") anders als das gleiche Intervall in der Tonart e-Moll (etwa in "O Heiland reiß die Himmel auf", EG 7).

Für mich als schlechten Gitarristen wäre es der Gipfel musikalischer Kompetenz alle Intervalle sofort zu erkennen. Dann könnte ich ja auch die Melodien, die ich im Kopf habe sofort spielen. Bei guter Fingerfertigkeit in Echtzeit.Leider bin ich noch nicht soweit.
 
Für mich als schlechten Gitarristen wäre es der Gipfel musikalischer Kompetenz alle Intervalle sofort zu erkennen. Dann könnte ich ja auch die Melodien, die ich im Kopf habe sofort spielen. Bei guter Fingerfertigkeit in Echtzeit.Leider bin ich noch nicht soweit.

Ich habe als Kind meinen Einstieg in die Musik (erstes Instrument: Kinder-Plastiktute mit bunten Knöpfen) gefunden, indem ich für mich im stillen Kämmerlein (Kinderzimmer) nach Gehör Melodien nachgespielt habe.
Wenn ich dann ab und zu gefragt wurde, wie es möglich sei, eine soeben gehörte Tonfolge sofort nachzuspielen, habe ich immer geantwortet: "Wieso? Ich kann es doch auch singen, warum sollte ich es dann nicht spielen können?"

Deshalb beschäftigt mich manchmal die Frage, warum viele Menschen keine großen Schwierigkeiten haben, Melodien zu singen oder zu pfeifen, aber daran scheitern, dies auf ein Instrument umzusetzen. Eigentlich müßte es doch viel schwieriger sein, die Stimmbänder bzw. Zungenstellung genau zu justieren, als eine Taste zu treffen oder eine Saite niederzudrücken... :nix:

Zweite Frage: Es gibt zwei Arten, ein Solo zu improvisieren: einmal das mechanische Abnudeln von eingeübten Skalen (mit gelegentlichem Überraschungseffekt sogar für den Spielenden), und die "hohe Kunst" (so sollte es sein), sich vor dem Spielen jeden Ton/jede Phrase vorzustellen.
Eigentlich muß doch auch z. B. jeder Blechbläser grundsätzlich eine genaue Vorstellung des Tones, den er als nächstes spielen will, haben, sonst gibt das nix.
Trotzdem können gerade "klassische" Blechbläser zwar perfekt nach Noten spielen, aber oft keine einfache Melodie aus dem Ärmel schütteln. Das verstehe ich nicht.

Heißt das nicht, "Erkennen" funktioniert eigentlich, sonst könne man es nicht singen, es hapert lediglich an der Benennung und somit Umsetzung aufs Instrument...? :gruebel:
Die von Dir erwähnte Fingerfertigkeit, also das rein handwerkliche, ist in dieser Hinsicht dann erst einmal Nebensache, da muß man halt üben. :)

Mach's doch wie George Benson: immer beim Spielen 1:1 mitsingen - vielleicht kommt dann die "Kopplung" automatisch.

Viele Grüße
Torsten
 
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...Deshalb beschäftigt mich manchmal die Frage, warum viele Menschen keine großen Schwierigkeiten haben, Melodien zu singen oder zu pfeifen, aber daran scheitern, dies auf ein Instrument umzusetzen.

Ich denke, das liegt daran, dass es eine Gedächtnisleistung ist, die Wiedergabe von Tönen mit Tasten, Saiten/Bund-Positionen oder Ansatz/Ventilkombinationen zu verbinden.
Ein ungeübter Mensch trifft die Töne einer Melodie singend auch nur in einer für Zuhörer erträglichen Weise, wenn er zufällig dafür begabt ist und sonst eben nicht.

Lernt man sein Instrument über das musikalische Hören, wird die Verbindung "Melodie vorstellen - Instrument spielen" wesentlich gefördert und je nach Fleiß und Begabung kann man zumindest seinen musikalischen Stil schließlich "nach Gehör" spielen.
http://www.youtube.com/watch?v=neibvJHm55Y

Der traditionelle Musik(-schul)untericht funktioniert aber anders, soweit ich es kenne. Darin wird vor allem gelehrt, Notentexte zunehmend überzeugend wiederzugeben. Improvisation ist überwiegend kein Thema, weil das dem klassisch ausgebildeten Lehrer fremd ist.
Ist eine Lehrkraft (z.B. als Jazzer) selbst in der Lage, nach Gehör zu spielen, wird sie entsprechende (natürliche) Betrebungen eines Kindes fördern und bestärken statt nur auf die Notenwiedergabe zu fixieren.

Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Deshalb beschäftigt mich manchmal die Frage, warum viele Menschen keine großen Schwierigkeiten haben, Melodien zu singen oder zu pfeifen, aber daran scheitern, dies auf ein Instrument umzusetzen. Eigentlich müßte es doch viel schwieriger sein, die Stimmbänder bzw. Zungenstellung genau zu justieren, als eine Taste zu treffen oder eine Saite niederzudrücken...

Ich glaube, diesen "instant touch", also die reflexartige und automatisierte Kopplung einer Klangvorstellung mit einer Bewegung (Finger / Arm , im Falle von Klavier ...), erwirbt man sich - wenn überhaupt - über einen "Umweg": Man übt jahrelang und jahrzehntelang sein Instrument und hat dadurch bestimmte "Spielsituationen" (Akkordverbindungen, Solophrasen, ...) fest im Körpergedächtnis verankert. Und im Hörgedächtnis. Hat man nun, z. B. beim gewollten Nachspielen oder beim Improvisieren einer Melodie, eine bestimmte innere Klangvorstellung, dann schaut man, mit welcher der 100.000 "gespeicherten"
Phrasen das am ehesten oder gar gänzlich übereinstimmt, und ruft diese dann ab. Ggfls. nimmt man die nötigen kleinen Änderungen aus dem Stegreif vor.
WIRKLICH spannend wird´s dann, wenn man mit etwas konfrontiert wird, was man in dieser Form ÜBERHAUPT NICHT in seinem persönlichen Klang- und Bewegungsarchiv hat ...

Ein entsprechend talentiertes und/oder geschultes Ohr ist natürlich VORAUSSETZUNG für die ganze Veranstaltung.

Beim SINGEN geht dieser "instant touch" eben (für viele) schon automatisch und wird eher und leichter zum Reflex, weil man mit der Handhabung der eigenen Stimme irgendwie sein ganzes Leben beschäftigt und vertraut ist. Sehr im Gegensatz zur Bedienung z. B. einer Klaviertastatur ...

LG, Thomas
 
Lernt man sein Instrument über das musikalische Hören, wird die Verbindung "Melodie vorstellen - Instrument spielen" wesentlich gefördert und je nach Fleiß und Begabung kann man zumindest seinen musikalischen Stil schließlich "nach Gehör" spielen.
http://www.youtube.com/watch?v=neibvJHm55Y

Das ist doch mal ein sehr schönes und passendes Beispiel, gerade heute an Django Reinhardts Todestag.

Ich kann das, was Ihr (Claus und Thomas) sagt, völlig nachvollziehen.

Trotzdem möchte ich blechgitarre noch sagen, daß es für den Anfang völlig ausreichend ist, etwas kleinere Brötchen zu backen.
Daß der "Mann von der Straße" (und meinetwegen auch die Frau von der Sträßin) beim Singen in der Regel Intonationsprobleme haben wird, bezweifle ich nicht; irrwitzige Intervallsprünge in atonalem Zusammenhang und hohem Tempo werden auch den meisten Menschen (mich eingeschlossen) Probleme bereiten.
Aaaaber: Auch normale, nicht musikalisch ausgebildete Menschen können in der Regel ein einfaches Lied erkennbar (nicht schön oder gar aufführungsreif, aber erkennbar!) singen.

Und eine wunderbare Übung mit dem Instrument ist es, zu versuchen, einfache Lieder (meinetwegen Kinderlieder, Volkslieder, Wanderlieder, völlig egal) zu spielen. Das stellt keine allzu hohen "instant touch"-Anforderungen, ist aber eine hervorragende Übung und läßt sich mit der Zeit steigern.
Bei aneinandergereihten Tönen der Tonleiter wird man keine Schwierigkeiten haben (Anfang von alle meine Entchen...), daß bei "Ent-chen" der Ton gleich bleibt, wird man auch leicht erkennen können.
"Leicht größere Sprünge" ;) (Terzen) kommen als nächstes Übungsziel dran. Die berühmte Rufs- oder Kuckucksterz (kleine Terz abwärts) wie bei "Kuckuck, Kuckuck" ist beispielsweise sehr charakteristisch.
Auf diese Weise kann man sich langsam vorarbeiten, auch größere Intervallsprünge wird man immer schneller und leichter auf Anhieb richtig "erraten".
Tonvorstellung -> musikalische Umsetzung bzw. Erkennen von Intervallen

Unabhängig davon kann man sich bei jeder Gelegenheit (Auto/Bus/Zug/Fußweg usw.) Intervalle vorstellen und diese laut oder in der Vorstellung singen. Das kann einen sicher musikalisch weiterbringen als pausenlose Berieselung aus der Konserve. :)
Notenschrift bzw. vorgegebene Intervalle -> Tonvorstellung

Viele Grüße
Torsten
 
Torstens Meinung, sich übungshalber immer wieder mal Intervalle vorzustellen und zu singen sei besser, als sich aus der Konserve zu berieseln, teile ich. Die aktive Auseinandersetzung mit der Aufgabe bewirkt erfahrungsgemäß einen größeren Lerneffekt.

turkos Hinweis auf das "Körpergedächtnis" finde ich gut.
Je nach dem, auf welche Art und Weise man das Musizieren übt (singen nach erinnerter Melodie, nach Gehör, vom Blatt, Instrument vom Blatt, nach Gehör, nach erinnertem Klang spielen), schult man völlig verschiedene Kettenreaktionen, bei denen die motorische Reaktion (jedwede Art von großer oder kleiner "Muskelaktion" inclusive Stimmbänder) stets eine wichtige Rolle spielt.


Ein paar Gedanken

1. singen nach Gehör
Ein Lernprozess, der bereits beim Säugling beginnt, wenn er auf das "Dudeldei" seiner Umwelt reagiert.
Ein Kind, auf dessen natürliche Stimmlage eingegangen wird (viele Erwachsene heben instinktiv ihre Stimme deutlich an, wenn sie sich mit einem Kleinkind beschäftigen), kann seine ersten kleinen Melodien durch Nachahmung lernen, bevor es die ersten Worte klar verständlich spricht. Gehörter Ton und gesungener Ton werden beim Kleinkind reflexartig / beim Gesangsschüler gezielt aufeinander abgestimmt, sofern der gehörte Ton den anatomischen Möglichkeiten des Singenden entspricht.
Intervalle sauber singen ist wegen der verschiedenen Stimmsysteme Definitionssache und in der Praxis im Wesentlichen das Ergebnis solider Gehörschulung und einer dadurch erzeugten Klangvorstellung. Will man Intervalle singen lernen, muss man sie als erstes nachahmen lernen. Dabei trainiert man systematisch die Spannungswechsel der Stimmbänder. Um gehörte Intervalle wiederzuerkennen, gleiche ich das Gehörte mit kurzen Motiven (gebrochene Klänge) ab. Zu einem Intervall passende Liedanfänge sind dabei mMn eine bessere Hilfe, als ein ganzes Lied.

2. singen nach Erinnerung oder spontaner Klangvorstellung
Ein mehr oder weniger bewusster Akt, der voraussetzt, das Klänge oder Melodien auf irgendeine Art und Weise "im Kopf" sind.
Das funktioniert vermutlich ähnlich, wie das Singen nach Gehör. Nur dass der Ton nicht von außen vorgegeben wird, sondern "in einem" ist. Ich hatte eine Studienkollegin, die das beim besten Willen nicht hinbekam. Ihr fehlte dazu schlichtweg die Fähigkeit, einen Ton aufzunehmen und nachzusingen. Es kostete uns beiden viel Geduld und verlangte ihr extrem hohe Konzentration ab, bis sie ihre Stimme steuern konnte. Über viele Wochen geduldiges Training führte langsam zu immer besserer Kontrolle der Stimme. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, das das spontane, mühelose Treffen der Töne beim Singen im hohem Maße mit "Körpergedächtnis" zu tun hat.
Das gezielte Singen von Intervallen setzt voraus, das man sich eine Vorstellung davon erworben hat, wie die Intervalle klingen und wie sie sich in den verschiedenen Tonlagen in der Kehle anfühlen. Ein Repertoire von Liedanfängen ist dafür eine gute Hilfe. Ebenfalls hilfreich ist ein Akkord, der ein großes Intervall in kleinere gut singbare Intervalle aufteilt. Die funktioneren wie Stützpfeiler einer großen Brücke. Beispiele: Quinte - Brücke: Tonika-Dreiklang, Sexte - Brücke: verdrehter Quart-Sext-Akkord Da fällt mir immer das Lied "Heiligste Nacht") ein.

3. singen nach Noten
Eine Fähigkeit, die voraussetzt, dass man aus den Noten nicht nur Töne, sondern Bezugsetzungen (Intervalle) und melodische Bewegungsabläufe herauslesen kann. Einen einzelnen Ton exakt ansingen, kann nur jemand der ein absolutes Gehör hat. Für das Singen ist ein absolutes Gehör nicht notwendig. Wer viel "wie von allein" vom Blatt singt, merkt erst dann, dass die Noten in ihm die Erinnerung an eingeübte "Floskeln" wecken, wenn er über eine ungewohnte Abfolge von Noten stolpert. Singen nach Noten ist ein eine Art Kettenreaktion 1. Noten (! immer mehrere im Zusammenhang) sehen 2. Bezug zum Grundton erkennen 3. Bezüge in der Tonfolge / Intervalle erkennen 4. es entsteht eine Tonvorstellung oder wird erinnert 5. gemäß Tonvorstellung singen


Beim Musizieren wird die Angelegenheit deshalb komplizierter, weil man erst einmal das Instrument beherrschen lernen muss. Und das lernt man nicht durch Singen. Allerdings ist eine mit Hilfe des Singens erworbene Gehörschulung von großem Vorteil.
Beim Musizieren beobachtete Herangehensweisen an das Instrument:

1. musizieren ohne Kontrolle über die entstehende Musik
Ein Akt, bei dem mehr oder weniger bewußt mit dem Instrument experimentiert wird. Man macht Spielbewegungen, ohne eine bestimmte Klangvorstellung zu haben. Je nach dem, wie intensiv man dabei auf den Zusammenhang zwischen Bewegungsablauf und der entstehenden Musik achtet, resultiert aus den dabei gemachten Erfahrungen ein Lerneffekt. Die "Kettenreaktion" wird bei jedem ein wenig anders aussehen und hängt auch vom Alter ab. Bei Kindergartenkindern konnte ich schon oft beobachten, wie sie jedem einzelnen Ton nachlauschten, den sie auf dem Klavier griffen, auf dem Metallophon anschlugen oder auf der Mundharmonika angeblasen haben. Wenn man sie ganz in Ruhe ausprobieren lässt, entwickeln sie dabei die später so wichtige Koordination von Klangvorstellung und entsprechender Bewegung, ohne sich Gedanken über Intervalle zu machen. Die Spielbewegung folgt der Klangvorstellung ganz instinktiv. Ältere Schüler haben in Gegenwart von Zuhörern oft Hemmungen, die Hände einfach mal laufen zu lassen, entweder aus Angst, etwas "falsch" zu machen oder weil sie nicht recht wissen, wie sie es angehen sollen. Ihnen fehlt diese Koordination von Klangvorstellung und Bewegung. Möglicherweise fehlt ihnen auch die Fähigkeit, eine spontane Klangvorstellung zu entwickeln, die ich mal "musikalische Fantasie" nenne. Je nach Temperament (unabhängig vom Alter) "tobt" sich jemand vielleicht aber auch ganz spontan aus, ohne im nächsten Moment erinnern zu können, was er gerade gespielt hat. In diesem Fall war die Spielbewegung völlig unkontrolliert, wurde nicht "gespeichert" und von der entstandenen Musik bleibt nur eine vage Erinnerung. Eine bewusste Einsicht in Intervalle oder Akkordfolgen entsteht dabei eher nicht.

2. musizieren nach Erinnerung oder spontaner Klangvorstellung
Eine Fähigkeit, die voraussetzt, dass Bewegungsabläufe und Klangvorstellung infolge mehr oder weniger umfangreicher Lernerfahrung aneinander gekoppelt wurden.
Die Methode, Melodien als Wege im Tonraum zu verstehen / erleben / spielen, eröffnet in diesem Zusammenhang neue Möglichkeiten frei ohne Noten zu musizieren. Ohne diese Methode, wird Musik oft als Abfolge von Intervallen oder gar einzelnen Tönen verstanden, die mit Hilfe der Harmonielehre akademisch erläuterbar, aber auf diese Weise unter Umständen nur schlecht zu merken sind. Spielt man auswendig, laufen die Hände infolge hartnäckigen Übens oftmals irgendwie von allein. Die Ohren kontrollieren und wenn etwas falsch klingt, erfolgt die Korrektur entweder im Reflex oder das Spiel bricht abrupt ab und der Spieler muss reflektieren, wie der Fehler zustande gekommen und zu korrigieren ist. Das Grundprinzip "nicht Töne spielen, sondern Wege" verändert die Perspektive beim Erinnern, Lernen oder "Ausdenken"/Komponieren /Improvisieren völlig. Sieht man eine über mehrere Stufen in Sekundenschritten aufsteigende Tonfolge als Weg nach oben, einen Quartsprung nach unten und zurück als Rückschwung, zwei aufeinander folgende Terzen als Doppelsprung oder Doppelfall (es können auch andere Intervalle sein), usw. ... dann erschließen sich sinnstiftende Zusammenhänge, die man sich ganz anders merken und viel besser mit Klangvorstellungen koppeln kann. Wie gut einem das auf dem ein oder anderen Instrument gelingt, hängt davon ab, wie häufig man sich mit dem Instrument beschäftig und wieviele "Module" abrufbar sind. Ist also Trainingssache. Die hohe Kunst der Improvisation nach vorgegebenen Tonsatzregeln geht über das Musizieren nach Erinnerung oder spontaner Klangvorstellung weit hinaus. Letzteres sehe ich eher als eine blitzschnelle Reaktionsfolge von 1. Klangidee/-Erinnerung blitzt auf 2. zugehöriges Bewegungsmuster wird aktiviert 3. Ergebniskontrolle 4. falls notwendig > Korrektur. Ist kein Bewegungsmuster sicher abrufbar, wird probiert, bis es passt und man versucht, sich das neue Bewegungsmuster zu merken.

3. musizieren vom Blatt
ist im Idealfall eine erweiterte Reaktionsfolge von Punkt 2. Es ist aber durchaus möglich, dass jemand auf die gelesenen Noten rein motorisch reagiert und gar nicht realisiert, was er da spielt.
Der Idealfall:
Man sieht die (völlig fremden) Noten, "hört" innerlich im Voraus was kommt, erkennt gleichzeitig die harmonischen Zusammenhänge sowie melodische Bewegungen > Klangvorstellung und visuelle Wahrnehmung der Note provozieren die notwenige motorische Reaktion am Instrument > das Gehör kontrolliert, ob die Musik (Tonhöhen, Ausdruck und Artikulation) wie erwartet klingt und steuert notwendige Korrekturen.
Fließendes vom Blatt spielen verlangt mehr als eine systematische Eroberung des Tonraums. Es setzt voraus, das bereits geübte musikalische Figuren und Wendungen blitzschnell (wieder-)erkannt werden. Je ungewohnter die Musik bzw. je mehr unbekannte Elemente die Musik enthält, um so mehr Übungszeit muß man für ein Musikstück investieren. Liest man beim Üben die Noten unentwegt konzentriert mit, verbessert sich in den zuvor unbekannten Passagen die Auge-Hand-Koordination mehr und mehr. Irgendwann "buchstabiert" man nicht mehr die einzelnen Noten, sondern liest "Einheiten" und die Hände reagieren automatisch. Hat man diesen Leistungsstand erreicht, sind die Noten zur Erinnerungsstütze geworden. Welche Bedeutung dabei das Layout der Noten hat wurde mir bei folgender Gelegenheit bewußt:
Ich hatte ein Stück so lange geübt, bis ich es in flottem Tempo spielen konnte. Die Noten las ich nur noch flüchtig mit und spielte verschiedene Passagen mit Blick auf die Tasten. An bestimmten Stellen hing sich der Blick dann wieder an die Noten. - - - Zeitsprung - - - dasselbe Stück, anderes Notenblatt mit völlig anderem Layout -> an den Stellen, wo ich vom Blatt spielen mußte, kam ich regelmäßig ins Stolperen. Also Noten im gewohnten Layout besorgt > promt lief alles wie gewohnt.

Spielt jemand mehrere Instrumente ist nicht gesagt, dass die Fähigkeit, auswendig, also nach Gehör oder Erinnerung/Klangvorstellung zu spielen bei jedem Instrument gleich gut entwickelt ist. Um Gehörtes und/oder Erinnertes nach Gehör spielen zu können, ist immer spezivisches Training am Instrument notwendig. Die Fähigkeit Intervalle, Akkorde und den Weg der Melodie erkennen und sich merken zu können ist zwar eine wichtige Grundlage, reicht aber nicht aus.

Früher spielte ich Mundharmonika ausschließlich nach Gehör. Als ich begann, mir unbekannte Lieder und Tanzweisen nach Noten zu spielen, fiel mir auf, dass ich mit diesem Instrument völlig anders auf Noten reagiere, als mit Klavier oder Flöte. Dieses Musizieren war eher mit Singen nach Noten zu vergleichen: Tonart klären und dann an der Tonika orientierend wie beim Singen nach Klangvorstellung spielen. Dabei lese ich "transponierend". Weiß nicht, wie ich das sonst nennen soll. Also egal welche Tonart die Noten anzeigen, ich spiele immer gleich, also mit demselben Atemschema. Dabei ist es völlig egal, in welcher Tonart die Mundharmonika klingt.


Komplexes und sehr interessantes Thema.

Gruß
Lisa
 
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Vielen Dank für diesen Literatur-Tipp, Christian.
Das Buch kannte ich nicht.
Was ist für Dich das Spannende an der Theorie?
Was ist die Kernaussage?

Habe gerade versucht, etwas über den Inhalt herauszufinden.
Das http://www.ciao.de/Das_Ohren_Buch_Pohlert_Jochen__Test_2927315 war bislang der ergiebigste Bericht,
beantwortet aber leider nicht meine Fragen.
Und hier erfährt man ein wenig vom Inhalt: http://bunte-noten.de/main/unterricht/ohrenbuch.php
Kennst Du den Inhalt der CD?
Hier eine Andeutung, dass sie 150 Lieder enthält: http://www.musikschulen.de/medien/doks/literatur/5-04/musiktheorie.pdf
Mich interessiert eine Liste der Musikstücke.

Außerdem interessiert mich, nach welchem Prinzip "Autodidaktischer Lehrgang für Komposition und Improvisation" funktioniert.
Und was ist gemeint mit "Eine Wiederbelebung traditionellen Hörens"?

Leider wird nicht klar, ob und wenn ja, welche Hörhilfen gegeben werden.
Erklärt der Autor, was man hört? Wird der melodische Ablauf irgendwie beschrieben?
Hören, mitsummen, auswendig lernen und sich dann die Melodie am Instrument zusammensuchen wäre mir zu wenig.
Aktives Hören und verstehendes Notenlesen muss auch das Erkennen sinnstiftender Zusammenhänge beinhalten.


Ein simples Beispiel, das bei mir schon viele 5-jährige Kinder spontan ohne jede musikalische Vorbildung während eines Vorstellgesprächs nach wenigen Minuten komplett auswendig spielten, ohne sich von meiner Klavierbegleitung irritieren zu lassen:
"Ist ein Mann/Wolf in' Brunn' gefallen ..."

Unterrichtsdialog:
1. Wir stellen 5 klingende Metallophonstäbe auf. Das Kind sortiert sie der Größe nach, darf sie ausprobieren und erkennt den Zusammenhang zwischen Stablänge und Tonhöhe.
2. Aufgabe: Spiele alle Tone der Reihe nach.
3. Richtung festlegen: Beginne beim größten Ton.
4. Definition: Das ist ein Weg von unten nach oben. (ich singe und zeige den Weg mit einer fließend, ziehenden Handbewegung von unten nach oben = "wandernde Hand" / keine (!) Solmisation )
5. Aufgabe: Spiele diesen Weg 3 x von unten nach oben (ohne die Tonwiederholungen am Ende des Weges!) / ich sitze vor dem Kind auf Augenhöhe und bewege meine linke Hand nun waagerecht spiegelbildlich in der Luft mit ("Luftxylophon") und gebe dem Kind dadurch Sicherheit. Zusätzlich stützt meine Singstimme das Kind bei der Durchführung der Aufgabe. Ich singe nicht (!) den Liedtext sondern "Weg nach oben Sprung". Das Wort "Sprung" signalisiert, dass der Schlägel vom obersten Ton zum Anfang zurückspringen muß, um den Aufstieg ein 2., 3. Mal zu spielen. Beim 3. Mal singe ich "Weg nach oben Schluß". Das Kind nimmt die gesungene "Spielanleitung" instinktiv auf und wird dadurch in die Lage versetzt, den melodischen Ablauf (die "Wege" !) zu beschreiben/verbalisieren.
6. Aufgabe: Die Klangspannung (in meiner Körpersprache als Höhenspannung sichtbar) soll aufgelöst werden: Jetzt spiele den Weg noch ein einziges Mal, aber anders herum, also von oben nach unten.
7. Lernkontrolle: Ich lasse das Kind spielen, ohne mitzusingen, gebe statt dessen kurze Signale, die so getimt sind, dass das Kind fließend spielen kann "1. Aufstieg" - "2. Aufstieg" - "3. Aufstieg" - "abwärts" Sollten dem Kind diese Begriffe nicht geläufig sein, wird es sie aus dem Zusammenhang heraus trotzdem verstehen und dabei lernen. Sinn: Die syncron gesungene Textbegleitung = Definition des Weges wird in ein vorausgestelltes Signal umgewandelt, durch das nach den vorausgegangenen Spielübungen und der einhergegangenen Verinnerlichung der Definition des Spielvorgangs eine mit einem Bewegungsbild gekoppelte Klangvorstellung ausgelöst wird. Lernziel: Das Kind erinnert Signale und deren Timing und wird dadurch in die Lage versetzt, die Melodie ohne Hilfe zu spielen.
8. Aufgabe: Wenn das Kind die Aufgabe verstanden hat, setze ich mich an das Klavier. Das Kind wird aufgefordert, am Ende des ersten Aufstiegs den letzten Ton solange im Takt weiter anzuschlagen, bis ich mit dem Klavierspiel stoppe. Nach dieser Reaktionsübung soll das Kind als nächstes versuchen, herauszufinden, wie oft ich den obersten Ton spiele. Danach singen und spielen wir: "Weg nach oben 1 2 3 4"
8. Der Schluß des Motivs wird geändert. Aus "... 1 2 3 4" wird "... bremsen"
9. Zusammenfassung singen und spielen
10. Die gesungene "Anleitung" wird in "Signale" umgewandelt. > Reines Instrumentalspiel

Ich spare mir, hier zusätzlich auf die nonverbale Kommunikation mittels Körpersprache einzugehen. Sie ist aber eine wesentliche und bewusst eingesetzte didaktische Hilfe.

Die Noten zu diesem Lied werden in so einem Unterricht bei mir erst dann betrachtet, wenn die Kinder die Melodie am Instrument auswendig spielen können. Längere Stücke werden in Sinnabschnitte gegliedert vermittelt und betrachtet. Bei der Notenbetrachtung geht es dann darum, die gelernten Wege in den Noten wiederzufinden. In diesem Fall also die 3 Aufstiege, den Abstieg, den 4er-Anstoß und die Bremse (Anstoß, langsam). Indem wir statt auf die Stäbe zu schlagen die Noten mit dem Finger antippend zeigen und dabei singen "Weg nach oben ... " entsteht eine Koppelung von Notenbild und Klangvorstellung.
Auf dem von mir selbst erstellten Arbeitsblatt finden die Kinder außerdem die Notation der Melodie mit der von Karl Foltz entwickelten Melografie, die wie die "Wandernde Hand" die Einzeltöne optisch zu einen Weg zusammenfasst.

Indem nun die Kinder im Laufe der Unterrichtsstunden verschiedene klar definierte Motive kennenlernen, die Definitionen (verbal, Noten, Melografie) als mit Spielbewegungen gekoppelte Klangvorstellungen verinnerlichen und lernen, diese in unterschiedlichen Kombinationen = Melodien hörend und sehend wiederzufinden, zu erinnern und zu erkennen, entwickelt sich aktives Hören, bewußtes Musizieren und eine völlig anders geartete Form des Notenleses. Diese Art des Musizierens fordert und fördert in hohem Maße Konzentration und musikalisches Gedächtnis. Es gibt Schüler, die damit sehr gut klar kommen und die nach und nach immer komplexer werdende Formen innerhalb einer Unterrichtsstunde lernen und auswendig "zusammenbauen" können. Diejenigen, deren Konzentration und Merkfähigkeit bei allmählich komplexer werdenden Formen an ihre Grenzen stößt, benötigen Melografie oder Noten als zusätzliche Unterstützung, wenn sie es nicht schaffen, sich die Reihenfolge der Motive zu merken. Immer dann, wenn Kinder meinen Unterricht über längere Zeit besuchten (Einstieg zwischen 4 und 5 ), waren sie als Erstklässler irgendwann so weit, dass sie auf den Stabspielen Melodien sozusagen nach "Diktat" spielen konnten. Dem ging natürlich immer die methodische Erschließung der Melodie voraus. Bestand eine Melodie überwiegend aus bekannten Elementen, brauchten diese nur aus dem Gedächtnis "vorgekramt" und in neue Zusammenhänge gebracht werden. Das geschah unter anderem auch völlig nonverbal, also durch hören, erkennen, spielen. Auf diese Weise entwickelte sich die Fähigkeit nach Gehör zu musizieren.

Erwachsenen fällt es schwer, sich auf diese Methode einzulassen. Wiederholt habe ich erlebt, dass sich diejenigen, die Noten kannten, regelrecht daran festklammerten. Es war ihnen zu anstrengend, sich auf das eigendlich sehr bildhafte aber eben ungewohnte Vokabular der "Funktionssprache" einzulassen.

Die von mir verwendete Unterrichtsmethode ist in der von Karl Foltz entwickelten "Basalen Musikerziehung" verwurzelt. Er war ein Pionier der Musikalischen Früherziehung.

Gruß
Lisa
 
Noch ein paar Worte zum Buch (hab es selbst gerade nicht zur Hand, die Liste der Lieder folgt):
Der Autor ist wohl erfahrener Jazz-Workshop-Leiter und behauptet, dass immer weniger nach Gehör gespielt würde und immer mehr nach Noten bzw. auswendig gelerntem Wissen. Das glaub ich ihm mal so, auch ist die Jazz-Welt noch ein weiter Weg für mich. Pointiertes Beispiel ist, dass nur einer von 20 Teilnehmer/innen "Happy Birthday" auf seinem/ihrem Instrument sofort und ohne Noten spielen könnten, obwohl es alle singen könnten. Da kann sich jeder mal Gedanken drüber machen ...
Als Gegenmaßnahme empfiehlt er "Gehörtraining" anhand aussagekräftiger Lieder aus der Praxis statt theoretisches Intervalle üben. Entsprechend besteht das Buch hauptsächlich aus solchen Liedern, v.a. deutschsprachiges Volksgut und internationale, bekannte Stücke wie Nationalhymnen etc. geordnet danach, wie "spannende" Intervalle darin "in der freien Wildbahn" vorkämen. Beispielsweise gilt der Tritonus ja als schwierig, kommt aber tatsächlich in einfachsten Kinderliedern (Kommt ein Vogel geflogen) vor - aber eben nicht abstrakt, sondern immer im harmonischen Kontext. Zu jedem Lied gibt es eine CD-Instrumentalfassung und eine Erklärung mit Noten über ca. 1/2 Seite, alle sind in C-Dur, damit das vergleichbar wird (relatives Gehör im harmonischen Zusammenhang). Ziel ist es nun, das Lied zu hören, versuchen, es auswändig zu singen/summen und dann ggf. auf dem Instrument zu spielen, die Noten sind nur zur Kontrolle.
Mir gefällt sowohl seine Herleitung als auch die Methode - auch wenn ich von der Bewältigung der Aufgabe noch weit entfernt bin. Oft schaue ich mir die Noten zuerst an und versuche sie dann im Lied "wieder zu erkennen" oder ähnliches. In jedem FAlle ein reichhaltiger Schatz an bekanntem Material mit interessanter Interpretation bzgl. Harmonischer Bedeutung. Ich habe jedenfalls schon verdammt viel über Musik gelernt dabei ...
 
... die Liste der Lieder folgt)
Darauf bin ich sehr gespannt. Interessant wäre zu sehen, in welcher Reihenfolge die Beispiele dran genommen werden und welches Intervall dabei gelernt wird.

... nur einer von 20 Teilnehmer/innen "Happy Birthday" auf seinem/ihrem Instrument sofort und ohne Noten spielen könnten, obwohl es alle singen könnten. ...
Derjenige, der es konnte, hat es wahrscheinlich per Zufall vorher mal geübt. ;)

Da Singen etwas völlig anderes ist, als ein Instrument zu spielen, ist das völlig logisch. Umgekehrt wird man feststellen, dass diejenigen, die x-beliebige Melodien vom Blatt herunter spielen können, sich ohne entsprechendes Training damit sehr schwer tun, eine fremde Melodie ohne Zuhilfenahme eines "Tongebers" vom Blatt zu singen. Und Noten nach Gehör aufzuschreiben ist noch einmal etwas anderes.

Um die verschiedenen Fähigkeiten zu erlernen und miteinander zu verknüpfen, bedarf es unterschiedlicher Übungsmethoden, von denen anscheinend ein Teil in der Unterrichtspraxis nicht berücksichtigt wird.


Als Gegenmaßnahme empfiehlt er "Gehörtraining" anhand aussagekräftiger Lieder aus der Praxis statt theoretisches Intervalle üben. Entsprechend besteht das Buch hauptsächlich aus solchen Liedern, v.a. deutschsprachiges Volksgut und internationale, bekannte Stücke wie Nationalhymnen etc. geordnet danach, wie "spannende" Intervalle darin "in der freien Wildbahn" vorkämen. Beispielsweise gilt der Tritonus ja als schwierig, kommt aber tatsächlich in einfachsten Kinderliedern (Kommt ein Vogel geflogen) vor - aber eben nicht abstrakt, sondern immer im harmonischen Kontext. Zu jedem Lied gibt es eine CD-Instrumentalfassung und eine Erklärung mit Noten über ca. 1/2 Seite, alle sind in C-Dur, damit das vergleichbar wird (relatives Gehör im harmonischen Zusammenhang). Ziel ist es nun, das Lied zu hören, versuchen, es auswändig zu singen/summen und dann ggf. auf dem Instrument zu spielen, die Noten sind nur zur Kontrolle.
So ähnlich las ich das bereits im oben geposteten Link.

Was verstehst Du unter "spannende" Intervalle?
= ohne Kontext schwer anzusingende Intervalle?

Man muß die Melodie also ohne jede methodische Erschließung "einfach so" einprägen? Also so oft ein Lied komplett anhören, bis man es mitsingen kann - - - Das finde ich nicht gut.


Mir gefällt sowohl seine Herleitung als auch die Methode - auch wenn ich von der Bewältigung der Aufgabe noch weit entfernt bin. Oft schaue ich mir die Noten zuerst an und versuche sie dann im Lied "wieder zu erkennen" oder ähnliches. In jedem FAlle ein reichhaltiger Schatz an bekanntem Material mit interessanter Interpretation bzgl. Harmonischer Bedeutung. Ich habe jedenfalls schon verdammt viel über Musik gelernt dabei ...

Worin besteht seine Herleitung? Meinst Du damit die methodische Reihung der ausgewählten Lieder? So völlig ohne Beispiel ist es schwer, sich die typische Vorgehensweise des Autors vorzustellen.


Damit klarer wird, worauf ich hinaus will, ein Beispiel, wie ich vorgehen würde:

Der erste Lernabschnitt würde kleine Melodien mit dem Tonraum a' - c'' enthalten
In F-Dur ist das die 3. und 5. Stufe.
In diesem Tonraum sind die Intervalle (0 HTS) Prim und (3 HTS) kleine Terz möglich. In einer Vielzahl mehr oder weniger langer/kurzer "Leiermelodien" sind folgende melodische Bewegungen möglich:
- Tonwiederholung(en) = Anstoß
- (Terz-) Sprung, Fall, Rückschwung, Rückfall, Weiterschwung
Damit sind schon eine ganze Menge Hör-/Sing-/Spielübungen möglich, in die ich in jedem Fall Melografie und "wandernde Hand" einbeziehen würde.

Im zweiten Lernabschnit wird der Tonraum erweitert auf "a - c d" (F-Dur) oder e - g a (C-Dur) = 3. - 5. 6. Stufe der Dur-Leiter
Nun werden zwei weitere Intervalle und mehrere neue melodische Bewegungen möglich, die im Rahmen verschiedener Melodien eingeführt werden.
neue Intervalle: (2 HTS) große Sekunde, (5 HTS) reine Quarte.
neue mögliche melodische Bewegungen: Schritt aufwärts/abwärts, Drehung aufwärts/abwärts (kann abhängig vom Kontext auch als Hebung bzw. Senkung aufgefaßt werden), Quartsprung (Varianten wie bei der Terz), Drehsprung

Ich denke, es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu erkennen, wie dieses System mit jeder Stufe, die dazu kommt, immer komplexer wird.

Was meine ich nun mit methodischer Erschließung der Melodie.
Wie bereits oben angedeutet, kann sich eine Melodie in sinnvolle Abschnitte gliedern lassen, die in der Basalen Musikerziehung als "Wege" aufgefasst und gespielt werden.

Beispiel:
Noten "A, a, a, der Winter, der ist da" / Midi

Guck keine Noten an und höre auch nicht nicht die Midi-Datei an. Versuche, der Anleitung zu folgen:

1. Dimension des Tonraums klarstellen:
  • Grundton = F (entspricht den Noten und der Midi-Datei)
  • Dur-Tonleiter von der 1. bis 5. Stufe: f g a bb c
  • Markiere den Tonikadreiklang mit den Ampelfarben (oben rot = c'' / Mitte dunkelgelb = a' / unten grün f') indem Du z.B. Halmakegel auf die Tastatur stellst.

2. Aufgabe: Spiele Dir den Tonraum als Weg nach oben und Weg nach unten vor. Beobachte dabei die Bewegung der Hand und der Tasten.
3. Aufgabe: Wiederhole die Aufgabe mit geschlossenen Augen. Versuche, bei jedem Ton die gespielte Taste inclusive Farbmarkierung mit dem inneren Auge zu "sehen". Wenn möglich singe oder pfeife dazu, damit Dein Körper die Töne fühlt.
4. Aufgabe: Stelle Dich aufrecht hin. Halte beide Hände in Bauchnabelhöhe. Die Finger zeigen von Dir weg.
Singe die Wege und zeige sie dabei mit fließend aufwärts / abwärts geführter Hand (Grundton in Höhe des Bauchnabels, 5. Stufe in Augenhöhe.)
Optimal wäre, wenn Du vor einem Spiegel üben kannst, auf dem die Tonikastufen in passender Höhe mit Papierstreifen in entsprechender Farbe markiert sind. Dabei dürfen die Hände den Spiegel keinesfalls berühren.

- Zwischenbemerkung: Jetzt kennst Du den Tonraum, in dem sich die nun zu lernende Melodie bewegt.

5. Aufgabe (am Klavier/wandernde Hand): Spiele den Tonikadreiklang als "Doppelsprung". (variierende Umsetzungsmöglichkeiten führe ich jetzt nicht im Detail aus)

6. Aufgabe: Kombiniere "Doppelsprung" & "Weg nach unten" / 2 Möglichkeiten: obersten Ton beim Richtungswechsel doppelt (=Anstoß) oder einfach spielen / > für das Lied wird der Richtungswechsel ohne Anstoß benötigt.
Damit ist die Grobform des A-Teils bereits fertig.

7. Midi-Datei anhören und herausfinden, welche Töne im Abstieg angestoßen werden. Stelle Dich dabei am besten vor den Spiegel und lasse die Hand mitwandern.

8. Nun spiele die Melodie des A-Teils in der Endform auf dem Klavier.

9. Der B-Teil erschließt sich folgendermaßen:
- Weg von oben nach unten spielen
- "schneide" den letzten Schritt ab
- spiele den abgeschnittenen Weg 2x
- Höre die Midi-Datei an und lasse die Hand mitwandern. Dabei fällt Dir sicherlich auf, dass im B-Teil jeder Ton doppelt gespielt wird.

10. Die Melodie des B-Teils in der Endform auf dem Klavier spielen.

11. Fasse zusammen: A-Teil / B-Teil / A-Teil

Das ist jetzt eine sehr geraffte Darstellung der methodischen Erschließung ohne Hinweise auf Intervallbezeichnungen.
Um das Musizieren nach Gehör (und somit auch das Erkennen der Intervalle) zu üben, müsste man die beschriebenen "Melodie-Schnipsel" ihrer methodischen Erschließung folgend einzeln vor- und nachspielen lassen.
Das Beschreiben der Wege ist ganz wichtig, weil sie dadurch bewußter werden.

Später ist es eine gute Übung, bereits erlernte Melodien in sinnvolle Abschnitte aufzuteilen und völlig durcheinander vor- und nachzuspielen.

Wenn man nun einen Stoffplan so zusammenstellt, dass die verwendeten Melodien/Lieder sich systematisch auseinander zu entwickeln scheinen, wird man immer häufiger und leichter bereits bekannte "Module" aus neuen Melodien heraushören und diese entsprechend leicht nachspielen können.

Gruß
Lisa


*) HTS=Halbtonschritte
 
Beispielsweise gilt der Tritonus ja als schwierig,...
Er hat allerdings den Vorteil, dass er sich bestens im Hören verankert, sobald man West Side Story gesehen bzw. gehört hat (Maria). :)

Wenn man sich für Jazz interessiert, bietet das Jazz Repertoire mit seinen hunderten von Standards und populären Originals eine optimale Übungsmöglichkeit. Repertoirekenntnisse sind für Jazzer von großer Bedeutung (Standards -> Sessions). Man sollte deshalb jede Chance nutzen, welche kennenzulernen.
Außerdem bieten die Melodien eine gute Grundlage für Improvisation über die im Jazz gängigen Akkordverbindungen.

Beispiellisten finden sich bei u.a. bei Jamey Aebersold und Mark Levine. Dank Youtube und Jazz-Internetradio hat man sich die Songs zur Liste auch ohne große CD-Sammlung schnell zusammengesucht.
Jamey Aebersold, Jazz Handbook: http://www.jazzbooks.com/mm5/download/FQBK-handbook.pdf
Intervall-Tabelle mit Songtiteln und Tips zum Ear Training:
http://www.jazzbooks.com/mm5/download/pitchpipe.pdf

Auch der unten verlinkte Interval Song ist ruckzuck gelernt und ein echter Ohrwurm.
Die Intervalle sind für sich genommen natürlich nur der erste Schritt. Nützlich ist auch das Singen der im Jazz gebräuchlichen Skalen jenseits von Ionisch und Aeolisch: http://www.jazzbooks.com/mm5/merchant.mvc?Screen=FREE&Store_Code=JAJAZZ

Eine weitere Übungsmöglichkeit zur Gehörbildung für Jazzer sind gesungene Arpeggios (erst Dreiklänge, später Vierklänge) mit Umkehrungen oder das Singen z.B. vom Grundton oder der (Terz - Septim) Guide Tones zu gehörten Akkordverbindungen.

Es stimmt schon, man sollte seine Übungen erst singen und dann spielen, was man (innerlich) hört.

Da sich der Thread inzwischen von der ursprünglichen Absicht gelöst hat, den Interval Song und seinen Nutzen vorzustellen, möchte ich noch die Empfehlung für Earmaster Pro 6 nachreichen. Es ist preiswert, auf deutsch übersetzt und erlaubt auch mit der Standardlizenz die Installation auf Computer plus Laptop.
http://www.earmaster.com/products/ear-training-sight-singing/earmaster-6.html
 
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Da Intervalle erkennen auch etwas mit Intervalle benennen zu tun hat, wüßte ich gerne, ob es eine "Vocabelliste" gibt, in der man englische, deutsche, internationale und andere Bezeichnungssysteme (Symbole, Silben) beieinander hat.

Gruß
Lisa
 
Gibt es auf wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Anderssprachige_Tonbezeichnungen

Die Akkordsymbole stammen aus der Chord Scale Theory, die zunächst am Berklee College entwickelt wurde (u.a. Herb Pomeroy). Daher sind diese Definitionen normalerweise American English.
http://de.wikipedia.org/wiki/Jazzharmonik

Diese "Erweiterung" der Harmonielehre mit Elementen der Stufen- und Funktionstheorie sowie einer modalen Harmonik entwickelte sich auf der Grundlage des neuen harmonsichen Verständnisses im Bebop. Sie dient also zur optimalen Beschreibung und Analyse von Jazz und wird inzwischen für alle populären "westlichen" Musiksstile verwendet.

Da im Jazz oft enharmonisch verwechselt notiert wird und das längst nicht immer "musiktheoretisch sauber", gibt es bis heute keine einheitliche Symbolschrift.
Eine Übersicht zu gebräuchlichen Akkordsymbolen aus Sicht von Jamey Aebersold:
http://www.jazzbooks.com/mm5/download/FREE-nomenclature.pdf
Er bietet auf seiner Seite noch mehr nützliche Infos zum Thema:
http://www.jazzbooks.com/mm5/merchant.mvc?Screen=FREE&Store_Code=JAJAZZ
Oops, das hatte ich unten eigentlich schon gestern verlinkt... :gruebel:

Gruß Claus
 
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Da geht es um die Tonstufenbezeichnungen. So etwas meine ich nicht. Ich meine die Intervalle.
Allerdings keine Erklärung wie hier http://de.wikipedia.org/wiki/Intervall_(Musik)
sondern eine Art Vocabel-Tabelle, in der man z.B. sofort erkennen kann, was mit dem Dreieck oder dem - vor der 7 gemeint ist oder Begriffe wie diminished und vermindert in Spalten nebeneinander stehen.
 
Es geht um viel mehr als Tonstufenbezeichnungen, meine Links beantworten die Frage eigentlich schon.

So etwas wie das mit dem Dreieck-Symbol für die große Septime im Vierklang, den Kreis für einen verminderten Akkord usw. steht mehrfach im Material von Jamey Aebersold (Jazz Nomenclature, Scale Syllabus, Jazz Handbook), die ich u.a. in meinen letzten beiden Beiträgen verlinkt habe und als Text im englischsprachigen Wikipedia:
http://en.wikipedia.org/wiki/Jazz_chords

Die Intervallbezeichnungen wie z.B. flat oder bas für erniedrigt stehen auch im ersten Link zu den anderssprachigen Tonbezeichnungen im unteren Teil des Beitrags.

Noch eine mehrsprachige Tabelle: http://www.music.vt.edu/musicdictionary/appendix/translations/Translations.html

Gruß Claus
 
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