Modal Interchange, die Dreihundertvierundfünzigste

Ja, Tonika ist Cj7.
 
|| Abj7 Bb7 | Cj7 || ||sP7 dP7 | T7 || oder ||äol VI7 VII7 | ion I ||

gleichzeitig könnte man (je nachdem, was vorher passiert ist) auch sagen, dass man den Beginn einer Kadenz in Eb dur hört, also

(Eb) ||S7 D7 |TP || , die dann in einem verdurten Trugschluss endet. Das würde z.B. viel Sinn machen, wenn man vorher schon andere Akkorde aus der Eb Dur/Cm Tonleiter gehört hätte.

Bekannt ist dieses Modell auch als backdoor progression, aber das kommt wohl nicht aus der klassischen HL.




|| Abj7 Dbj7 | Cj7 || ||sP7 sN56 | T7 || oder |äol VI7 II7b1b5 | ion I ||

Der neapolitanische 56 Akkord lässt sich in Stufen nicht so einfach darstellen.
Eigentlich ist es ja ein Fm5b6, der als selbstständiger auf seine Sexte steht (also auf dem des)

Man kann ihn natürlich auch als Dm7 mit tiefalterierter 2 und 5 sehen. (so wie ich es oben gemacht habe) Im Jazz würde man dann eher bII7b5 schreiben, aber die klassische Stufentheorie tickt da etwas anders.



| Ebj7 Dbj7 | Cj7 || ||tP7 sN56 | T7 || oder äol III II7b1b5 | ion I ||



Die gleichzeitige Verwenden von Akkorden aus ion und äol ist gängige Praxis in der klassischen Musik. ("Variantik")
Vielleicht nicht immer so abrupt wie im Jazz, aber unsere Ohren sind damit sehr gut vertraut.


Möglicherweise kommt aus dieser Praxis auch die Idee des MI-Systems, indem man weiter Modi hinzufügt.
Der große Unterschied ist dabei allerdings, dass das Dur- und das Mollsystem die beiden einzigen stabilen Systeme sind, die beide auf die I hinzielen. Der Austausch macht hier wesentlich mehr Sinn als bei anderen Modi
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Falls jemand die klassische Stufentheorie noch nicht kennt.


In der klassischen Stufentheorie gibt es kein maj7, nur leitereigene 7.
In Dur wäre auf der I also automatisch eine große 7, wenn ich I7 schreibe, auf der II wäre automatisch eine kleine 7, wenn ich II7 schreibe.

wird eine 7 (oder ein anderes Intervall) alteriert, schreibt man eigentlich folgendes:

In C wäre ein C7 dann I7>

In C wäre ein Dmmaj7 dann II7<

Auch moll wird nicht extra aufgeschrieben, wenn es leitereigen ist. Wird die II verdurt, schreibt man II3<

Eine Akkordaufstellung mit lauter 7-Akkorden sieht dann sehr übersichtlich aus

I7 II7 III7 IV7 V7 VI7 VII7

Der Vorteil liegt darin, dass man Abweichung von der zugrunde liegenden Tonleiter sofort sieht


I7 II7 III7 IV73> V7 VI7 VII7
 
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Offenbar kannst Du mit der Variantik den Großteil des MI erschlagen, zumindest die SDM-Familie.

|| Abj7 Bb7 | Cj7 ||

||sP7 dP7 | T7 ||

Ist allein die Groß- u Kleinschreibung hier ausschlaggebend für das Erkennen der Herkunft und Funktion von Abj7 (sP7 von Fm7) und Bb7 (dP von Gm7) und der Dur-Tonika?

Die Schreibweise der klassischen Stufentheorie hat auch ihre Vorteile, das sehe ich ein.

Wie spricht man das (bzw. weshalb wird das Größer-kleiner-Zeichen genau anders eingesetzt, als man es erwarten würde?):

In C wäre ein C7 dann I7>

In C wäre ein Dmmaj7 dann II7<
 
der Buchstabe p steht für Parallele. Die ist immer eine kleine Terz entfernt von dem Stammakkord.
Das g steht für Gegenklang und ist immer eine große Terz entfernt.
Sind die Buchstaben klein, sind es Mollakkorde, sind sie groß, ist es Dur.

Genau wie bei den Stammakkorden auch.

t s d sind Moll
T S D sind Dur.




I79< sagt man 1 sieben mit hochalterierter 9.

Die Eselsbrücke bei der Verwendung der größer und kleiner Zeichen ist:

9< : das Zeichen öffnet sich, die 9 wird vergrößert, also hochalterierte 9
9> : das Zeichen schließt sich, die 9 wird verkleinert, also tiefalterierte 9

Von dem mathematischen größer/kleiner Ding muss man sich verabschieden.



Aber es ist für die Theorie letztlich egal, welches Buchstaben- oder Zahlensystem man benutzt, außer natürlich man muss es unterrrichten.

Nimm einfach das System, was du am besten kannst.

Entscheidend ist die Art und Weise, wie Akkordfortschreitungen erklärt oder behandelt werden.

Natürlich nicht mehr mit der im klassischen üblichen Stimmführung, aber auf jeden Fall mit den etablierten Mechanismen. (die wir ja seit Jahrhunderten hören, auf jeder Märchenplatte, Filmmusik, Soul, Gospel, Jazzstandards, Pop ....

Es stimmt sicherlich, dass die MUSIKER, irgendwann angefangen haben, anders über die Changes zu denken und zu spielen.
Aber fürs Komponieren und Verstehen von Musik ist die allgemeine Harmonielehre schon ziemlich passend auch für JazzStandards und Pop/Rock


Dazu kommt noch, dass es in den Pop/Rock Harmonielehren und manchmal auch in den Jazz-Harmonielehren teilweise unglaublichen Unsinn gibt.

Die klassische Lehre ist sehr alt und etabliert, da hält sich das mit dem Unsinn eher in Grenzen.

Bei extremen Musikstücken, die es ja in allen Genres gibt, stösst dann irgendwann jeder an seine Grenzen, aber da muss man ja auch nicht undbedingt anfangen.
 
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Behauptet die Funktionstheorie eigentlich funktionale Substituierbarkeit der D durch die Dp und der d durch die dP (wie es die Bezeichnung nahelegen würde)? Ich habe noch nie den Hinweis gelesen, dass Sp und sP zwar die S und die s substitieren können, dasselbe aber nicht für Dp und dP gilt.

Die siebte Stufe in Dur gilt ja als verkürzte D - aber wie behandelt die Funktionstheorie die zweite Stufe in Moll und welche Funktion wird ihr zugesprochen?
 
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Ich glaube, es wäre besser, wenn man zu diesen Fragen einen neuen thread aufmachen würde, weil in diesem thread geht es ja eigentlich um die Frage was ist modal interchange, und wie kann man ihn benutzen.

Vielleicht magst Du das ja mal starten....?
 

Die siebte Stufe in Dur gilt ja als verkürzte D - aber wie behandelt die Funktionstheorie die zweite Stufe in Moll und welche Funktion wird ihr zugesprochen?

Genauso wie in Dur, als Subdominante mit hinzugefügter Sexte, was dem Septakkord der II-Stufe in erster Umkehrung entspricht.

Also in C-Dur: Subdominante (5 6) F A C D oder eben, als D F A C = IIm7

in C-Moll: Subdominante F Ab C D oder eben, als D F Ab C = Dm7b5

erscheint je nach Kontext vll weit hergeholt.... zu erster Frage bezüglich der Dominantparallel. Fällt mir spontan kein Fall ein....

grüße B.B.
 
Ok, sorry - ich dachte, Du hättest Dir im Verlauf dieses Threads bereits bestätigt, dass Du zusätzl. zur klassischen Harmonielehre kein MI-Konzept bräuchtest, weil das redundant sei.

B.B., danke Dir, aber ich glaube, Du hast mich missverstanden, denn das ist ja der Teil der Funktionstheorie, der Im Jazz verwendet wird - ich hänge aber an diesen Funktionssymbolen der klassischen Funktionstheorie, wie Selbender Sing sie zur Erklärung verwendet.

Dabei entstand die Frage, wie
1. die Jazzkadenz in Moll mit Funktionssymbolen versehen wird und
2. , was mir die Funktionssymbole über die Funktion sagen, wenn dort dP geschrieben wird, der Akkord aber Subdominantfunktion hat. In den Lehrtexten im Internetz habe ich bisher nur gefunden, welches Symbol die Nebenfunktionen erhalten und dabei den Hinweis vermisst, dass die Dp (vermutlich als Tg) Tonikafunktion und die dP Subdominantfunktion hat.
 
Ich finde, dass wir hier gerade sehr off topic werden. Dieser thread soll ja Klarheit darüber verschaffen, was es mit dem MI-Konzept auf sich hat.

Und da habe ich noch einige Fragen.

Wir sollten die Diskussion mit der Funktionstheorie und der klassischen Stufenschreibweise in einen anderen thread verlegen.
Ich weiß aber nicht, wie das technisch hier im Board funktioniert.




Ok, sorry - ich dachte, Du hättest Dir im Verlauf dieses Threads bereits bestätigt, dass Du zusätzl. zur klassischen Harmonielehre kein MI-Konzept bräuchtest, weil das redundant sei.

Worauf beziehst du das? Ich denke das immer noch.
 
Wir sollten die Diskussion mit der Funktionstheorie und der klassischen Stufenschreibweise in einen anderen thread verlegen.

Ist doch längst passiert. Guckst Du hier.

Worauf beziehst du das? Ich denke das immer noch.

Weil ich den Eindruck hatte, dass Du das immer noch bzw. sogar mehr denn je denkst, ging ich (wie ich jetzt weiß: irrtümlich) davon aus, dass ich Anschlussfragen zu "Deiner Ersatzlehre" (die ja die eigentliche zu sein scheint) stellen könnte. Hätte ich gewusst, dass Du zu MI doch noch Fragen hast, wäre mein off-topic-Bewusstsein stärker gewesen, denn ich wollte Deinen Thread nicht kapern.
 
Es ging vielmehr um ganz praktische Fragen, wie man den Jazz, Blues und die Popularmusik bis zum damaligen Zeitpunkt der 50er Jahre des 20. Jh. musiktheoretisch beschreibbar und akademisch lehrbar machen kann.
Deshalb haben besonders die seinerzeit am (späteren) Berklee College lehrenden Köpfe (z.B. Pomeroy) nach und Konzepte entwickelt, die ab den 60er Jahren in der Akkordskalentheorie zusammengefasst wurden.

So, wie du es hier beschreibst, ist es ja doch eine umfassende Theorie, die beschreiben will, was in der Jazzmusik so passiert.

Aber MI hat ja viele Lücken. Dominanten werden z.B. nicht berücksichtigt. Diese werden z.b. bei Sikora in einem anderen Kapitel dargestellt.
Er spricht von MI Funtionen im Kapitel "Modal Interchange" und klammert die Dominanten aus, da sie eben Dominantfunktionen sind.

auch kann ich viele alterierte Akkorde nicht darstellen.

(immer in C gedacht)

Fmaj#5, Dmmaj7, Hm7b5#9
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Ist doch längst passiert. Guckst Du hier.

Ah, super. Nicht gesehen.
 
Ich meinte den Klang h d f a cis,
in der klassischen Harmonielehre wäre das eine #9 (bzw 9<)

Aber hier muss es natürlich Hm7b59 heißen.
 
Ich habe eigentlich immer den Eindruck gehabt, dass man alle traditionellen Standards und auch die später in dieser Tradition geschriebenen Jazzsongs komplett mit der allgemeinen Harmonielehre erklären könnte.
Genau das haben Leute wie Fred Harz (Mentor von Frank Haunschid) und die anderen jener Generation zwischen den beiden Weltkriegen des 20.Jh getan, der Jazz ihrer Zeit und ihres Interesses war aber tanzbare Unterhaltungsmusik.

So, wie du es hier beschreibst, ist es ja doch eine umfassende Theorie, die beschreiben will, was in der Jazzmusik so passiert.
Ja, natürlich ist die Akkordskalentheorie eine "umfassende Theorie", wobei sich umfassend auf Rock, Pop& Jazz bezieht.
Modal Interchange ist ein Teilkonzept der Jazz Theorie, aber nicht das Äquivalent.
Du zitierst Sikora, der die Jazztheorie mit allen (für ihn) wesentlichen Elementen beschreibt, ein kanonischer Anspruch ist mir aber weder in diesem noch anderen Lehrwerken aufgefallen.

Alle Autoren behandeln die gleichen Grundlagen und bauen darauf entsreepchend der eigenen musikalischen Ausrichtung unterschiedlich auf, eigentlich genau wie in Geisteswissenschaften üblich.

Akkordskalen haben allerdings auch ihre Konventionen:
Hm7b5#9 bezeichnet nicht h d f a cis
H lokrisch enthält die Töne h c d es f g a h, es kann daher kein #9 im Akkordsymbol stehen

Das cis ist nur ein Ganztonschritt über h, die Bezeichnung #9 umfasst drei Halbtonschritte und ist enharmonisch identisch mit dem Intervall einer kleinen Terz, die beiden anderen Symbolschreibweisen sind b9 für Halbtonschritt und 9 für einen Ganztonschritt als diatonischer None.
Das Hm7b59 geht deswegen m.E. auch nicht.

Gruß Claus
 
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Das Hm7b59 geht deswegen m.E. auch nicht.

Was meinst du mit "geht nicht" ?
Kann man so nicht aufschreiben? Oder kann man so nicht spielen? Oder passt nicht in die MI?

Was ist mit den anderen Beispielen die ein cis enthalten?,
 
Das Hm7b59 geht deswegen m.E. auch nicht.
Lokrisch#2 als 6. Modus von Melodisch Moll (MM6).
Würde man aber Hm7(b5 #2) schreiben.

Aebersold, Jazz Handbook:

upload_2019-11-2_13-18-0.png


Viele Grüße,
McCoy
 
Noch nie gehört - oder? :D
Wobei, "locrian with a natural 9" habe ich zumindest mal gelesen, an ein Hörbeispiel erinnere ich mich aber nicht. Ich muss da mal nachsuchen...
Gefunden habe ich "lokrisch 9" bei Fritsch/Kellert/Lonardoni als VIm7b5 und Akkordskala 1 9 3 11 b5 b13 7.

Der 6. Modus von Melodisch Moll wird auch bei Sikora gleich entsprechend bezeichnet (S. 54):
MM6, Symbol A-7b5, Akkordskala a h c d es f g, lokrisch 9

Gruß Claus
 
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Ich spiele das öfter mal. Man vermeidet die avoid note auf der b9.
 
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wozu gibt es eigentlich Modal Interchange“
Ich habe jetzt nicht den ganzen Faden gelesen und antworte einfach mal direkt auf die Eingangsfrage.

Modaler Austausch bedeutet, dass in einer Modalität Akkorde aus einer anderen, gleichnamigen Modalität verwendet werden. Austauschakkorde vermitteln den Charakter einer Modalität, ohne jedoch dorthin zu modulieren.
Sie sind am effektivsten, wenn sie strategisch gut plaziert sind und nicht zu häufig vorkommen, um so einen unerwarteten Effekt in einer Kadenz zu erzielen.
Theoretisch kann jeder Akkord jeder beliebigen Modalität als Austausch gebraucht werden. Die Gebräuchlichsten kommen jedoch zum großen Teil aus dem gleichnamigen Aeolisch. Diese werden u.a. zur Bildung von Subdominant-Moll-Kadenzen benutzt. Das wären die Stufen IIm7(b5), IVm7, bVIMA7 und bVII7.

Hier eine Liste der gebräuchlichsten MI Akkorde.

upload_2019-11-2_14-26-45.png
 
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|C |G |Db |Am | Klingt doch super :D

Das war nun ein (absichtlich) verunglücktes Beispiel für M.I. Akkorde, denn:

Du präsentierst die Töne: db f a. Die bilden zusammen einen übermäßigen Akkord. Das Ohr wirft daraufhin eine Fehlermeldung aus. Der Grund liegt im Am mit dem Ton c. Da dieser mit dem as (Quinte von Db) zusammenwirkt, entsteht ein weiterer übermäßiger Akkord: as - c - e. (e kommt vom Am). Zwei übermäßige Akkorde zugleich erlauben keine schlüssige Fortschreitung mehr. Wenn schon, dann müsste Am durch A ersetzt werden. db ist dann enharmonisch cis. Es entsteht ein übermäßiger Akkord cis f a. Typische Auflösung leittönig, z.B. zum Ton d , z.B. als D und mit der Auflösung wird der übermäßige Akkord im Nachhinein erklärt.

M.I. Akkorde lassen sich auf Parallelen und deren Funktionsäquivalenz (das kommt aus der Funktionstheorie) zurückführen. Man nehme z.B. die I : Parallelen für die I sind bIII und VI. Die Akkorde "nehmen" verschiedene Modi. Der terzuntere nimmt Mixolydisch, der terzobere Lydisch. Daraus resultiert ein sehr heller Klang: Parallelenpaare "klingen einfach gut". Der terzuntere Akkord wird kurzzeitig zugleich tonales Zentrum und dominantisiert - wegen mixolydisch. Nehmen wir die VI als terzunteren, ergibt sich als typischer Zielakkord die II, aber auch die V kommt in Betracht. Beide sind zu VI diatonisch. Beim Parallelenpaar I mit bIII sind als Zielakkorde IV und bVII interessant. Das geht auch rückwirkend. Somit tragen die M.I.-Akkorde, auch wenn sie selbst nicht diatonisch sind, zur (weiteren) Diatonisierung bei.
 

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