Natürliches Moll trotz Dominante in Dur?

  • Ersteller mjchael
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Auch die Fuge in h-moll BWV 869 aus dem WTC I dürfte bis heute für so manchen Hörer wie Musik von einem anderen Stern klingen.
Klasse Beispiel. Ich hatte mir neulich mal bei einer Bach-Fuge für ein paar Takte die Harmonien angeschaut (die trotz der linearen Stimmenstruktur ja meist identifizierbar sind) - es ist spannend, da hast du in einem Takt meistens 4 bis 6 Akkorde, und es moduliert hin und her, mit ganz subtilen Methoden. Irre der Typ.
 
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Vor harmonischer Komplexität schreckt Bach selbst bei Fugen für die Laute nicht zurück, was den Ausführenden fast schon akrobatisches Geschick vor allem der linken Hand abverlangt. Was diese hervorragende (Gitarren-)Solistin aber mit Bravour meistert:


View: https://www.youtube.com/watch?v=eW5tZGuQnOU

An Vorhalten mit großen und kleinen Sekunden und Septimen scheint Bach bei dieser Komposition auch reichlich Freude gehabt zu haben. Klingt ja auf Laute/Gitarre auch vom Feinsten. Wüsste jetzt wirklich nicht, was daran irgendwie abschreckend sein bzw. gewesen sein soll.
(Hier Noten zum Stück: BWV 998)

Und sind nicht in dem regelrecht populären "Praeludium 1" (BWV 846) etliche maj7 (z.B. Takt 8, 16, 21)? Und erst der DDv über dem Dominant-Grundton in Takt 28, was für herrlich dissonanter Sound! Und weil es so schön ist, der D7 über dem Tonika-Grundton C und der maj7 in der linken Hand!
Das hat nicht nur Bach sehr gut gefallen, sondern sicher auch seinen Zeitgenossen und bekanntlich vielen danach bis heute.
(Noten: Prealudium 1)
 
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Bach war seiner Zeit weit voraus und wurde als Komponist von den Zeitgenossen nicht sehr geschätzt.

Vom zeitgenössischen Musikpublikum wurde Bach als virtuoser Musiker und Improvisator sowie als Orgelsachverständiger hoch geschätzt. Als Komponist rangierte er jedoch im Ansehen der damaligen Musikwelt unter dem anderer Komponisten wie Händel, Telemann und selbst Graupner. Nur wenige von Bachs Kompositionen erschienen zu seinen Lebzeiten im Druck (wie aber auch bei vielen anderen Barockkomponisten der Fall), und der Großteil seiner Werke geriet nach seinem Tod jahrzehntelang weitgehend in Vergessenheit.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Sebastian_Bach
 
von den Zeitgenossen nicht sehr geschätzt.

Zwischen "hinter Händel und Telemann" und "nicht sehr geschätzt" besteht ein gewaltiger Unterschied. ;)

Bei den Zeitgenossen muss man auch unterscheiden zwischen dem Rat der Stadt Leipzig und den Musikern / musikalisch gebildeten. Ich würde bei Bach eher sagen, dass sich da die Geister schieden.
Seine Musik ist natürlich anspruchsvoll gewesen, aber teilweise auch sehr effektvoll, zB die Passionen
Dazu kommt, dass er sich mit dem Rat der Stadt auch mächtig in den Haaren lag wegen Unterrichtsverpflichtungen, Schülerauswahl usw.

Andere haben ihn dagegen sehr geschätzt und auch gefördert.
Letztlich war das aber ja bei vielen Komponisten so.

Bach war seiner Zeit weit voraus
Die Aussage finde ich nicht sinnvoll. Er lebte genau in seiner Zeit, auch wenn er natürlich in dieser Zeit "modern" war - das waren aber viele Komponisten. zB seine Textausdeutung, Bearbeitungen usw., das passt genau in diese Zeit.
Das was er musikalisch gemacht hat, gab es auch danach so nicht mehr. Niemand hat mehr solche Musik geschrieben, also nicht von der Genialität her, sondern vom Stil. Da passt "voraus" auch nicht.
Vielleicht kann man eher sagen, er komponierte auf einem anderen Level ...
 
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Es stellt sich die Frage, wer Bachs Kompositionen überhaupt zu seiner Zeit hören konnte. Wenn sie nicht einmal gedruckt wurden, gab es nur einen, der sie gespielt hat: Bach selbst. Wahrscheinlich auch nur ein einziges Mal zu dem Anlass, für den sie geschrieben waren, also in der Regel einem Kirchenfest. Wie mag das auf die Zeitgenossen gewirkt haben? Die Kompositionen sind so komplex und ungewöhnlich, dass die Stücke wie ein Tongewitter über die Hörerschaft gekommen sein müssen, das sie kaum intellektuell und gefühlsmäßig erfassen konnten. Was blieb, war der Eindruck einer großen Virtuosität und Schaffenskraft. Wären Bachs handschriftliche Aufzeichnungen durch ein Feuer oder einen Wasserschaden in den 100 Jahren zerstört worden, in denen er komplett vergessen war, wüsste heute niemand von J. S. Bach und seinem großartigem Werk.
 
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Es stellt sich die Frage, wer Bachs Kompositionen überhaupt zu seiner Zeit hören konnte.
Bach war Kantor ...

Später gab es mindestens wöchentliche Konzerte im Coffee Baum mit dem Collegium Musikum, die Thomaner sangen auch in anderen Kirchen Leipzig und der Umgebung ... Seine Musik dürfte also ziemlich präsent gewesen sein.

Wenn sie nicht einmal gedruckt wurden, gab es nur einen, der sie gespielt hat: Bach selbst.
Nein, Noten wurden früher viel handschriftlich kopiert.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Anlass, für den sie geschrieben waren, also in der Regel einem Kirchenfest.
WK ... Instrumental-Suiten ... Orgelwerke ... Kantaten ... Instrumentalkonzerte ... Orchestersuiten ... ? Nix mit Fest.
 
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Wenn sie nicht einmal gedruckt wurden, gab es nur einen, der sie gespielt hat: Bach selbst.
Eieiei, da wären ein wenig Kenntnisse vom historischen Umgang mit Noten gut ... ;)
Noten wurden lange Zeit von Hand abgeschrieben. Orchesternoten wurden durch professionelle Schreiber vervielfältigt.
Diese Schreiber waren so versiert, daß sie z.B. manche Streichernoten so unterschiedlich kopiert haben, damit beim Umblättern kein Bruch entsteht (eine Hälfte der Streicher kann mit den anderen Noten weiterspielen).

Notendruck ist dagegen sehr aufwendig. Auch heute noch. Auf der einen Seite wurden zwar die Werkzeuge besser, aber dafür die Noten auch immer ausgefeilter.

So, und wieder bist Du mit einer steilen These angerückt, die sich als haltlos erweist.
 
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Ich will mich jetzt nicht als der Bach-Experte aufspielen, der ich nicht bin. Bach war dritte Wahl für das Kantorenamt in Leibzig und nur wenige musikalisch Hochgebildete konnten in seiner Zeit sein Genie wertschätzen. Richtig populär wurde er erst im 20. Jahrhundert, aber das kann man alles im Wiki-Artikel nachlesen. Ich bleibe bei meiner Formulierung, dass Bach seiner Zeit musikalisch weit voraus war.

Troubadix mit seiner Vierteltonmusik wird bis heute nicht so wertgeschätzt, wie er es möglicherweise verdient hätte. :stars:
 
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Bach war dritte Wahl für das Kantorenamt in Leibzig
Jemand, der als dritter Bewerber auf der Liste für ein hochbegehrtes Amt steht und dann genommen wird, ist bei Dir also unpopulär ... unbekannt 🙄 🙂

Ich bleibe bei meiner Formulierung, dass Bach seiner Zeit musikalisch weit voraus war.
Ich habe den Eindruck Du denkst nur an solche Werke wie Musikalisches Opfer oder chromatische Fugenthemen. Aber hör Dir doch mal die Orchestersuiten an, die Instrumentalkonzerte, die Kantaten. Genial, keine Frage, und natürlich hat er Dinge gemacht, die neu waren, aber das passt genau in die Barockzeit. Musikalisch wie inhaltlich und textlich. Keine 50 Jahre später war das schon altmodisch, keiner wollte mehr in dieser Art komponieren.

Vielleicht könnte man sich ja darauf einigen, dass er der innovativste Komponist in seiner Zeit war ...?
 
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Wenn du meinst.
 
Bach war dritte Wahl für das Kantorenamt in Leibzig und nur wenige musikalisch Hochgebildete konnten in seiner Zeit sein Genie wertschätzen.
Das hört sich so pejorativ an. Tatsächlich war es offenbar so, daß die LeiPziger Telemann haben wollten, der sich aber auf mehrere Stellen beworben hatte um in Hamburg bessere Konditionen auszuhandeln. Mit Graupner erging es ihnen wohl ähnlich. Nach diesen beiden Absagen gingen mehrere Bewerbungen um die berühmte Thomaskantor-Stelle ein, und unter diesen Bewerbungen wählte man Bach aus. Man könnte das also auch andersrum bewerten: Dritte Wahl bedeutet dann nicht wie bei heutigen Produkten B-Ware oder C-Ware, Artikel, die kleine Fehler aufweisen etc., sondern dritte Wahl bedeutet dann: Bach wurde als der drittbeste Musiker im damaligen Deutschland angesehen.

Bach hat dann sofort angefangen zu komponieren und u.a. jede Woche eine neue Kantate in der St. Thomas oder St. Nikolai aufgeführt, außerdem gab er Konzerte in der Region, z.B. in Dresden, die wohl häufig an der Orgel improvisiert waren (bis zu 8-stimmigen Fugen z.B.). Ich denke schon, daß das zeigt, daß er als Musiker sehr gefragt war und seine Kompositionen auch geschätzt wurden.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Bach hatte zeitlebens verschiedene Anstellungen, auch weltlich, und wurde weitgehend geschätzt, jedenfalls von Kennern und musikalisch Sachverständigen. Beim ´normalen´ Volk bzw. den Gemeindemitgliedern, aber immer wieder auch Leuten aus dem Presbyterium war vor allem sein Orgelspiel zu komplex, zu überladen. Seine Chorvorspiele wurden schon in seiner ersten Anstellung in Arnstadt vom Presbyterium kritisiert weil sie die Gemeinde wohl etwas abschreckten.*

Aber aus diesen und vergleichbaren Zusammenhängen zu schließen, das Bach "seiner Zeit voraus" gewesen sei, halte ich für unzutreffend. Bachs Klangsprache hält sich doch sehr an die üblichen stilistischen Elemente seiner Zeit, es ist praktisch alles irgendwo auch bei seinen Zeitgenossen zu finden. Auch als "Neuerer" würde ich Bach nicht bezeichnen wollen.
Was bei Bach besonders ist, ist seine unbeirrbare Konsequenz, seine thematische, harmonische und formelle Dichte. Und natürlich vor allem seine extrem auf die Spitze getriebene hohe Kunst der Kontrapunkts, den er bekanntlich in nahezu unvergleichlicher Weise mit der harmonischen Ebene ausbalanciert.

Bach konnte auch "Unterhaltungsmusik", aber die "Leichtfüßigkeit" eines Telemanns, die dessen Werke sozusagen viel einfacher konsumierbar machten - und machen -, lag nicht im Zentrum des Bach´schen Schaffens. Ein Anhänger des "galanten Stils" war Bach offensichtlich nicht.
Bei Händel liegt die Sache wieder ein wenig anders. Dessen Popularität hat sicher auch vor allem damit zu tun, dass er sich mit seinen Opern im Zentrum der damaligen "Unterhaltungs-Szene" aufhielt, waren Opern doch das populäre Genre dieser Zeit schlechthin.

Bachs Schaffen kreist im Wesentlichen um geistliche Musik, vor allem Musik (zunächst) der protestantischen Kirche. Ein Genre also, dem per se erst mal keine große Popularität anhängt. Man soll sich auch nicht täuschen, denn auch heutzutage gibt es auch unter den Klassikliebhabern den einen oder anderen, den Bachs Komplexität überfordert, und der Bach daher nicht sonderlich schätzt. Da aber Bachs kompositorisches Können unzweifelhaft feststeht, äußern sich jene Kritiker in der Regel nicht dazu.
Auch ist der christlich-religiöse Impetus der (geistlichen) Werke Bachs von fundamentaler Bedeutung, war er doch ein tiefgläubiger Christ und sah sein musikalisches Schaffen auch als Gottesdienst. Würden aber nur gläubige Christen in die Aufführungen von z.B. dem Weihnachtsoratorium gehen, hätten diese heutzutage nur einen relativ geringen Zulauf.

Gegen Ende seines Lebens galt vor allem sein kontrapunktischer Stil als "alter Zopf". Schon "populärer" zu dieser Zeit waren seine (komponierenden) Söhne, die den ´neuen´ Stil der Vorklassik, des Zeitalters der "Empfindsamkeit" gut zu bedienen wussten.

*)
Hier ein Zitat dazu:
"Überhaupt muss er sich einiges an Kritik anhören: etwa wegen „wunderlicher variationen“ und „frembder Thöne“ auf der Orgel, mit denen er den Choralgesang der Kirchengemeinde durcheinander brächte, ..." [DLF]
Hier ein ausführlicherer Text zu seiner Zeit in Arnstadt: https://www.bach.de/leben/arnstadt.html
Aus der sehr guten Bezahlung die er als noch ganz junger Kantor und Organist in Arnstadt erhielt wird deutlich, dass Sachverständige sein Können wohl zu schätzen wussten. Die zitierte Kritik macht darüber hinaus aber auch deutlich, wie durchwachsen Presbyterien schon damals besetzt waren.
Selber war er sich seines Könnens im Übrigen sehr bewusst, er soll diesbezüglich auch sehr selbstbewusst aufgetreten sein.
 
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Die Folgen von "Universum JSB", auf die Du hier verlinkt hast, sind im übrigen sehr zu empfehlen. Ein unterhaltsames lehrreiches Mittelding aus Feature und Hörspiel. Ich fand das großartig.
 
Moin!

Das ist die Nebendiskussion (wie ist Bach einzuordnen) zur Nebendiskussion (maj7 und Co. gab es nicht erst seit letzter Zeit, wurde schon von Bach,Vivaldi und später Satie benetzt) zur Nebendiskussion (wie kann man pentatonische Melodien Harmonisieren? Klingt schön mit maj7 ...) zur Nebendiskussion (Volkslieder sind oft pentatonsich?) zur Nebendiskussion ...

Es ist völlig unerheblich. Tatsache ist halt, dass Bach kein unbedeutender Komponist war und nicht nur er hat schon maj7 benutzt, was die Aussage "Mit maj7 und m7 wärst du vor nicht allzu langer Zeit wie Troubadix behandelt worden." halt fragwürdig macht.

Ach ja, im Jazz gibt's den maj7 auch schon seit 100 Jahren.

@MaxJoy
Also, was meinst Du 'vor nicht allzu langer Zeit'? Vielleicht haben wir da andere Vorstellungen.

Grüße
Omega Minus
 
Also, was meinst Du 'vor nicht allzu langer Zeit'? Vielleicht haben wir da andere Vorstellungen.

Mir ist bekannt, dass Bach vielleicht als Erster typische Jazzakkorde in seiner Musik verwendet hat. Im Praeludium (und späteren Ave Maria) finden sich sogar verminderte Akkorde. Nur hat damals kaum ein Zeitgenosse kapiert oder gemocht, was er da macht. Breitere Verwendung und Akzeptanz für solche Musik gibt es erst seit der Romantik, in Deutschland sogar erst seit der Nachkriegszeit als Amerikaimport. Musikgeschichtlich ist das ein Klacks.
 
Die Frage ist eigentlich nur, was für Dich unter "typischen Jazzakkord" fällt.
Und das Auftauchen verminderter Akkorde (sic. "sogar" ...) ist/war wohl kaum eine Besonderheit. Auch nicht zu Bachs Zeiten.

Thomas
 
Und das Auftauchen verminderter Akkorde (sic. "sogar" ...) ist/war wohl kaum eine Besonderheit. Auch nicht zu Bachs Zeiten.

Bring doch mal ein paar Beispiele für diese Behauptung. Ich lerne gern dazu ...
 

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