Passende Akkorde finden

  • Ersteller Matti91
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Na gut, dann gehen wir mal ein bisschen tiefer in die Kunst des Songwritings.

Es gibt also Hauptdreiklänge, Nebendreiklänge, man kann sie miteinander ersetzen, und in bestimmter Reihenfolge gespielt – Kadenz genannt – funktionieren die ziemlich gut. Aber warum?

Gitarristen werden es beim Herumspielen erlebt haben: man übt eine Stelle oder jammt einfach herum, verspielt sich genau um einen Bund, rutscht noch rauf, um richtig zu liegen – und merkt, wie saugeil das klingen kann. Man liegt ein bisschen falsch neben dem richtigen Ton, rutscht dann noch hin – ein cooler Effekt, der bei fast jedem Solo eingesetzt wird. Was passiert da?

Aus dem Bauch heraus würde man sagen: man spielt den „falschen“ Ton, ein bisschen spannt man sich an, weil er halt nicht passt – und entspannt sich dann, wenn der richtige kommt. Und diese Anspannung, die ist es doch, warum wir so vieles geil finden! Auch rhythmisch gesehen: immer, wenn etwas nicht ganz einrastet löst das was in uns aus, wir hören hin, Gänsehaut kommt, und wenn es einrastet fühlt sich das genial an. Natürlich darf das nicht zu extrem sein, man kann nicht einfach irgendwas spielen, was komplett falsch ist, und hoffen, dass es dann irgendwann wieder passt. Ist wie beim Küssen: ein bisschen rumbeißen auf der Lippe ist geil, aber wenn er/sie sich mit beiden Zahnreihen wirklich ranhängt macht das den meisten keinen Spaß mehr. :D

Heißt: Spannung und Entspannung sind zwei wichtige Begriffe in der Musik. Schauen wir uns nun unsere Kadenz an, ich verwende wieder C-Dur als Beispiel.

Logischerweise ist der Grunddreiklang unsere Entspannung:

C – E – G

Die drei gemeinsam gespielt haben wir unsere Tonika, unseren Ruhepol. Jetzt wollen wir etwas Anspannung bringen – nur wie? Und hier ist ganz wichtig zu verstehen: Anspannung kommt NICHT dadurch, dass man irgendwas anderes spielt! Also zum Beispiel F#-Dur mit F#-A#-C#. Klingt auch nicht schlecht, aber ist nicht die direkt funktionierende Anspannung-Entspannung, die wir haben wollen. Nein, wie beim Gitarre spielen sollten das Töne sein, die in der Nähe liegen. Der Ton, der jetzt am meisten Sinn macht, ist auf jeden Fall das H. Warum? Zum Einen ist er fast genau beim Grundton, dem C, zum Anderen sogar in der Grundtonleiter enthalten! Und wenn wir mal probiert einen C-Dur Dreiklang zu spielen und dann ein H, dann merkt ihr: da will ich wieder zurück zum C, dann erst ists fertig.

Wo in unseren Hauptdreiklängen ist nun ein H dabei? Nur bei der V. Stufe, jetzt also G-Dur! Und deswegen ist es logisch, nach G-Dur C-Dur zu spielen: alle Töne von G-Dur enden irgendwie in C-Dur.

G bleibt G (Kein Unterschied
H wird zum C (Halbton)
D wird zum E (Ganzton)

Und so hat man in dieser kleinen Grundwendung die drei wichtigsten Auflösegegebenheiten (Ganzton-, Halbton und gar kein Unterschied) drinnen.

Natürlich muss man nicht immer An- und Entspannung nacheinander machen. Dafür gibt’s ja auch die Subdominante, hier jetzt F-Dur:

F – A – C

Der hat nämlich unseren Grundton, das C, noch drinnen, und deswegen spannt der nicht so an, bringt aber etwas Bewegung rein. Man sagt auch, dass die Kadenz so funktioniert:

Tonika, C-Dur (Entspannung, passt alles)
Subdominante, F-Dur (Vorbereitung, man merkt, dass was kommt)
Dominante, G-Dur (Anspannung, jetzt isses da :D)
Tonika, C-Dur (Entspannung, passt wieder alles)

Und nun ist auch etwas klarer, warum E-Dur besser in A-Moll übergeht als E-Moll:

E bleibt liegen
H wird zu C (Halbton)
G# wird zu A (Halbton)

Zwei aufgelöste Halbtöne! Das macht das natürlich interessanter, deswegen ist es gut, wenn man Spannung will, die V. Stufe in Dur und nicht in Moll zu spielen.

Ich weiß, das ist schwerer zu verstehen, weil das echt schon an den Kern der Materie geht. Ihr solltets folgendes Mitnehmen: wenn ihr passende Akkorde sucht, überlegt, ob sie mehr oder weniger Spannung bringen sollen. Denn natürlich kann man sich mit dem Ganzen spielen. Lady Black zum Beispiel funktioniert ohne Dominantakkorde oder Kadenz, nämlich nur Am und G. G kann man als Parallelstufe zu Em sehen, das heißt: da spielt man ganz bewusst ohne große Effekte, ohne nervenzerreißende Anspannung, sondern auf einer ganz einfachen Ebene. Und das passt auch gut zum Lied, denn es wird ja von jemandem in seinem ewigen Trott erzählt, dass er kämpfen muss und eigentlich kaum noch Lebenswille hat, und die Lady in Black hilft ihm...

Ihr seht, man kann mit einfachsten Mitteln extrem viel machen, wenn man sie nur einzusetzen weiß. Vor allem kann man auch die Musik bewusst zum Geschichtenerzählen einsetzen, was für Songwriter natürlich viel wert sein kann. ;) Hört euch mal ein paar Lieder eurer Lieblingsbands an – schaut auch vor allem, ob sich die Lieder von den Akkorden ähneln oder nicht! Viele haben da bevorzugte Wendungen, und ganz vielen ist gar nicht bewusst, wie variantenreich man arbeiten könnte. :)

Noch zwei kleine Hinweise für Interessierte:

Wenn man bei der V. Stufe noch die Septime, das F, hinzugibt, also einen G7 spielt, hat man einen weiteren Ton, der sich auflöst, nämlich:

F wird zum E (Halbton)

Deswegen ist ein Dominantseptakkord auch so spannungsreich. ;)

Und jetzt nehmen wir unseren G7-Akkord und lassen nur die beiden Halbtonauflösungen:

H wird zu C
F wird zu E

H und F hören sich gemeinsam besonders schief an – das ist ein sogenannter Tritonus, das spannungsreichste Intervall in unserer Musik! Wenn ihr diese beiden Töne lasst, und danach C-Dur spielt, passt das. Wenn man nun noch zwei weitere Halbtonauflösungen hinzugibt, nämlich C# und G#...

C# wird zu C
F wird zu E
G# wird zu G
H wird zu C

Haben wir auf einmal einen echten Akkord, nämlich einen C#7! Den kann man also statt einem G7 spielen, der wird auch Substitute for Five oder kurz Sub5 genannt und ist vor allem im Jazz vertreten. Und so kann man ganz leicht auf einmal ein bisschen jazzig spielen – einfach den Akkord einen Halbton höher voranspielen. ;) Und für Metalheads: wenn ihr chromatisch runtergeht, was ja vorkommen soll, dann ist das eine Verkürzung dieses Prinzips. Könnt mal schauen, wie leicht man so harte Stücke verjazzen kann ohne viel zu ändern. ;)

So, hoffe, das war halbwegs klar, wenns konkrete Fragen gibt, einfach sagen. :)
 
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Guten Tag,

Ich bin gerade über eure Antworten geflogen und schaue mir diese gleich noch genauer an.
Liege ich mit meinem folgenden Text richtig?

Wenn ich mir Lieder anschaue dann sehe ich gewisse Vorzeichen. Ich kann anhand der Vorzeichen sagen welche Tonleiter gewählt wurde. Das sehe ich sehr oft bei klassischen Stücken.

Bei vielen Pop Songs liegt der Fokus auf einer Akkordfolge.
Müssen alle Akkorde denn dann in eine einzige Tonleiter passen?
Oder kann man auch unterschiedliche Tonleitern verwenden?
BSP:
Ich möchte die C Dur Tonleiter spielen:
cdefgah:
Hier mal 4 mögliche Akkorde: C, G, Am, Dm...

A-Dur kann man dann nicht spielen, wegen c#, was nicht in der C-Dur Tonleiter ist....
Ist das richtig so?
----
 
Ich kann anhand der Vorzeichen sagen welche Tonleiter gewählt wurde. Das sehe ich sehr oft bei klassischen Stücken.
Nicht ganz, und nicht immer. Die Vorzeichen allein sagen nichts über das Tongeschlecht aus (Dur/Moll), außerdem können Kompositionen schon mal in einer Kirchentonart gehalten sein, bei denen die Vorzeichnung dann recht verwirrend sein kann.
Aber in der Regel hast Du recht.
Müssen alle Akkorde denn dann in eine einzige Tonleiter passen?
Nein.
Oder kann man auch unterschiedliche Tonleitern verwenden?
Ja.
A-Dur kann man dann nicht spielen, wegen c#, was nicht in der C-Dur Tonleiter ist....
Ist das richtig so?
Im Prinzip ja.
Aber Deine ganze Herangehensweise ist ein wenig um die Ecke gedacht.
Beispiel: In C-Dur tauchen am häufigsten die folgenden Akkorde auf: C - F - G - Am - Dm - Em.
Das heißt aber nicht, daß man dauernd und wahllos über jeden beliebigen Akkord aus dieser "Akkordfamilie" irgendwie die C-Dur-Tonleiter "darüberklimpern" kann, und das auch gut klingen soll.
Die Abfolge der Akkorde geschieht meist in bestimmten Konstellationen (Stichwort: Kadenz), und da gibt es immer mal den einen oder anderen Ton aus der Tonleiter, der in die jeweilige Situation gerade nicht paßt.

Geschickter fände ich es, Du würdest Dich vorher einmal intensiv mit dem Wesen und Klang von Kadenzen vertraut machen und damit, welche Töne darin jeweils besonders wichtig sind.

LG
Thomas
 
Ich bin gerade über eure Antworten geflogen ...

... wobei dir allerdings offenbar nicht aufgefallen ist, dass der letzte Beitrag von 2011 ist.

Ich möchte die C Dur Tonleiter spielen: [...]
Hier mal 4 mögliche Akkorde: C, G, Am, Dm...

Vier "mögliche Akkorde" WOZU? Als Akkordbegleitung zur Tonleiter? Dafür muss man sich keinen Kopf über "mögliche Akkorde" machen, sondern kann sich auf die drei Hauptfunktionen T/S/D (in C: C, F, G7) bzw. die Oktavregel beschränken.
 
ok vielen Dank für die schnelle Antwort.
Ok die Tonika bildet das Zentrum. Tonika fällt zur Subdominante, Dominante fällt zur Tonika...
Ja das muss ich erst mal verstehen.

Ich höre gerade, dass wenn der Akkord Am auf E fällt, es sich gut anhört. Wie lässt sich das erklären? Im Quintenzirkel sind die doch weit auseinander oder? - ein Stichwort dazu genügt mir.
 
Naja ... E-Dur ist die Dominante von A-Moll. Insofern nicht verwunderlich, daß sich die beiden im Wechsel gut anhören.

Thomas
 
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Wenn Du eine Tonika hast, dann fällt die nirgendswo hin. :D
Sie ist tonales Zentrum und als solches der Ruhepol einer Kadenz.

Bezogen auf die durchaus richtige Aussage "Tonika fällt zur Subdominante ... " (richtig, weil der T-Grundton zum S-Grundton "fällt"!) kann die T-Funktion als "Ruhepol" nicht verallgemeinert werden. Tonales Zentrum und "Ruhepol", d.h. Zielklang einer Akkordfolge sind voneinander zu unterscheiden.

Die Progression Tonika -> Subdominante ist tatsächlich eine Dominantbeziehung, wobei der Funktionswechsel der T zur "D von S" häufig noch durch die 7 verdeutlicht wird, z.B.:
C C7 | F Fm | C/G G7 | C .
"Tonika" als Zielklang der Kadenz ist hier lediglich der C-Akkord nach der Dominante G7, alle anderen C-Klänge sind Strebeklänge mit Fortführungs- bzw. Auflösungstendenz. Die Funktion T=Finalklang kann also nicht von ihrer zeitlichen Stellung getrennt werden - wäre das C am Anfang der Kadenz ein "Ruhepol" ohne weiteres Entwicklungspotential, würde man auf der Stelle treten, und die nachfolgenden Akkorde wären nicht mehr erklärbar!
 
Die Progression Tonika -> Subdominante ist tatsächlich eine Dominantbeziehung, wobei der Funktionswechsel der T zur "D von S" häufig noch durch die 7 verdeutlicht wird, z.B. C C7 | F
In deinem Beispiel folgt dem C als Tonika der Dominantseptakkord C7, der sich freilich gut zum F auflöst.

Eine Subdominante mag der Akkord F im größeren Kontext sein, die eigentliche Bewegung ist dagegen eine andere, nämlich von einer Dominante C7 zu einer Pseudo-Tonika F.

Die Grundtonbewegung der "fallenden Quinte" ist immer bestens geeignet, einen "key of the moment" einzuführen, nur wird dabei nicht mehr der erste Akkord tonikal wahrgenommen, sondern der folgende zweite Akkord.
Mit weiterem Fortgang der Akkordfolge mit Bestätigung der Tonika C mag das musikalische Hören den Klangeindruck relativieren und die kurzlebig dominatische C7 zur Färbung umdeuten.

Willi Thomas selig hat die zentrale Rolle der fallenden Quinten für den tonalen Jazz immer zu Beginn seines Improvisationskurses erläutert und das in einer kleinen praktischen Übung vorgemacht bzw. nachvollziehen lassen.
Emily's First Jazz Encounter

Gruß Claus
 
In deinem Beispiel folgt dem C als Tonika der Dominantseptakkord C7, der sich freilich gut zum F auflöst.

Hier könnte auch nur C-Dur stehen. Die 7 dient - wie ja bereits geschrieben - der funktionalen Verdeutlichung, ist aber entbehrlich, da die Terz e des C-Akkords als Leitton zum f bereits eine ausreichend kräftige Strebewirkung hat.

Eine Subdominante mag der Akkord F im größeren Kontext sein, die eigentliche Bewegung ist dagegen eine andere, nämlich von einer Dominante C7 zu einer Pseudo-Tonika F.

Warum "Pseudo-Tonika"? So wie die Dominante der Tonika zwischendominantisch z.B. durch das II-V-I-Modell (DD-D-T) angesteuert werden kann, ohne deswegen gleich als tonikalisiert aufgefasst zu werden, kann auch die Subdominante im Quintfall erreicht werden (DS-S-T), wobei die "Dominante der Subdominante" im Akkordmaterial, nicht aber in der Funktion, mit der T identisch ist. Das trifft auch auf T=SD (Subdominante der Dominante) zu, wobei I-V-I funktional eben nicht einfach als T-D-T, sondern wesentlich dynamischer als SD-D-T (S-Spannung->D-Spannung->Ruheklang) aufgefasst werden kann.
Die Folge D-T bzw. S-T entspricht auch im Zeitverlauf dem metrischen Schema von Spannung-Entspannung, die Folge T-D bzw. T-S würde dieses Spannungsgefälle jedoch neutralisieren, sofern man T nur eine Funktion, nämlich die des "entwicklungslosen Ruheklangs" zubilligt.

Die Grundtonbewegung der "fallenden Quinte" ist immer bestens geeignet, einen "key of the moment" einzuführen, nur wird dabei nicht mehr der erste Akkord tonikal wahrgenommen, sondern der folgende zweite Akkord.

Nach diesem doch arg "tonal kleinräumig" gedachten Konzept wäre z.B. C-F-G7-C nicht mehr als "das" T-S-D-T- bzw. I-IV-V-I-Kadenzmodell aufzufassen, sondern als modulierende Sequenz:
F: V-I + C: V-I.
Und genau darum geht es auch in deinem YT-Link, nämlich um eine melodische 2-Ton-Sequenzierung im Quintenzirkel abwärts. In diesem Kontext sind funktionale Beziehungen nicht nur nebensächlich, sondern überhaupt nicht relevant.

T=SD-S-D-T ist hingegen auch ohne "key of the moment"-Klimzüge mit I-IV-V-I kongruent.
Über die von mir vorgeschlagene Differenzierung der ersten Stufe als DS in Initial- bzw. als T in Finalposition kann man diskutieren, dies betrifft aber ohnehin nur die funktionsharmonische, nicht aber die stufenharmonische Analyse.
 
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