Interessant, womit die Leute alles Geld verdienen!
Ich habe mich gerade mal zum Thema "directional cables" versucht ein wenig schlau zu machen. Die Ausbeute bei Google ist da allerdings eher mau.
Fangen wir also mal von der theoretischen Seite aus an:
1. Die Elektrogitarre ist ein Zweipol.
Das bedeutet es sind mindestens zwei Adern ("Heiß" und "Rückleiter") erforderlich, um eine elektrische Verbindung zu einem Verstärker zu erzeugen und den Stromkreis zu schließen.
2. Eine dedizierte Abschirmung ist in der Regel nicht vorgesehen.
In der Praxis wird als elektrische Verbindung von Instrument und Verstärker ein sogenanntes Koaxkabel verwendet:
Bei diesem Kabeltyp wirkt der Außenleiter (das Geflecht) gleichzeitig als Abschirmung und Rückleiter (Masse).
Um eine wirklich effiziente Abschirmung zu erhalten, sollten die signalführenden Leitungen und die Abschirmung am besten getrennt sein.
Erste Schlußfolgerung
In der Konsequenz würde das bedeuten, daß ein Koaxkabel mit zwei Innenleitern verwendet werden muß. Damit sind wir schon fast bei dem sogenannten symetrischen Betrieb, der im PA-Bereich (Mikrofon,...) Standard ist.
Für die Elektrogitarre (und den Baß) macht das jedoch nur Sinn, wenn der gesamte Übertragungsweg symetrisch aufgebaut wird. Also Instrument, Kabel, Effektgeräte, Verstärker. Das käme einer Art Revolution gleich und wird schon aus diesem Grunde wohl nicht eintreten.
Wie diese "directional cables" tatsächlich aufgebaut sind, kann ich aus eigener Erfahrung nicht sagen. Vermutlich handelt es sich tatsächlich um ein Koaxkabel mit zwei Innenleitern, das wie folgt verdrahtet ist:
Masse und Hot werden gitarrenseitig an die beiden Pins des Steckers gelötet. Dabei sollte Hot auf den Innenleiter des Klinkensteckers (Tip) gelötet werden.
Die Abschirmung (im Bild grau) wird auf keinem Fall an der Gitarrenseite angeschlossen.
Auf der Instrumentenseite wird das Geflecht und der Rückleiter (hier blau) gemeinsam an den Außenleiter (Ring) des Klinkensteckers verbunden.
Zum Vergleich ist darunter noch einmal die Verdrahtung eines konventionellen Kabels dargestellt.
Was auf diese Weise erreicht wird, ist eine sogenannte "Sackschirmung". Die Abschirmung des Koaxkabels wirkt als Antenne für elektrische Störungen und bietet einen niederohmigen Pfad nach Erde. Auf diese Weise wird verhindert, daß
- elektrische Störungen in die "heiße" Ader gelangen und
- elektrische Störungen in den Rückleiter (Masse) gelangen.
Aus elektrotechnischer Sicht ist diese Idee grundsätzlich richtig und (für das Kabel betrachtet) wirksam.
Allerdings muß man auch hier das gesamte System betrachten. Dabei ist folgendes festzustellen:
- Verglichen mit einem Koaxialkabel ist eine Elektrogitarre mit ihrer (in der Regel) mangelhaften Abschirmung wesentlich anfälliger für elektrische Störungen. Die Verwendung hochohmiger Tonabnehmer verstärkt diese Anfälligkeit auch noch.
- Verglichen mit einem herkömmlichen Instrumentenkabel bietet die Sackschirmung den Vorteil, daß auch der Rückleiter vor Störeinflüssen geschützt ist. Der Unterschied dürfte in der Praxis jedoch nicht so stark ausfallen, da auch die normale Schirmung schon recht gut arbeitet.
- Ein Zusammenführen von Schirmung und Signalmasse am Verstärker ist eher kontraproduktiv und dürfte den Vorteil der Sackschirmung fast wieder zunichte machen!
Mein persönliches Fazit:
Grundsätzlich eine schöne Idee. Im praktischen Betrieb würde ich jedoch keine signifikanten Vorteile erwarten. Wenn es stört, dann kommt es in der Regel aus der Gitarre und dagegen hilft auch so ein tolles Kabel nicht!
Wird das directional cable verkehrt herum benutzt, so geht nichts kaputt! Die eingefangenen Störungen der Abschirmung gelangen jetzt eben schon in der Gitarre in die Signalmasse. Damit liegen dann die gleichen Verhältnisse, wie bei einem normalen Kabel vor.
Also, eigentlich kein Grund, um viel Geld für so ein Kabel auszugeben!
Ulf