Rocker trifft auf Klassiker

ginod
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Es geht um folgendes, ich habe vor kurzer Zeit angefanegn Klavier zu lernen, allerdings bei einer Lehrerin die aus der Klassik kommt bzw. klassisches Klavierspielen unterrichtet.

Ich finde das eigentlich sehr interessant, weil ich dachte, dass man somal eine ganz andere Seite der Musik kennen lernt und das stimmt auch. Sie hat mir vor kurzem gezeigt mit welchem Akkord man am besten welchen Ton begleitet.

Nun habe ich aber gelernt, dass man eigentlich doch jeden Ton einer Tonleiter auch mit einem Akkord der Tonleiter begleiten kann. Natürlich klingt es schöner wenn man die Töne der Akkorde die gerade gespielt werden auch benutzt, allerdings ja auch weniger Spannungsvoll. Jetzt habe ich mich aber gefragt ob ein klassiker denn überhaupt nur Akkorde benutzt, wo gerade der gepielte Ton drin ist. Da ich mich in bissl mit Modes beschäftige, würde das ja bedeuten, dass man z.B. nie ein f-dur unter ein h spielt. Oder niemals ein D über ein C obwohl das doch z.B. so sus2 mäßig klingen würde.

Ich frage mich jetzt nur ob das eine allgemein Regel von klassikern ist und ob sie sich somit gegenüber der Jazz Harmonielehre unterscheidet, oder ob das meine Lehrerin nur so gesagt hat zum Anfang um erstmal nur mit den 3 Hauptdreiklängen ein STück zu begleiten. Mittlerweile lerne ich ja auch beim akkordbezogenem solieren im Jazz, dass man am besten die Töne des jeweils gespielten Akkordes man als Ruhetöne benutzen sollte, allerdings geben ja auch bestimmte Töne der Tonleiter gerade einen gewissen Kalngcharakter, wenn man sie zu einem Akkordspielt.

Worin unterscheidet sich eigentlich die klassische Harmonielehre und die Jazz Harmonielehre am meisten?
 
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Interessante Fragestellungen, die da angesprochen werden.
Es gibt natürlich viele Unterschiede zwischen Jazz und Klassik, wenn man nur den strengen 4 stimmigen Satz im Bereich Klassik anwendet, aber das ist eher ein theoretisches Konstrukt. Die Praxis der klassischen Musik, wenn wir nicht nur die relativ kurze historische Epoche von 60/70 Jahren von Haydn bis Beethoven sehen, ist ungeheur vielfältig, das wirst Du bestimmt noch auf angenehme Weise feststellen, wenn Du am Ball bleibst. Vieles, was im Jazz harmonisch verwendet wird, ist auch in der klassischen Musik anzutreffen, ich denke z.B. Strawinsky.
Und es ist keineswegs so, dass man zum Melodieton sich auf die Grundfunktionen T,D,S als Begleitung beschränkt. Durchgangsnoten, Reibungen, die nicht aufgelöst werden, Polytonalität etc. sind in der Klassik nicht selten, zumindest ab dem 20.Jahrhundert.
Und wenn man die polyphonen Gebilde von J.S.Bach allein schon bei den 2 stimmigen Inventionen und umso mehr in den Fugen anschaut, dann stellt man fest, dass es unglaublich viele interessante harmonische Wendungen gibt, die weitab vom strengen Satz liegen und voll von harmonischer Spannung sind.
Schließlich haben Klassik und Jazz ja denselben Tonvorrat und ich schätze, Deine Lehrerin will vielleicht nur den Anfang leicht gestalten, wie Du ja selber vermutest.
Ein wesentlicher Unterschied allerdings scheint mir zu sein, dass der Jazz ja von der Improvisation lebt, während in der klassischen Musik ja die Regel ist, dass alles notiert ist.
Beste Grüße
Effjott
 
Ich frage mich jetzt nur ob das eine allgemein Regel von klassikern ist und ob sie sich somit gegenüber der Jazz Harmonielehre unterscheidet, oder ob das meine Lehrerin nur so gesagt hat zum Anfang um erstmal nur mit den 3 Hauptdreiklängen ein STück zu begleiten.

Du bewertest die Herkunft bzw. den musikalischen Background deiner Lehrerin zu stark, IMHO. Ganz unabhängig davon, ob jemand mehr klassische Musik oder mehr Popularmusik macht, bewegen wir uns doch alle in der westlichen bzw. abendländischen Musikkultur. In dieser Musikkultur gibt es mehr Konventionen, als man auf den ersten Blick erkennt - meist unausgesprochene Konventionen, z.B. darüber, welche Intervalle wie dissonant bewertet werden, welcher harmonische Rhythmus organisch wirkt etc. .

Die "klassische" Harmonielehre setzt da natürlich andere Schwerpunkte als die Jazz-Harmonielehre, aber frontal gegenüber stehen sie sich nicht, weil die Jazz-Harmonielehre eben immer schon auf die klassische zurückgreifen konnte und daher mehr eine spezialisierte Ausformung ist. Übrigens genauso, wie ja auch die klassische Harmonielehre kein in sich geschlossener Gegenstand ist, sondern ein Prozeß über Jahrhunderte hinweg, der verschiedene Konkretisierungen erfahren hat (z.B. in historischen Musiktheoriewerken).

Worin unterscheidet sich eigentlich die klassische Harmonielehre und die Jazz Harmonielehre am meisten?

Jazz-Harmonielehre ist in erster Linie eine Basis zur Improvisation, ein Handwerks- und Baukasten für improvisierende Musiker. die klassische Harmonielehre beobachtet und beschreibt historische Entwicklungen.

Harald
 
Nun habe ich aber gelernt, dass man eigentlich doch jeden Ton einer Tonleiter auch mit einem Akkord der Tonleiter begleiten kann. Natürlich klingt es schöner wenn man die Töne der Akkorde die gerade gespielt werden auch benutzt, allerdings ja auch weniger Spannungsvoll. Jetzt habe ich mich aber gefragt ob ein klassiker denn überhaupt nur Akkorde benutzt, wo gerade der gepielte Ton drin ist. Da ich mich in bissl mit Modes beschäftige, würde das ja bedeuten, dass man z.B. nie ein f-dur unter ein h spielt. Oder niemals ein D über ein C obwohl das doch z.B. so sus2 mäßig klingen würde.

Hay,
du kannst ja gerade in der Klassik ganz grundlegende Begleitungen (also TSD) benutzen und trotzdem alle Leitertöne durchspielen. Da kannst du eben die schwereren Zählzeiten betrachten und da solche "passenden" Begleitakkorde und dann wieder irgendwas anderes spielen.
Jetzt fallen aber auch auf den schwächeren Zählzeiten diese "unpassenden" Noten auch nicht so arg auf, wenn du die Akkorde nicht im Block spielst, sondern in einer dieser netten Begleitmuster, die so schöne Namen haben wie Alberti-Bass.
Wenn du jetzt aber wirklich so einen sus2 spielen willst (was die weiß Gott niemand verbieten will), musst du dir im klaren sein, dass der dann nichtmehr nach Klassik klingen könnte. Sowas kannte man damals halt noch nicht. ;)
Wenn, dann müsstest du das im Rahmen von Regelbrecherei schreiben, also bewusst in eine Dissonanz führen (siehe mein Vorredner) und dann vllt mit einen DV darin auflösen... der Kreativität sind da wenig Grenzen gesetzt, bis auf die, dass es, wie bereits gesagt, wenn es nach Klassik klingen soll, auch nach Klassik klingen soll.

Ich entschuldige mich für den letzten Satz.:confused:
 
Stellt sich naürlich auch die Frage, was denn mit "Klassik" gemeint ist. Falls du "alte" Musik allgemein meinst, solltest du wissen, daß es für die verschiedenen Epochen unterschiedliche Harmonielehren gibt. Das kommt daher, weil sich das "alte" Regelwerk (Quintparallelenverbot etc.) immer mehr aufgeweicht hat, weil sich ja das harmonische Verständnis erweitert hat.
Vergleiche mal Skrijabin/Strawinski (als "Nachfolger" der Klassik) mit Mozart und Beethoven, dann ist dir klar, was ich meine...
Die Jazzharmonielehre etc. ist nur eine Fortführung, eine Aufweichung alter Gesetze und die Formulierung neu erkannter Zusammenhänge. So ist gerade d i e Wirkung erwünscht, die Töne haben, wenn sie nicht im Grunddreiklang erhalten sind. Bei Mozart sind diese Töne meist Vorhaltstöne, Durchgangstöne, Wechselnoten, Verzierungen etc., im Jazz hingegen stehen sie an exponierter Stelle.

Es ist aber gut, sich über das alte klassische Harmonielehre/Stimmführungsverständnis der harmonisch komplexeren Musik späterer Zeiten zu nähern => vom Einfachen zum Komplizierten, und das einfache kann durchaus schon recht komplex sein...
 

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