Beide Tokais sind auch aus meiner Sicht schon ein Stück zu teuer, erst recht auf einem Markt mit generell schwacher Tendenz.
Der hat sicher auch mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheitsgefühl zu tun, aber schon auch mit dem schrumpfenden Käuferkreis. Der rekrutiert sich gerade bei alten Japan-Gitarren nach meinem Eindruck aus einer Generation, die (wie ich selbst) als Jungspund die Zeit mit der schlechtesten Qualität bei Fender und Gibson bzw. den damals jungen gebrauchten aus den 70ern live miterlebt hat, während z.B. Squier, Fernandes und eben auch Tokai Gitarren lieferten, die den schon damals unerreichbaren US-Vintage-Instrumenten wesentlich näher kamen als deren US-Nachfolgern. Generell gilt natürlich, dass das sehr gute Gitarren waren, besser verarbeitet als die Amis, und die Spitzenmodelle auch recht hochwertig ausgestattet mit Decken ohne Furnier und Nitrolack. Was gerne vergessen wird, wenn die häufigeren günstigen Versionen angepriesen werden.
Zur ST-80: die Bünde sind vermutlich schon mal abgerichtet worden und sehen mir sehr, sehr flach aus. Die waren ja, eben typisch Vintage, generell schon recht klein. Da musst Du wissen, ob Du mit sowas zurecht kommst, denn einen Neubundierung ist bei lackiertem Maplegriffbrett nicht nur teuer, sondern selbst bei sorgfältiger Ausführung meist gut sichtbar. Ich weiß jetzt nicht, ob die Bünde bei Tokai vor dem Lackieren einpresst wurden wie bei Fender, das macht einen Wechsel zu breiteren Bünden auch nochmal aufwendiger. Die E-Pickups sind, was man so liest, Kopien der PUs einer Vintage-Strat, die Rick Nielsen im Rahmen eines Endorsements zur Verfügung gestellt hatte, unabhängig davon haben sie einen sehr guten Ruf in Bezug auf authentischen "alten" Sound, während die A oder U-Modelle wohl etwas heißer waren. Das Tremolo hat einen Gussblock, in dem Punkt dürfte man auch nachbessern können. Das Halsprofil dürfte bei diesem (50s-angelehnten) Modell ein V sein, und die waren wirklich sehr authentisch gemacht, wenn man das grundsätzlich mag.
Zum Holz solltest Du wissen, dass entweder Erle oder Sen verwendet wurde. Herausfinden kann man es am ehesten über die Halstasche. Sen wird bei MIJ-Gitarren gerne als "Esche" feilgeboten, sieht ihr auch ähnlich, ist aber eine andere Holzspezies und klingt mMn weniger hart als Esche. Nur falls Dir authentische Sorten wichtig sind.
Ich würde die Gitarre eher auf 900-1.100 € schätzen, schon wegen der Bünde, aber auch weil der Lack doch recht vermackt ist. Ja, ich weiß, Vintage und so, aber wertmäßig ist ein weitgehend unbeschädigter Nitrolack halt höher einzustufen, weil er halt seltener ist. Für 1.500 € oder wenig mehr kann man schon mal eine gebrauchte American Vintage bekommen, in den KA habe ich gerade eine für 1.600 € samt Koffer gesehen, die man bestimmt noch etwas runterhandeln könnte. Als Sammlerstück sicher wertstabiler als die Tokais, deren Wert mMn eben doch auch am Interesse einer Generation hängt, die allmählich ihre Gitarrensammlung voll hat oder sogar verkleinert. Für die später nachgerückten sind die Tokais nicht wirklich Legende, sondern halt eher vom Hörensagen als "ordentliche Kopien" bekannt. Da muss es bei Strats dann doch eher Fender sein, weil sie halt als Marke auch präsent geblieben sind. Dass sie aus meiner Sicht überhaupt für einen Preis über 1.000 in Frage kommt, liegt nur daran, dass sie unter den Tokais Strats schon eines der Spitzenmodelle ist.
Die ES-100 ist sicher eine tolle Gitarre, aber auch zu teuer. Die müsste deutlich unter 2.000 € liegen, eher so ab 1.600 €, vielleicht maximal bei 1.800 €. Wenn ich damit etwas über @soundmunich liege: es ist halt keine exakte Wissenschaft, und man muss auch sehen, dass die Tokai-ES eher selten sind neben den STs und LPs, und dass die Gibsons auch gebraucht echt teuer sind. Tatsächlich finde ich die ES als Gitarre zum tatsächlichen Spielen sogar interessanter als die Strat, weil durch die relativ aufwendige Bauweise die Sorgfalt der Japaner für mich ein wichtiger Faktor ist. Bei gebrauchten Gibson ES kann man in der Fügung von Decke, Sustainblock und Boden schon mal unangenehmer Überraschungen erleben, auch die Hälse waren z.B. in den 80er, 90er Jahren anscheinend öfter ziemlich schlampig eingepasst, was man so manchmal in Reparaturvideos sieht. Unter den Japan-Semis aus der Vergangenheit gibts aber schon noch ein paar andere gute Teile, wie ältere Ibanez AS und japanische Washburn HB-35. Tokai ist da eben nicht unbedingt ein Spezialist, aber qualitativ mindestens so gut. Den Preis hier ist sie vielleicht sogar "wert" im qualittativen Sinn, markttecchnisch mMn klar nicht. Eine gewisse Sonderstellung auch unter den Gebrauchten hat da am ehesten noch die Yamaha SA, die sich unter den Semi-Spielen wirklich dauerhaft als Spitzenmodell etabliert hat.
Andererseits gibts heute deutlich unter 2.000 € ganz hervorragende Semis, wenn ich da an die Modelle von Eastman, Stanford oder D'Angelico (Excel-Serie) denke.
Gruß, bagotrix