DĂŒnnere Becken haben in der Tat die Eigenschaft schneller anzusprechen als dicke. Darum werden dickere Becken gerne als "Rock-Becken" und dĂŒnne als "Jazz-Becken" bezeichnet, was aber im Grund Blödsinn ist. DĂŒnnere Becken haben im Regelfall auch die dunklere Grundfarbe im Klang. Ich bemitleide notorische Heavyhitter ehrlich gesagt: Sie kommen nicht in den Genuss komplexer Beckencharakteristika, einfach weil sie nur das Spektrum "Gullydeckel" kennen,, denen auch Paiste Rudes innerhalb eines Jahres zum Opfer fallen.
Dabei ist auch richtig, dass bei Becken ab einer gewissen LautstĂ€rke kein gröĂerer Dynamikanstieg mehr liefern. Aber bei diesem Zeitpunkt ist das Becken bereits laut genug, um gegen VerstĂ€rker anzukommen. Was man natĂŒrlich noch unterscheiden muss, ist der Unterschied zwischen den Legierungen. B20er wie die Istanbul haben einfach eine ganz andere Charakteristik als B8 Becken wie die Paiste 900. Ich selber mag nur wenige B8 Becken. Die Paiste 2002 und wenige Rudes bilden bei mir da die Ausnahme. Die Entwicklung der B8 Becken war ja hauptsĂ€chlich die Antwort auf die aufkommenden VerstĂ€rkerwĂ€nde Ende der 60er, Anfang der 70er. Generell hellerer Sound, spitzerer Attack und weniger Komplex im Obertonbereich, was fĂŒr die Definition wichtig ist. Das war in der Zeit, wo die Mikrofonierung und Mixtechnik noch nicht so fortgeschritten wie heute war, ein echter Segen. Zudem waren viele Schlagzeuger, die in den 70ern Rock spielten noch sehr deutlich auf eine Jazz-Artige Spielweise getrimmt - ihre Lehrer waren ja im Regelfall noch keine Rocker. Darum haben selbst viele straighte Grooves aus der Zeit trotzdem ein leichtes Swing Feeling. Also war auch das herumgeklöppe auf dem Schlagzeug noch nicht so n Ding, auĂer man hieĂ Keith Moon.
Ja, ich weiĂ, dass auch damals viele Schlagzeuger nach wie vor auf B20er setzten aber der B8 Siegeszug war deutlich. Heute ist die Legierung im High-End Bereich natĂŒrlich nicht mehr so stark vertreten - Paiste ist mit seinen Beckenserien dann doch eher der Exot. Das liegt ein StĂŒck auch daran, dass die anderen bekannten Hersteller ihre B20 Wurzeln nie verlassen und natĂŒrlich auch bei der Weiterentwicklung nicht geschlafen haben. Sabian kam mit den AAX und HHX und Zildjian mit den A- und K-Custom als Antwort daher. Modern Bright und Modern Dark Becken entstanden. Meinl zog dann irgendwann erfolgreich mit den Byzance und anderen heute populĂ€ren Serien nach. In den 2000ern, spĂ€testens in den 2010ern lieĂ auch die allgemeine Nachfrage nach Modern-Bright becken wieder nach und traditionellere Becken rĂŒckten wieder in den Vordergrund. GĂŒnstigere Becken aus tĂŒrkischen Schmieden wie Istanbul. Zultan (!), Diril, Bosphorus konnten sich stĂ€rker im internationalen Markt etablieren und allgemein waren vintage-Sounds und dreckigere und trockenere KlĂ€nge wieder gefragter. In den 80ern und frĂŒhen 90ern dominierten noch Paiste, Sabian und Zildjian, heute findet man ganz andere Vertreter - vor allem im Nicht Endorsement bereich. Plötzlich konnten Amateuere sich wunderbar klingede Becken leisten. Moderne PA-Systeme und das aufkommende Homerecording sorgten auch im Semi-Professionellen Bereich dafĂŒr, dass Live-Auftritte mit traditionelleren Becken ohne Weiteres möglich waren, selbst im Amateurbereich.
SpĂ€testens mit dem Aufkommen von den gĂŒnstigeren Herstellern, den hier damals so genannten "kleinen TĂŒrken" (Turkish, Diril) wurde auch der Mittelklassemarkt endgĂŒltig aufgemischt, weil guter Sound plötzlich erschwinglich war. Aber eben mit dem Haken, dass die traditionelle Herstellung der tĂŒrkischen Schmieden wieder eine Spielweise erfordert, die nicht an Lars Ulrich oder Keith Moon angelegt ist. Wo die "groĂen Hersteller" allenfalls etwas wie Meinl Classic, Paiste Alpha usw. anboten kamen auf einmal gut klingende B20er, die Klanglich gut an die traditionelleren Serien der Platzhirsche heranreichten, auf den Markt. Die Istanbul Mehmet IMC sind davon eine AusprĂ€gung. Bei diesen Herstellern ist die Endkontrolle natĂŒrlich nicht so ausgeprĂ€gt wie bei den sehr viel stĂ€rker beworbenen Platzhirschen - Sabian, Paiste und Zildjian können sich schlechte Publicity in ihren Top-Serien schlicht nicht leisten.
Das sorgt letztlich auch dafĂŒr, dass Schlagzeuger, die immer noch auf Posing und ExplosivitĂ€t setzen, mit solchen Becken einfach ihren finanziellen Endgegner gefunden haben. Hinzu kommt ja auch, dass (da zĂ€hle ich auch zu) immer mehr Autodidakten auf den Markt strömen. Sprich weder Anschlagtechnik noch Aufbau werden hinreichend gelehrt oder gar kontrolliert - es macht ja schon einen Unterschied, ob Becken frei schwingen dĂŒrfen oder wie im Schraubstock festgezurrt sind. Letzteres sollte man ja tunlichst vermeiden. Und viele kommen da einfach nicht ĂŒber falsche Angewohnheiten hinweg. Hat bei mir ja auch ewig gedauert. Folge war/ist, und das kann man im Becken-Subforum wunderbar nachvollziehen, dass immer wieder User mit gerissenen Becken nach "haltbareren" Alternativen fragen. Nur gehen Risse aufgrund falscher Anschlagtechnik oder falscher AufhĂ€ngung im Regelfall vom Rand aus. Hier will ich jetzt nicht sagen, dass es am Material liegt, aber entlang der Rille mitten im Becken ist eher eine AusprĂ€gung von MaterialschwĂ€che. Hier in dem Fall vermutlich aus zwei GrĂŒnden - DĂŒnne Becken gepart mit Berserker-AttitĂŒde sowie dem Umstand, dass es keine Top-Serie der Marke ist und vermutlich keine so sorgfĂ€ltige Endkontrolle Stattfindet wie bei den teureren Serien. Der Preis kommt im Regelfall ja nicht von ungefĂ€hr.
Puh, eigentlich wollte ich so einen Ausflug gar nicht starten aber irgendwie hat mir das SpaĂ gemacht. Ist natĂŒrlich nur eine grobe und platte Aufstellung. Ich war damals nicht dabei und kenne nur grob die Entwicklungsgeschichte. Dennoch ist das so die grobe Richtung, wie sich der Markt entwickelt hat und mein persönliches Theorem, was zum BeckenverschleiĂ mancher Schlagwerkler fĂŒhrt.