Wie bringe ich mein Solospiel aufs nächste Level wenn ich nicht nur die Pentatonik spielen möchte?

Ich war auch jahrelang 'Pentatoniker' :D Ursprünglich klassischer Pianist, dann extrem viel Blues-Gitarre geübt und gejamt, dann Jazz-Klavier studiert und BATSCH erstmal auf die Schnauze gefallen :rolleyes: Ich musste im Studium hauptsächlich Soli transkribieren und komponieren. Und das ist mir erstmal unfassbar schwer gefallen am Klavier...denn die Pentatonik klingt auf dem Klavier nicht so geil wie auf der Gitarre...es gibt auch keine Bendings, geschweige denn Töne die man ewig halten kann... mal ganz salopp gesagt, man drückt auf die Taste, es macht 'bling' und das wars...kein Vibrato, kein nix... und die Licks, die auf der Gitarre sogenannte 'Face-Melter' sind, klingen auf dem Klavier auf einmal wie ein Pups :fear: hier und da mal Pentatonik okay, aber das wars dann auch schon...
Auf einmal musste ich Soli machen, die nur aus 'nackten' Tönen bestanden. Am Anfang ist das noch wahnsinnig schwer, weil alles was man spielt irgendwie billig und nicht so 'fett' wie sonst klingt :confused:

Was kann man tun?

Sehr wichtig ist, eine Kopf-Ohr-Hand-Verknüpfung herzustellen... allein dadurch wird dein Solo-Spiel extrem geboostet:m_git1:


Wie geht das?


Gehörbildung ist ein wichtiger Punkt. Ziel ist: eine Melodie oder ein Lick im Kopf zu haben und es sofort auf das Griffbrett zaubern zu können.
Das klingt schwierig, ist es aber nicht, wenn man es richtig angeht :)

Wenn du 'Pentatonik-stark' bist, könntest du zum Beispiel zu erst einmal die Moll-Pentatonik in A über eine Oktave spielen und die Töne dazu gleichzeitig singen/summen, damit du ein 'körperliches' Gefühl für den Tonraum bekommst, in dem du gleich übst.
Wenn du dir einigermaßen tonsicher bist (die gesungenen Töne müssen nicht pavarottihaft sein, sondern nur Mittel zum Zweck :D), versuchst du mal die ersten Töne der Pentatonik nur zu singen. Dann überprüfst du das mit der Gitarre, indem du die gleiche Tonreihe spielst und nochmal dazu singst...und so weiter...mal von unten nach oben, mal von oben nach unten, dann mal auf dem 2. Ton anfangen, dann einfach mal den Grundton singen, dann... etc. etc. etc. :) du merkst, wenn du irgendwie 'drin' bist :great: (und das wird von Mal zu Mal schneller gehen)

Als nächstes könntest du in diesem Tonraum z.B. ein paar von deinen Licks spielen, währrend du sie mitsummst (nichts schweres! nur mal so 2-5 Töne) ...dann natürlich anders rum, du denkst dir ganz einfache Licks aus, summst sie, und spielst sie erst dann auf der Gitarre! (z.B. A-C-A-G-A, ....)

So koppelst du langsam deine Hand and ein inneres Ohr :great:


Anfangs wird sich das blöd und unnatürlich anfühlen, aber die besten Solisten singen alle mit!

Grundsätzlich gilt: Man kann ein Lick/Solo nur dann richtig, wenn man jeden kleinen einzelnen Ton* singen/summen/murren/knurren kann und innerlich 'hört'. Viele werden hier vielleicht widersprechen:coffee:, aber ich lege es wirklich jedem ans Herz, sich das mal ans Herz zu legen :claphands:

Es verbessert extrem! (selbst wenn man denkt, man könne es schon)

*(ultraschnelles Tapping etc. ausgeschlossen :D)



Wenn du dich (nach ein paar Übungstagen) an das Ganze so ein bisschen gewöhnt hast und merkst, dass du die Pentatonik richtig drin hast, und du dir im Auto auf'm Weg nach Hause ein Solo oder ein Lick ausdenken kannst und es daheim sofort auf dem Griffbrett spielen kannst, hast du's geschafft!!!



...aber das war nur die Pentatonik :stars:


Als nächstes solltest du dir die Moll-Tonleiter vorknüpfen, dadurch erweiterst du deinen Tonraum um 2 farbenfrohe Töne!


Wenn das auch sicher klappt, -also mit singen --> spielen-, geht es mit Arpeggien weiter :rock:


-Ab hier solltest du ruhig auch mal probieren, komplett auf jegliche Effekte wie Slides, Bendings, etc. zu verzichten-


(vorerst :cool:)



Schau dir einfach mal so ein paar Arpeggien an :) Zum Beispiel das A-Dur-Arpeggio vom 5. Bund der E-Saite aus und das D-Dur-Arpeggio vom 5. Bund der D-Saite aus...dann eventuell noch beide mit b7 (also A7 und D7).

Wenn du beide sicher hoch- und runterspielen kannst, solltest du unbedingt mal über so einen bluesigen A7-D7 Jamtrack bei Youtube die Arpeggien drüber spielen. Du wirst dann auch kleine Phrasen bilden können, wie zum Beispiel...

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...oder ähnlichem. Einfach und einigermaßen singbar sollte es sein :)


Du kannst das natürlich auch mit zwei anderen Arpeggien machen, die dir eventuell erstmal mehr zusagen! (z.B. Am7 und D7, oder Am7 und E7,...)


Je mehr du damit spielst und je sicherer du darin wirst, desto mehr wirst du merken, wie sich viele Dinge verknüpfen. Arpeggien mit Arpeggien, Tonleitern mit Tonleitern und Tonleitern mit Arpeggien. Du wirst auf einmal ganz neue Melodien (schon vorher) hören und ganz neue Pfade betreten, auf die du mit dem Standart-Pentatonik-Raster niemals gekommen wärst :m_git2:


Und bald wirst du jede Line, die du im Kopf hast, aufs Griffbrett hauen können, ganz gezielt und genau so wie du's wolltest! (mit einer wahnsinnigen Tonvielfalt und -Farbe, aber nur soviel wie du es willst :great:)



Probier's mal aus :great:


Das ganze ist natürlich ein bisschen aufwendiger und funktioniert nicht von heute auf morgen. Aber man lernt extrem wichtige Dinge. Man entfernt sich langsam vom Raster-Lick-Spielen und wird immer freier und ist dann z.B. in der Lage mit einer Killer-Line genau auf der Terz des Akkordes im trölften Takt eines Songs zu landen. Man entfernt sich vom Hoch- und Runternudeln eines Patterns und geht gezielt auf die im Backing Track gespielten Chords ein. Wie gesagt, lass dich am Anfang nicht entmutigen, weil alles erstmal 'billig' klingt. Ziel ist es erstmal einfache Melodien vom Kopf aufs Griffbrett zu übertragen.


Wenn du das mit so 4-5 Arpeggien drauf hast (...du kannst sie singen und in Grund-, Terz-, Quint, ...-Lage spielen) solltest du dir einen Song aussuchen, der aus 4-5 Akkorden besteht. Nimm dir Zeit, lass den Song laufen und übe dazu die Arpeggien.

Wir haben zum Beispiel einen Song mit Am, F, Dm, E. Dann spielst du in durchgängigen Achteln das Am-Arpeggio hoch, dann (wenn der Akkord auf F wechselt) spielst du in gleicher Lage das F-Arpeggio runter. Dann in dieser Lage Dm-Arpeggio wieder hoch, und so weiter :) Alles in einem Fluss. Das ist ein sehr wichtiger Schritt und du solltest diese Vorgehensweise in Zukunft dann bei jedem Part machen, über den du solieren willst:m_elvis:


Das wären die ersten Schritte zur völligen Raster-Unabhängigkeit und die Eintrittskarte in die Welt der freien Töne und Ideen :prost:


Ich hoffe, ich konnte helfen und habe nichts vergessen! Bei Fragen, fragen!


Ganz liebe Grüße,

MMH:m_piano1:
 

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Danke für die ausführliche Antwort! Werde ich gleich mal probieren, danke! :)
 
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makemehendrix,
auch von mir VIELEN Dank für diesen ausführlichen Beitrag. Ich versuche selbst, genau dieses Ziel zu erreichen, nämlich eine Melodie aus dem Kopf und auf das Griffbrett zu bringen, und dabei nicht in Tonleiter- und Lagenrastern zu denken. Du hast einen sehr schönen und v. a. systematischen und strukturierten Weg beschrieben, das zu erreichen, durch Mitsingen der Töne. Das werde ich mal so angehen!

Nochmals danke!
 
makemehendrix,
auch von mir VIELEN Dank für diesen ausführlichen Beitrag. Ich versuche selbst, genau dieses Ziel zu erreichen, nämlich eine Melodie aus dem Kopf und auf das Griffbrett zu bringen, und dabei nicht in Tonleiter- und Lagenrastern zu denken. Du hast einen sehr schönen und v. a. systematischen und strukturierten Weg beschrieben, das zu erreichen, durch Mitsingen der Töne. Das werde ich mal so angehen!

Nochmals danke!

Gerne! Viel Erfolg!
 
Hi

du solltest besser nicht in Skalen denken! Um bei deinem Beispiel zu bleiben: du spielst über Am pentatonisch, A (Grundton),C (kleine Terz), D(Undezime), E (Quint), G(Septime). Du hast aber immer 12 Töne zur Verfügung. Je nach Spielsituation (ob DUR oder MOLL oder Alteriert etc) besitzt jeder dieser Töne eine Priorität, entweder wichtig oder eben weniger wichtig. Bleiben wir bei Am (dorisch), ich habe jedem Ton eine Bedeutung (sehr wichtig, wichtig, nicht wichtig) zugeordnet.

A (Grundton) sehr wichtig
Bb (kleine None) nicht wichtig, kann aber als Durchgangston verwendet werden
B (None), sehr wichtig
C (kleine Terz), sehr wichtig
Db (große Terz) nicht wichtig, kann aber als Durchgangston verwendet werden
D (Undezime), wichtig
Eb (verminderte Quint), nicht wichtig, kann aber als Durchgangston verwendet werden
E (Quint), sehr wichtig
F (verminderte Tridezime), nicht wichtig, kann aber als Durchgangston verwendet werden
Gb (Tridezime), wichtig
G (Septime), sehr wichtig
Ab (grosse Septime), nicht wichtig, kann aber als Durchgangston verwendet werden

Vielleicht hilft dir das weiter, ich jedenfalls habe mir angewöhnt so zu denken, als ich gelernt habe, Jazz zu spielen
 
F (verminderte Tridezime), nicht wichtig, kann aber als Durchgangston verwendet werden Gb (Tridezime), wichtig
Intervallbezeichnungen beschreiben eigentlich den Abstand der Töne in dem Oktavraum, in dem sie vorliegen und A dorisch ist der zweite Modus von G Dur, Tonleiter G A B C D E F# G (B=dt. H).
Daraus folgt, dass die tonleitereigene Sexte von A dorisch als F# bezeichnet wird, nicht als Gb. Das chromatisch einen Halbton erniedrigte F bezeichnet die kleine Sexte, kein vermindertes Intervall.

Gruß Claus
 
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