Als wir den Muff eingestellt hatten, waren wir ganz zufrieden damit, wie sich der Bass anhört. Als dann aber alle spielten, war die Zerre nicht mehr zu hören. [...]
Bass und Gitarre haben beide oft das Problem, im Bandkontext schnell zu verschwinden, wenn man vorher alles alleine eingestellt hat. Der Klassiker ist meist jeweils "Gitarre hat zu wenig Mitten" oder "Bass hat Effekte und verschwindet". Kann man aber alles beheben.
Ist das ein bekanntes Problem,
Ja, ist sogar ein klassiker. Dafür, dass der Bass mit seinen Frequenzen da unten nicht so kompliziert erscheint, muss man doch auf ganz andere Sachen achten.
Ich zitier mal nen alten Post von mir:
Die Zerre ist (sehr vereinfacht gesprochen) das 'Abschneiden' des Signals, sobald sie einen bestimmten Pegel (den Threshold, deutsch die "Schwelle") erreicht.
Clipping waveform [CC BY 3.0
GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], by Clipping_compared_to_limiting.svg: Iainf
derivative work: Mikhail Ryazanov, from Wikimedia Commons
Diese "Kanten" wirken für unser Gehör dann Netto so, als wären neue Obertöne hinzu gekommen (vereinfacht gesagt).
(Halbwissen: An)
Gerade bei höheren Frequenzen scheint das Gehör Veränderungen besser zu hören. Ebenso benötigst du bei größeren Wellenlängen mehr 'Energie' um sie so zu verzerren wie du es von der Gitarre her kennst. Daher 'vermatscht' das Basssignal meist, wenn man keine extra Bass-Zerre benutzt. (Daher der Blend-Regler bei eben genannten Tretern, damit ein ungematschtes Signal mit dem gematschten Signal vermischt wird.)
Allgemein kannst du dazu auch noch sagen: Schneidest du von einer sehr tiefen Frequenz oben was ab, wird das die Modulation des Gesamtsignals weniger beeinflussen. Schau dir das folgende Diagramm an (dickes Sorry wegen meiner MATLAB-Grafik-Fähigkeiten):
Das passiert quasi im Normalfall, wenn keine Zerre da ist:
Dies ist der Fall, wenn der Grundton (Bass) allein gezerrt ist (komt meist nicht vor, aber der Vollständigkeit halber):
Wie sieht es denn aus, wenn wir den Bass in ruhe lassen und nur die hohen Frequenzen zerren:
Im Fall von gezerrten höheren Tönen sieht die Kurve, die unten rauskommt schon ganz schön anders aus. Daher klingt sie auch anders. Deutlich. Aber die "Grundform" ist an sich noch da.
Die Grafiken oben erklären also, warum verzerrter Bass so nach "BFFFFFFF" klingt, wenn man nicht aufpasst.
Wenn man sich aber anschaut, was passiert, wenn man den tiefen Teil des Basses anzerrt, wird relativ schnell klar, warum der "Wumms" untenrum verschwindet und im Bandmix sich nicht so viel durchsetzt:
Das gesamtsignal wird durch das Zerren der tiefen Anteile stark schwächer. (Ist nicht quantitativ hier, alles nur zum erläutern).
Auch nicht zu verachten: Die Zerre ist am Ende des Tages auch nur ein missbrauchter Vorverstärker (das Wort "Gain" kommt nicht von irgendwo). Hebst du mit dem Verzerrer also alles an, kann es sein, dass dein Lowend ein bisschen Matschiger wird, weil alles ein bisschen komprimiert wird. Muss nicht, kann aber.
(Halbwissen: Aus)
Die Zerre klaut dir den Wumms untenrum und um die Mitten kämpfst du mit allen anderen Bandmitgliedern. Und zwei Dinge machen dich mit dem Bass im Bandkontext hörbar:
- Präsentes, sauberes, locker gesagt "knackiges" Low-End.
- Mitten, die am besten nicht mit den Guitareros kollidieren.
Da kann man nur untergehen, wenn man das Signal einfach anzerrt. Denn beides geht verloren.Aber...
wenn ja, wie kann man das am besten beheben und falls nicht, hat da jemand Ideen, was man machen könnte?
... dagegen kann man etwas machen.
Die meisten "Bass-Zerren" oder "anzerrenden Bassisten" lösen das Problem auf eine der folgenden Weisen:
- Zerr den Bass an, mische aber das cleane Signal dazu. Viele Bass-Zerren haben dafür einen extra "Blend"-Regler (eng. für "Mischen"). Damit kann man das Dry-Signal ohne Zerre stufenlos gegen das Wet-Signal (mit Zerre) hoch- und runterdrehen. Damit kommt am Ende der cleane Bass noch mit durch und damit ist in deinem Signal ein präsenter Bass enthalten. Diese Funktion/ der Regler kann je nach Pedal anders heißen ("Blend", "Mix", "Dry/Wet", ... )
- Signal aufteilen nach Frequenzen: Es gibt die Lösung, nur die höheren Frequenzen zu zerren. Diese "Split and Grit" Methode teilt das Signal meist irgendwo bei den Frequenzen, wo die Gitarren anfangen. Den "Tiefton-Anteil" lässt man so stehen und schickt den höheren Anteil durch die Zerre. Dann mischt man beides wieder zusammen. Das ist mit hardware-Effekten umständlicher, aber gerade bei der Modeling-Crowd ganz beliebt.
Und alles sollte am besten im Bandkontext eingestellt werden.
... wobei ich auf einen anderen interessanten Punkt komme:
Sound einstellen mit der Band ist nicht gleich "mit der Band, wie wir dann auf der Bühne stehen". "
Wie meinst du das denn, wir klingen doch dann im Proberaum, beim Einstellen, genauso wie auf der Bühne?"
Leider nicht. Denn: Je lauter dein Instrument ist, desto präsenter hören wir Menschen die Tiefen und Höhen aus dem Mix. Am Ende wirkt unser Gehör nämlich so:
Lindos1,
Lindosland, Public domain, via Wikimedia Commons
Dies ist eine moderne, genormte, Version der sogenannten "Fletcher-Munson-Kurven" oder "Equal-Loudness-Contours". Moderne Soundanlagen haben oft Vorrichtungen, bei höheren Lautstärken die Mitten etwas anzuheben oder die Bässe+Höhen etwas zu bremsen, damit das gesamte Ding genauso klingt wie bei Zimmerlautstärke. So smart sind unsere Amps zumeist leider nicht.
Es kann also sein, dass euer "Einstellen vom Basssound" nicht nur im Band-Kontext anders sich gegen die Instrumente behauptet. Ihr werdet beim Einstellen wahrscheinlich auch miteinander reden und nicht auf PA-Lautstärke spielen während ihr am Effektpedal dreht. Wie ihr die Zerren und Amps einstellt sollte im optimalen Fall auf drei Ergebnisse kommen: Aufnahme-Sound, Proben-Sound und Live-Sound. Gerade Sounds, die man zwischen den Proben zuhause eingestellt hat - meist mit den Nachbarn, dem Baby oder dem Haustier im Kopf - könnte auf einmal im Proberaum oder gar auf der Bühne ganz anders sein oder untergehen.