Vielleicht sollten wir nochmal die Fakten benennen, auf die wir uns (hoffentlich) einigen können.
1. Eine E-Gitarre ist kein akustisches Instrument. Der Korpus (inkl. Hals) eine E-Gitarre produziert im Gegensatz zu akustischen Instrumenten nicht den eigentlichen Klang des Instruments, das machen die Saite, der Pickup und die nachfolgende Kette. Erkenntnisse aus dem Bereich akustischer Instrumente sind hier also nicht ohne Weiteres zu übertragen.
2. Schwingungsenergie die der Korpus aufnimmt, wird der Saite entzogen (Energieerhaltung). Ergo: Wenn das Holz resoniert, was es immer tut, verändert dies zwingend auch das Schwingungsverhalten der Saite.
Schlussfolgerung: Das Holz hat demnach zwingend einen Einfluss auf die Saitenschwingung und damit auch auf den Ton.
Aber: Ist dieser Einfluss in den hörbaren Frequenzen signifikant genug, dass unterschiedliche Holzarten bzw. generell Unterschiede im Holz zu für uns Menschen hörbaren Abweichungen führen? Das ist doch die einzige Frage um die es gehen kann.
Möglicherweise sind die Unterschiede so vernachlässigbar, dass sie selbst über einen clean gespielten Amp nicht zu hören sind. Vielleicht sind sie auch so gering, dass allenfalls sensible Gitarristen es in der Tonformung "spüren". Möglicherweise sind sie auch so gering, dass sie keine Relevanz haben.
Der Vergleich ist schwer, weil bereits ein par Wicklungen am Pickup mehr, ein wenig mehr scatterwound, eine Abweichung des Tone-Kondensators innerhalb der Toleranz, eine andere Verkabelung etc. einen hörbaren Unterschied zwischen zwei Gitarren begründen kann.
Ich persönlich glaube, dass die Holzauswahl einen sehr gering hörbaren Einfluss hat, der in einem üblichen Gitarrensetup mit all seinen Effekten, Verzerrungen, Kompressionen etc. am Ende kaum noch eine Rolle spielt. Mir ist es aber lieber, dieses Gefühl von Mojo bei einigen Gitarren zu bewahren. Ich entscheide mich also bewusst dafür an den Holz-Sound zu glauben, weil ich es
a) vom Grundsatz her psysikalisch rechtfertigen kann
b) die Signifikanz des Einflusses empirisch kaum messbar ist.
c) es mir besser gefällt, wenn ich dem Holz eine gewisse Bedeutung zumesse.
d) ich keine Nachteile darin sehe, wenn ich in diesem Punkt falsch liege. Denn diese Annahme kostet mich exakt garnichts und verlangt mir im Alltag nichts ab. Denn ich wähle meine Gitarren nicht nach dem Holz aus, sondern danach ob sie mir gefallen.
Ich kann aber absolut akzeptieren, wenn jemand anders glaubt, dass die Holzauswahl keinen irgendwie relevanten Einfluss auf den Sound hat.