Tonleiter in Moll; melodisch

MusikBert
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Hallo, Musikfreunde,

seit vielen Jahren übe ich täglich Tonleitern (Klavier) - einfach so, ohne musikalisch-theoretisches Verständnis; um die Finger zu beruhigen und um entspannt und dennoch konzentriert zu spielen. Das Übungsheft (Scales and arpeggios for Piano, Heft 1 von Z. Drzewiecki, J. Eiker, J. Hoffman und A. Rieger; PWM-Verlag) wurde mir in einem Musikfachgeschäft von einem Fachverkäufer empfohlen und es enthält nur den Namen der Tonart und die Noten, keine (verbalen) theoretischen Erklärungen. Als absoluter musiktheoretischer Laie wollte ich etwas Einfaches zum täglichen Üben, und das erfüllt dieses Heft vollkommen; selbst nach etwa 4-5 Jahren täglichen Gebrauchs bin ich mit dem Heft sehr zufrieden.

In dem Heft sind drei Sorten von Tonleitern: Dur, moll harmonisch und moll melodisch. Diese Woche übe ich die b-moll-Tonleiter, und jedesmal, wenn eine moll-Tonleiter dran ist, frage ich mich, warum wird die melodische Tonleiter aufwärts anders gespielt als abwärts? Die harmonische Tonleiter (genauso wie eine Dur-Tonleiter) wird rauf und runter gleich (spiegel-symmetrisch) gespielt, warum ist es bei der melodischen moll-Tonleiter anders?

Als Beispiel betrachte ich jetzt nur die Noten F-B.
b-moll-harmonisch aufwärts: F Gb A B
b-moll-harmonisch abwärts: B A Gb F
b-moll-melodisch aufwärts: F G A B
b-moll-melodisch abwärts: B Ab Gb F

Spielen und brummen/summen kann ich problemlos alle vier Varianten, und da mir die Tonleitern nach jahrelangem Spielen als "Melodie" recht vertraut sind, findet mein Ohr alle vier "Melodien" OK (es zieht nicht an den Ohren). Musik-theoretisch habe ich jedoch keine Ahnung, und ich bin für Musiktheorie auch nicht besonders empfänglich (ich verstehe den Stoff einfach nicht); ich höre viel Musik, spiele und singe auch, habe ein gutes musikalisches Gedächtnis, aber die musiktheoretischen Begriffe sind für mich nur Fremdwörter, die ich zwar nachschlagen kann, aber die Erklärung weiß ich nicht musikalisch einzuordnen. Wahrscheinlich hat das Phänomen der melodischen moll-Tonleitern keine Auswirkung auf mein Klavierspiel (außer daß ich mich bei den melodischen moll-Tonleitern etwas mehr konzentrieren muß), aber es ist eben eine Frage - und eine Frage in meinem Kopf bedeutet: "Suche nach Antwort(en)".

Deshalb bitte ich Euch um eine Antwort auf meine Frage in einer einfachen Sprache - so, als ob ich vier Jahre alt wäre.

Mit freundlichem Dank und Gruß, Bert
 
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Ideal zu deinen Fragen passt ein Tip von @LoboMix, weil darin gut erklärt steht, was musiktheoretisch grundlegendes Wissen ist. Es gibt eine überarbeitete Neuausgabe vom November 2020 mit der ISBN 9783868493696:


Du wirst zu deinen Fragen auch in unser Musiktheorie fündig, daher hier nur ganz kurz:
Ausgangslage ist das "natürliche Moll", aka "äolisch". Man findet das auf der 6. Stufe einer Durtonart, daher hat es die gleichen Vorzeichen, z.B. haben C-Dur und a-Moll kein Vorzeichen, F-Dur und d-Moll ein b-Vorzeichen usw.

Weil auch die fünfte Stufe in "natürlich Moll" eine Mollterz hat (in a-Moll e f g a h c d e), fehlt ihr die Auflösungstendenz eines Durakkords oder gar die Spannung eines Dominantseptakkords durch den Tritonus von Durterz und kleiner Septime.
Also nimmt man gerne (nicht immer!) einen Durakkord, in a-Moll also E oder als Dominantsptakkord E7(b9) - et voilà, die so entstandene Tonleiter nennt man "harmonisch Moll", z.B. a h c d e f gis a
Superidee, aber mit einem Haken: zwischen 6. und 7. Stufe Moll ist entsteht ein anderthalb Tonschritt (Hiatus, in a-Moll f/gis).
Eine Lösung bietet melodisch Moll. Durch zusätzlicher Erhöhung der 6. Stufe hat man wieder - für unsere Gewöhnung gut gesangliche - Halb- und Ganztonschrittfolgen, z.B. a melodisch Moll erhält man a h c d e fis gis a.
Abwärts geführt sind die Erhörhungen nicht nötig, da hört sich "natürlich Moll" richtig an, also nimmt man das "natürlich Moll". Allerdings kaum im Jazz vor der Akademisierung seiner Musiker, deshalb sprechen US-Jazzer bisweilen von "jazz melodic minor", wenn sie die melodisch Moll auf- wie abwärts geführt meinen.

Es handelt sich also nicht um 3 verschiedene Molltonarten, sondern um 3 Klangfarben von Moll, die Benennung weist auf die Verwendung hin.

Gruß Claus
 
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Deshalb bitte ich Euch um eine Antwort auf meine Frage in einer einfachen Sprache - so, als ob ich vier Jahre alt wäre.
Schau dir mal die Durtonleiter auf dem selben Grundton an:
B-C-D-Eb-F-G-A-B

Dem ggü. Bm melodisch aufwärts:
B-C-Db-Eb-F-G-A-B

Es ist 1:1 dasselbe bis auf die Terz. Wie Claus angedeutet hat war der Ursprung, natürliches Moll, bei dem man aber eine sog. Leittonwirkung fehlt. Das ist in dem Fall das A, welches einen Halbton unter dem Grundton liegt und dadurch sehr gerne in ihn aufgelöst werden möchte. Aber das geht klarerweise nur nach oben. Dadurch, dass in melodischem Moll zusätzlich nicht nur der 7., sondern auch der 6. Ton erhöht ist weil sonst zwischen diesen Tönen 3 Halbtonschritte liegen ist man zu diesen Gunsten noch weiter von der ursprünglichen Klangfarbe entfernt. Wenn man diesen Leitton aber nicht in den Grundton auflöst, sondern die Skala nach unten spielt kann man da stattdessen die "normale" Molltonleiter nutzen. Wie Claus sagt, es geht um Klangfarben.

Das ist soweit ich weiß auch eher eine klassische Angelegenheit, und auch da ist das nicht zwingend- man kann ja auch wieder die selbe Skala auch nach unten verwenden. Aber man ist eben schon ein gutes Stück weg von der natürlichen Molltonleiter.

Ich hab es natürlich vermieden, MM als Durtonleiter mit kl. Terz zu bezeichnen - aber MM konsequent abwärts wie aufwärts mit gr. Sexte und gr. Septime spielen könnte man schon ein wenig als "Verdunkeltes Dur" bezeichnen (nach wie vor mit Bauchweh, weil es ja eben kein Dur ist).

Grüße
 
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Ich danke Dir, @Claus, für Deine ausführliche Antwort :great:, doch muß ich zugeben, daß sie weit über meinem Auffassungsvermögen liegt, und so geht es mir auch mit den musiktheoretischen Büchern; es ist für mein Niveau so hochgehalten, daß ich nicht mal erkenne, was ich nicht verstanden habe. :nix:

Ich will das nicht überstrapazieren, aber wenn ich lese:

(...) entsteht ein anderthalb Tonschritt (Hiatus, in a-Moll f/gis) (...)

frage ich mich: Na und? In diesem Lied:

O_Cessate_part.jpg

singt man doch auch einen anderthalb Tonschritt (rot eingerahmt), und weder der Sänger noch der Begleiter am Klavier kämen deswegen in Verlegenheit. :confused:

Nun, ich werde darüber weiter nachdenken, vielleicht fällt irgendwann auch bei mir der Groschen.

Gruß, Bert
 
Danke schön, @Palm Muter, für Deine Antwort.

Schau dir mal die Durtonleiter auf dem selben Grundton an:
B-C-D-Eb-F-G-A-B

Dem ggü. Bm melodisch aufwärts:
B-C-Db-Eb-F-G-A-B

Es ist 1:1 dasselbe bis auf die Terz. (...)

Ja, soweit ist alles klar; den Unterschied zwischen Moll und Dur habe ich schon vor zig Jahren als "die andere" Terz verstanden, und so konnte ich mir jeden Moll- bzw. Dur-Akkord von dem Grundton selbst ableiten (damals gab es noch kein Internet, um schnell mal zu gucken oder zu fragen). Mit dem Rest Deiner Antwort kann ich kaum etwas anfangen, weil, wie schon erwähnt, mein Auffassungsvermögen nicht ausreicht, die Informationen in einen mir bekannten bzw. verständlichen Zusammenhang zu bringen.

Aus Deiner Ausführung gewann ich den Eindruck, daß die Musiktheorie versucht, die Töne und ihre Kombination sinnvoll zu strukturieren, daß dies jedoch keinen natürlichen Gesetzen entspricht (wie z. B. die Hauptsätze der Thermodynamik), sondern von Menschen zu einem bestimmten Zweck erschaffen wurde. Und da ich diesem Zweck nie richtig begegnet bin (oder ich habe eine solche Begegnung nicht bemerkt), kann ich mit den "Böhmischen Dörfern" nichts anfangen. Vielleicht ist es etwas für Musiklehrer oder Komponisten oder Musikinstrumentenbauer - also Tätigkeiten, von denen ich keine Ahnung habe.

Gruß, Bert
 
Musiktheorie ist der Sammelbegriff für unterschiedliche Ansätze, um Musik zu untersuchen und über die Befunde zu diskutieren.
Wenn Du z.B. wissen willst, "warum gibt es verschiedene Molltonleitern", dann liegt die Antwort im Voraussetzungswissen der Hamonielehre, oft als elementare oder allgemeine Musiklehre.
Thermodynamik ist in schwieriger Verglich, schon weil ich davon keine Ahnung habe. Aber soweit ich dank Leschs Kosmos weiß, flog Max Planck bei thermodynamischen Exprimenten sein (festkörper-)physikalisches Weltbild um die Ohren und er landete in der wunderlichen Quantenmechanik.

...singt man doch auch einen anderthalb Tonschritt (rot eingerahmt)
Tonschritt ist nicht immer identisch gleich Intervall, daher (s.o.) Hiatus, nicht kleine Terz.

Mein Literaturtip ist definitiv Basisliteratur (elementare Musiklehre), denn mir ist klar, dass Du besser mit Lektion 1 anfangen solltest. Das ist Stammtonreihe und Intervalllehre, nicht die Molltonleitern, für deren Verständnis man bereits Vorwissen braucht.

Ansonsten wäre mein Tip Erich Wolf, die Musikausbildung, Band I, das bietet mehrfachen Umfang und Inhalt zu den Grundlagen.
https://www.alle-noten.de/Musiktheorie/Die-Musikausbildung-Band-1.html

Gruß Claus
 
Die harmonische Tonleiter (genauso wie eine Dur-Tonleiter) wird rauf und runter gleich (spiegel-symmetrisch) gespielt, warum ist es bei der melodischen moll-Tonleiter anders?

Die "offizielle" Begründung lautet wohl ungefähr so:

In der Abwärtsrichtung ist der Leitton logischerweise weniger bedeutsam/nötig als in der Aufwärtsrichtung. Deswegen weicht man in der Abwärtsrichtung in die - abwärts - logischere Äolisch-Moll-Variante aus.

Du solltest aber nicht übersehen, daß das - wie immer in der Musiktheorie - krückenhafte nachträgliche theoretische Erklärungsversuche für einen bereits bestehenden Klang sind.

Und er besteht bereits, weil es einfach eine gut klingende Möglichkeit ist.

LG
Thomas
 
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Musiktheorie ist (...)

Ein Buch mit sieben Siegeln, zumindest für mich, doch möchte ich Dir und @turko mitteilen, wie ich die Informationen aus Euren Beiträgen verstanden habe.

Musiktheorie ist ein Versuch, die Musik strukturiert zu beschreiben, und dafür wurden von Menschen Definitionen und Regeln aufgestellt. So wurde auch die Tonleiter nach bestimmten Regeln als eine Tonsequenz definiert, und dort, wo eine bestimmte Tonart "aus der Reihe tanzt", wurden diese Regeln ergänzt.
Die Definitionen und Regeln der Musiktheorie sind ein notwendiges Hilfsmittel, um sich über Musik fachkompetent eindeutig und verständlich unterhalten zu können, und wahrscheinlich auch, um Musik in einer bestimmten Art zu komponieren bzw. zu interpretieren oder Musikinstrumente zu bauen. Man kann aber die Musiktheorie nicht aus den uns bekannten Naturgesetzen ableiten oder an sie anlehnen.

(...)
Thermodynamik ist in schwieriger Verglich (...)

Ja, das stimmt; Thermodynamik kann man mit Musiktheorie nicht vergleichen; Thermodynamik unterliegt strengen Naturgesetzen, die wir nicht verändern können (das verstehe ich als Entdeckung), wogegen die Regeln und Definitionen der Musiktheorie von den Menschen und für Menschen erschaffen wurden, und diese Regeln und Definitionen können bei Bedarf geändert bzw. angepaßt werden (das verstehe ich als Erfindung).

Dieses Ergebnis des Gedankenaustausches mit Euch beantwortet auch recht zufriedenstellend meine Frage, und dafür bedanke ich mich bei Euch ganz herzlich.

Gruß, Bert
 
So wurde auch die Tonleiter nach bestimmten Regeln als eine Tonsequenz definiert ..

Achtung !
Eine Tonleiter ist vielmehr eine Ton-Sammlung (halt in vertikaler Reihung geordnet) als eine Ton-Sequenz.

Über Sinn und Unsinn von Musiktheorie möchte ich mich jetzt hier nicht auszulassen beginnen, da ich diesen Thread nicht für den richtigen Ort dafür halte.

Thomas
 
daß dies jedoch keinen natürlichen Gesetzen entspricht (wie z. B. die Hauptsätze der Thermodynamik)

Nunja, Thermodynamik beschreibt unveränderliche Beziehungen zwischen messbaren Parametern. Die Zusammenhänge gelten hier wie auf dem Mars wie am anderen Ende der Milchstraße, jetzt, gestern, vor und in 100mio Jahren.

Dem gegenüber, anknüpfend an @turko s Ausführungen, vergleich mal was diese Theorien überhaupt beschreiben.

Die Thermodynamik geht davon aus, dass die Energie in einem abgeschlossenen System konstant bleiben muss. Oder, dass die Entropie (die "Unordnung") stets zunimmt - im Sinne von leert man weiße Murmeln in ein Glas und dann Schwarze darüber wird der "Ordnungsgrad" unten weiß und oben schwarz mit jedem Einbringen von Energie (also in dem Fall wohl schütteln) mehr verschwimmen. Soweit wir ausgehen können sind diese Hauptsätze universell und zeitlos, und die Formeln und Aussagen, die darauf aufbauen bestätigen das in der Praxis. Und, was für diese "natürliche Gesetze"-Denkweise das Wichtige ist: Es funktioniert "BottomUp", man kann die 3 Hauptsätze mal sinngemäß lernen und einfach festhalten: Das ist so. Alles, was darauf aufbaut muss dem entsprechen.

Dem gegenüber wird es mit den messbaren Parametern in der Musik schon etwas schwer. Auch, wenn man eine Tonhöhe messen kann wie eine Temperatur, Wasser hat auch vor hunderten Jahren bei 100° auf Meereshöhe gekocht - aber - Stichwort Wohltemperierte Stimmung - das C-D-E-F-G-A-H-C, das du auf heute auf deinem Klavier spielst war damals etwas anders. Und das Messen der Tonhöhe sagt ja auch nichts darüber aus, ob wir von einer deiner Klaviertasten in den obersten Oktaven oder einem anschlagenden Feuermelder reden - 12kHz kann auf beides zutreffen. Geht man noch einen Schritt weiter von der simplen Aufzählung der Töne hin zum Klangeindruck, dass ist etwas, worauf wir konditioniert werden und der so nur im menschlichen Kopf existiert. Spielt man etwas, dann ist der Grundton nicht deswegen der Grundton, weil man das irgendwie abstrakt herleiten kann sondern weil der Hörer ihn als Referenzpunkt auf das sich alles andere bezieht wahrnimmt. Und genau dieser Umstand "sticht immer" - subjektives Empfinden ist in dem Fall höherwertig als jede abstrakte Formulierung, die versucht dem zu entsprechen.

Das kann man eher mit Sprache denn mit Naturgesetzen vergleichen, schonmal einen Text von vor 100J gelesen? Ist auch dynamisch, rein Menschgemacht und verändert sich laufend- und dementsprechend unmöglich ist ein paar grundgültige, allgemeingültige Aussagen a la "Für die Deutsche Sprache gelten unumstößlich und omnipotent folgende drei Regeln:....." zu treffen. Es gibt einfach keine "Hauptsätze" (also die, die im Kontrast zu Nebensätzen stehen schon, aber keine die denen der Thermodynamik entsprächen :rolleyes:) .

Und: Solange niemand spricht gibt es keine Sprache und alles, was unsere Deutschlehrer im Studium gelernt und verzweifelt versucht haben, uns näher zu bringen wäre nur basisloses Gerede. Selbes mit Musik, sie entsteht und existiert nur in dem Moment, wo sie gespielt wird und das eigentliche Musik hören ist ein subjektiver Sinneseindruck. Das hat nichts mit mathematisch/abstrakt logischen Zusammenhängen die von hier bis ans Ende des Universums gelten zu tun, die man aber voraussetzt wenn man grundlegende, allgemeingültige Aussagen auf darauf Aufbauendes treffen will.

Musiktheorie ist eher das, was Grammatik für Sprache ist. Beides kann nur versuchen, ein schon existentes System zu kategorisieren und abstrakt greifbar - und vergleichbar - zu machen. Aber das funktioniert nur in eine Richtung, würde man umgekehrt einem Sprachforscher, der mit Deutsch nichts am Hut hat ein Buch in seiner Sprache geben, in dem alle abstrakten Informationen der deutschen Sprachforschung stehen und ihn bitten, er möge diese Sprache rekonstruieren wäre das sicher ein interessantes Projekt, aber das Ergebnis wäre wohl genauso wenig normales Umgangsdeutsch wie sich "komponieren nach Theorie-Aktenlage" nach der Musik anhören würde, auf deren Basis diese Theorien aufgestellt wurden.

Wie gesagt, dieses "kausale hin- und rückführbare Logikdenken" , dass unsere Spezies bis auf den Mond gebracht hat ist da eine Einbahnstraße.
LG
 
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Achtung !
Eine Tonleiter ist vielmehr eine Ton-Sammlung (halt in vertikaler Reihung geordnet) als eine Ton-Sequenz.

(...)

Ja, die (verbale) Sprache ist die Quelle aller Mißverständnisse. ;-)

Der Naturwissenschaftler in mir sieht eine (Ton)Leiter als eine Sequenz (geordnete/gerichtete Abfolge von Elementen), und in einer Sammlung eine (definierte) Menge von (ungeordneten) Elementen, die uns zur Verfügung stehen (hier wären es die Töne einer Tonart).

Aber wenn der Begriff Sequenz in der Musiktheorie schon anderweitig belegt ist, muß halt ein neuer Begriff her. ;-)

Gruß, Bert
 
Wenn man alle diese Voraussetzungen berücksichtigt, ...
Deshalb bitte ich Euch um eine Antwort auf meine Frage in einer einfachen Sprache - so, als ob ich vier Jahre alt wäre.
doch muß ich zugeben, daß sie weit über meinem Auffassungsvermögen liegt, und so geht es mir auch mit den musiktheoretischen Büchern; es ist für mein Niveau so hochgehalten, daß ich nicht mal erkenne, was ich nicht verstanden habe.
Ein Buch mit sieben Siegeln,
... dann bleibt auf diese Frage ...
warum wird die melodische Tonleiter aufwärts anders gespielt als abwärts?
... eigentlich nur eine brauchbare Antwort übrig: Es klingt halt gut.

Will man die Frage beantworten, warum das gut klingt, kommt man mit Naturwissenschaft nicht weit. Dafür braucht man eine andere Wissenschaft: Die Aesthetik, und die funktioniert völlig anders als die Naturwissenschaft. Die Musiktheorie ist ein Teil dieser Aesthetik.

Einige Teilbereiche der Musik ragen natürlich in die Naturwissenschaft hinein, wie z.B. das Phänomen der Ober- bzw. Partialtöne. Aber auch in diesen Bereichen kann ich mit der Naturwissenschaft nicht erklären warum eine Sache gut klingt und eine andere nicht.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Aber wenn der Begriff Sequenz in der Musiktheorie schon anderweitig belegt ist, muß halt ein neuer Begriff her.

Auf die Gefahr hin, hier ein weiteres Faß aufzumachen, das ohne weiteres auch geschlossen hätte bleiben können ... :

Es geht nicht um "anderweitig belegt", sondern es geht darum, daß das "Kernwesen" einer Tonleiter darin besteht, daß sie eine ausgewählte Menge von Tönen rund um einen Grundton herum beinhaltet, und nicht darin, vertikal geordnet als Fingerübung im Instrumentalunterricht zu dienen.

Thomas
 
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(...)
... eigentlich nur eine brauchbare Antwort übrig: Es klingt halt gut.

Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben! :great:

Will man die Frage beantworten, warum das gut klingt, kommt man mit Naturwissenschaft nicht weit. Dafür braucht man eine andere Wissenschaft: Die Aesthetik (...)

Mit der Ästhetik aber auch nicht, zumindest bekommen wir keine einheitliche Orientierung. Der Eine kennt jeden Akkord und jede Tonfolge aus allen Opern von Wagner (glühender Wagnerianer) und mit Bachs Musik kann er überhaupt nichts anfangen (das Radio wird bei Bach-Musik abgeschaltet), der Andere schwärmt wiederum für Bach oder Schostakowitsch ...
Von den verfeindeten Fronten (harter Kern: Deutscher Schlager vs. harter Kern: Klassische Musik) gar nicht zu reden.

So ist die Musik - dem einen Ohr klingt dies gut, dem anderen Ohr halt jenes - und das ist gut so.

Gruß, Bert
 
Der Eine kennt jeden Akkord und jede Tonfolge aus allen Opern von Wagner (glühender Wagnerianer) und mit Bachs Musik kann er überhaupt nichts anfangen (das Radio wird bei Bach-Musik abgeschaltet), der Andere schwärmt wiederum für Bach oder Schostakowitsch ...

Warum auch nicht ?

Es findet ja auch der Eine nur Simmel toll, und der andere nur Schiller, obwohl beide dieselben Buchstaben, ja sogar die selben Wörter verwenden.

Thomas
 
Auf die Gefahr hin, hier ein weiteres Faß aufzumachen (...)

Nein, nein, das war nicht meine Absicht.

Ich wollte nur zeigen, wie ich einen solchen Text verstehe (vor meinem persönlichen Hintergrund, im Kontext meiner persönlichen Geschichte), und warum mir die Musiktheorie so unverständlich ist.
Das Problem liegt eindeutig in mir, und nicht in der Musiktheorie, denn andere Menschen verstehen die Musiktheorie gut.

Gruß, Bert
 
Auch Töne und harmonisch bestimmbare Klänge als Grundelemente der Musik unterliegen Naturgesetzen und damit mathematischer Beschreibung z.B. aus der Physik zum Schall und der Schwingung, außerdem auf der Empfängerseite der Physiologie des Hörens usw.
So gibt bereits seit der Antike und bis heute untersuchte physikalisch, mathematisch und metrisch bestimmbare Frequenzen von Tönen sowie den Verhältnissen zwischen Tönen und bei Klängen bei deren Obertönen (Monochord).

Ein Reduktion der Musik auf die Physik führt dagegen m.E. in eine Sackgasse, weil Ästhetik und musikalisches Hören zum guten Teil noch weiteren Voraussetzungen folgt.

Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: es hilft wirklich, zunächst die Grundlagen - und dann etwas von den unterschiedlichen Konzepten der eigentlichen Harmonielehre - des in über 2.000 Jahren erforschten Wissens zur Musik zu lesen, wenn man sich für das Wie und Warum interessiert oder gar Begriffe und Systeme hinterfragen will.

Gruß Claus
 
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Mit der Ästhetik aber auch nicht, zumindest bekommen wir keine einheitliche Orientierung.
Man kann z.B. musikhistorisch vorgehen und zeigen,seit wann sich die melodische Molltonleiter entwickelt hat und daraus erklären, daß wir diese Tonleiter heute gewohnt sind und deshalb als gut klingend empfinden. In Bali z.B. hat dieser Vorgang so nicht stattgefunden, weshalb man in der Gamelanmusik die melodische Molltonleiter nicht verwendet.
So gibt bereits seit der Antike und bis heute untersuchte physikalisch, mathematisch und metrisch bestimmbare Frequenzen von Tönen sowie den Verhältnissen zwischen Tönen und bei Klängen bei deren Obertönen (Monochord).
Aber auch daraus kann man nicht erklären, warum wir ein Intervall, bei dem die Töne die gleichen Obertöne enthalten und auch diese auch noch gleich gestimmt sind, als angenehm empfinden. Es könnte ja theoretisch auch andersherum sein. Wir können nur feststellen, daß es so ist, aber nicht warum.

Viele Grüße,
McCoy
 
Aber auch daraus kann man nicht erklären, warum wir ein Intervall, bei dem die Töne die gleichen Obertöne enthalten und auch diese auch noch gleich gestimmt sind, als angenehm empfinden.
Man geht davon aus, dass der Verschmelzungsgrad zweier verschiedener Töne bestimmend dafür ist, dass wir (bzw. unser Gehirn) es entweder als konsonant oder dissonant empfinden (wobei hier vereinfachend angenommen werden soll, dass konsonant=angenehm und dissonant=unangenehm gilt - in der historischen Betrachtung darf das wohl auch so gesehen werden).

Dieser Thread ist für mich ein weiteres Beispiel für meine Einschätzung, dass die Musiktheorie von vielen Fragestellern etwas überfrachtet und mit zu hohen Erwartungen betrachtet wird. Die musikalischen theoretischen Systeme sind weit mehr beschreibend als wirklich erklärend, und wenn sie erklärend aufgefasst werden wollen, dann sind sie meist auf einen recht eingegrenzten Bereich beschränkt (z.B. auf eine Epoche wie die Zeit des Generalbasses, auf vorwiegend diatonische Strukturen wie die Funktionsharmonik, spezielle Richtungen wie die serielle Musik usw.). Wobei ich sie immer mehr als beschreibend empfinde denn wirklich als erklärend. Das hat damit zu tun, dass die Theorien normalerweise retrospektiv entwickelt wurden, mehr also als eine Zusammenfassung des bis dahin bestehenden (als eine mögliche Ausnahme fällt mir spontan eigentlich nur die Zwölftontechnik ein und in deren Folge die serielle Musik).
Die um 1890 von Hugo Riemann entwickelte Funktionstheorie ist rein auf die Musik der Vergangenheit bezogen entwickelt worden und versucht, die Beziehungen von Harmonien und Tonzentren zu beschreiben.
Die Generalbasslehre darf man als eine Art kompositorisches Regelwerk der Zeit des Barock betrachten, wobei sie eindeutig einen aufführungspraktischen Schwerpunkt hat - so wie man in dieser Epoche eben gedacht hat.

Aber immer, wenn sich eine Theorie etabliert hatte, kam irgendwann ein innovativer Komponist um die Ecke mit neuen Ideen, der gewissermaßen die Töne neu zusammen setze und neu in Beziehungen brachte. Die Theorie musste zwangsläufig hinterher hinken. Musik ist nun mal Klang und fern von einem rein mathematischen Konstrukt. Und die Klangästhetik hat sich über die Zeitläufe geändert, wie auch die Zeitläufe selber. Ein Beethoven hätte nicht so komponieren können wie er komponiert hat, wenn er 100 Jahre früher gelebt hätte. Da lebten Leute wie Telemann, Bach und Händel und da haben so komponiert, wie es in ihrer Epoche üblich war, wobei sie aber immer einen deutlich ausgeprägten Personalstil bewahrten. Also nicht einmal innerhalb einer Epoche waren die Ästhetiken und Klangvorstellungen wirklich identisch.
Den Wandel in der Ästhetik kann man im übrigen gut an der Entwicklung von J.S. Bach zu seinen komponierenden Söhnen gut beobachten, die wenn man so will die Frühklassik einleiten aus der dann mit Haydn, Mozart etc. die Epoche erwächst, die wir heute als (Wiener) Klassik bezeichnen.

Von einer echten Wissenschaftlichkeit sind die Musiktheorien weit entfernt (womit ich nicht das Fach Musikwissenschaft meine, deren Aufgabe es aber nicht ist, theoretische Systeme zu kreieren). Es gab und gibt zwar immer wieder die Bestrebung, vor allem unser abendländisches Dur-/Moll-Tonsystem aus der Obertonstruktur des Tones selber herzuleiten, in der Praxis endet das aber immer nur in mehr oder weniger philosophischen Konstrukten (schon bei Rameau, unbedingt auch bei Schönberg in seiner Harmonielehre). Denn die (von Inharmonizitäten in der Praxis abgesehenen) Intervallstruktur der Obertonreihe mit ihren Frequenzverhältnissen 1:2:3:4:5... und den daraus resultierenden reinen Intervallen lässt sich selbst auf Biegen und Brechen nicht mit der Notwendigkeit der Temperierung der Intervalle (bis auf die Oktave) in Einklang bringen (von der viel zu tiefen natürlichen Septe ganz zu schweigen). Also scheitert selbst dieser an sich löbliche Versuch bzw. stößt ganz schnell an seine Grenzen.
Womit ich die philosophischen Traktate auf keinen Fall klein reden möchte. Sie haben ihre eigene Qualität und liefern gute Anregungen und auch Erkenntnisgewinn - sind aber eben keine Wissenschaft wie die Physik.

@MusikBert, nimm die Musiktheorien als das, was sie sind: beschreibende Erklärungen ohne strenges wissenschaftlich-messtechnisch-analytisches Konzept und ohne eine solche Fundamentierung.
Ihr Nutzen erschließt sich, wenn man ihren Anwendungsbereich kennt und verstanden hat. Die Funktionstheorie ist in der Praxis sehr hilfreich bei der Analyse jeglicher auf Kadenzen und auf tonale Zentren fußenden Musik. Zur Analyse der Musik von Claude Debussy taugt sie aber z.B. nicht. Die Generalbasslehre ist von zentraler Bedeutung der Musik der Epoche, die wir heute als Barcockzeitalter bezeichnen (Rieman regte deshalb an, diese in sich stilistisch alles andere als homogene Epoche besser als "Generalbasszeitalter" zu bezeichnen, da der Generalbass im Prinzip die einzige große Klammer dieser Zeit darstellt). Für die nachfolgenden Epochen wird er zunehmend nutzloser, für die Musik Chopins, Brahms oder gar Wagner ist er so passend wie ein Bartschlüssel für ein Transponder-Schloss.
 
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