Babe I´m gonna leave you...

  • Ersteller airfisch
  • Erstellt am
A
airfisch
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
09.02.09
Registriert
13.12.06
Beiträge
5
Kekse
69
Hallo,

...nachdem meine Gitarre mal wieder heftig rumzickt und so gar nicht das tut was ich von ihr will hab ich die Zicke einen Nachmittag in die Ecke verbannt und ein wenig über mein Gitarrespiel nachgedacht...dabei ist das rausgekommen...vielleicht gefällt es ja dem Einen oder anderen....:redface:
Ich denke ich geh´ inzwischen ins Nebenzimmer und fang wieder mit Üben an...:D

Grüße
Walter

Babe I´m gonna leave you...

In der Volksschule hatte ich einen wunderbaren Lehrer. Ich erinnere mich an die Augenblicke da er seine alte Geige ausgepackt hat und uns als Einstimmung ein Stück vorgespielt hat. Dann wurde gesungen und es hat unheimlich Spaß gemacht. Er vermochte es, sogar den schrägsten „Brummern“ unter den Kindern Töne zu entlocken und so zu integrieren dass es als Ganzes schön geklungen hat. Wieviel Mühe hat er sich gegeben bei einer Schulaufführung für jeden einen passenden Part zu finden. Und genau bei dieser Vorführung ist ihm dann eine Saite gerissen. Ich werde nie vergessen mit welch stoischer Ruhe er uns in unserem Gesang weiterbegleitet hat als wäre nichts geschehen. Dieser mutmachende und vertrauende Blick in unsere Richtung. Wir haben uns richtig ins Zeug gelegt und frenetischen Applaus geerntet...

Die Gitarre hat aber mein Bruder bekommen, nebst Unterricht in einer Musikschule. Allerdings war ich deshalb nicht böse – die Erzählungen von seiner Gitarrelehrerin und das furchtbar mühsame Gezupfe von „Hänschen Klein“ waren wohl Abschreckung genug und ich war mit meinem Leben vollauf zufrieden, denn dieser Kelch ist an mir vorüber gegangen. Die Gitarre verschwand übrigens nach einem Jahr irgendwo im Speicher...

Ich kam ins Gymnasium, naturwissenschaftlicher Zweig. Musik hatte dort nur wenig Platz und das Wenige hat gereicht um sämtliche kindlichen Ambitionen in der Richtung nachhaltig zu unterdrücken. Was ich dort an Musikpädagogen erleben durfte reicht für zwei Leben! Musik habe ich wenig gehört, dafür durfte ich hübsche Kügelchen auf irgendwelche Linien malen. Ich hatte keine Ahnung wozu das gut sein sollte und konnte beim besten Willen keinen Zusammenhang mit den schönen Stücken meines Volksschullehrers erkennen. Also galt ich ab da als „unmusikalisch“. Ich habe mich nicht dagegen gewehrt. Schließlich hatte das den Vorteil einer „gebuchten Zeugnisnote“ die von Anfang an feststand und das Fach „Musik“ als abzusitzende Unterrichtsstunde vom allgemeinen Notenstreß ausnahm.

Gegen Ende meiner Schulzeit erwachte das Interesse an der Musik. Ein ehrliches und tiefes Gefühl! Es wuchs aus dem Umstand, dass die wenigen „Guitarheroes“ scheinbar mühelos mit wenigen Griffen und einigen entfernt nach Blues klingenden Riffs die Damenwelt im Handumdrehen erobern konnten. Diese evolutionäre Chancenerhöhung durfte ich mir nicht entgehen lassen. Also wurde vom Taschengeld eine Gitarre gekauft. Ahnung hatte ich ja keine und anspielen im Musikgeschäft wollte ich mir ob der unausweichlichen Blamage ersparen. Also wurden die Instrumente mit coolem Kennerblick taxiert und die Wahl fiel auf eine herrlich schwarzlackierte Stahlsaitenschönheit, der ich in den folgenden Wochen versuchte Amoll, C und D zu entlocken. Allerdings war mir schnell klar, dass ich bei dem Tempo meine Chancen auf dem Markt sicher nicht mehr erleben werde. Also wurde die Taktik radikal den neuen Erkenntnissen angepaßt! Erstens wurde eine Ehrenrunde zur Fristverlängerung eingelegt (was mir angesichts meiner Faulheit nicht weiter schwer fiel) und zweitens wurde eine E-Gitarre nebst gebrauchtem Brachialverstärker erworben. Der aufkommende Punk half mir dabei – solange es laut war war es gut. Ich mußte nur noch meinen persönlichen Style etwas in Richtung schwarz verschieben und ab da ist es gut gelaufen. Rückblickend kann ich sagen, dass die Aktion zumindest für eine zeitlang ein voller Erfolg war. Die Mädels waren wild, die Nächte lang und auch wenn ich ein paar Federn lassen mußte, eine schöne Zeit.

Gitarretechnisch ist naturgemäß wenig weitergegangen. Es kam der Zeitpunkt an dem ich mich entscheiden mußte wie es weitergeht. Meine Chancen als „Musiker“ habe ich Gott sei Dank realistisch eingeschätzt und mich in den nächsten Jahren meiner Ausbildung und meinem beruflichen Fortkommen gewidmet. Meine Gitarren verschwanden aus meinem Leben und die nächsten 20 Jahre rückten andere Dinge in den Mittelpunkt. Ich habe zwar nocheinmal versucht mit einer Akkustikgitarre einen Einstieg zu finden, aber letztlich hat mir der Biß und ein Ziel gefehlt. Zwar mußte ich in den folgenden Jahren an jedem Musikgeschäft zumindest stehenbleiben und mir die Instrumente ansehen, mehr ist es aber nicht geworden. Zudem habe ich in dieser Zeit mehr Jazz gehört und das was hier an Spieltechnik und Einsatz gefordert wird schien mir weit über dem zu liegen was für mich machbar ist.

Vor nicht ganz zwei Jahren kam dann der Rückfall – unvermittelt und brutal! Den Vierziger hatte ich schon länger hinter mir, beruflich etabliert und eigentlich mit meinem Leben rundum zufrieden, ereilte mich das Schicksal: Jimmy Page war Schuld. Genauer gesagt das Intro zu Babe I´m gonna leave you. Ab diesem Zeitpunkt ging alles seinen Lauf ohne dass ich etwas ändern hätte können. Vorsichtiges Interesse...beim Surfen im Internet landete ich „zufällig“ immer öfter auf Seiten die mit Gitarren zu tun hatten. Genauso zufällig wie ich mich im Dezember 2006 in einem Musikgeschäft wiederfand und mir einige Gitarren angeschaut habe. Und die Gelegenheit war günstig: keiner da und ein Verkäufer der gemeint hat ich könne die Instrumente ruhig ein wenig ausprobieren – wenn ich etwas brauche sollte ich mich melden.
Man muß sich die Situation vorstellen: da steht jemand vor einer Wand mit zwanzig dreißig Gitarren, einem Hocker davor und der vagen Erinnerung an einige Powerchords und einem ganz speziellen Lied im Kopf. Ich mußte mir eine schnappen und probieren – war ja niemand da...
Und an diesem Nachmittag hatte ich meine Gitarre (es war die Nummer drei) bereits in der Hand! In den folgenden Tagen habe ich, inzwischen mutiger, alle Geschäfte in der Umgebung abgeklappert, gefragt, in einschlägigen Foren gelesen und die Akustik Gitarre gefunden und gekauft – die Zeitschrift. Ich war nicht mehr zu halten...kaum drei Wochen später und nach unzähligen Instrumenten die ich in der Hand hatte wurde die Nr 3 vom ersten Nachmittag gekauft. Ich hab immer gewußt dass es die wird und keine andere. Auf den Preis mußte ich eigentlich nicht schauen, trotzdem wollte ich nicht zuviel investieren...man weiß ja nie wie das weitergeht. Aber genau diese Gitarre hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen – ohne sagen zu können was genau die Vorzüge dieses Instrumentes waren. Es war eine Dreadnought mit einem Fishman-Tonabnehmer und Cutaway – in der unteren Preisklasse angesiedelt.
Mit Literatur eingedeckt gings dann endlich los. Die ersten Akkorde wurden gespielt und nach zehn Minuten war da nurmehr der Schmerz in den Fingerkuppen...
Die Schmerzphase habe ich ganz gut überwunden, nicht aber die Erkenntnis dass jeder Fortschritt in seinem Erreichen Unzufriedenheit auslöst. Das Jahr eins endete im Dezember 2007 mit einem Schaden an meiner Gitarre. Ich mußte sie zurückgeben und auf einen Austausch warten. Auch wenn ich in diesem ersten Jahr immer wieder „schöpferische Pausen“ hatte – ich habe in dieser Zeit unheimlich viel Musik gehört. In den sehnlich erwarteten Ausgaben der Akustik Gitarre fanden sich unendlich viele Anregungen wo man einmal reinhören könnte und was mit einer Gitarre alles möglich ist. Natürlich habe ich die Transkriptionen von Jimmy Page gefunden – aber ich hab´s nicht hinbekommen. Und trotzdem...der Dezember 2007 ohne meine Gitarre war grausam. Ich habe im vergangenen Jahr erkennen müssen, dass ich nichts von dem was ich mir vorgenommen hatte hinbekommen hab. Es gab kleine Fortschritte aber auch große Enttäuschungen und trotzdem...ich hab´s nicht ohne aushalten können. Nachdem eine längere Wartezeit auf mein Tauschinstrument absehbar war (und ich wollte genau die wieder haben!) wurde eine klassische Gitarre gekauft. Keine Offenbahrung, aber es wurde weitergespielt und noch wichtiger, weitergehört. Und ich habe diese Zeit genützt um mir zu überlegen was ich eigentlich damit will und wo ich hinkommen möchte. Meine Ziele waren wohl doch zu hoch gewählt und zu wenig konkret. Ich bin in dieser Zeit wieder einige Schritte zurück gegangen. Mir kommt es heute so vor als hätte ich zum drittenmal angefangen Gitarre zu spielen.
Ende Jänner 2008 kam dann endlich „meine“ Gitarre! Wiedersehensfreude...bei einer Gitarre ??? Genau das - und wir mochten uns vom ersten Ton an. Ich hatte offenbar genau das richtige Instrument gewählt – Frustrationen konnten uns nichts anhaben, im Gegenteil. Es ist ein dauerndes Wiederentdecken, ein dauerndes „wieder zusammenfinden“. Sie steht immer griffbereit in meinem Zimmer und trotzdem nie im Weg. Nicht einmal die heuer gekaufte E-Gitarre konnte ihr etwas anhaben. Stolz steht sie da im Wissen dass ich weiter Akkustikgitarre spielen werde. Auch die E-Gitarre wird vermutlich, weil kaum gespielt, bald das Weite suchen. Ich habe endlich kapiert, dass ich langsam spielen muß...sehr langsam um weiterzukommen. Ich habe es endlich geschafft fünf Stücke vollständig spielen zu können – nicht sauber aber so, dass ich daran arbeiten kann und vor allem Spaß dabei habe. Gitarrespielen ist oft das erste was ich nach dem Aufstehen mache. Es gab weitere Fortschritte und weniger Streit zwischen uns – und heuer im Herbst hat sie mir dann endlich „Baby I´m gonna leave you“ geschenkt...

Keine Sorge – ich bin immer noch sehr glücklich verheiratet (mit einer Frau...) nur noch um etwas reicher in meinem Leben. Und ich werde nie ein wirklich guter Gitarrist werden, aber ich werde Gitarre spielen können – und zwar genau soviel wie ich brauche, um etwas in mir Ausdruck zu verleihen....aber muß das so lang dauern...?
 
Eigenschaft
 
Sehr schön geschrieben :great: Tipp am Rande: Akustikgitarre ohne Doppel-K und wahrscheinlich hättest du es eher im dortigen Bereich (A-Gitarren) posten sollen :D
Ich wünsche noch viel Spaß mit den Gitarren, auch am Lagerfeuer / beim Grillen etc. :)
 
Danke für die Blumen...;)....und ein Rechtschreibfehler...das mir...autsch...:D
Ich dachte sowas gehört in eine Plauderecke und es dürfte ja egal sein ob man E- oder Akustik:)rolleyes:) spielt - die Probleme sind ja dieselben.
Die Gitarre ist einfach ein besch... Instrument. Man plagt sich 2 Jahre und bringt trotzdem nix fehlerfrei auf die Reihe...naja...wird schon werden. Allerdings eher nicht am Lagerfeuer oder beim Grillen (Fett auf meiner Gitarre...iiihhhh).

Vielleicht hab ich zu hohe Ansprüche, aber das was ich da so spiele ist nicht "zuhörertauglich" - obwohl es mir manchmal sogar gefällt. Ein gelungener Akkordwechsel kann ja auch was Schönes sein...:redface:

BTW - wenn hier zufällig ein Gitarrelehrer mitliest - sowas würde ich im Raum Innsbruck dringend suchen. Das ist offenbar eine scheue Spezies und schwer zu finden (ich zahle pünktlich...;))...
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben