bVII Dominantisch oder Subdominantisch?

  • Ersteller gitwork
  • Erstellt am
gitwork
gitwork
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
23.12.23
Registriert
24.04.04
Beiträge
212
Kekse
1.014
Ort
Arezzo/Italia
Die überaus beliebte Akkordfunktion bVII ist ja quasi allgegenwärtig.
Ich hab sie immer als Vertreter der V wahrgenommen
so findet man z.B bei Stücken die in dorisch stehen sehr häufig bVII-Im Verbindungen.
Kaum Vm-Im, hinzu tritt die Dur IV als dorische Subdominante.

Aber auch in mixolydisch nehme ich bVII-I als alternative V-I Verbindung wahr
auch hier habe ich als weiteren hinzutretenden Akkord eher die IV als die V ausgemacht.

Jetzt lese ich gerade eine Publikation, die auf die enge Verwandtschaft der bVII mit der moll Subdominante IVm verweist und die bVII als Subdominantvertreter einstuft. Was ist eure Meinung? Ist die bVII dominantisch oder subdominantisch? oder kommt es auf den jeweiligen Zusammenhang an?
...wahrscheinlich würde ich denken, aber was ist typisch?
 
Eigenschaft
 
Der Begriff den ich damit verbinde ist "Backdoor-Progression". Die Verbindung zur IVm lässt sich zumindest im Jazz-Kontext einfach so erklären, dass IVm bVII7 eine II-V7-Verbindung ist. Man könnte also über das ganze Konstrukt einfach "Mollsubdominante" denken. Man kann die bVII7 aber auch als Substitut-Dominante zur sechsten Stufe sehen ... dann wär's ne Art Trugschluss.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Mit der Terz im Bass sprechen wir in der Klassik von einem "Neapolitanischem Sextakkord". Dieser wird sowohl als Subdominant- (aufgrund der erwähnten Verwandschaft mit der Subdominante) als auch als Dominantenersatz (seltener) verwendet, da der Akkord durch den tonleiterfremden Ton und die daraus resultierende chromatische Stimmführung 'spannungsgeladener' ist als die normalen Akkorde der Subdominant Gruppe, aber trotzdem schwächer als die Dominante da es keinen Leitton zur Tonika gibt und auch keine typische dominantische Bassbewegung.

Ich denke mit dem bVII ist es genau das Selbe. Er ist von der Spannung her irgendwo dazwischen und kann in beiden Funktionen auftreten. Als auffällige Subdominante oder als milde Dominante, je nach Kontext.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Ah, ok, daß hatte ich mir ungefähr schon so gedacht, danke für die Statements.
 
Der Neapolitaner ist doch eigentlich der IVmb6 oder BIImaj7, oder?
 
Der Neapolitaner hat mit gitworks Frage nichts zu tun.

Gitwork, Du hast schon richtig beobachtet. bVII kommt in den Modi Dorisch als bVIIMA7, Phrygisch als bVIIm7, Mixo als bVIIMA7 und schlußendlich Aeolisch als bVII7.

Letzteres, Aeolisch, dient in Dur Stücken oft als MI-Chord (Modal Interchange). Also Du befindest Dich z.B. in C Dur, borgst Dir aber vorübergehend Akkorde aus dem gleichnamigen C Aeolisch. So kommte es, dass Du in C Dur einen Bb7 Akkord erhälst.
Dieser bVII Akkord hat unbedingt SDM Funktion (Subdominantmoll) da er die bVI der Tonart als Akkordton enthält. Weiter Akkorde mit SDM Funktion die mit dem bVII7 austauschbar sind wären IIm7(b5), IVm7 oder IVm6 und bVIMA7.

Der Akkord bVII7 nimmt als Chordscale für gewöhnlich Mixolydisch, kann aber auch MM4 (Melodisch Moll ab der IV Stufe nehmen, da seine #11 diatonisch zur Tonart ist.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
@cudo danke für Deine Antwort :)

aber nehmen wir mal ein Beispiel:

Norwegian wood (Beatles) mixolydisch

I / I / I bVII / I Melodie: 5 6 5 4 3 2 4 3 1 b7 4 6 5

I / I / I bVII / I


wäre das Lied ionisch sähe das ja wahrscheinlich so aus:

I / I / I V / I Melodie: 5 6 5 4 3 2 4 3 1 7 4 6 5

I / I / I V / I


ist die bVII somit in diesem Fall nicht doch Vertreter der V ?
 
#7 ( ist die bVII somit in diesem Fall nicht doch Vertreter der V ? )


Im Wechsel I - bVII - I :
bVII dominantisiert die I, in der Verbindung beider Akkorde ensteht ein Dominantnonakkord. bVII hat hier keine eigenständige Funktion.
 
Norwegian Wood kann man als Teil-Modales Stück bezeichnen. In dem von Dir zitierten Teil kommt weder in der Melodie noch in der Begleitung die große Sept der Tonika vor.

Bei modalen (auch teil-modalen) Stücken spricht man beim Funktionswechsel aber nicht von Dominanten sondern von kadenzierenden Akkorden. Man unterscheidet beim modalen Spiel prinzipiell zwischen 3 verschiedenen Akkordtypen.

1.) Akkorde mit Tonikafunktion.
Das ist immer nur die I Stufen. Es gibt keine Stellvertreter, da der Einsatz von Tonikastellvertretern den Klangcharakter des Modus schwächen würde.
Dieser Akkord steht auf schwerer Taktzeit und ist von langern Dauer.

2.) Kadenzierende Akkorde.
Diese Akkorde werden zum Kadenzieren benutzt und enthalten den sogenannten charakteristischen Ton als Akkordton (also als 1, 3, 5 oder 7 des Akkordes).
Dieser Akkord steht auf leichter Taktzeit und ist von kurzer Dauer.

3.) Akkorde die zum parallen Ionisch führen.
Diese Akkorde enthalten den Tritonus, führen somit zum parallenen Ionisch und sind somit nicht erwünscht. Ausnahmen sind z.B. der Tonikaseptakkord von Mixolydisch. Er muss durch den Harmonischen Rhythmus entsprechend gefestigt werden damit kein Streben zum parallelen Ionisch aufkommt. Bei N.W. ist dieser Akkord aber sowieso nur Dreiklang und somit kein Problem.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
ah ok, so kann man es auch sehen, ich empfinde die bVII in Norwegian Wood hauptsächlich als Verstärker des Melodietons b7, bin aber davon ausgegangen, daß wenn man das nach ionisch transponiert, die entstehende 7 mit sicherheit Terz der Dominante wird und somit in mixolydisch die bVII Dominantvertreter... das ist aber vielleicht zu sehr um die Ecke gedacht, und kaum wirklich relevant.
 
(Sorry, hatte die zwischenzeitliche Antwort von Cudo noch nicht gelesen.)

wäre das Lied ionisch ...

Die Harmonik von Norwegian Wood und ähnlichen Songs kann m.E. nur mühsam mit den Kategorien der Funktionsharmonik erklärt werden. Letztere entstand ja auf der Grundlage einer anderen Musik.

Stellt man dennoch Vergleiche mit der Funktionsharmonik an, so denke ich an folgende Aspekte:

Der Leitton der Dominante sorgt maßgeblich für die "Zugkraft" in Richtung Tonika. "Entschärft" man den Leitton zur Mollterz, so bleibt noch der Quintfall des Grundtons, der plausibel zur Tonika führt. Dieser Effekt dürfte sehr in der Hörgewohnheit des Quintfalls mitbegründet sein.

Jedenfalls könnte man Norwegian Wood statt mit bVII auch mit der der "Molldominante" harmonisieren. Verloren ginge dabei die rocktypische Harmonisierung einer Molltonleiter bzw. der Bluestonleiter mit Dur-Akkorden, über b3, b6 und b7.

Man könnte den Song auch mit der Subdominanten statt der bVII harmonisieren. In der Melodie könnte man die b7 durch die 6 ersetzen. Das würde wegen der eingefahrenene Hörgewohnheiten ziemlich gewöhnlich klingen, doch bezüglich der Schlussfähigkeit wäre die Subdominate mit der bVII vergleichbar: Beides deutlich unter der des authentischen Schlusses V-I.

Letzterer Effekt wäre ja im Rock sehr erwünscht: Entmachtung des Leittons und der Dominante, was eine offenere, eher subdominatische Harmonik zur Folge hat.

Viele Grüße

Klaus
 
Der Neapolitaner hat mit gitworks Frage nichts zu tun.

Das ist mir jetzt auch aufgefallen, tut mir Leid.. Hab da was durcheinander geworfen weil der bVII von einer Durtonart der Neapolitaner in der Mollparallele ist. War schon spät... :redface:
Der Vergleich ist aber trotzdem angebracht, da die beiden Akkorde durch die leiterfremden Töne eine Mehrdeutige Funktion haben können. Der bVII ist da kein Sonderfall.
 
huch, da hatte ich einige Antworten übersehen.

danke @ cudu und klaus111

das hilft weiter, muß ich mal genau drüber nachdenken.

viele Grüße
Hagen
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben