Hilfen für frei- und atonales Komponieren

Das ist der kern: komponieren ist "machen", hören, lesen und analysieren allenfalls eine vorstufe, wissenserwerb oder -erweiterung.
Die eingangspforte ist schmal und die treppe im elfenbeintürmle steil, vom Parnass und den vielen "gradi" wollen wir gar nicht reden.

Mir kann jemand stundenlang beim klavierspielen zusehen, er lernt es nicht dabei. Adolph v. Menzel verlangte für eine hingeworfene skizze einen hohen preis: "um das in wenigen minuten zu können, habe ich jahrzehnte gebraucht!" Das kenne ich! Und wer es noch nicht weiß: es gibt leute, die im laufe ihres lebens dazulernen, aber nur wenigen komponisten war vergönnt, alt zu werden. VV Haydn und Verdi!
 
Und mich interessiert tonale Musik nicht. Aber wieso gehst Du in Threads die genau dies im Titel tragen?

Vielleicht weil gewisse Vorgehensweisen genreunabhängig funktionieren? Aber du hast wahrscheinlich eh nur den ersten Satz gelesen.
 
Find die Diskussion spannend und verwirrend :) Was für praktische Tips oder Wege jenseits der abststrakt theo. hier genannten würdet ihr denn empfehlen?

Als Laie würde ich meinen wenn das Gehirn dazu neigt tonale Zentren auszumachen (was wohl der Fall ist) oder zu finden wo keine sind (einbauen von Wahrnehmungsstörungen, keine Ahnung inwieweit das ein probates Mittel ist in musik. Komposition), man könnte z.B. durch häufige Modulationen oder Nichtverwenden von Tonika definiernenden Kadenzen/Akkordfolgen zu einem atonalen Komponieren gelangen. Oder z.B. die Basslinie, die im Jazz Rhytmik und Harmonik bei vielen Stücken dominiert möglich atonal zu gestalten, chromatische Töne zu verwenden, auf diesen Noten dann aufbauend die anderen Stimmen ergänzen. Ich weiss nicht ob die Fachleute hier Jazz als ein teilweise atonale Musik bezeichnen würden, der Begriff selbst ist hier ja umstritten. Aber für mich, ich höre sehr viel Jazz, ist es schon deutlich atonaler v.a. durch viele Soli in versch. Klangfarben als sagen wir mal Popmusik, wo eben bestimmte periodisch wiederkehrende Kadenzen und einfache Akkordfolgen auch als Nicht Experte raushören kann. Wenn man atonal komponieren will stellt sich wohl auch immer die Frage, für wen, wenns nur privat ist ok, ansonsten sind die Grenzen zwischen atonal und unmusikalisch wohl fliessend was Durchschnittotto angeht und man überfordert den Hörer evtl. Drum würd ich meinen auf die Regeln der klass. Harmonielehre völlig zu verzichten oder sie gezielt vermeiden/umgehen zu wollen ist vielleicht sehr kontraproduktiv.

Da ich bei dem Thread Topic auch darüber nachdenken musste: Gibt es es eigentlich algorithmische Komposition die Musik rein geometrisch komponiert, d.h. druckt man sich Noten von Musikstücken als Mididatei aus kommt man ja nicht umhin das das Auge rein visuell gewisse Muster erkennt (bei wie Musik klingender Musik:)), gleiche Abstände horizontal und vertikal die sich oft wiederholen, best. Abstandsfolgen etc. pp. V.a erkennt man Muster viel schöner als in einer Partitur. Rein algorithmisch kann man ja im Grunde festlegen, das bestimmte Töne/Akkorde nicht zu oft verwenden werden sollten oder in best. Verhältnis zu anderen , eben v.a. Tonika, Dominante. Das ist natürlich eine sehr abstrakte und eher softwaretechnische Herangehenweise an die Thematik. Aber afaik werden diese algorith. Kompositionsprogramme ja auch genutzt von modernen Musikern und scheinen für Theorienentwicklung/analyse eine Rolle zu spielen und sind nicht der Feder musikfanatischer Nerds/Programmierer entsprungen. Und Musik mit ihren klar definierten Noten und Intervallen eignet sich ja auch sehr gut um softwaretechnisch analysiert zu werden und so Regeln festzustellen (neuroanle Netze,...)
 
Wir gehen verständlicherweise immer davon aus, was sich bei uns in den letzten jahrhunderten abgespielt hat und halten das für selbstverständlich. Andere kulturen, die sich über erdteile erstrecken und langlebig sind, haben andere instrumentarien, traditionen, systeme und praktiken.
Andererseits gibt es heute globale sachverhalte, die sich aber im populären abspielen, mehr oder weniger ill-literat und damit der hohen wissenschaft unzugänglich sind.
Dass leute in abendkleid und -anzug still in einem saal sitzen und lauschen, ist eher die ausnahme als die regel (findet erst seit ca. 200 jahren in Mitteleuropa statt als aktivität einer bürgerlichen gesellschaft).

Gewiss, man kann musik programmieren, nach mathematischen gesichtspunkten oder wie auch immer gestalten, entscheidend ist, was man als ergebnis hört, und wenn ich erst aus dem programmheft erfahre, was dem komponisten vorgeschwebt hat, es aber nicht höre, ist mir nicht wohl. Oft bedient musik sich als vokalmusik des klärenden wortes, da weiß man, woran man ist, aber bis heute hält sich unausrottbar die legende von einer "Mondschein-Sonate".
Musikalische "information" ist nicht verbal, aber komponisten versuchen oft, mit ihr eine "bedeutung" zu vermitteln, die manchmal verstanden und oft missverstanden wird, wenn sie nicht reines spiel ist.

@Sarah
Noch lust aufs komponieren? Lass dich nicht von unserem geschwätz abhalten, so ist das eben in einem anonymen, jedem zugänglichen forum, es findet sich immer ein "saputello".
Ich würde vorschlagen, mit einem stück für oboe solo zu beginnen, wenn nötig kannst du dich über das instrument vorab informieren und den umfang notieren. Als vorbild zum "einhören" könnten die "Metamorphosen" von Benjamin Britten dienen, wenn du ihrer habhaft werden kannst.
Ich vergleiche gern musik mit einem gewebe, möchte aber mit einem zu spinnenden faden beginnen, die kette kann komplizierter sein, und den schuss, "den krieje mer schpäter".
Ich werde nur anregungen geben, machen musst du es selbst.
 
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Du hast natürlich sofort bemerkt, dass Britten "tonal" schreibt, wenns auch so arg tonal nicht klingt, und von stube-kammer-küche-harmonik kann keine rede sein, darüber wollen wir uns nicht den kopf zerbrechen. Dur- und molltonleitern und -arpeggien hat jeder musiker im griff, anderes muss er üben! Einstimmige musik kann recht komplex sein, aufgefallen sind dir die atemzeichen, denn sänger, bläser sind an schnödes atmen gebunden so wie streicher an ihre bogenlänge: sie müssen phrasieren, schön, wenn das auch klavierspieler täten.
Was unter einem bogen steht, wird in einem atem geblasen, anderes immer mit einem zungenstoß. Tü-tü-tÜ .
In einer aufnahme hörst du ein sopransaxophon, das sich im klang unterscheidet, weil es ein einfaches rohrblatt hat, anders mensuriert ist und anders "überbläst", außerdem in "B" steht, d.h. es klingt einen ton tiefer als notiert. Das muss jemand, der komponieren will, alles wissen und möglichst noch ein bisschen mehr. Irgendwann fangen wir dann auch an, geduld!
 
Mir ist in den letzten Tagen ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal aufgefallen.

Es gibt viele "tonale" Musik, in der manche der Stimmen und Töne eher unnötig sind und lediglich der Begleitung dienen. Sie bleiben eher unbemerkt im Hintergrund, selbst in lauten Passagen. Dies ist bei stark Stufendreiklangs-orientierter Musik der Fall, aber auch bei Musik mit einer Harmonik der "leeren" Quinten und Oktaven.

Hingegen gibt es aber auch "tonale" Werke (z.B. bei Bach in seinen Fugen), in denen jede Stimme sehr relevant ist und einen wichtigen Teil der Musik ausmacht. Auch im Bereich der eher "atonalen" Musik sind die Stimmen oft viel wichtiger für den Gesamtklang als in einfach aufgebauten "tonalen" Werken. Hier geht es dann entweder auch um jede einzelne Stimme, oder es geht eher oder gleichzeitig um den Klang und seine Ausprägung und Färbung durch die Instrumentierung und die Dynamik der einzelnen Stimmen (z.B. bei Tristan Murail).

Fazit daraus für diesen Thread:

Bei freier und atonaler Komposition ist es oft wichtig, auf jede einzelne Note zu achten, ähnlich wie im Kontrapunkt.

Bei einfacher Harmonielehre-basierter Komposition ergeben sich einige der Stimmen fast von selbst aufgrund der Regeln, und wenn man hier nicht einiges an Variation reinbringt, bekommt man den oben beschriebenen Effekt. Es ist also eine starke Vereinfachung des Kompositionsprozesses.

Diese Vereinfachung hat es auch noch nicht lange gegeben. Sie wurde erst nach dem Barock so richtig etabliert und angewendet. Im Barock und davor war das Komponieren noch viel mehr aufs Detail bedacht. Nicht umsonst ist der Kontrapunkt im Barock forciert worden. Aus diesen Gründen interessieren sich heutzutage auch viele Leute wieder für sehr alte Musik aus dem Barock und den Zeiten davor, denn da gibt es einige sehr interessante Werke, welche heutzutage kaum bekannt sind und noch kaum oder gar nicht aufgeführt worden sind.
 
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Klassische musik kann man im klavierauszug darstellen, mit Pendereckis Threnie etwa geht das nicht, töne hinterm steg, streichercluster u.a. ????
Musik kann vorwiegend polyphon sein, muss aber nicht, in dem erwähnten werk gibt es keine einzelstimmen. Und generalbass-musik ist ganz schön vereinfacht: nur singstimmen (bei den soli wurde viel improvisiert), obligate instrumente und das continuum als bezifferter bass werden notiert, einzelheiten ergaben sich bei der aufführung, und heutige präzision kannte man schon gar nicht. Wie soll ein bachscher thomasschüler gesagt haben? "Erst haute er uns tüchtig durch, und dann klang es scheußlich!"

Die verarmung mit entsprechender gewöhnung findet heute woanders statt: wer musik von tonträgern hört, bekommt nur die hälfte aller "informationen": verdopplungen werden weggefiltert, um platz zu sparen, die dynamik wird komprimiert, nebenstimmen gehen unter, weil ein gleichförmiger "level" angestrebt wird, wie er im populären üblich ist. Stark aufgespielte signale kommen auf den scheiben besser an. Bei oper dominieren die stimmen, das orchester wird zur nebensache.
An die aufnahmefähigkeit und -willigkeit der hörer mag ich gar nicht denken, wie viel musik läuft ab, ohne dass ihr aufmerksamkeit geschenkt wird, da sie allgegenwärtig und leicht mit knopfdruck erzeug- und wiederholbar ist. Wie steht es mit der erlebenstiefe?
Das ist kein lamento, sondern nüchterne betrachtung.
 
Am anfang steht der schlüssel, für oboe oder (alle) saxophone ein violinschlüssel.
Keine vorzeichen, sonst sieht es "tonal" aus, aber halt! bei Bartok finden wir auch mal ungewöhnliche kombinationen. ein einsames cis oder fis/gis, wenn man nämlich möchte. dass statt des stammtons immer der erniedrigte oder erhöhte gespielt werden soll. "Fis" und "Ges" sind nur auf temperierten instrumenten identisch, regel: fis weist nach oben, drängt zum g, ges nach unten zum f. Vergessen wir nicht, dass wir aus den engen gleisen der tradition nicht herauskommen, wenn wir allgemein verständlich bleiben wollen. Wir können auch festlegen, ob vorzeichen wie üblich einen ganzen takt gelten oder nur für die jeweils bezeichnete note.
Wie steht es mit einer idee? Die kommen meist ungerufen und bestimmt nicht, wenn man darauf wartet, und wenn überhaupt nix kommt, sollte man nicht komponieren, mit "möchten" und "wollen" ist es nicht getan. Ob man ein spiel treiben, lyrisches, dramatisches, tänzerisches oder langeweile ausdrücken möchte, davon hängen die folgenden entscheidungen ab.
Wahrscheinlich haben erfolgreiche komponisten einfälle, die sich zwar anderen vermitteln lassen, die aber ihrer ureigenen sphäre entstammen, in die sie sich nicht gern hineinschauen lassen. Ihre mentalität weicht auch oft von "Otto-normal" ab (ist als kompliment gedacht, bitte keine entrüstung!).
Zum charakter eines stückes gehören nämlich taktart und tempo, und die gilt es, nun festzulegen. Oder weder noch, auch das ist eine entscheidung, die zu den wesentlichen parametern gehört.

Schlüssel um die g-linie gemalt, idee vorhanden, taktart und tempo gewählt?
Der takt kann auch zeitweilig aussetzen, man verzichtet auf taktstriche, deutet die relativen dauern nur an, oder auch nicht - wählt symmetrie oder a-symmetrie, experimentiere mit "zusammengesetzten" taktarten, Bartoks "bulgarischen", die aber auch in Lateinamerika vorkommen wie 3+3+2 (rumba), 4+3+2, 2+3+2 usw.
Wenn ich immer auf Bartok hinweise, ich kenne kein anderes werk, das so viele muster darbietet, um zu freiem melos, zu miniaturformen und interessanten rhythmen zu kommen.
Der oder das melos hängt ab von dem verwendeten tonmaterial, zur verfügung stehen 12 verschiedene töne und deren "oktaven", d.h. doppelte oder halbe saitenlänge oder luftsäule. Es gibt unendlich viel mehr, auch ein oboer kann durch mehr oder weniger atemdruck vierteltöne erzeugen (+ oder - über der note), das viertelton-klavier, um Alois Habas musik zu spielen, hat sich aus praktischen gründen nicht durchgesetzt.
Ich warne vor der ständigen verwendung aller 12 töne, die dodekaphonie hat die spitze eines astes erreicht, von dem man kann nur zum nächsten springen kann. Orff'sches rhythmisches "wenig-ton-melos" prägt sich eher ein als Schönbergs 12-ton-reihen mit ihren derivaten.
Dennoch empfehle ich, Webern zu hören, ihm gehört meine besondere vorliebe unter den 3 wienern.
Die Griechen kamen anfangs mit 4 tönen aus, aber dieses tetrachord konnte verschieden gestimmt werden, zur 7-tönigen leier war es ein großer sprung und, halleluja, unsere diatonische tonleiter war geboren. da erklangen dorische marschmusik, lydische hirtengesänge, phrygische klagelieder oder orgiastisches doppelaulos-spiel, jonisch und äolisch war damals weniger beliebt.
Die "chromatische", 12tönige ist dagegen äußerst langweilig mit ihren glelchförmigen ton-abständen, die ganztonleiter ist auch nicht sehr ergiebig, dagegen ist pentatonik vital und nicht umsonst bis heute nicht nur im kinderlied (da gibt es auch ein 3-ton-muster, na, welches?) beliebt.
Vorschlag: mit 5 verschiedenen tönen bist du dabei! Suche sie aus.
Ich habe ein faible für a-symmetrie, abe das muss nicht jeder teilen.
 
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lieber günter,

das ist ja nett, wie du mir helfen willst:)

gut, ich versuch eine kleine komposition für oboe mit einem motiv, das aus 5 tönen besteht.......;)

vielleicht macht ja noch jemand mit.........
 
Es muss ja nicht bei den 5 "stammtönen" bleiben, alle manipulationen sind möglich: verschiedene anordnung - oktavierung - wechsel mit kleiner und großer unter- und obersekunde - ausfüllen von sprüngen mit "fremden" tönen - wiederholungen - ein ton immer zwischen andere geschaltet (spielerischer effekt) - triller - wechsel zwischen zwei tönen bis zum tremolo - umkehrungen, spiegelungen und krebs, die ganze palette von verarbeitungen.

Poetik kennt gebundene und freie form, die eine in versen, strophen, reimen im gegensatz zur metrisch freien lyrik oder prosa, traditionelle musik als kleinste sinn-einheit das motiv, das wiederholt, verändert, sequenziert, von gegensatz abgelöst zum "satz" wird.
Analysiere "Kuckuck, kuckuck", ein meisterwerk an symmetrie, Schumanns "Träumerei" ist komplizierter aufgebaut.
Suche ein gedicht und folge ihm musikalisch, oder einem prosa-abschnitt oder beidem im wechsel. Mendelssohns "Lieder ohne worte", Liszts "Petrarca-sonette" gehören dahin. Liedformen sind strophisch, variiert strophisch oder durchkomponiert. Schubert bevorzugte das melos, Wagner und Wolf die sprach-deklamation, beides geht. Du kannst "rezitativisches" von einer "arie" folgen lassen.
Wieviele möglichkeiten!

Packe nicht zuviel in ein stück, mache kleine "capriccios" ( launen), verschiedener art, lerne den reiz der einstimmigkeit kennen, mit anderem tonmaterial, anderem charakter, anderen instrumenten. Vielleicht findest du ästhetische regeln, auch dass eine schnelle, aufsteigende linie andere empfindungen erregt, als eine sanft herabrieselnde. Auftakt oder nicht, auch metrik kann interessant sein.
Als nächsten schritt würde ich eine schlagwerkspur zufügen, wo sie sich eignet, durchgehend (Ravels bolero) oder sporadisch als einwürfe. Hast du die möglichkeit der klangrealisierung mit synthesizer, hard oder soft?
 
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vielleicht macht ja noch jemand mit.........

Wir können gerne mitmachen und Vorschläge machen, wenn du uns einen Stand zeigst, aber die führende Aufschrift liegt dann sicherlich bei dir zuhause, sofern du nicht mit dem Computer aufschreibst. ;)
 
So habe ich das aber auch nicht geschrieben, Herr HCA. Ich meinte das Machen. ;-)
 
"Den lieb' ich, der unmögliches begehrt - - - ", sagt in der großen literatur irgendwann irgendwer zu irgendwem: ich bin mir des unterfangens bewusst, einen ganzen studiengang und die praxis eines musikerlebens aus der vogelschau zu betrachten. Ohne kontakt, unterweisung, demonstration, hilfestellung und korrektur bleibt es ein versuch, und ich werde mich kurz fassen, mehrstimmigkeit und gar orchesterbehandlung sind so schwerlich darstellbar, aber der weiterbildung in alle richtungen steht nichts im wege.
Ich werde in zukunft mehr an mich denken, was im berufsleben nicht immer möglich war.
 
Von der ökonomie der ästhetik.
Die pyramiden bestehen aus tausenden gleich zubehauener quadern, das Freiburger Münster aus ebensolchen aus rotem sandstein, allerdings sind einige gelbliche eingefügt, um die fassade lebendiger zu gestalten. Die backsteingotik verwendet in massenproduktion vorgefertigte ziegelsteine gleicher größe, in Nordfrankreich und Flandern sieht man lebhafte und augenfällige muster durch verschiedenfarbige glasuren und positionen der elemente, aber es herrscht einheit bei weise begrenzter vielfalt.
Große malerei ist nicht "bunt", gemälde sind farbig oft sparsam komponiert, manchmal findet man nur einen roten farbtupfer in einer landschaft, denn rot springt als signalfarbe ins auge, was Schmidt-Rottluff wiederum als stilmittel verwendet. Ein blick in die nachbarkünste schadet dem musiker nie. Ein übermaß an verschiedenartigem "material" verwirrt, ein romanautor wird nicht immer neue personen einführen, im zentrum eines dramas steht der "held", auch wenn er keiner ist. Es ist nicht nur ein gebot der ökologie, sondern auch der ästhetik, sparsam und umsichtig mit den resourcen umzugehen.
Beethoven gestaltet einen sinfoniesatz aus zwei tönen in einem kurzen, rhythmisch prägnanten motiv, kaum ein takt, in dem es nicht vorkommt, in immer neuer gestalt, da kommt keine langeweile auf. Die entsteht eher, wenn man den zwar sichtbaren, aber kaum hörbaren verschränkungen vom 12 tönen vergeblich zu folgen versucht. Ein übermaß an information erschlägt leser, betrachter, zuschauer und hörer und erzeugt widerwillen. Man betrachte die mienen der zuhörer, wenn Bachs "Kunst der fuge" erklingt, wer den kontrapunktischen künsten nicht folgen kann, ist überfordert. Das gilt heute für viele klassische musik, der humor in manchen werken Haydns und Beethovens wird nicht wahrgenommen, der abstand ist zu groß, und bei allem neuen ist der abstand zu klein, es ist noch nicht abgesegnet und man weiß nicht, woran man ist.
Bei dem erwähnten werk von Bach ist es nicht die überfülle an material, das fugenthema besteht nur aus wenigen tönen, ist aber auf kunstvollste weise durchgeführt. Für eine fuge braucht man wenig einfall und viel zum teil erlernbare kompositionstechnik. Ich muss gestehen, als tastenspieler ein "fugenmuffel" zu sein, mir sind die am liebsten, die auch dem spieltrieb folgen wie die im gewand von giguen aus partiten und suiten.
Mein appell an alle zeitgenössischen komponisten: gebt uns musikern was zu spielen, dann spielen wir es auch gern, verschont uns mit kopfgeburten (es gibt noch andere "lagen", die eine geburt erschweren), kompliziert scheinenden notationen und rhythmen, die dann klingen wie unsauber gespielt, schreibt hin "tempo rubato" und erspart uns das mühselige zählen! Leider ist gut spielbare und gut klingende "neue" klaviermusik selten. Stoßseufzer ende.

Wer heute "außerpopulär" komponieren will, muss sich von der vierschrötigen vierstimmigkeit verabschieden, die ist nämlich auf "tonalität" zugeschnitten, 3 dreiklangstöne, einer verdoppelt, basta!
Viel reizvoller ist zweistimmiger satz, der, auch linear geführt, immer gut klingt und viele möglichkeiten bietet. Auch barocke trio-technik ist verwendbar: zwei verschlungene oberstimmen+ kontrastierendem bass, auch als bordun oder ostinato.
Ob es nur gewohnheit ist, unsere ohren haben grenzen bei der aufnahmefähigkeit. Vieltönigkeit wird im p als wesentlich angenehmer empfunden als im ff, wo man die stimmenzahl tunlichst eingrenzen sollte. Bruckner hat das vorgemacht mit seinen gewaltigen "unisoni", Webern mit seinen zauberhaften pp-orchesterklängen. Auf ein phänomen möchte ich noch verweisen: dicht beieinanderliegende frequenzen kann das ohr nicht mehr unterscheiden, sie werden als "rauschen" wahrgenommen, verlieren als cluster ihren melodischen wert und sind daher vielfach einsetzbar.
Damit möchte ich meinen monolog beenden und mich auf detallierte antworten auf ebensolche möglichen fragen beschränken.
 
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Ich sag mal Danke für deinen Monolog, hat mich einiges zum Nachdenken angeregt, auch in cvinos Post. :great:

Im Grunde sprecht ihr ja von Klavierkomposition ohne es explizit zu sagen, auch die Threadstarterin möchte wohl auf Klavier komponieren. Nachdem ich jetzt nochmal über die Post und meine Hörerfahrung etwas siniert hab, find ich es komisch, dass die Instrumentwahl hier garnicht erwähnt/diskutiert wird. Du sprichst es selbst schon an mit den Cluster. Bleibt man bei akustischen Instrumenten bieten sich auch noch Glissandi an um atonale Wirkung zu erzeugen. Mit elektronischen Instrumenten hat man dann noch mal ganz andere Möglichkeiten atonale Ideen wirklich umzusetzen, Pitch-Modulation, Morphing, Geräusche (Rauschen), spektral wirklich fette Klänge die sich nicht so einfach wie Klavierton mit Obertonspektrum einer Tonhöhe zuordnen lassen. Auch Klangfarbenmelodien wurden noch nicht erwähnt, aber natürlich kann ein fortführen von Melodien mit wechselnden Klangfarben auch Verwirrung/Ablenkung stiften und tonale Zentren vernebeln.

Atonale Musik würd ich als wesentlich affektiver bezeichnen als tonale die nach alten bewährten Harmonieregeln komponiert ist. Höre ich Liszt Liebestraum, denke ich, ja perfekt, genauso so ist es logisch, stimmig, harmonisch, man kann den weiteren Verlauf vorausdenken, aber bei dieser Art der Musik fehlt mir Emotion, weswegen ich viel Jazz und Elektronische Musik höre. Atonale Musik ist wohl in ihrem Verlauf weniger voraushörbar als klassische Stücke, die Komposition kann daher auch nicht so regelbasiert sein wie cvinos erklärt hat. Mit den Stimmführungsregeln etc. pp kommt man ja automatisch zu Melodien, darauf basieren ja dann auch letztendlich algo. Komposition. Musste an Aphew Twin's Selected Ambient Works denken, wahrscheinlich bei Pianisten weniger bekannt, aber in elektronischer Musik ist Ambient wohl die Stilrichtung der ich das grösste atonale Potenzial zuordnen würde. Aphex Twin denkt wohl nicht so theoriefixiert wie klass. Komponisten an best. Regeln aber gerade diese Experimentierfreudigkeit von der Hörerseite und weniger der Theorieseite macht m.M. nach seine Musik so interessant. Afaik wurde er auch stärker von Stockhausen beeinflusst der ja auch eher neuen musik. Konzepten und atonaler Musik zugewandt war.

Summa summarum ist m.M. der Wunsch ausschliesslich für das Klavier mehrstimmige Stücke atonal zu komponieren ja nachvollziehar "um mal was Neues zu machen", aber m.M. ist das Klavier alleine vielleicht nicht im doppelten Sinne das beste INSTRUMENT um atonale Musik zu kreieren, sondern man sollte per se versch. Klangfarben/Instr. und kont. Tonhöhenveränderungen benutzen wie es in elektr. Musik möglich ist. Würde mich auch mal über ein paar Hörtips klass. Komponisten von euch freuen, wo garantiert nur atonal komponiert wurde. Bis jetzt hab ich auf Wikipedia nur Erwähungen einzelner Stücke aus ganzen Werken gesehen die als atonal tituliert wurden. Wer nennt mal ne CD mit wirklich nur atonal Stücken von klass. Komponisten oder meinetwegen ein paar utube Links?
 
Du hast recht, das klavier ist das ungeeignetste instrument mit seinem klar abgegrenzten tonvorrat und "neutralen" klang, es wird auch nicht viel neues dafür komponiert, aber es ist nun mal musikers haupt-handwerkszeug. Zwischen instrumenten und kompositionsweisen besteht eine wechselwirkung, am deutlichsten sieht und hört man das bei der gitarrenmusik, die kommt von akkordvorstellungen nicht los, weil das instrument nun einmal dafür konstruiert ist. Das klavier gibt die klangvorstellung des 19. jhs. wieder, darauf lässt sich alles reduzieren, und auch die streichinstrumente haben ihre geschichte.
Musik erklingt in einem bestimmte ambiente, im konzertsaal haben wir eben ein so nach stellenplan besetztes orchester, und wer da gehört werden will, muss eben dafür schreiben. Wo ist das ambiente für die vielfalt elektronischer klänge? Hört man sich die im stlillen kämmerlein von tonträgern an, wird sie irgendwo "live" dargeboten? Ich spiele gern damit in meinem mini-studio, komme aber über spielerisches experimentieren und formlos-nebuloses nicht hinaus, und wie könnte ich mich anderen mitteilen?

Klassische komponisten haben oft grenzen überschritten, Chopins es-moll prelude, sein finalsatz der b-moll-sonate sind traditionell ebenso wenig greifbar wie Liszts alterskompositionen, die keiner kennt, weil sie keiner spielt.
 
tatsächlich habe ich mich nun entschieden, ein kleines stück fürs klavier zu komponieren, weil ich da mein problem am besten darstellen kann. nämlich was ja auch meine ursprüngliche frage war: wie mache ich es, dass ich dissonante klänge verwende, ohne dass sie beliebig klingen. das problem ergibt sich für mich ja erst bei klängen, in der einstimmigkeit tritt für mich DIESES problem nicht wirklich zutage.....

das klavier habe ich deshalb gewählt, weils mir ja nicht um instrumentation geht, sondern ich nur ein problem sichtbar machen will.....

brauche wohl noch ein paar tage.......
 
nämlich was ja auch meine ursprüngliche frage war: wie mache ich es, dass ich dissonante klänge verwende, ohne dass sie beliebig klingen. das problem ergibt sich für mich ja erst bei klängen, in der einstimmigkeit tritt für mich DIESES problem nicht wirklich zutage.....

Dann versuche doch zu Anfang dir einen festen Tonvorrat zu geben.
In Richtung Dodekaphonie willst du ja anscheinend noch nicht gehen.
Eine vorgegebene Reihe ergibt natürlich einen festen Halt. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten Tonvorräte zu erstellen. Ich empfehle dir mal Schönbergs "Buch der hängenden Gärten" nach Gedichten von Stefan George zu analysieren.
Natürlich nicht gleich alles... Aber wenn ich mich recht entsinne geben Stücke V, X und XII sehr viel an Material her und sind im Umfang auch relativ kurz.
Statt von einer quintgeschichteten Harmonik auszugehen, wieso nimmst du nicht zur Übung mal eine quartgeschichtete?
Oder mach es wie Messiaen und andere, in dem du dir einen Modus kreierst oder einen schon bekannten nimmst und das als Tonmaterial verwendest.
Den kannst du natürlich selbst wählen, in dem du dir Halb-, Ganz-, und Eineinhalb Ganztonschritte frei wählst, nach einem Muster anordnest oder nicht.
Als erste Übungsstücke sehr empfehlenswert, sich einfach ein festes Material auf eben genannte Weisen zu erstellen.
Aus diesem Material lassen sich genauso Motive ableiten und verarbeiten, es lässt sich linear und vertikal arbeiten.
Und übertreiben musst du es am Anfang auch nicht: Anstatt ein riesiges Werk zu schaffen, lieber erst mal drei, vier kleinere.

Wenn du Probleme mit der Form hast: Nimm kurze Gedichte, die geben dir eine Form vor, mit der du arbeiten kannst, schreibe kleine Lieder für Klavier und Singstimme. Schönberg und Webern haben aus einem bestimmten Grund anfangs Gedichte in ihrer frei atonalen Phase vertont.
 

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