Hallo Cörnel
Danke dir für deine Antwort.
Das ist wirklich ein spezielles (Denk)System.
Ich denke, niemand wird irgendwen überzeugen wollen und wenn es bei dir so funktioniert - Warum nicht?
Diskutieren ist aber sicher erlaubt und erwünscht. Mir macht das jedenfalls Spaß und dazulernen kann man immer
Cörnel;4638643 schrieb:
Den Lipp-Trill mache ich ab einer gewissen Höhe ohne Phonation, aber singe innerlich weiter. D.h.: Ich mache nicht nur blubber blubber ohne irgendwas im Hals zu machen sondern leiste dort intensive muskuläre Arbeit.
Das ist es, was ich nicht glauben kann. Warum sollte ein Muskel im Kehlkopf über seine natürliche Leistungsmöglichkeit und Leistungsnotwendigkeit hinaus beansprucht werden? Zumal die Kippfunktion eigentlich beizeiten von anderen muskulären Funktionen abgelöst wird. Wenn man das täte, würde man dann nicht überhaupt einen Muskelkater riskieren? Im Sport ist das im allgemeinen so.
Ich bin z.B. früher sehr viel geritten. Da war es kein Problem, aber jetzt, wo ich es nur noch einmal im Jahr im Urlaub tue und total untrainiert bin kriege ich jedesmal den Muskelkater des Jahrhunderts ;-))
Einen leichten Muskelkater nach sehr intensivem Atemtraining kenne ich auch. Die Kehlkopfmuskulatur sollte davon aber tunlichst verschont bleiben, darin sind wir uns denke ich alle einig ;-)
Cörnel;4638643 schrieb:
Die Atmung hingegen ist immer noch die Atmung. Wir bleiben hier an der Naturfunktion zumindest näher dran.
Aus meiner Sicht ist dies der größte Irrtum im Funktionalen Denken.
Die Atmung ist zwar eine Überlebensfunktion und natürlich ist JEDES Singen auch Atmung.
Aber Sängeratmung ist deutlich etwas anderes als die Normalatmung aus 2 Gründen:
1. Sängeratmung ist AKTIVE Ausatmung und passiv empfundene Einatmung, während in der Normalatmung die Einatmung als aktiv empfunden wird und die Ausatmung als passiv. So nutzt man es in vielen Entspannungstechniken auch. Mit passiver Normalausatmung kann man aber nicht singen, das heisst, die Ausatmung muss beim Singen verstärkbar sein.
2. Die Normalatmung ist nicht auf sängerische Leistung ausgelegt.
Ich gebe dir Recht, wenn du sagst, man kann die Atmung auch durch das Singen trainieren. Die Frage ist aber, wie lange das dauert und welche Tonqualität damit erreichbar ist. Lange Töne sind nicht unbedingt alleine das Thema. Ich konnte früher auch lange Töne singen und ich kam auch recht hoch von Natur aus. Entscheidend ist aber die qualitative Spannweite. Das wurde mir klar, als ich mich daranmachte, Musical und Klassik zu singen. Die erste Ave Maria Phrase durchzuschaffen ist kein Problem, solange mir egal ist wie es klingt. Sie so durchzusingen, daß es nicht wackelt geht auch noch. Sie aber mit Tonfülle und für klassischen Gesang angemessener Lautstärke durchzuhalten ist echt Arbeit. Entweder ich kriege Halsschmerzen oder ich verlagere diese Arbeit auf die Atemmuskulatur. Wenn das gelingt ist die Anstrengung im Hals weg. Die Qualität lässt sich durch das Training der Atemmuskulatur deutlich verbessern. Das zu leugnen ist nicht logisch. Man kann sagen, daß der Atem sich durch Singen trainiert. Das stimmt. Aber wie bei jedem anderen Muskeltraining auch kann man die Effektivität durch spezielle Übungen steigern.
Das kategorisch auszuschließen finde ich unklug.
Cörnel;4638643 schrieb:
Richtige Atmung ist Folge eines gut koordinierten Muskelsystems im Kehlkopf.
Eigentlich besteht das Instrument aus drei "Systemen", nämlich Atemfunktion, Kehlkopf und Ansatzräume/Ansatzrohr.
Eine Koordination zwischen diesen drei Systemen und innerhalb jedes einzelnen ist notwendig, da gebe ich dir Recht.
Wenn das Muskelsystem im Kehlkopf gut koordiniert ist und keine Fehlfunktion in der Atmung vorliegt kann es klappen und auch schön klingen. Da gebe ich dir auch Recht.
Und wenn dazu die Atemmuskulatur noch speziell trainiert wird kann es einen Zuwachs an qualitativen Möglichkeiten geben.
Warum einen Teil des Ganzen ausschließen? Warum beraubt ihr euch dieses Potentials zugunsten eines Ideals von "Natürlichkeit"?
Zudem erscheint es mit einfacher und auch ungefährlicher, von der Atmung statt vom Kehlkopf auszugehen.
Und zwar einfach deshalb, weil die Kehlkopfmuskulatur klein, filigran und empfindlich ist. Jeder falsche Eingriff aufgrund einer vielleicht falsch verstandenen Theorie kann zu Problemen führen.
Die Atemmuskulatur dagegen, also Zwischenrippenmuskulatur und Zwerchefell ist groß und stark und zudem verhältnismäßig leicht trainierbar.
Eine Verbindung zur Atemmuskulatur ("Stütze") herzustellen ist ja allgemein erwünscht.
Die einen setzen direkt bei der Atmung an, die anderen vertrauen darauf, daß sie sich von alleine ankoppelt.
Wenn wir aber mal als Grundannahme setzen, daß beides möglich wäre, nämlich Rückwirkung der Balance im Kehlkopf auf die Atmung, sowie die Rückwirkung von der Atmung auf die Balance im Kehlkopf, dann würde ich zumindest zweiteres als primären Lernweg vorziehen, da es einfacher ist.
Cörnel;4638643 schrieb:
Und ich kann euch garantieren, dass Atemübungen bei mir nur Schaden anrichten würden. Ich habe seit Jahren keine mehr gemacht, und ich kann lange Phrasen singen.
Welchen Schaden befürchtest du durch Atemübungen? Und durch WELCHE Atemübungen?
Ich lehre in meinem Unterricht drei verschiedene Aspekte der Atmung:
1. Muskelkräftigung durch sehr starkes sch sch sch
2. Flexibilität und schnelles Abspannen durch z.B. "Zugfahrübung" (Schneller werdendes s sch s sch s sch mit Übergang ins Hecheln)
3. Verbindungs-Übungen, z.B. das Lippenvibrato, ein langes wwwwww, Summübungen auf mmmm und ng, Stöhnen, Seufzen, kichern und ähnliches.
Je nachdem, was einer Schülerin eher entgegenkommt kann man das unterschiedlich gewichten und unterschiedliche Übungen erstellen. Das Seufzen z.B. wirkt sich auf die Atemmuskulatur aus. Man kann aber auch direkt von der Atembewegung ausgehend unterrichten. Entscheidend ist dabei, was die jeweilige Schülerin am Besten umsetzen kann.
Ich habe auch schon manchmal Übungen ausprobiert, die ich aus einem funktionalen Kurs kannte. Wenn es weiterhilft behalte ich es bei, wenn nicht lasse ich es wieder. Da würde ich mir und der Schülerin nichts schönreden oder ausreden.
Soweit erst mal
Einen lieben Gruß,
Shana