Quadratnotation Transkription

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Anna 5
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Hallo an alle!

Mich würde Folgendes sehr interessieren: bei einer Transkription eines Stückes in Quadratnotation ohne alle Extrazeichen, genügt es, die Noten einfach in Tonhöhen zu "übersetzen", oder muss man Ligaturen etc. ebenfalls durch Bögen, engeres Zusammenschreiben etc. sichtbar machen? Ich frage, da ich Referendarin bin und eine Lehrprobe über dieses Thema vorbereite. Die Frage kommt mir deshalb in den Kopf, da ich Beides schon gesehen habe in Schulbüchern: mal wurden die Ligaturen durch Bögen unter der heutigen Notierung angedeutet, im alten Gotteslob findet man enger zusammen stehende Noten, aber ich fand auch schon Versionen, in denen einfach nur die Noten übertragen wurden. Gibt es zur Darstellung der Ligaturen mit Bindebögen spezielle Regeln, ein Schema? Nicht alle Darstellungen finde ich nämlich einleuchtend. Wäre für eine schnelle Antwort sehr dankbar.



Liebe Grüße,

Anna
 
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Hallo Anna,

willkommen im Board!
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Quadratnotation und moderner Notation ist unter andem, daß es damals noch kein Takt- und Rhythmus-Konzept im heutigen Sinne gab. Es gab also keineswegs wie heute exakte Noten- und Pausenlängen und der rhythmische Fluß wurde eher vom natürlichen Sprachrhythmus gesteuert.

Unter anderem deshalb sind die Ligaturen auch so wichtig und dürfen keinesfalls unter den Tisch fallen!
In der heutigen Notenschrift (ich meine jetzt tatsächlich moderne Noten, nicht die Transkripton gregorianischer Gesänge) ist es auch wesentlich, Ligaturen zu kennzeichen (durch Bindebögen), damit man erkennen kann, wenn eine Silbe über mehrere Töne gedehnt werden soll.

Ob Du bei Deiner Transkription nun Bindebögen verwendest und/oder die Notenköpfe eng zusammenrückst, ist völlig einerlei. Nur: die Information an sich ist wesentlich.

Ich finde die Gotteslob-Darstellung sehr gelungen.

Mit den Ligaturen ist es in der Musik eben auch wie im Schriftsatz: Als die hohe Kunst des Bleisatzes vom Fotosatz abgelöst wurde, verschwanden die Ligaturen aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten (außer das "ß" - die einzige überlebene Ligatur, mittlerweile dürfte es den wenigsten bewußt sein, daß es sich um eine Ligatur handelt ;)).
Später, als die Technik mächtiger wurde, kehrten die Ligaturen zurück - sind aber leider oft falsch gesetzt, weil das Wissen verlorengegangen ist. :(

Fazit: ich würde die Ligaturen auf jeden Fall übernehmen, denn es gibt sie (Stichwort: Melisma) auch in der modernen Notation noch und gerade in der Gregorianik sind sie bedeutend für den rhythmischen Fluß und eine wichtiges Bindeglied zwischen Text und Melodie.

Viele Grüße
Torsten
 
Hallo Torsten,


lieben Dank für Deine umfassende Antwort. Ja, es ist wahrscheinlich sinnvoller, den Schülern das ebenfalls zu vermitteln, es könnte sonst didaktisch zu stark reduziert sein. Das Problem bei vielen Beispielen sehe ich aber in der Mehrdeutigkeit vieler Ligaturen. Ich habe hier ein Beispiel, da stellt sich mir die Frage: ist es besser, bei melismatischer Vertonung auf "me" von "me - ae" aufzulösen in 3x Punktum + Climacus, oder Bistropha + Quilisma sinuosum, oder besser alle diese Zeichen auf einen Bindebogen. Wie könnte das gemeint sein. Und ebenfalls wichtig: muss ein Climacus immer sekundweise absteigend sein, oder kann zwischen zweitem und drittem Ton auch einmal eine Terz liegen? Ist es in der Lehrprobe und generell okay, wenn die Schüler beim Vorstellen verschiedene Lösungen finden?
 
Ja, es ist wahrscheinlich sinnvoller, den Schülern das ebenfalls zu vermitteln, es könnte sonst didaktisch zu stark reduziert sein.
Ich würde auf jeden Fall die Ligaturen an sich (die sind ja auch deutlich zu erkennen) durch enge Zusammenschreibung der Noten (Eierkohlennotation ist ein lustiger und zutreffender Begriff) und/oder Bindebögen kennzeichnen.
Die "inneren Feinheiten", also welche Note wie betont/artikuliert wird usw. würde ich zwar erwähnen, aber nicht vertiefen (unterschätze auch nicht die Zeit, die wie im Fluge vergeht).
Bedenke: Wer kennt sich schon mit Quadratnotation aus, welche Bedeutung hat sie im späteren musikalischen Leben der meisten. Priorität sollte sein: Grundlagen vermitteln, Ein- und vor allem Ausblicke bieten. Interesse wecken.

Das Problem bei vielen Beispielen sehe ich aber in der Mehrdeutigkeit vieler Ligaturen. Ich habe hier ein Beispiel, da stellt sich mir die Frage: ist es besser, bei melismatischer Vertonung auf "me" von "me - ae" aufzulösen in 3x Punktum + Climacus, oder Bistropha + Quilisma sinuosum, oder besser alle diese Zeichen auf einen Bindebogen. Wie könnte das gemeint sein.
Ich würde auf die Problematik hindeuten und entweder eine einfache Darstellung wählen oder besser ;) Beispiele nehmen, die möglichst unproblematisch sind. Ich kann mir gut vorstellen, daß ein Schüler mit all den neuen Begriffen ziemlich überfahren ist - da kann es nur verwirren, gleich zu sehr ins Detail zu gehen.
Der Trick lautet also: Einfache und anschauliche Beispiele, Hinweis auf komplexere Fälle und auf Nachfrage kann man ja das eine oder andere vertiefen.

Und ebenfalls wichtig: muss ein Climacus immer sekundweise absteigend sein, oder kann zwischen zweitem und drittem Ton auch einmal eine Terz liegen?
Nein, nach der virga am Anfang kann durchaus zwischen den beiden folgenden Tönen auch eine Terz liegen.

Ist es in der Lehrprobe und generell okay, wenn die Schüler beim Vorstellen verschiedene Lösungen finden?
Ich bin zu lange aus der Schule draußen und weiß zudem nicht, was die Lehrpläne vorsehen.

Ich habe leider schon zu oft mitbekommen, daß in der Schule beispielsweise Muttersprachler Punktabzug bekamen, weil sie einen irischen oder amerikanischen Akzent hatten oder im Land übliche Redewendungen (auch im Rundfunk!) als Fehler angerechnet bekamen, weil sie der "Lehrmeinung" widersprachen.
Oder Mathematikschüler, die eigene und durchaus korrekte Lösungswege fanden, aber Punktabzug bekamen, weil sie nicht genau den "gelernten" Weg verfolgt haben.

Ich würde verschiedene Lösungen akzeptieren und gegenüberstellen/vergleichen. Ob das allerdings der Schuldoktrin widerspricht, kann ich nicht sagen. :nix:
Viele Wege führen nach Rom.

In der zur Verfügung stehenden Zeit und unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse ist es ein toller Erfolg, wenn die Schüler am Ende einen einfache Stellen selbständig "entziffern" können - es ist völlig utopisch, die letzten Feinheiten und Gelehrtendiskussionen in einer Lehrprobe komplett abhandeln zu können.
Immerhin sind Neumen für die allermeisten ein Buch mit sieben Siegeln (noch viel mehr als die "normale" Notenschrift) und über jeden Teilerfolg kann man sich freuen.

Viele Grüße
Torsten
 
Vielen Dank für Deine tollen und detaillierten Antworten! Ich denke, Reduktion und bessere Beispiele sind eine bessere Option, als zu sehr in die Tiefe zu gehen. Denke, ich habe auch schon etwas gefunden!
 

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