Zeit, dass sich was dreht... Dunlop Univibe vs. Boss RT-20 Review

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Hallo,

dieses Review soll ein 2 in 1 Review werden. Zum einen werde ich die Pedale Boss RT-20 und Dunlop Univibe vorstellen, zum anderen werde ich noch auf die Vergleichbarkeit beider Pedale eingehen.

Erst mal, was sind denn das überhaupt für Pedale?

Die Grundidee beider Pedale ist eine Lesliebox zu simulieren.
Und was ist so besonders an so einer 'Lesliebox'?

Nun, ein Lesliekabinett ist eine Box, die rotierende Lautsprecher enthält, die durch den sog. Dopplereffekt Schwebungen erzeugen. Aha...
Soweit die Definition. Und so sieht das ganze schematisch aus:

Lesliebox4.jpg



Quelle: Wikipedia

Ein Leslie ist getrennt in Hochton- und Bassbereich.
Eigentlich rotieren gar nicht die Lautsprecher, wie vorher erwähnt, sondern der Hochtonrotor und der Bassrotor. Die Lautsprecher im Kabinett beschallen also lediglich die Rotoren.
Beide Rotoren haben unterschiedliche Anlauf- und Abbremsgeschwindigkeiten, was allein aus den unterschiedlichen Größen der Rotoren ersichtlich wird. Aus diesem Grund wird der Hochtonrotor schneller beschleunigt und auch abgebremst als der Bassrotor.

Soweit zum schnellen Überblick. Da solch ein Kabinett nicht gerade leicht zu transportieren ist, hat man schon früh versucht den Klang mit Hilfe von Effektgeräten zu imitieren.

Und da kommen nun u.a. das Dunlop Univibe und Boss RT-20 ins Spiel:



Univibe:

Univibe.jpg


Das Univibe hat folgende Anschlüsse: Input/Output/Expression Pedal und natürlich einen Anschluss für das mitgelieferte Netzteil.
Das Univibe hat 2 Knöpfe und 3 Potis. Mit den Potis beeinflusst man die Geschwindigkeit, die Lautstärke und die Intensität des Effekts.
Der Geschwindigkeitsregler kommt nur dann zum Einsatz, wenn man kein optionales (überteuertes) Expression Pedal von Dunlop (den FC-1) einsetzt.

DNPUV1FC.jpg


Gerade der Geschwindigkeitswechsel macht aber den typischen Lesliesound aus, weshalb ich mein Univibe ohne den Footcontroller gar nicht einsetzen will.
Der Lautstärkeregler ist eine feine Sache, da man den Pegel sowohl runterdrehen als auch boosten kann.
Das vermisse ich bei manch anderen Effekten, die beim Einschalten doch erhebliche Lautstärkeunterschiede mit sich bringen. (Beispiel Phaser) Der Intensitätsregler regelt das Verhältnis aus Originalsignal und Effektsignal. Ich hab ihn aber immer auf voll, weil ein Univibe einfach nur geil klingt :) Mit den beiden Knöpfen schalte ich den Effekt entweder an oder aus, oder wechsele durch zwischen dem Chorus oder Vibrato Effekt. Wie das ganze dann klingt beschreibe ich später. (Auch der Ein-Aus-Schalter wird deaktiviert, sobald das Expression Pedal angeschlossen ist, da man nun damit das Univibe aktiviert/deaktiviert)

RT-20

RT-20_T-d33e44ad2f39e665d2dfc64a573f5fa5.jpg


Auf den ersten Blick springt natürlich sofort das ungewöhnliche rot-blaue Display ins Auge. Und das ist wirklich ein echter Hingucker. Nun aber erst mal step-by-step…
Das RT-20 hat 2 Mono ein- und ausgänge, bietet also Stereounterstützung an!
Ansonsten ist noch ein Anschluss für ein Expression Pedal (wodurch das rechte Pedal ersetzt wird) und für Kopfhörer vorhanden. Ein Wahlschalter für Gitarre- bzw. Keyboardverwendung ist ebenfalls noch dabei. Beide Instrumente arbeiten in vollkommen verschiedenen Frequenzbereichen, weshalb dieser Schalter notwendig ist.
Und der Anschluss für ein nicht mitgeliefertes Netzteil ist natürlich auch vorhanden.

Genug über die Anschlüsse. Kommen wir zum Pedal an sich:
Im Vergleich zum Univibe bietet das RT-20 wesentlich mehr Einstellmöglichkeiten:

Linkes Pedal: RT-20 ein- bzw. ausschalten

rechtes Pedal: Beschleunigen bzw. Abbremsen der virtuellen Rotoren auf maximale bzw. minimale Geschwindigkeit (wird inaktiv, sobald Expression Pedal angeschlossen ist)

Mode: wechselt durch die verschiedenen Modi
I: simuliert ein Standard Leslie 122
II: simuliert ein Standard Leslie 122 mit Nah-Mikrofonierung (soll angeblich die Phasenverschiebung verstärkt betonen)
III: simuliert ein Standard Leslie 122, das an ein Marshall Plexi Top angeschlossen ist
IV: simuliert ein Univibe (nein, was für ein Zufall, dass ich selbiges ebenfalls im Review dran bringe :) )

Rise Time: regelt die Zeit, wie lange es dauert bis die virtuellen Rotoren auf die schnellste Rotationsgeschwindigkeit beschleunigt oder auf die langsamste abgebremst werden

Virtual Rotor: Anzeige, die die virtuellen Rotoren wiedergibt, das blaue Licht steht für den Bassrotor, das rote Licht für den Hochtonrotor, wenn das Pedal auf "langsam"
geschaltet ist, hat es den absoluten
Knight-Rider-Frontlicht-Faktor :D

night.jpg


Wer sich das mal in der Praxis ansehen möchte, hab hier ein kurzes Video auf youtube hochgeladen:

http://www.youtube.com/watch?v=TjT7hN-zPQM

Balance: regelt das Lautstärkeverhältnis zwischen dem Bass- und dem Hochtonrotor. Ich persönlich habe den Regler leicht in Richtung Bass gedreht, da mir der Sound ansonsten zu bissig in den Höhen ist

Overdrive: Jap! Richtig gelesen. Das Pedal hat einen internen Verzerrer. Ganz links gedreht ist er abgeschaltet.

Effect: Lautstärke des Effektsignals
Direct: Lautstärke des Dry-Signals

Um einen authentischen Lesliesound zu erhalten muss Direct aber abgedreht werden. Dann fungiert der Effekt Regler, wie der Volume Regler am Univibe. Das wiederum finde ich sehr toll! :) Man ist also keinen Lautstärkeschwankungen ausgesetzt!

Slow: Damit stelle ich die minimalste Rotationsgeschwindigkeit ein

Fast: Damit wird die maximalste Rotationsgeschwindigkeit eingestellt.

Ihr seht, es ist also einiges möglich.
Ja und wie klingt das ganze nun?






Bevor ich zu den Samples komme: Auf diesem Sample hört ihr, was ich bei fast allen Samples spiele nur hier ohne Effekt. Die Dateinamen der Samples enthalten Informationen über das gerade verwendete Setup.

Kein Effekt.wav

Zum Univibe:

Eins vorneweg. Das Univibe ist keine Lesliesimulation! Es hätte damals zwar eine werden sollen aber es klingt nicht wirklich danach. (es muss dazu gesagt werden, dass es das Univibe schon seit den 60ern gibt. Hendrix nutzte es z.B., damals wurde es von der Firma Univox hergestellt und sah noch etwas anders aus)
Aber dieser Aspekt macht den Effekt nicht unbedingt schlechter! Simpel ausgedrückt ist das Univibe nichts anderes als ein Phaser. Aber irgendwie doch komplexer und klingt wesentlich interessanter.
Macht euch einfach ein eigenes Bild.

Univibe Chorus.wav

Ein Univibe sollte man natürlich nicht überall einsetzen, aber im Vergleich zu einer Lesliesimulation klingt es wesentlich weniger penetrant. Ich benutze es gerne an bestimmten Akkordgeschrabbelstellen, bei Singlenotethemen kann es (richtig platziert) auch klasse klingen.
Und beim ein oder anderen mächtigen Solo hab ich es auch schon gut unterbringen können.
Man muss also nur wissen wo. Aber das kommt dann schon mit der Zeit.

Aber warum ist es denn jetzt keine typische Lesliesimulation? Mal abgesehen vom Phasing Sound fehlt noch ein ganz wichtiges Feature. Nämlich die verschiedenen Anlauf und Abbremsgeschwindigkeiten des
Bass- und des Hochtonrotors. So etwas gibt es beim Univibe nicht.

Anlaufen_Abbremsen Univibe Chorus mit Fuzz Face.wav

Was ich am Univibe nicht mag ist der Vibrato Modus. Er klingt wie eine leiernde Kasette.
Es gibt Menschen die mögen das. Ich gehöre nicht dazu. Das ganze klingt dann in etwa so:

Univibe Vibrato.wav

Was mich am Univibe ebenfalls stört: Der optionale Footcontroller ist unverschämt teuer.
Eigentlich steckt da fast keine Elektronik drin und dennoch ist man mal schnell seine 100 Euro los.
Man zahlt mehr für die Marke, als für das Gerät. Ohne Footcontroller finde ich das Univibe aber langweilig. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten sind das, was so einen Effekt ausmacht!


Im Vergleich zum lästigen Vibrato Mode ist der Chorus Mode genau mein
Ding! Er ist sehr weich und hat einen einzigartigen Soundcharakter. Univibe
eben! Hier folgt noch ein Sample bei Verwendung der internen Zerre meines JSX Tops.

Solosound Univibe Chorus JSX Zerre.wav

Eine Lesliesimulation ist es aber nicht wirklich.





Dagegen geht das RT-20 aber schon viel mehr in Richtung Leslie! Oh Ja!!! :)

Wie schon oben beschrieben, hat das RT-20 sehr viele Einstellmöglichkeiten. Man kann viel rumprobieren, bis man seine Lieblingseinstellung hat. Allein der Balance Regler (Bassrotor/Hochtonrotor) ist unverzichtbar. Ich habe mein RT-20 auf 11 Uhr, also leicht in Richtung Bass gedreht, da es in der mittigen Einstellung doch sehr bissig klingt, sobald der Effekt aktiv ist. (wir alle kennen das vom Einschalten eines Wah-Wah Pedals)
Durch den reingedrehten Bass wird es etwas weicher.
Aber nun zu den Samples.
Ich gehe hier erst mal auf die ersten 3 Modes ein:

RT-20 I.wav

RT-20 II.wav

RT-20 III.wav

Wie man merket, geben sich die 3 Modes klangtechnisch nicht viel. Sie klingen eigentlich alle sehr ähnlich. Gut, vielleicht liegt das auch an meinen stümperhaften Amp-mit-Mikro-Abnahme Kenntnissen. Wenn man direkt beim Amp steht werden die Unterschiede schon etwas deutlicher, aber hier geht es auch nur um Nuancen. Zumindest, was eine angeschlossene E-Gitarre angeht. Wie es sich jetzt z.B. bei einer Hammond Orgel oder einem Hammond-Klon verhält weiß ich nicht. Da kann es durchaus sein, dass die 3 Modes differenzierter klingen. Ich finde nur, dass Mode II etwas bissiger klingt, als I und III. Deswegen verwende ich meistens den ersten Modus.
Aber eins wird schnell klar. Diesmal klingt es wirklich nach Leslie! Das fällt außerdem auf, wenn man auf die verschiedenen Anlaufgeschwindigkeiten der Rotoren achtet. Hierzu ein Beispiel.

Anlaufen_Abbremsen RT-20 Mode II mit Fuzz Face.wav

Das lässt Feeling aufkommen, was?

Die interne Zerre des RT-20 ist jetzt nicht so ganz mein Fall. Klingt irgendwie nach Plastik. Gilt aber wieder nur für eine E-Gitarren Kombination. In Verbindung mit einer Orgel kann es natürlich schon wieder ganz anders sein. Aber das RT-20 ist ja nicht primär zum Zerren gemacht. Von daher schon ein ganz nettes Feature. Hierzu wieder ein Beispiel:

Solosound RT-20 II interne Zerre.wav

Wirklich durchsetzungsfähig für ein Solo ist die Zerre also nicht. In Verbindung mit anständigen Zerren (Ampzerre) sieht es dann aber schon wieder anders aus.

So, einen Modus hab ich noch vergessen.
Numero IV: Univibe Nachahmung.

Warum verkauft der Typ nicht sein Univibe wenn er nun ein RT-20, also all-in-one hat?
Ganz einfach, weil es die eierlegende Wollmilchsau immer noch nicht gibt. Im Vergleich zum Dunlop Univibe ist das RT-20 Univibe einfach nur platt. Klingt einfach nicht so kraftvoll. Bei schneller Drehgeschwindigkeit hat Roland den Univibe Sound schon ganz gut hinbekommen. Aber bei der langsamen absolut nicht. Die klingt beim echten Univibe viiiiiel fetter!

RT-20 IV.wav

Und noch einmal zum Vergleich

Univibe Chorus.wav  Sample kam oben schon mal vor, also nicht wundern.


Und noch einmal ein Solo-Vergleich:

Solosound RT-20 IV interne Zerre.wav

Solosound Univibe Chorus JSX Zerre.wav  Sample kam oben schon mal vor, also nicht wundern.


Ihr seht, letztendlich ist es Geschmacksache, was man will.
Eigentlich kann man mein Review folgend zusammenfassen:

Wer Leslie will, nimmt eher RT-20.
Wer Univibe will, nimmt Dunlop Univibe.
Wer beides will, aber den Schwerpunkt mehr auf eine Lesliesimulation legt nimmt RT-20!

Preislich gesehen gehen die Pedale aber sehr weit auseinander. Während man für 200 Euro ein RT-20 mit anständiger Geschwindigkeitskontrolle mit Hilfe des rechten Pedals erhält, muss man erst mal einmal 265 Euro für das Univibe "Basis Pack" investieren. Dann kann man aber noch nicht mal die Geschwindigkeit während dem Spielen variieren. Also sollten noch einmal 92 Euro für ein Expression Pedal hingelegt werden.
Dann muss man sich aber wirklich die Frage stellen, ob sich das lohnt.
Da ich beide Effekte sehr geil finde und hin und wieder auch brauchen kann, wird keins der Pedale von meinem Pedalboard weichen.

Achja, fast hätte ichs vergessen. Von der Bedienung her sind beide ziemlich Idiotensicher. Man kann beim RT-20 nach dem Drücken der rechten Taste (Geschwindigkeitsänderung) gleich wieder drauf treten. Dadurch kann man die "Rotoren" an und sofort wieder auslaufen lassen. Oder umgekehrt. Drückt man das linke und das rechte Pedal gleichzeitig (erfordert etwas Geschick) werden die Rotoren sanft gestoppt.

So, ich hoffe ich konnte mit dem Review weitgehend alles abdecken. Sollten noch Fragen auftauchen, her damit. Ich beantworte euch alles, was ihr über das Thema wissen wollt.

Grüße
Oli





PS.

Wer ein Stereo Setup sein eigen nennen kann, für den ist der Stereo Modus natürlich noch einmal ein Sahnehäubchen zu dem super Sound. Ich konnte leider keine Stereo Aufnahmen machen. Vielleicht findet ihr im Internet welche. Es klingt wirklich noch mal um einiges eindrucksvoller!

PPS.

Achja, könnte ein Moderator möglicherweiße die Leslie Schema-Zeichnung in diese Foto-Vorschau-Größe umändern, damit sich das Bild erst beim Anklicken vergrößert? Ich weiß leider nicht, wie das geht. Achja, wenn das erledigt ist, bitte das hier geschriebene löschen. :) Danke
 
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Tolles Review! Wer soviel Zeit investiert, hat auch ne Bewertung verdient! ;-)
Gruß
Stoepsel
 
Echt ein Super Review!

Mir gefallen diese Leslie Simulationen auch sehr gut :great:

Eine Frage zum RT-20 hätt ich noch:

Der Schalter, mit dem man die GEschwindigkeit regelt, funktioniert der wie ein Touchpad?
Ich mein, wenn man stärker drauftritt, dann wird der Effekt auch schneller stärker??

Das hab ich nicht ganz kapiert.

Lg
 
Danke für die Komplimente :)

Zum rechten Schalter:

Das ist einfach nur ein typischer Boss Ein/Aus Schalter und daher der einzige Nachteil am RT-20 wenn man kein Expression Pedal hat. Man kann die Geschwindigkeit nicht stufenlos regeln. Es gibt nur 2 Stufen. Langsam und Schnell. Zwischen diesen beiden wechselt man mit dem Schalter.
Wie schnell diese Stufen sind regelt man ja über die Regler Slow und Fast.
 

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