Funktionsharmonik: S6 - unvollständiger S-Quintsextakkord ja oder nein ?

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Hallo alle Harmonielehre-Kenner!

In dem kleinen Heftchen - das zu Einarbeitung für den Gitarristen sehr zu empfehlen ist - "Leonhard Beck - Harmonielehre auf der Gitarre" wird der dort diesen Namen tragende Akkord (unvollständiger S-Quintsextakkord) folgenderweise erklärt. 'Bei verdoppeltem Grundton die Sexte an Stelle der Quint. Stufentheoretisch ist das der Sextakkord der Stufe II mit verdoppelter Terz (II6).' Beispiel C-Dur (c, e ,g, c); F6 (S6) (f, f, a, d), usf., Dominante, Tonika.

Kurz noch zu Erklärung: Mit dem - vollständigen - 'Subdominantquintsextakkord' ist offenbar der Akkord mit hinzugefügter Sexte gemeint, S 5/6 (der zuvor behandelt wird, und also Quint & Sext enthält).

Nun habe ich in Schumanns "Träumerei" (aus den Kinderszenen, Op. 15), Takt 23 folgende Progression: Nach der Fermate in T. 22 mit G-Dur (! - das Stück ist, abgesehen von den vielen Zwischendominanten, eindeutig in F) und Riterdando, F-Dur (2te Umkehrung) kommt auf Zählzeit 4 (erstes Achtel - danach D-Dur, G-moll: g, Bb, d, g, Bb) der Akkord, über den ich gerne Auskunft hätte.

Link: http://kreusch-sheet-music.net/noten/KSM_RobertSchumann_Kinderszen_151-13-0_28068.pdf

Hier wird nun nicht die Terz des 'Sextakkord der Stufe II mit verdoppelter Terz' - also doppelt: Bb - gespielt sondern es wird das g verdoppelt. Struktur bei Schumann: Bb, g, d, g. Was hält mich eigentlich davon ab, diesen Akkord als G-moll anzusehen? Ich will nur sicher gehen. Für mich hört sich das doch ziemlich nach einem Sextakkord an. Zumal zuvor G-Dur erklang und danach ganz eindeutig G-moll kommt.

Also: Kann man den Akkord als 'S6' bezeichen ?

PS.: Für mich ist das eindeutig ein Sext-Akkord. Aber ich berate gerade jemanden, der sich in sowas prüfen lassen muss in 1 oder zwei Wochen und vor ein paar Tagen gerade den Quintenzirkel gelernt hat - das ist ein Crashkurs.
 
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Im Kontext kann man vielleicht S6 erkennen.
Die Verdopplung des Gs hat wohl klangfarbliche Gründe, da die Stimmen ja parallel laufen. Also würde ich sie als ein Ton erkennen und damit S6 durchaus als plausibel ansehen, zumal in der Romantik solche Wendungen immer wieder mal vorkommen.
In der Barockmusik und Wiener Klassik kannte man sie noch als "ausgeflohene Kadenz" (Cadenza sfuggita).

Allerdings macht das D-Dur nachfolgend deutlich, dass hier kurz nach g-moll ausgewichen wird.
Die Stelle ist eigentlich eine kleine Modulation kurz vor Schluss.
 
nenn ihn lieber sixte ajoutee ;) zu deutsch einfach hinzugefügte sexte. so haben wir den damals in der uni kennengelernt.
 
Nein, das ist kein Sixte-Ajoutée.

Die hinzugefügte Sexte bezieht sich dabei auf den vollständigen Dreiklang (B, D, F) zu dem die Sexte noch hinzugefügt wird.
Hier haben wir einen einfachen S6, da statt der Quinte, die fehlt, die Sexte gesetzt wurde.
 
Allerdings macht das D-Dur nachfolgend deutlich, dass hier kurz nach g-moll ausgewichen wird.

Volle Zustimmung - und in meinen Ohren wirkt diese Ausweichung so stark, dass eine Interpretation als S6 weit hergeholt wäre. Ich höre hier recht eindeutig g-Moll, auch wenn der Bass auf Bb einen leichten Hinweis Richtung Subdominante gibt. Die sehr logische Verbindung g-Moll- D-Dur- g-Moll überwiegt aber IMHO die Subdominantwirkung. Man kann es testen, indem man die Subdominante ausformuliert und ein f' in den Akkord einfügt, sodass ein kompletter S56 entsteht: der Ton wirkt auf mich eher fremd und unlogisch.

Wichtig bei diesem Stück ist die allgegenwärtige Imitation von Hörnern. Das beginnt in den Mittelstimmen in Takt 1, die wie Horn 1/3 in der rechten Hand und Horn 2/4 in der linken Hand quasi wie im Orchester gesetzt sind, und setzt sich durch horntypische Stimmführung im ganzen Stück fort. Die fragliche Stelle im vorletzten Takt ist auch davon geprägt. Wenn man das auf der Gitarre umsetzen will, ist das sicher stimmführungstechnisch nicht ganz einfach.

Harald
 
Das stimmt: Das Gehör entscheidet auch für mich ziemlich deutlich g-moll.

Nun ist es aber so, will man diese Stelle als Modulation deuten, so wäre dies eine typisch systematische diatonische Modulation.
Der Vermittlerakkord zwischen beiden Tonarten ist der g-moll Sextakkord, welcher in g-moll Tonika ist und in F-Dur Subdominante.
Das Gehör ist hier aber, wie zumeist, letzte Instanz und deswegen höre ich das als Tonika und ich kann mir vorstellen, das hören nicht nur wir zwei so.
 
Vielen Dank für die interessante Diskussion.

am Klavier konnte das nicht flink genug durchspielen; bzw. ich hab mir nur den Akkord angehört und die drum herum. Ich hab erst die Analyse gemacht und dann mir erst Gestern das Stück angehört. Wenn ich ne Sext höre, tendiere ich automatisch zu Subdominante. Und ganz sicher war ich mir immer noch nicht. Vielleicht nochmal anhören.
 

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