Hi,
was die Verarbeitung bzw. das Finish angeht, gehts mir ganz genauso wie
@Schnabelrock. Vor allem aber habe ich eine 2001er Tokai LS70F, die ich günstig gekauft habe und die sich wirklich als Volltreffer herausgestellt hat. Vom Primärton her, sprich Fehlen von Deadspots, Sustain, Ansprache... ist die einfach unglaublich gut. Ich hab im Laufe der Jahre (bzw. Jahrzehnte...
) schon viele LPs aller Preisklassen gespielt, und die gehört absolut in die 1. Liga. Die PUs werden ihr leider nicht ganz gerecht, aber inzwischen werkelt am Hals ein uralter SH-1 mit A4-Magnet und am Steg ein '57 Classic, den ich mit einem unoriented A5 und Raw Nickel Cover aufgewertet habe. Bin total begeistert, die füllt jetzt bei mir die Nische "Vintage LP-Ton" zu meiner vollsten Zufriedenheit.
Die Verarbeitung ist nicht nur in den Details top, sondern in einem für mich schon sehr wichtigen Punkt. Sie hat zwar keinen klassischen Long Tenon (mit der kleinen Zunge in der NeckHB-Fräsung), aber die Halsverbindung geht bis zur Fräsung ist dadurch deutlich sichtbar. Und die ist wirklich extrem akkurat ausgeführt, der Hals ist saugend eingepasst. Das sieht man bei Gibson ja gerne mal ziemliche Toleranzen, die dann mit Leim großzügig ausgefüttert sind. Für mich angesichts der Qualitäten meiner Tokai eine Bestätigung, dass es hier weniger auf eine genaue Wiedergabe historischer Details ankommt als auf eine perfekte Ausführung.
Mir gefällt auch das Halsprofil sehr gut, das bei Tokai (bei den meisten Modellen) eher zwischen die Extreme fällt, also schlanker als die ganz fetten 50s Prügel, aber dicker als das Gibson Slim Taper. Ich hab gerade zwei neue 60s Standards mit ihr verglichen, da sind die Hälse auch nicht mehr so ganz dünn wie bei manchen LP Classic, die Tokai liegt aber noch etwas drüber. Sehr griffiges Maß, wie ich finde. Die Gibsons haben mir wirklich sehr gut gefallen (abgesehen vom sehr schönen Holz und Lack auch in der Detailverarbeitung), aber im Primärton musste ich sie doch ein Stück hinter meiner LS-70 einordnen.
Die Lackierung finde ich bei Maybach vom Farbton her zwar auch ansprechender, aber das Aging ist so gar nicht mein Ding. Ein weiterer Punkt ist der zweiteilige Body. Halte ich jetzt nicht unbedingt für soundmäßig wichtig - und in der Preisklasse meiner LS-70 akzeptiere ich das auch klaglos -, aber bei über 2.000 € und der auch durch das Aging recht deutlich suggerierten Nähe zu CS-Les Pauls bzw. Vintage Specs würde es mich eben doch stören. Was mir vor diesem Hintergrtund dann total unverständlich ist, ist allerdings die Bridge - auf eine Vintage-LP gehört eine ABR-1 mit direkt ins Holz geschraubten Stehbolzen. Einschlaghülsen sind da für mich ein No Go, denn die haben auch tonale Konsequenzen.
Von den Specs her liegt die Maybach damit für mich also eigentlich näher an der aktuellen Gibson '50s bzw. '60s Standard, eben eine Les Paul mit Anlehnung an eine bestimmte Ära, ohne konstruktiv konsequent gleichzuziehen. Zum fast gleichen Preis würde ich persönlich dann wohl doch zumn Original greifen.
Preis/Leistung finde ich da bei der Tokai LS-1 überzeugender. Auch wenn die Optik vielleicht eine Spur nüchterner sein mag, ist sie konstruktiv doch ein Stück näher am "Holy Grail". Ob das klanglich so deutliche Auswirkungen hat, dass es für Dich wichtig ist, kannst nur Du beurteilen. Ob eine Gitarre in die Riege der viel gespielten aufrückt, entscheidet sich bei mir letztlich immer nach dem Ton. Gar nicht mal so sehr im Sinne von "Sound" (an dem kann man noch 'ne Menge schrauben, gerade auch mit anderen PUs), aber in Bezug auf Ansprache, Sustain, Reaktion auf die Spielweise. Ich hab schon die eine oder andere, die mir optisch total gefällt, zu der ich aber keine so gute Verbindung aufbauen kann. Umgekehrt hatte ich aber noch nie eine, die in Bespiuelbarkeit und Klang super gewesen wäre, die ich aber wegen der Optik nicht mehr in die Hand nehmen würde. Ist ein bisschen wie bei Menschen - das Äußere kann einen natürlich sehr anziehen, aber ob die Beziehung dann auch hält, entscheidet sich an anderen Dingen.
Nach meiner Erfahrung ist bei der Wahl zwischen mehreren ähnlichen Gitarren so gut wie nie eine in wirklich jeder Disziplin die beste - also solltest Du genau überlegen, wo für Dich die Prioritäten liegen.
Gruß, bagotrix