Überlegungen zum Standard-Tuning in E

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Hallo liebe Mitmusiker,
ich mache mir in letzter Zeit ziemlich viele Gedanken zum Thema Gitarrentunings und bin dabei auch immer mal wieder auf Fragen etwas philosophischerer Art gestoßen, die ich hier gerne mal zur Diskussion stellen würde.

Ich weiß nicht, ob es so ein Thema hier schon mal gab, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, sowas schon mal gesehen zu haben und auch die Suchfunktion spuckt nur massig Threads zum Thema Runterstimmen oder "Warum nicht alle Saiten auf Quarten gestimmt?" aus.
Also, es geht um Folgendes: Wir sehen heute die Stimmung "in E" nach wie vor als Standard-Tuning, auch wenn immer mehr Bands auf tiefere und manche auf alternative Tunings umsteigen. Dennoch wird nahezu jede Gitarre ab Werk in E-Stimmung und mit passenden Saiten geliefert, Lehrbücher benutzen diese Stimmung für ihren Unterricht und im Rock-/Popsektor benutzen sicherlich noch die allermeisten Bands dieses Tuning.

Die Frage, die sich mir jetzt stellt: Warum eigentlich ausgerechnet E (die Frage ist hier, warum diese Tonart und nicht, warum in Quarten etc.)? Hier sind sicherlich in erster Linie mal diejenigen mit musikhistorischen Kenntnissen gefragt. Ist die Ableitung dieser Stimmung auf ältere Saiteninstrumenten zurückzuführen, die sich an diversen anderen Instrumenten orientieren mussten? Oder liefert das Standard-Tuning gar den optimalsten Kompromiss für Gitarrenbauer, was Saitenstärke, Mensur und Intonation betrifft? Oder war es tatsächlich nur eine völlig willkürliche Entscheidung?
Das wäre also der historische bzw. funktionelle Aspekt.

Unabhängig von den Ergebnissen dieser Überlegungen könnte man ja durchaus mal ins Spekulieren verfallen, was eigentlich passiert wäre, hätte man z.B. den Kammerton als Referenz genommen und die Gitarre standardmäßig auf a-d-g-c-e-a gestimmt. Wie sähe das heute mit den Klassikern der Pop-/Rockgeschichte aus? Hätten Metallica ihr Vorzeigestück "Nothing Else Matters" dann mit einem Am-Akkord begonnen? Und wenn sie der Tonart treu geblieben wären und ein Em gespielt hätten, wäre dieses eingängige Zupfintro dann trotzdem so bekannt geworden, wenn man als Gitarrenanfänger nicht nur Leersaiten spielen müsste?
Würden dann heute immer noch so unglaublich viele Songs in E stehen? Liegt es bei der gitarrenlastigen Rockmusik am Aufbau der Gitarre, dass E die bevorzugte Tonart ist, oder ist es tatsächlich der ganz eigene Klang der Tonart E? Hätten z.B. Bands wie Iron Maiden dann immer noch gefühlte 80% ihrer Songs in dieser Tonart stehen, wenn der tiefste Akkord, der auf der Gitarre standardmäßig möglich ist, plötzlich ein A wäre?

Das wäre dann also der zweite Themenpunkt, der sich bezüglich der Stimmung ergibt: Werden Lieder auf der Gitarre absichtlich größtenteils in E geschrieben, oder ergibt sich dies nur "zufällig" dadurch, dass es auf Gitarre eben am einfachsten ist, in dieser Tonart zu spielen (alle Leersaiten sind für Riffing verfügbar, tiefster Ton kann benutzt werden, um Akzente zu setzen, einfache Orientierung auf dem Griffbrett - 1. Lage ist "offen" und wieder am 12. Bund)? Ich selbst merke es auch immer wieder - Sobald ich mir eine Gitarre greife und anfange, Songs zu schreiben, lande ich zunächst einmal in E. Bei mir ist das aber wohl nur Gewöhnungssache, keinesfalls die Tonart an sich. Bei der Eb-Gitarre ist es dann eben Eb...

So, ich hoffe mal, ich konnte hier ein bisschen Diskussionsgrundlage schaffen, um ein paar Einblicke in das Thema zu eröffnen und würde mich freuen, wenn gerade auch Leute, die sich mit der Materie schon beschäftigt haben (vielleicht auch Klassikgitarristen, die ja noch näher am Urpsprung und damit an der Quelle des "Problems" sitzen?), hier ihre Meinungen/Erfahrungen teilen würden :)

Edit: Noch ein paar Absätze eingefügt, um das Lesen für unsere älteren Mitbürger zu erleichtern :D
 
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E-Tuning ist zwar am meisten verbreitet, jedoch kein Standard in dem Sinne.

Die Herkunft ist noch im Mittelalter zu suchen, unser E-Tuning stammt eigentlich von der Laute. Die Intervalle zwischen den Saiten haben sich aus rein praktischen Gründen ergeben als optimaler Kompromiss um Akkorde zu greifen und in einer Position eine chromatische Skala über alle Saiten spielen zu können.

Ich würde vermuten dass es mit A anfing und erst als die sechste Saite irgendwann ins Spiel kam, wurde diese entsprechend dem nötigen Intervall zur nächsten Saite auf E gestimmt.

By the beginning of the Renaissance, the four-course (4 unison-tuned pairs of strings) guitar had become dominant, at least in most of Europe. (Sometimes a single first string was used.) The earliest known music for the four-course "chitarra" was written in 16th century Spain. The five-course guitarra battente (left) first appeared in Italy at around the same time, and gradually replaced the four-course instrument. The standard tuning had already settled at A, D, G, B, E, like the top five strings of the modern guitar.

Hier gibt es mehr zum Thema:
http://en.wikipedia.org/wiki/Guitar_tuning

http://pe.nataf.free.fr/history.htm
http://www.guyguitars.com/eng/handbook/BriefHistory.html
http://www.classicalguitarmidi.com/history/guitar_history.html
 
E-Tuning ist zwar am meisten verbreitet, jedoch kein Standard in dem Sinne.
Naja, wenn Gitarren ab Werk mit diesem Tuning geliefert werden, dann würde ich das schon so als eine Art "Standard" bezeichnen ;)

Die Herkunft ist noch im Mittelalter zu suchen, unser E-Tuning stammt eigentlich von der Laute. Die Intervalle zwischen den Saiten haben sich aus rein praktischen Gründen ergeben als optimaler Kompromiss um Akkorde zu greifen und in einer Position eine chromatische Skala über alle Saiten spielen zu können.
Das ist es auch, was mich etwas irritiert, denn meines Wissens nach wurden Lauten in G oder A gestimmt, nicht jedoch in E... Zu den Intervallen schreib ich ja bereits, dass das hier nicht zur Debatte stehen soll, da es dafür schon genügend Topics gibt ;)
 
Das ist es auch, was mich etwas irritiert, denn meines Wissens nach wurden Lauten in G oder A gestimmt, nicht jedoch in E... Zu den Intervallen schreib ich ja bereits, dass das hier nicht zur Debatte stehen soll, da es dafür schon genügend Topics gibt

Ja aber xxx schrieb doch, dass Lauten zuerst 5-Saitig und auf A gestimmt waren. Als dann die 6. Saite dazukam stimmte man diese auf E, genauso wie bei den heutigen 7-Saitern ein H dazugekommen ist.

Gruß Chris
 
Eben, und davor gab es nur vier Saiten, weiß allerdings nicht ob die hohe e gefehlt hatte oder die A, würde jetzt auf e tippen.

Mit "Standard" habe ich mich auf Standards in der klassischen Musiktheorie bezogen, da gibt es viele unterschiedlichen Tunings (siehe Wiki Link oben) und die werden normalerweise auch im Notenblatt angegeben.
 
Ja aber xxx schrieb doch, dass Lauten zuerst 5-Saitig und auf A gestimmt waren. Als dann die 6. Saite dazukam stimmte man diese auf E, genauso wie bei den heutigen 7-Saitern ein H dazugekommen ist.

Gruß Chris
Die Laute war ja aber nur relativ kurze Zeit überhaupt mit 6 Saiten (bzw. eigentlich ja 12, weil jeweils ein Chor aus 2 Saiten) bespannt. Später waren es dann 7,8, bis hin zu einem Dutzend und mehr. Und selbst in der Zeit (15.-16. Jh), in der 6 Saiten "angesagt" waren, war die Stimmung von g nach G bzw a nach A...
 
Gitarre entstammt aber nicht der Laute, die Ähnlichkeiten sind deswegen auch als mehr oder weniger zufällig zu betrachten. Bei der Gitarre kam die sechste Saite erst im 17. Jahrhundert dazu.

Die ur-Gitarre hatte vier Doppelsaiten, war also eine 8-Saiter, später 10-Saiter und 12-Saiter. Die heutige mit 6 Saiten kommt eigentlich von der 10- bzw. 12-Saiter als "abgespeckte" Variante. Ist auch in einem der obigen Links beschrieben samt Foto (im Bild eine umgebaute 10-Saiter von Thielke wo vier Mechanikenlöcher verschlossen wurden):

thielke.jpg


In the transition from five courses to six single strings, it seems that at least some existing five-course instruments were modified to the new stringing pattern. This was a fairly simple task, as it only entailed replacing (or re-working) the nut and bridge, and plugging four of the tuning peg holes. An incredibly ornate guitar by the German master from Hamburg, Joakim Thielke (1641 - 1719), was altered in this way. (Note that this instrument has only 8 frets free of the body.)
 
Das Tuning ist verwandt, die Herkunft der Instrumente nicht :) Lies doch einfach die Links, ich sehe das irgendwo nicht ein hier alles nochmal abzutippen ;)
 
Das Tuning ist verwandt, die Herkunft der Instrumente nicht :) Lies doch einfach die Links, ich sehe das irgendwo nicht ein hier alles nochmal abzutippen ;)
Ich habe deine Links gelesen (bzw. zumindest überflogen) und stelle deine These auch gar nicht in Frage, dass das E als 6. Saite später dazu kam.
Mir war nur nicht ganz klar, warum du oben schreibst, dass das Tuning von der Laute kam und das dann wieder widerrufst...
In zwei deiner Links wird die E-Stimmung übrigens auch als "Standard" bezeichnet ;)

Ist aber schon eine interessante Entwicklung, wenn man sich mal vor Augen führt, dass die heute wohl am meisten benutzte Tonart "nur" darauf zurückzuführen ist, dass man auch im 17. Jh. wohl schon nach der Devise "wir müssen tiefer gehn" handelte und einfach noch eine Saite angefügt wurde.
 
Naja, wie AHChris oben erwähnt macht man es heutzutage mit der siebten Saite ganz genau so :)
 

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