So, dann wird der Onkel auch mal in die Schlacht eingreifen!
Im bisherigen Verlauf der Diskussion wurden eine Menge falscher und richtiger Dinge erwähnt. Die Frage, ob ein gesplitteter Humbucker wie ein Single-Coil klingen kann, wird gerne und kontrovers diskutiert. Dahinter stehen auch die beiden Lager Strat mit SC und Paula mit HB und natürlich kann nicht sein, was nicht sein darf!
Fakten
Wenn man solcherlei Befindlichkeiten einmal beiseite läßt und sich auf die Fakten konzentriert, kommt man leicht zum Ziel. Als erstes muß geklärt werden, welche Umstände Einfluß auf den "Klang" eines elektromagnetischen Tonabnehmers haben. Hier die Fakten:
1. Apertur
Hinter diesem Begriff verbirgt sich die magnetische "Breite" des Tonabnehmers auf der Saitenebene. Frequenzen deren Periodendauer exakt dieser Breite entsprechen und deren ganzzahligen Vielfachen kann der Tonabnehmer nicht "hören"!
Bilder zu diesem Thema finden sich in Kapitel 1.6 von Guitar-Letter II.
Genau wie bei der Position der Tonabnehmer, ergibt sich durch die Apertur ein Kammfiltereffekt. Seine klanglichen Auswirkungen sind jedoch wesentlich geringer. Beim Fender Single-Coil liegt die Kammfrequenz beim fünzigsten Vielfachen des Grundtones der Saite. Ab dem 10.ten Vielfachen ist eine generelle Dämpfung zu verzeichnen.
Für die E-Saite bedeutet das: Kammfrequenz=4200Hz. Beginn der Dämpfung: 840Hz. Da die meisten Tonabnehmer Frequenzen über 3500Hz gar nicht mehr übertragen können, ist klar, daß hier nur die Dämpfung ab 840Hz von Bedeutung ist.
Dieser Kammfiltereffekt hängt nur von der Konstruktion des Tonabnehmers und der daraus resultierenden Apertur ab. Ein Einfluß der elektrischen Daten des Tonabnehmers besteht nicht!
Unter dem Strich bedeutet das, daß ein schmaler Tonabnehmer einen größeren Anteil hoher Frequenzen von der Saitenschwingung aufnehmen kann.
In diesem Zusammenhang sei auf den Unterschied zwischen "aufnehmen" und "übertragen" hingewiesen. Das ein Tonabnehmer eine bestimmte Frequenz aufnehmen kann bedeutet noch nicht, daß er auch in der Lage ist, sie zu übertragen!
2. Elektrische Daten
Sie beschreiben die drei elektrotechnischen Grundelemente aus denen das Ersatzschaltbild eines elektromagnetischen Tonabnehmers besteht. Diese sind die Induktivität (L), die Wicklungskapazität (C) und der Gleichstromwiderstand (R). Zusammen mit der externen Belastung durch Potis, Kabel und Eingangswiderstand des Verstärkers, ergibt sich ein Resonanztiefpaß 2. Ordnung. Lage und Ausprägung der Resonanz sind für die Übertragungscharakteristik des Tonabnehmers von entscheidender Bedeutung (siehe Kapitel 1.5 in Guitar-Letter II).
Grundsätzlich gilt:
- je größer die Induktivität desto geringer die Resonanzfrequenz
- je größer die Kapazität desto geringer die Resonanzfrequenz
- je größer der Gleichstromwiderstand, desto geringer die Ausprägung der Resonanz.
Was alles Einfluß auf die Induktivität hat, habe ich in einigen Beiträgen in dieser
Diskussion dargelegt.
3. Schaltung der Spulen
Im Normalfall werden die Spulen eines Humbuckers in Reihe geschaltet. Ausgehend von den elektrischen Werten dieser Schaltung kann man sagen, daß
- eine Spule die halbe Induktivität, den halben Gleichstromwiderstand aber die doppelte Kapazität hat.
- eine Parallelschaltung beider Spulen die Induktivität und den Gleichstromwiderstand viertelt, die Kapazität jedoch vervierfacht.
Berechnet man die Leerlaufresonanzen dieser Betriebsarten, so stellt man fest, daß sie identisch sind. Das man trotzdem einen klanglichen Unterschied bemerkt, liegt an der Tatsache, daß die kapazitive Belastung durch das Kabel wesentlich größer ist, als die Kapazität des Tonabnehmers, die man für eine Abschätzung daher ruhigen Gewissens vernachlässigen kann. Man kann daher sagen, daß
- bei einem Split die Resonanzfrequenz um den Faktor Wurzel aus 2 vergrößert wird.
- bei einer Parallelschaltung sich die Resonanzfrequenz verdoppelt.
Grundsätzlich gilt, daß ein Tonabnehmer umso "heller" klingt, je größer seine Resonanzfrequenz ist.
Das bei einem Split und der Parallelschaltung nur die halbe Spannung abgegeben wird, mag dem einen oder anderen als Nachteil erscheinen, hat klanglich aber keinen Einfluß. Im Zeitalter der HighGain-Verstärker sollte das nun wirklich kein Problem sein.
Single-Coil vs gesplitteter Humbucker
Vergleicht man einen echten Single-Coil mit dem Split eines Humbuckers, so ist tatsächlich ein Unterschied festzustellen. Wie kommt das zustande?
Zuerst einmal darf man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Ein seriöser akustischer Vergleich ist nur möglich, wenn er auf dem gleichen Instrument durchgeführt wird (siehe dazu mein Beitrag
hier).
Darüber hinaus muß erst einmal festgelegt werden, wie ein Single-Coil eigentlich klingt. Am Besten vergleicht man einen bestimmten Single-Coil mit dem Split. Sonst wird das nichts, denn es gibt Single-Coils in allen Klangvarianten von 2,2kHz Resonanzfrequenz bis hoch zu 4kHz.
Gehen wir einmal unsere Fakten durch:
1. Apertur und Polabstand
Die magnetische Breite eines Humbuckers nach Seth Lover (Gibson) wird sich durch eine Split nicht verändern (zum Aufbau des Humbuckers siehe Bild 3-3 in Guitar-Letter I). Hier sollte der Split sich klanglich also genau so verhalten, wie der Humbucker. Und doch nehmen wir einen Unterschied zwischen dem Split und der Parallelschaltung wahr. Er klingt ein wenig "offener" und "direkter", obwohl die Paralleschaltung eine höhere Resonanzfrequenz erzeugt. Wie kommt das?
Neben dem Kammfiltereffekt der Apertur erzeugt die Schaltung des Humbucker immer einen Differenzeffekt, der sich ebenfalls als Kammfilter auswirken dürfte. Hier ist nicht die Apertur entscheidend, sondern der Abstand der Pole der beiden Spulen. Dieser Effekt fällt beim Split nun weg.
Da der Polabstand in der gleichen Größenordung wie die Apertur liegt, gilt für seinen Einfluß das gleiche, wie bei dem Apertur-Effekt. Man wird einen vermutlich leichten Anstieg der Höhen wahrnehmen.
2. Elektrische Daten und der Transformator
Wie schon erwähnt, verändern sich bei eine Split die elektrischen Kenndaten des Tonabnehmers und die Resonanzfrequenz erhöht sich. Der Tonabnehmer klingt heller, da er höhere Frequenzen übertragen kann.
Je nachdem, wie der Split ausgeführt wird, kann sich jedoch auch ein Art "Bremse" ergeben.
Sieht man sich den Aufbau eines parallelen Humbuckers nach Seth Lover (Gibson) an, so ist festzustellen, daß die beiden Spulen hart induktiv durch den Magneten und die Eisenkerne gekoppelt ist. (siehe dazu Bild 3-3a in Guitar-Letter I)
Wer jetzt an einen Transformator denkt, liegt gar nicht mal so verkehrt. Wird eine Spule kurzgeschlossen, so wirkt die Impedanz (bestehend aus R und L) dieser Spule als Belastung der aktiven Spule. Ohne das ganze simuliert zu haben, kann man mit Sicherheit feststellen, daß sich dadurch die Resonanzfrequenz und ihre Ausprägung (Güte) verändert. Das heißt, daß sich die Werte der effektiven Ersatzschaltung gegenüber der einzelnen Spule verändern!
Wird der Split ohne den üblichen Kurzschluß erzeugt (ja, es geht), fällt dieser Einfluß weg.
Der Fender-Humbucker, ebenfalls ein Seth Lover Design, sollte dieses Problem nicht haben. (siehe dazu Bild 3-3c in Guitar-Letter I)
Zusammenfassung
Ein gesplitteter Humbucker kann fast so klingen, wie ein echter Single-Coil. Dieses "fast" muß man sich jedoch sehr klein geschrieben vorstellen, denn der größte Teil der wahrnehmbaren Unterschiede sind aus der Konstruktion der unterschiedlichen Gitarren begründen und haben daher nichts mit dem Tonabnehmer zu tun.
Wichtig ist, das der Split die gleiche Resonanzfrequenz wie der Ziel-SC erreicht. Ist das nicht er Fall, nehmen wir einen Unterschied wahr und behaupten, daß ein gesplitteter Hum....
Wir müssen dann korrekterweise einen SC suchen, der die gleiche Resonanz, wie der Split aufweist (und der wird sich zweifellos finden lassen). Zum Thema Split und Klang habe ich hier einen
Beitrag über die Tonabnehmer der Aria Cardinal geschrieben.
Neben den unterschiedlichen elektrischen Kenndaten, die leicht manipuliert werden können (Stichwort: paralleler Kondensator) bleibt der Einfluß der Apertur, der einen wirklichen Unterschied darstellt. Wie jedoch dargelegt wurde ist sein Einfluß relativ gering und bewegt sich im Bereich der Nuancen.
Ulf
Nachtrag
Da die Erstellung diese Beitrages doch etwas länger gedauert hat, sind natürlich noch weitere Beiträge eingegangen.
Zum Thema Widerstand sei nur soviel gesagt: Ein Rückschluß vom Gleichstromwiderstand eines Tonabnehmers auf seinen "Klang" ist nicht haltbar! Es gibt PU's mit größen Widerstand, die sehr brilliant klingen und solche mit kleinem Widerstand, die sehr dumpf sind.
Eine Diskussion "Widerstand und Klang" führt also (immer noch) zu nichts! Ich bin wirklich gespannt, wie lange sich dieses Ammenmärchen noch in den Köpfen der Gitarristen hält. :screwy: