Jazz üben - alles in 12 Tonarten spielen, wie seht Ihr das?

  • Ersteller opa_albin
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Insofern sollte das Leben von Stücken und Theorie immer Hand in Hand gehen.
Find ich auch.

Ich glaub du hast mich falsch verstanden. Anstelle jedes Stück in allen Tonarten zu üben würde ich für mich die Zeit eher dazu nutzen mir neue Stücke draufzuschaffen.
Wenn diese in jeweils anderen Tonarten sind, umso besser.
 
Anstelle jedes Stück in allen Tonarten zu üben würde ich für mich die Zeit eher dazu nutzen mir neue Stücke draufzuschaffen.
Ich versuche es jetzt mal gerade andersrum, ich schaff mir die Tonarten / Verbindungen / Barry Harris Sachen drauf und hoffe darauf, dass ich dann die Stücke schneller kapiere ;) bzw auch Zeug spielen kann, was ich so noch nicht kann, also Stücke besser spielen (zB mit schöneren Varianten für Reharm, Block Chords u.ä.).

Allerdings in allen Tonarten schaffe ich das zeitlich auch nicht, und so richtig konsequent bin ich da auch nicht; es soll ja auch Spaß machen :)

Bei komplizierten Stücken oder Abschnitten hilft es mir zB die mal in C-Dur zu spielen. Und dann nochmal in einer anderen selten benutzen Tonart, kleine Terz oder Sekunde höher zum Beispiel.

Generell, um mal einen plumpen Vergleich zu bemühen: Soll ich die Säge schärfen oder lieber weiter Bretter sägen ;)
 
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Insofern sollte das Leben von Stücken und Theorie immer Hand in Hand gehen.
Absolut, so kann man z.B. bei Übungen wie der folgenden den Nutzen der Akkordskalentheorie praktisch erfahren:
How to Play Upper Structure Triads

Mehr für den Anfang finde ich "Drill" bei grundlegenden Bausteinen sinnvoll, z.B. akkordisch zuerst den "shell voicings" und dann den "rootless voicings". Längst geübt haben wir vermutlich alle zumindest Dur und harmonisch Moll in allen Tonarten, das finde zumindest auch für die (anhemitonische) Pentatonik sinnvoll.

Zur Anwendung von Übungen oder gar Drills auf die Akkordfolgen von Stücken oder Formteilen bietet der YT-Kanal mDecks einige Anregungen.
Sehr grundlegend ist folgende Übung zum Kennenlernen aus solistischer Perspektive.
Die ersten beiden Teile sind "Anfängerübungen", der dritte zeigt erneut den Nutzen der Akkordskalentheorie für die Jazzanalyse und -improvisation.
Target Notes Every Day: Chord-Tones, Guide-Tone Lines, Tensions anwewendet auf "Alice In Wonderland"
Erweiterte Übung angewendet auf "My Foolish Heart"

Dank der Play-Along Apps lassen sich solche Übungen recht einfach als Transpositionen in anderen oder allen Tonarten wiedergeben.
Tom Harrell musste dafür 1979 dem Mann am Klavier noch ein Bier ausgeben. :D

Gruß Claus
 
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Längst geübt haben wir vermutlich alle zumindest Dur und harmonisch Moll in allen Tonarten, das finde zumindest auch für die (anhemitonische) Pentatonik sinnvoll.
Mein Ansatz war: Man sollte für jeden Akkord, der in Stücken vorkommt, erstmal eine passende Scale parat haben.
Dafür genügen imo Dur, melodisch Moll und (für 7b9) HTGT.

Ich habe den Eindruck, die Zuordnung Akkord <--> Scale wird fast immer als theoretisches Konzept gelehrt - also der Akkord "kommt" von der Tonleiter -, aber praktisch ist es ja eigentlich immer andersrum: Ich sehe ein Akkordsymbol und muss wissen, welche Skala dafür passt. In Levine und Co. habe ich da keine Übersicht gefunden und mir dann irgendwann mal eine Tabelle gemacht; mit dem Verständnis ging es dann für mich viel einfacher.
 
Dafür genügen imo Dur, melodisch Moll und (für 7b9) HTGT.
Ja. Es kommt natürlich auf den Improvisationstil an. Aber ich spiele/ übe auch eher in Beziehung auf die Tonart, mit Akkordbrechungen und durch Ornamente akkordtonbezogen und als "stur" Akkordskalen. Unter Pentatonik fasse ich auch deren Varianten Major Blues Scale und Minor Blues Scale zusammen.

Akkord und Akkordskala sind optimal aufeinander bezogen, aber von Kausalität ist in meinen Quellen nirgends die Rede. Statt Levine würde ich mich auf Sikora beziehen, der erläutert gut und bleibt auch keine Anwendung schuldig. Mark Levine war noch "alte Schule. Einer der kompetenten YT Creators sagte über Levine Jazz Theory sinngemäß sehr schön: man müsste eigentlich vorher schon wissen, was man durch das Buch erst lernen will, dann wäre es hervorragend. :D

Ab ins Ristorante

Gruß Claus
 
Grund: kl. Korrekturen
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und als "stur" Akkordskalen.
Stur würde ich weder Akkorde noch Skalen noch sonstwas üben 🙂
Akkord und Akkordskala sind optimal aufeinander bezogen, aber von Kausalität ist in meinen Quellen nirgends die Rede.
Darum schrieb ich auch, dass man erstmal eine Scale pro Akkord hat, da gibt es imo schon meistens eine, mit der man überall klarkommt.
Den Ansatz über Akkorde finde ich ja auch super.
Eine Scale muss man ja auch nicht als Tonleiter nur zum hoch und runter spielen verstehen, sondern auch als eine Akkordbrechung (1 3 5 7 9...)

Ab ins Ristorante
Guten Appetit! 🍕
 
Darum schrieb ich auch, dass man erstmal eine Scale pro Akkord hat.
Die Aussage wundert mich ein wenig, weil Du dich in Jazz Harmony eingearbeitet hast. Falls das mit Levine, Jazz Theory geschah, dann schau doch gelegentlich zum Vergleich der Themenbehandlung bei Sikora (inkl. seiner vertiefenden PDF). Bei deinem Interesse am Verstehen von Jazzharmonik finde ich Sikora schon die bessere Wahl.

Die Akkordskalentheorie ist ein nützliches Werkzeug zur Untersuchung jener Popularmusik, für die sie entwickelt wurde: (vor allem) Jazz, Blues und Pop, die Kernkompetenz liegt also bei "Unterhaltungs-Musik" seit den Zeiten der Tin Pan Alley und bis in die späten 50er Jahre.

Akkordskalentheorie untersucht in der wesentlichen Anwendung die harmonischen Funktionen der Akkorde in Beziehung aufeinander, erst daraus ergibt sich die jazztheoretisch entsprechende Skala. Wenn man in der Praxis vor allem bei Dominanten andere Entscheidungen trifft, dann ist das noch einmal etwas anderes, aber es sollte eben nicht "beliebig" geschehen.

Was ist an der Aussage im Zitat falsch?
Schon für die einfachst-möglichen Beispiele sehe ich kein "erstmal", nur ein "entweder - oder".
Fmaj7: ionsch in F-Dur, lydisch in C-Dur
Dm7: dorisch in C-Dur, phrygisch in Bb-Dur, äolisch in F-Dur

Akkordskalentheorie demonstiert am Beispiel: Have You Met Miss Jones

Gruß Claus
 
Grund: kl. Überarbeitung
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Schon für die einfachst-möglichen Beispiele sehe ich kein "erstmal", nur ein "entweder - oder".
Mit "Bread and Butter" meine ich, wenn ich jemandem erstmal erkläre, wie man über einen Titel improvisiert.
Dann möchte ich nicht mit mehreren Varianten anfangen, sondern erst einmal eine Variante anbieten, die in 80% der Fälle funktioniert.

Dass man immer Sachen findet, wo das dann nicht passt, ist klar.

Schon für die einfachst-möglichen Beispiele sehe ich kein "erstmal", nur ein "entweder - oder".
Fmaj7: ionsch in F-Dur, lydisch in C-Dur
Du weißt das natürlich alles, aber trotzdem: Hier gehen ja normalerweise beide Varianten, wenn nicht grade ein 4-3 Vorhalt oder die #11 in der Melodie ist. Der Unterschied ist nur die Quarte, und die wird in den meisten Stücken sowieso nicht auf schweren Tönen verwendet.

In der Impro kann man ohne Vorbereitung ionisch spielen und die Quarte "avoiden" und macht erstmal nichts falsch. Oder wenn es etwas moderner klingen soll und Platz ist, die #11 spielen.
Bei Swing oder American Songbook-Titeln würde ich immer für einen Dur-Akkord erstmal ionisch ohne 11 nehmen. Im Akkord kann man 9, 13 und die maj7 verwenden, passt.

Dm7: ... phrygisch in Bb-Dur
Aus meiner bescheidenen Praxis gesprochen: Phrygisch habe ich über Dm noch nie gespielt. Eb ist die Quarte in Bb-Dur, die spiele ich dann ohnehin standardmäßig nicht. Spielt man Dorisch über D, ist das E nicht dissonant und in Bb dann die #11, die auch gut klingt.
Ohne weitere Infos würde ich persönlich auch in einer Bb-Progression einfach keinen Ton Eb spielen, wenn Dm da steht. Dann muss man sich auch nicht darüber Gedanken machen.


Ich habe vorhin, weil wir grade bei den Büchern waren, ein bisschen im Mark Levine Jazz Piano gelesen. In seinem Kapitel über Scales schreibt er in der Einleitung:
"...the best jazz musicians think of them as an 'available pool of notes' to play on a given chord, rather than as 'do-re-mi...' and so on [...]
The scale and the chord are for the most part two forms of the same thing."
Die Skala ist also in dem Sinne keine Tonleiter, sondern der Tonvorrat, der über den Akkord gut klingt. Ein Tonvorrat, der passt (so würde ich available pool mal ganz praktisch übersetzen) muss ja nicht zwangsweise eine komplette Tonleiter ergeben. Klar ist das in der Theorie schön. Aber was nützt mir ein Ton in einer theoretischen Scale, den ich eh nicht verwenden kann.

Für mich heißt das, wenn für das Stück die 11 dissonant klingt und die #11 zu modern, dann spiele ich halt auf schwere Taktzeiten keine 11, weil sie nicht zu meinem "available pool of notes" gehört.
Ob das dann eine Ionisch ohne 11 oder eine Lydische ohne #11 ist ... wäre mir in dem Fall egal. ;)
Als Durchgangsnote/Approach tone usw. geht dann wahrscheinlich auch beides, die 11 mehr in Richtung 3 und die #11 in Richtung 5.

Genauso mit Moll und der b6. Die klingt für mich meistens im Akkord nicht gut und gehört deshalb vielleicht theoretisch zur Scale, wenn du bei der IIm schon an die I denkst, aber praktisch ist sie nicht verwendbar.

Dh wenn ich es einem Einsteiger erkläre oder selbst keinen weiteren Kontext habe, spiele ich über D-Moll immer Dorisch, und über Dur Dur (avoid 11).
Und wenn die große 6 (13) bei Dorisch nicht gut klingt, dann merke ich das und spiele beim nächsten Mal keine 6 oder die kleine.

So ist jedenfalls mein praktischer Ansatz, mit dem ich aktuell gut klar komme - ich lerne aber wie Du weißt immer gern dazu; also wenn irgendwas davon falsch oder unpassend sein sollte, bin ich offen.

Ich arrangiere aber idR auch nicht, sondern improvisiere. Bei einem durchkomponierten Arrangement hat man natürlich mehr Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Und natürlich wird es musikalisch auch interessanter, wenn man mehr Auswahl hat.

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EDIT
Schaue mir gerade das Video an.
Vielleicht liegt es ja auch ein bisschen an einer anderen Herangehensweise, dass ich da pragmatischer bin?
In der ersten Zeile von Have you met Miss Jones

1757419151271.png


erklärt er, dass F#° "the seven diminished of the target" VII°/II ist. Bei mir ist das einfach ein D7b9 ohne Grundton als Zwischendominante zu G. Als Stufe wäre die Zeile eine I - VI - II - V,
Der Tonvorrat dürfte damit aber der Gleiche sein - für mich F-Dur (avoid 11) / D HTGT / G Dorisch / C mixo (ggf. mit Alterationen nach Kontext).

In der Bridge (5:00 min ff.) erklärt er, dass das III - VI- II in einer III - VI - II - V - I keine Modulation nach VI sein sollte, sondern diatonisch, weil das für die Hörer nicht so anstrengend ist.
Ich kann das nachvollziehen, aber im konkreten Beispiel
1757420199135.png

ist das (nach meinem Eindruck) durch die Zwischendominante D7b9, die ja gerade nicht diatonisch ist, nicht eindeutig. Ich kann ja über D7b9 nicht die F-Dur-Scale spielen.
Diatonisch wäre Am7 - Dm7 - Gm7 - C7. In dem Moment, wo ich eine "echte" IIm-V7 spiele, schaffe ich, wenn auch kurz, ein neues tonales Zentrum, was natürlich auch von der Form her noch keinen Ruhepunkt darstellt und sich wieder zur Tonika weiterbewegt.

Also ich kann seinen pädagogischen Ansatz nachvollziehen, aber für mich sind da beide Denkweisen schlüssig und führen letztlich auch nicht zu total unterschiedlichen Resultaten.
Pragmatisch spiele ich da Am dorisch / D HTGT / G dorisch / C mixo (oder alt. oder HTGT) - F (avoid 11).
Wenn bei Am7 ein Ton Bb in der Melodie ist, müsste man natürlich das spielen und nicht B (H), das merkt man dann ja aber.

Ich hoffe, mein Ansatz ist soweit plausibel - wenn nicht, wie gesagt immer her mit Kritik ;)

BTW - Nutzt Du seine "Map" für die Akkordzusammenhänge?

1757420753272.png


Für mich sieht das auf den ersten Blick übermäßig kompliziert aus, aber es ist interessant, dass ich mir über eine grafische Repräsentation der Funktionszusammenhänge noch nie Gedanken gemacht habe. Das passiert bei mir glaube ich mit einer inneren Repräsentation der Tastatur und des Quintenzirkels.
 

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Aus meiner bescheidenen Praxis gesprochen: Phrygisch habe ich über Dm noch nie gespielt. Eb ist die Quarte in Bb-Dur, die spiele ich dann ohnehin standardmäßig nicht. Spielt man Dorisch über D, ist das E nicht dissonant und in Bb dann die #11, die auch gut klingt.
Ohne weitere Infos würde ich persönlich auch in einer Bb-Progression einfach keinen Ton Eb spielen, wenn Dm da steht. Dann muss man sich auch nicht darüber Gedanken machen.
Bitte in folgenden Beispielen die Dm-Stelle mit Achteln aus der Phrygischen Skala ausfüllen, sodaß die Avoid Notes als Scale Approaches auftreten.
1757426181105.png

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1757426672450.png

1757426561560.png
 

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Mit "Bread and Butter" meine ich, wenn ich jemandem erstmal erkläre, wie man über einen Titel improvisiert.
"Bread and Butter" lese ich in Beitrag #68 hier zum ersten Mal - daher kann ich nicht wissen, was das bei dir bedeutet.
Den denkbar einfachsten Einsteig kann ich mir so vorstellen: Pentatonik und deren Blues Scales über eine einfache Blues-Form. Geht es um die Improvisation mit Dur- oder Molltonleitern laden die üblichen Verdächtigen zur Anwendung ein.
10 Reasons To Learn Blues Before Jazz
Major Blues Scale über Turnaround
Solo Over Fly Me to the Moon With Just 2 Scales
Schüler im Unterricht haben den großen Vorteil, Tips und Beispiele zu bekommen oder Frage / Antwort (Trading Twos, Trading Fours) spielen zu können.

Jede elementare Musiklehre erläutert das Dur/Mollsystem: den Anfang bildet die Stammtonreihe als "C Dur". Die durch Terzschichtung dieses Tonmaterials gebildeten Stufenakkorde (Dreiklänge) lassen sich durch eine weitere Terzschichtung auf den Stufen zu Vierklängen der erweitern.

Würde man diese Terzschichtung fortsetzen, erhält man jeden Stufenakkord mit allen Tensions als vertikale Akkordskala, wenn man die Töne horizontal sortiert. In der Grafik habe ich den in der Oktav wiederholten Grundston eingeschlossen, um die wiederholbare Schichtung bzw. Reihung anzudeuten.
Akkordskala.jpg

Das stellt den einfachsten Fall einer Veranschaulichung der Akkordskalentheorie dar. Bei korrekter Ausführung des Beispiels für die Tonarten und Terzschichtung auf deren Stufen erhält man die Modi der Durtonleiter und bei Übertragung auf andere Tonarten, was ich oben erwähnte habe: Dm7 in C-Dur ergibt die Akkordskala dorisch, in Bb Dur phrygisch und in F-Dur äolisch.

Gruß Claus
 

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