Wir wurden dieses Jahr kurzfristig zu der Abschlußfeier der Berlinale gebucht. Das Booking beruhte auf einem Kontakt zu einem großartigen FOH-Techniker, der diese Veranstaltung betreute und uns auf Nachfrage einer russischen Filmcrew (diese hatten einen sozialkritischen Film über das Russland der 50'er Jahre gedreht) vorschlug.
Da muß ungefähr so ausgesehen haben:
Crew:"..wir brauchen Kapelle, wo macht alte Musik!"
FOH:"Wie alte Musik? Mehr so russische Folklore oder wie?"
Crew:"...so Kapelle, wo macht Musik aus Zeit, wo Film spielt."
FOH:"Naja, da gibt's ja etliche Richtungen. Also eher so was ruhiges? Also mehr akustisch oder...."
Crew:"Nix leise! Leute müssen Spaß haben, tanzen, Wodka trinken..."
FOH:"Also doch was fetziges..."
Crew:"Was bedeutet fetzig? Ist fetzig, wo Leute tanzen und Wodka trinken?"
FOH:"Naja, ääähhh..."
Crew:"...brauchen wir Kapelle, wo macht laute Musik aus Zeit, wo Film spielt, damit Leute tanzen und trinken. Hast Du?"
FOH:"Damit wir uns richtig verstehen! Ihr wollt eine Band, die ordentlich Dampf macht und Mucke aus den Fifties bringt, damit die Party in Schwung kommt..."
Crew:"Ja, Party machen gut! Wodka trinken gut! Frauen tanzen und trinken Wodka. Gut! Hast Du so Kapelle?"
FOH:"Naja, eigentlich schon. Aber die singen halt in englisch und gehen recht deftig zur Sache...."
Crew:"Wohin gehen die? Aber englisch nicht schlimm. Dann verstehen alle..."
FOH:"Ich will sagen, die machen halt schon sehr aggressive..."
Crew:"Sag Du denen Bescheid! Keine Diskussion mehr!"
FOH:"Wenn ihr meint. Sind aber nicht billig, die haben viel zu tun."
Crew:"Geld egal! Wir haben Sponsor, wo hat genug.."
Ich glaube übrigens, unser FOH war froh, daß er aus der Nummer raus war und nicht mit Betonpantoffeln in der Spree versenkt wurde.
Jedenfalls klingelte bei uns das Handy, uns wurde Zeitpunkt, Konditionen, etc. erläutert und welche Backline usw da wäre. Und mal'n schneller Gig für ordentlich Asche läßt man sich eben nicht entgehen. Also zugesagt.
Jedoch wurde uns auch gesagt, wir hätten in angemessener Abendgarderobe, geschiegelt und gebügelt, dort zu erscheinen und die Rasur und den Friseur nicht zu vergessen.
Damit wurde uns langsam bewußt, auf was wir uns da eingelassen hatten und welches Publikum uns erwarten würde.
Blieb uns also nichts anderes übrig, die fehlende Garderobe durch Besuche bei C&A usw. zu ergänzen. Das Bandkonto hat echt richtig gelitten. Aber wer weiß, wofür man es später noch brauchen kann.
Beim Eintreffen in der Location wurden wir dann aber echt nervös. Zum einen war dort bereits ein Riesentrubel zugange, zum anderen rissen uns die Techniker die Amps und Instrumente aus dem Transporter und bemerkten knochentrocken:
Techniker:"..ihr seid 2 Stunden zu spät zum Soundcheck. Der fällt also flach. Muß so gehen!"
Band:"Wieso zu spät? Uns wurde gesagt..."
Techniker:"Ist mir scheißegal! Baut auf und verkabelt euer Zeug! Ihr Musiker seid echt das letzte! Jedesmal Extrawürste und Ärger!"
Band:"Krieg Dich wieder ein und trink'n Schluck und strahl Ruhe aus!"
Techniker:"Ich trinke nicht, wenn ich arbeiten muß! Das ist sowas von unprofessionell!"
Band:"Tja, und wir können nicht nüchtern auffe Bühne. So hat jeder sein Päckchen zu tragen!"
Techniker:"
!!!!"
Knappe 1/4 Stunde später war alles aufgebaut und abgemiked und wir hatten etwas Zeit uns im Saal mal umzusehen. Sämtliche Nationalitäten, von Politikern über Künstler und Filmsternchen bis hin zu besoffenen (bekannten) Schauspielern. Very strange! Trotz angemessener Kleidung haben wir uns selten so deplaziert gefühlt. (...und wir hatten schon schlimme Gigs bei seltsamen Leuten...)
Irgendwie hatten wir alle ziemlich den Zipfel in der Hose, als wir dann gegen 22 Uhr angekündigt wurden, mit den Worten:
Laudator:"..ganz besonders freue ich mich auch auf die musikalische Darbietung der russischen Folkloreband.."
(guckt auf seinen Zettel)
"...äähhh, Raik and the Chainballs! Aber lassen sie mich noch etwas sagen..."
(leise hinter der Bühne)
Sänger:"Ach Du Scheiße! Die Russen legen uns um! Die denken echt alle, wir machen hier auf volkstümlich."
Gitarre:"Ja, die erwarten hier jetzt russischen Musikanten-Stadl, oder was?"
(Drummer lacht sich halb tot)
Sänger:"Sag mal, Schlagzeuger, was hast Du denn zu feiern? Du stehst ja nicht vorne auf der Bühne! Ey, ich gehe da nicht raus!"
Bass:"Soll ich Dir sagen, was -Guten Abend- auf russisch heißt?"
Sänger:"Wieso das denn?"
Bass:"Naja, wäre doch nett!?"
Gitarre:" Wie war das? Dobrä Vätschä oder so, ne? Das war doch in diesem dämlichen Porno, den Du mir das letzte Mal ausgeliehen hast! Seit wann werden eigentlich Pornos untertitelt..."
Sänger:"Topre Vetsche? Gott, ist mir das peinlich!"
Bass:"Nee, Du mußt das weicher sprechen und das r mehr rollen!"
(Sänger faselt leise das ihm gesagte vor sich hin)
Gitarre:"So, Mädels! Wir müssen raus. Jeder noch'n ordentlichen Schluck genommen und los geht die wilde Fahrt!"
Drummer:"Uuupppss, ich habe die Set-Listen im Backstage vergessen. Brauchen wir die denn?"
Sänger:"Nee, oder? Das könnt ihr doch nicht ernst meinen!"
Gitarre:"Druff jeschissen! Kann man bei dem Licht eh nicht lesen!"
Band reicht die Pulle rum und macht zu viert eine 3/4 Flasche Daniels in weniger als 30 Sekunden nieder.
Alles in allem war der Gig großartig! Hat zwar etwas gedauert, bis das Publikum und die Band die Scheu voreinander verloren hat, aber danach ging es super voran.
Die Leute haben tierisch gefeiert und sich ziemlich vergessen.
Allerdings haben der Kontrabasser und ich uns die nagelneuen Hosen ziemlich lädiert, als wir da unsere Show abgezogen haben (und ich habe ihm beim "auf den Bass steigen" den Stachel abgebrochen. Weiterhin habe ich dem FOH sein Bändchenmikro durchgeschossen).
Zwei Stunden und etliche Zugaben später sind wir schweissnass und sturzbetrunken von der Bühne. (wir haben permanent Wodkagläser vom Filmemacher und Veranstalter auf die Bühne gekriegt)
Danach wurde mit der Filmcrew (und ein paar sehr hübschen russischen Miezen, die waren bestimmt teuer) bis morgens um sechs gefeiert.
Hat allen prima gefallen und wir haben jetzt demnächst jeweils zwei Gigs in Kiew und Moskau!
Soll heißen: Nehmen, wie es kommt und das Beste daraus machen!
mfg
. Dann gabs noch eine künstlerische Erotikdarbietung (blanker Stripp fürs schlichte Gemüt 
)
